Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 10.12.1998, Az.: 2 A 2212/98
Befreiung eines Studenten von der Rundfunkgebührenpflicht ; Dauerverwaltungsakte mit Rechtswirkung auch für die Zukunft; Einkommensgrenze im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 7 der Verordnung über die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht vom 3. September 1992 (BefrVO) ; Zurechnung der Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht zur Massenverwaltung
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 10.12.1998
- Aktenzeichen
- 2 A 2212/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 17626
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGGOETT:1998:1210.2A2212.98.0A
Rechtsgrundlagen
- § 5 Abs. 5 S. 2 BefrVO,NI
- § 1 Abs. 1 Nr. 7 BefrVO,NI
Verfahrensgegenstand
Rundfunkgebührenbefreiung aus sozialen Gründen
Prozessführer
Student ...
Prozessgegner
Norddeutscher Rundfunk, Rothenbaumchaussee 132, 20149 Hamburg,
Redaktioneller Leitsatz
Liegt das monatliche Einkommen eines Studenten bei durchschnittlich 930,77 DM und übersteigt somit nicht die in § 1 Abs. 1 Nr. 7 BefrVO genannte Einkommensgrenze, so besteht ein Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht. Da die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht zur Massenverwaltung gerechnet werden muß, kommt es nicht darauf an, ob der Student höhere Unterhaltsansprüche gegen Dritte hätte.
Die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Göttingen hat
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Prilop,
den Richter am Verwaltungsgericht Pardey,
die Richterin am Verwaltungsgericht Schneider sowie
die ehrenamtlichen Richterinnen ... und ...
auf die mündliche Verhandlung vom 10. Dezember 1998
für Recht erkannt:
Tenor:
Der Bescheid des Beklagten vom 1.12.1997 in Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 27.5.1998 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, den Kläger von der Pflicht zur Zahlung von Rundfunkgebühren für den Zeitraum vom 1.11.1997 bis zum 31.12.1998 zu befreien.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte; Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des festzusetzenden Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger, Student in ... begehrt vom Beklagten die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht für die Zeit vom 1. November 1997 bis zum 31. Dezember 1998.
Der Kläger, der von Dezember 1994 bis einschließlich November 1996 von der Pflicht zur Zahlung der Rundfunkgebühren befreit war, beantragte am 29. Oktober 1997 (Eingang bei der Stadt Göttingen: 31. Oktober 1997, beim Beklagten: 11. November 1997) für den Zeitraum ab dem 1. November 1997 die Befreiung für ein Hörfunk- und ein Fernsehgerät, die er gleichzeitig ab dem 1. November 1997 anmeldete. Im dazu gehörigen Fragebogen gab er an, ein monatliches Einkommen von 900 DM zu haben und 294,80 DM an Kaltmiete (335 DM Warmmiete) zu zahlen.
Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 1. Dezember 1997 eine Befreiung ab. Zur Begründung führte er an, daß der Kläger finanziell von seinen Eltern unterstützt werde und zum üblichen Lebensbedarf, den die Eltern zu decken hätten, auch die Rundfunkgebühren zählten. Mit Schreiben vom 11. Dezember 1997, das am 12. Dezember 1997 beim Beklagten einging, legte der Kläger Widerspruch gegen die Ablehnung ein. Er berief sich darauf, die Einkommensgrenze des § 1 Abs. 1 Nr. 7 der Befreiungsverordnung nicht zu überschreiten. Diese betrage 796,50 DM plus Kosten für die Unterkunft (in seinem Fall 335 DM), also 1.131,50 DM. Tatsächlich verfüge er aber nur über 900 DM monatlich. Selbst wenn seine Eltern ihm den in der Düsseldorfer Tabelle vorgesehenen Regelsatz i. H. v. 1.050 DM zahlten, läge er immer noch unter der Einkommensgrenze.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Mai 1998 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Die Berechnung einer Einkommensgrenze hielt er für entbehrlich, weil die Eltern des Klägers dessen Unterhalt, zu dem auch die Rundfunkgebühren gehörten, in angemessener Höhe zu zahlen hätten. Eine Befreiung komme nur in Betracht, wenn der Kläger glaubhaft mache, daß keine höheren Unterhaltsleistungen erbracht werden könnten. Er habe nicht nachgewiesen, daß er versucht habe, von seinen Eltern entsprechende Zahlungen zu bekommen.
Am 15. Mai 1998 hat der Kläger Klage erhoben. Er legt zwei Kontoauszüge von Juli und Oktober 1998 vor, aus denen sich Überweisungen i. H. v. je 900 DM durch seine Eltern ergeben. Er ist der Ansicht, gem. § 1 Abs. 1 Nr. 7 Befreiungsverordnung Anspruch auf eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht zu haben. Sein Einkommen von monatlich 900 DM liege unter der für ihn maßgeblichen Einkommensgrenze des § 1 Abs. 1 Nr. 7 Befreiungsverordnung. Ausschlaggebend sei allein die tatsächliche Höhe des Einkommens, nicht seine Herkunft. Andernfalls würden Unterhaltsleistungen und Arbeitseinkünfte ohne sachlichen Grund ungleich behandelt. Entscheidend sei sein Einkommen, nicht das seiner Eltern. Rundfunkgebühren gehörten nicht zum angemessenen Lebensunterhalt, wie sich schon daran zeige, daß Sozialhilfeempfänger stets die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 7 Befreiungsverordnung erfüllten. Außerdem hätte er gegen seine Eltern gemäß der Düsseldorfer Tabelle nur einen Anspruch auf Unterhalt i. H. v. 1.050 DM, womit er immer noch unterhalb der Einkommensgrenze liege.
Er habe bei der Antragstellung beim dafür zuständigen Sozialamt der Stadt ... Reine Unterhaltserklärung seiner Eltern und eine Kopie des Mietvertrages vorgelegt. Damit habe er seiner Pflicht zur Glaubhaftmachung der Befreiungsvoraussetzungen gem. § 5 Abs. 4 Befreiungsverordnung genügt. Nachweise über Bemühungen des Klägers, von seinen Eltern höhere Unterhaltsleistungen zu erzielen, gehörten nicht zu den Befreiungsvoraussetzungen und dürften daher vom Beklagten nicht verlangt werden.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 1. Dezember 1997 in Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 27. Mai 1998 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihn von der Pflicht zur Zahlung von Rundfunkgebühren für den Zeitraum vom 1. November 1997 bis zum 31. Dezember 1998 zu befreien.
Der Beklagte beantragt.
die Klage abzuweisen.
Nachdem er den Widerspruchsbescheid (nach Erhebung der Klage) erlassen hat, hat er den Rechtsstreit in der Hauptsache einseitig für erledigt erklärt.
Er hält seinen Bescheid für rechtmäßig. Der Kläger sei seiner Pflicht zur Glaubhaftmachung nach § 5 Abs. 4 Befreiungsverordnung nicht nachgekommen. Er habe nämlich bei Antragstellung keine Nachweise über die Höhe des Unterhaltes und des Mietzinses vorgelegt. Das tatsächliche Einkommen der Eltern sei nicht angegeben worden. Der Kläger bzw. dessen Eltern sollten eidesstattlich versichern und darlegen, warum nicht der in der Düsseldorfer Tabelle angeführte Regelsatz gezahlt werde. In Süddeutschland würden Studenten, die von ihren Eltern unterhalten würden und weniger als diesen Regelsatz erhielten, regelmäßig nicht von der Rundfunkgebührenpflicht befreit.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger an Eides Statt versichert, prinzipiell außer dem monatlichen Betrag von 900 DM seiner Eltern keine Unterhaltsleistungen zu erhalten und keine sonstigen Einkünfte zu haben. Lediglich im Frühjahr des Jahres 1998 habe er während eines einmonatigen Praktikums 1.300 DM brutto verdient, allerdings auch keine Unterhaltsleistungen seiner Eltern erhalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen. Die Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig.
Solange der Widerspruchsbescheid noch nicht ergangen war, war die Klage gem. § 75 S. 1, 2 VwGO zulässig, weil der Beklagte ohne zureichenden Grund über den Widerspruch nicht innerhalb von drei Monaten entschieden hatte.
Seit dem Erlaß des Widerspruchsbescheides handelt es sich um eine Verpflichtungsklage gem. § 42 Abs. 1 VwGO. Die einseitige Erledigungserklärung des Beklagten ist unbeachtlich.
Das Vorverfahren gem. § 68 VwGO ist für den gesamten streitbefangenen Zeitraum durchgeführt worden (a. A. OVG Lüneburg Beschl, v. 25.6.1997 - 4 L 3311/96 -; VG Braunschweig Urt. v. 30.7.1998 - 4 A 4401/97 -, die eine gerichtliche Entscheidung lediglich bis zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides für zulässig halten).
Zwar geht das BVerwG in ständiger Rechtsprechung für Ansprüche auf Sozialhilfe davon aus, daß sie nur in dem zeitlichen Umfang in zulässiger Weise zum Gegenstand verwaltungsrichterlicher Kontrolle gemacht werden können, in dem der Träger der Sozialhilfe den Hilfefall geregelt hat, weil Sozialhilfeleistungen keine rentenähnlichen Dauerleistungen mit Versorgungscharakter seien und weil es nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichts sei, den Hilfefall unter Kontrolle zu behalten (BVerwG NVwZ 1987, 412 (412) [BVerwG 16.01.1986 - BVerwG 5 C 36/84][BVerwG 20.05.1986 - 1 C 12/86]; dazu Birk-Brühl/Conradis, BSHG, 5. Aufl. 1998, Anh. III Rn. 85 ff.).
Bei der Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht handelt es sich indes nicht um Sozialhilfeleistungen. Die Befreiung wird - wie weiter unter auszuführen sein wird - vielmehr nach pauschalierten und typisierten Regelungen in einem Verfahren der Massenverwaltung bewilligt. Die Befreiungsverordnung sieht in § 5 Abs. 5 S. 2 vor, daß die Befreiung bis zur Dauer von drei Jahren erteilt werden kann. Davon macht auch der Beklagte Gebrauch und stellt - jedenfalls die studentischen - Antragsteller für ein Jahr im voraus oder länger von der Rundfunkgebührenpflicht frei. Dies ist auch sachgerecht, weil sich das Einkommen bei Studierenden während des Studiums in der Regel kaum wesentlich verändert. Bei Änderungen des Einkommens während des Befreiungszeitraums endet gem. § 5 Abs. 5 S. 3 BefrVO die Befreiung ohnehin. Sowohl bei den Freistellungen von der Rundfunkgebührenpflicht als auch bei den ablehnenden Bescheiden handelt es sich um Dauerverwaltungsakte mit Rechtswirkung auch für die Zukunft. Die Befreiung ist damit insoweit der Gewährung von Wohngeld vergleichbar, das gem. § 27 WoGG ebenfalls für einen längeren Zeitraum gewährt wird. Deshalb ist es nicht sachgerecht, die gerichtliche Überprüfung auf den Zeitraum bis zum Erlaß des Widerspruchsbescheides zu beschränken.
Die Klage ist auch begründet.
Der Kläger hat gem. § 1 Abs. 1 Nr. 7 der Verordnung über die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht vom 3. September 1992 (Nds. GVBl. 1992, 239) - im folgenden: BefrVO - einen Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht für den Zeitraum vom 1. November 1997 bis zum 31. Dezember 1998. Der entgegenstehende Bescheid des Beklagten vom 1. Dezember 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Mai 1998 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1. Abs. 5 S. 1 VwGO).
Nach der genannten Vorschrift werden Personen, deren monatliches Einkommen ... eine Einkommensgrenze nicht übersteigt, die sich ergibt aus dem Einhalbfachen des Regelsatzes der Sozialhilfe (§ 22 BSHG) für den Haushaltsvorstand und den Kosten der Unterkunft, von der Rundfunkgebührenpflicht befreit; das Einkommen bestimmt sich nach den §§ 76 bis 78 BSHG, Gemäß § 5 Abs. 4 S. 1 BefrVO sind die Voraussetzungen für die Befreiung glaubhaft zu machen.
Das Einkommen des Klägers übersteigt nicht die in § 1 Abs. 1 Nr. 7 BefrVO genannte Einkommensgrenze. Maßgeblich sind allein seine tatsächlichen Einkünfte. Es kommt weder auf etwaige Unterhaltsansprüche des Klägers gegen seine Eltern noch auf das Einkommen seiner Eltern an.
Die entsprechende Anwendung der §§ 76 bis 78 BSHG führt zu dem Ergebnis, daß zu dem Einkommen im Sinne der genannten Vorschriften nicht sog. "fiktive Einkünfte" zählen, die ein Antragsteller zwar erzielen kann, die ihm aber tatsächlich nicht zufließen (OVG Lüneburg OVGE 39, 359 (360); 41, 506 (507); OVG Hamburg ZfSH/SGB 88, 313 (314); Beschl. der Kammer v. 3.4.1998 - 2 A 2049/97; Oestreicher/Schelter/Kunz-Kunz, BSHG, Stand: Aug. 1998, § 76 Rn. 6; Birk-Brühl, BSHG, § 76 Rn. 12; Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, 15. Aufl. 1997, § 76 Rn. 11; Mergler/Zink, BSHG, 4. Aufl., Stand: Jan. 1998, § 76 Rn. 21; vgl. auch BVerwGE 21, 208 (211)[BVerwG 02.06.1965 - V C 63/64], das allerdings alsbald realisierbare Ansprüche für Einkommen i.S.d. § 76 BSHG hält; a. A. VGH Mannheim Urt. v. 3.11.1983 - 2 S 2593/82; Herb. Anm. zum Urteil des VG Karlsruhe v. 22.2.1993 - 5 K 258/93 - ZfSH/SGB 1994, 192 (194)). Das gilt jedenfalls für Unterhaltsansprüche, die noch von keiner BAföG-Behörde als Elternanteil im Rahmen der Ausbildungsförderung errechnet worden sind. Ob ein solcher Elternanteil als realisierbares Einkommen unabhängig davon, ob es tatsächlich geleistet wird, in Ansatz gebracht werden darf (so VGH Kassel Urt. v. 27.10.1994 - 5 UE 851/94 -, DÖV 1995, 786), ist hier nicht zu entscheiden.
Im Hinblick auf die BefrVO ist keine andere Auslegung des Begriffs "Einkommen" geboten (OVG Lüneburg OVGE 39, 359 (361); 41, 506 (508),auch zum folgenden). Gerade bei der Rundfunkgebührenbefreiung handelt es sich um Massenverwaltung, die generalisierende und pauschalisierende Regelungen benötigt. Im Rahmen der Leistungsverwaltung geht der Gesetzgeber häufig von einem typischen Erscheinungsbild aus (und ist hierzu auch berechtigt) und regelt danach die zu gewährenden Leistungen generalisierend. Im Bereich der Massenverwaltung kann im Interesse der Praktikabilität auf die gesetzestechnischen Mittel der Generalisierung und Pauschalisierung nicht verzichtet werden, auch wenn dies zu Lasten der Einzelfallgerechtigkeit geht. Ein Gesetz, das seiner Natur nach generalisieren und pauschalisieren muß, kann nicht alle Einzelfälle berücksichtigen; es genügt, wenn es eine für möglichst viele Tatbestände angemessene Regelung schafft. Die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht muß zur Massenverwaltung gerechnet werden (ebenso VGH Kassel Urt. v. 27.10.1994 - 5 UE 851/94). Dies ist auch aus § 1 BefrVO unmittelbar zu entnehmen. Der Verordnungsgeber hat durchweg typisierende, generalisierende und pauschalisierende Regelungen geschaffen (ebenso VGH Kassel Urt. v. 27.10.1994 - 5 UE 851/94). Die Einkommensgrenze ergibt sich aus dem 1 1/2 fachen des Regelsatzes der Sozialhilfe, ohne daß weitere Besonderheiten des Einzelfalles berücksichtigt werden; das Vermögen ist gänzlich unerheblich. Angesichts dessen erscheint es ausgeschlossen, der Verordnungsgeber habe den mit der Rundfunkgebührenbefreiung befaßten Behörden und den Landesrundfunkanstalten eine Ermittlung aufbürden wollen, wie sie erforderlich wäre, wenn nicht an den tatsächlichen Zufluß der Mittel angeknüpft würde, sondern an realisierbare Forderungen. Gerade die Ermittlung von Unterhaltsansprüchen wäre sehr aufwendig. Ein solcher Aufwand erscheint um so weniger sinnvoll, als es bei der Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht nur um verhältnismäßig geringfügige Beträge geht (ebenso VGH Kassel Urt. v. 27.10.1994 - 5 UE 851/94).
Aufgrund der eben erwähnten Gesichtspunkte der Pauschalisierung und der Praktikabilität führen auch weder der in § 2 BSHG normierte Grundsatz der Nachrangigkeit von Sozialhilfe noch der sozialrechtliche Grundsatz der Subsidiarität hier dazu, daß der Kläger zunächst versuchen müßte, etwaige höhere Unterhaltsansprüche gegen seine Eltern geltend zu machen, oder nachzuweisen hätte, daß diese keinen höheren Unterhalt zahlen (für die Anwendung des allgemeinen Subsidiaritätsgrundsatzes aber Herb. Anm. zum Urteil des VG Karlsruhe v. 22.2.1993 - 5 K 258/93 - ZfSH/SGB 1994, 192 (194), mit der Folge, daß zunächst das eigene Vermögen eingesetzt werden muß; wohl auch VGH Kassel Urt. v. 27.10.1994 - 5 UE 851/94). Käme es nämlich darauf an, ob ein Antragsteller höhere Unterhaltsansprüche gegen Dritte hätte und daher nicht bedürftig wäre, müßte dies im Verfahren über die Rundfunkgebührenbefreiung detailliert geprüft werden, was der Verordnungsgeber gerade nicht beabsichtigt hat.
Gegen die Anwendung von § 2 BSHG spricht weiterhin, daß es sich bei der Rundfunkgebührenbefreiung nicht um eine Sozialhilfeleistung i.S.d. BSHG handelt. Auch aus der Verweisung des § 1 Abs. 1 Nr. 7 BefrVO auf die §§ 76 bis 78 BSHG folgt nichts anderes. Denn § 1 Abs. 1 Nr. 7 BefrVO verweist nur zur Bestimmung des Einkommens auf die §§ 76 bis 78 BSHG (VGH Mannheim Urt. v. 23.2.1995 - 2 S 3319/94 - zur entsprechenden Vorschrift der RundfunkgebBefrV BW, auch zum folgenden). Die Bezugnahme auf diese Vorschriften ist nur deshalb erfolgt, weil sie als praktikable Regelungen zur Präzisierung des die Rundfunkgebührenbefreiung rechtfertigenden geringen Einkommens erscheinen. Die Grenzen möglicher Gesetzesauslegung würden überschritten, wenn über den Wortlaut der Bestimmung der BefrVO hinaus weitere ungeschriebene Tatbestandsmerkmale, z.B. die in - § 2 Abs. 1 BSHG verankerte Nachrangigkeit der Sozialhilfe, zur Voraussetzung für die Gebührenbefreiung wegen geringen Einkommens gemacht werden würden.
Geht man vom tatsächlichen Einkommen des Klägers vom 1. November 1997 bis zum 31. Dezember 1998 aus, ergibt sich, daß dieses unter der für ihn maßgeblichen Einkommensgrenze des § 1 Abs. 1 Nr. 7 BefrVO liegt.
Das 11/2fache des Sozialhilfesatzes beträgt in Niedersachsen seit dem 1. Juli 1997 808,50 DM, seit dem 1. Juli 1998 810 DM. Die hier entscheidende Kaltmiete des Klägers - also ohne Kosten für Heizung und Strom (vgl. OVG Lüneburg OVGE 41, 506 (506); OVG Münster KStZ 1994, 196 (196); VGH Kassel Urt. v. 27.10.1994 - 5 UE 851/94; VGH Mannheim KStZ 1991, 119 (119); OVG Bremen ZfSH/SGB 88, 596 (597); VG Braunschweig Urt. v. 30.7.1998 - 4 A 4401/97) - ergibt sich zwar nicht aus der vom Kläger vorgelegten Kopie des Mietvertrages. Danach beträgt die Grundmiete 320 DM monatlich, für Strom sind monatlich 15 DM zu zahlen. Auf dem vom Kläger unterschriebenen Antrag auf Befreiung ist die Kaltmiete mit 294,80 DM angegeben. Der Beklagte geht in seiner Klageerwiderungsschrift von einer Kaltmiete i. H. v. 281 DM aus. Unter Berücksichtigung von § 3 Abs. 1 S. 2 SachBezV, wonach der monatliche Wert von Heizkosten 24 DM beträgt, dürfte die Kaltmiete des Klägers 320 DM - 24 DM = 296 DM betragen. Die genaue Höhe ist aber nicht entscheidend, weil das Einkommen des Klägers auch bei der niedrigsten Kaltmiete von 281 DM die Befreiungsgrenze nicht übersteigt. Diese liegt - dann - bis zum 1. Juli 1998 bei 1.089,50 DM (808,50 DM + 281 DM) und danach bei 1.091 DM (810 DM + 281 DM).
Das tatsächliche Einkommen des Klägers betrug jedoch im beantragten Zeitraum monatlich nur 900 DM, mit Ausnahme eines Monats im Frühjahr 1998, in dem er bei einem Praktikum 1.300 DM verdient hat. Daraus ist ein Mittelwert in Ansatz zu bringen (im Ergebnis ebenso VGH Kassel Urt. v. 27.10.1994 - 5 UE 851/94; a. A. VG Braunschweig Urt. v. 30.7.1998 - 4 A 4401/97), so daß sich im gesamten entscheidungserheblichen Zeitraum ein durchschnittliches monatliches Einkommen von (900 DM 12 + 1.300 DM): 13 = 930,77 DM ergibt. Das Gesetz gibt keine Anhaltspunkte dafür, ob einmalige Einnahmen von Studierenden nur in dem Monat zu berücksichtigen sind, in dem sie anfallen, oder ob sie auf einen längeren Zeitraum zu verteilen sind. § 1 Abs. 1 Nr. 7 BefrVO stellt nur auf das monatliche Einkommen ab. § 76 BSHG regelt dazu nichts. Die DVO zu § 76 BSHG bestimmt in § 3 S. 1. daß bei der Berechnung des Einkommens von den monatlichen Bruttoeinnahmen auszugehen ist. Nach S. 2 sind einmalige Einnahmen von dem Monat an zu berücksichtigen, in dem sie anfallen; sie sind, soweit nicht im Einzelfall eine andere Regelung angezeigt ist, auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen und mit einem monatlichen Teilbetrag anzusetzen. Da die BefrVO - wie ausgeführt - eine pauschale und typisierende Regelung enthält und Studierende das in den Semesterferien verdiente Geld in der Regel nicht in dem Monat des Verdienstes ausgeben, sondern es während eines längeren Zeitraum verbrauchen, ist es sachgerecht, von einem durchschnittlichen Einkommen im Befreiungszeitraum auszugehen. Lediglich ergänzend sei angemerkt, dass - da die Einkünfte im Befreiungszeitraum im Zeitpunkt der Entscheidung über die Befreiung häufig noch nicht feststehen - die in der Vergangenheit erzielten Einkünfte als Anhaltspunkt dienen können (vgl. § 8 Abs. 2 i.V.m. § 6 Abs. 3 der VO zu § 76 BSHG); erhöht sich das Einkommen dauerhaft in einem Maße, das die Befreiung entfallen lässt, greift § 5 Abs. 5 S. 3 BefrVO ein (der bereits weiter oben erwähnt wurde).
Der Kläger hat seine Einkünfte gem. § 5 Abs. 4 S. 1 BefrVO glaubhaft gemacht. Wann er das getan hat, ist unerheblich; denn bei Verpflichtungsklagen ist insoweit regelmäßig der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung maßgeblich. Zur Glaubhaftmachung eines Vorbringens ist der Vortrag eines schlüssigen, nachvollziehbaren und widerspruchsfreien Sachverhaltes erforderlich, der es ermöglicht, die vom Verordnungsgeber verlangte Berechnung des Bedarfs und des Einkommens vorzunehmen (VG Braunschweig Urt. v. 30.7.1998 - 4 A 4401/97; Herb. ZfSH/SGB 1994, 192 (192)). Im Gegensatz dazu sieht § 5 Abs. 4 S. 2 BefrVO vor, daß bestimmte Einrichtungen, Krankenhäuser und Heime für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht die Befreiung von der Körperschafts- bzw. Gewerbesteuer nachweisen, also mehr als glaubhaft machen müssen.
Nach Ansicht der Kammer genügten dazu die Angaben des Klägers sowie die schriftliche Erklärung der Eltern des Klägers über die Höhe ihrer monatlichen Unterhaltszahlung, von deren Richtigkeit die Kammer deshalb ausgeht, weil es dem Kläger ohne weiteres möglich ist, mit diesen Mitteln seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Lediglich wenn Einkünfte angegeben werden, die deutlich (ca. 25 bis 30 %) unter dem Regelsatz der Sozialhilfe liegen, sind Zweifel an der Wahrheit der Angaben angebracht, die den Beklagten veranlassen (dürfen), weitergehende Erklärungen und Unterlagen zu verlangen. So liegt der Fall hier aber nicht; dem Kläger verbleiben nach Abzug der Warmmiete 565,00 DM monatlich. Die eidesstattliche Versicherung des Klägers vor Gericht war zur Glaubhaftmachung mithin nicht erforderlich.
Die Kammer sieht sich auch nicht veranlaßt, die Angaben des Klägers allein aus dem Grund anzuzweifeln, weil seine Einkünfte unter dem Regelsatz der Düsseldorfer Tabelle liegen. Denn bei diesem Regelsatz handelt es sich nur um einen Richtwert, der je nach den Einkommensverhältnissen und sonstigen Verpflichtungen der Unterhaltsverpflichteten über- oder unterschritten wird (vgl. Palandt-Diederichsen, 57. Aufl. 1998, § 1610 Rn. 13 ff.). Zu berücksichtigen ist auch, daß die Höchstsätze nach dem BAföG deutlich geringer sind, obwohl auch sie den gesamten Lebensbedarf während der Ausbildung decken sollen.
Schließlich ist es durchaus nachvollziehbar, dass ein Student von seinen Eltern - aus welchen Gründen auch immer - nicht den gesamten ihm zustehenden Unterhalt verlangt, wenn er mit geringeren Mitteln auskommt.
Abschließend sei noch einmal deutlich gesagt, dass es dem Beklagten rechtlich verwehrt ist, die Befreiung mit der Begründung abzulehnen, der Lebensbedarf des - studierenden - Antragstellers, den seine Eltern im Wege der Unterhaltsgewährung sicherzustellen hätten, umfasse auch die Rundfunkgebühren. Das folgt ohne weiteres aus dem Vorstehenden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 S. 2 VwGO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Pardey
Richterin am Verwaltungsgericht Schneider hat Urlaub und kann deshalb nicht unterschreiben. Prilop