Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 13.07.2007, Az.: 1 A 282/05

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
13.07.2007
Aktenzeichen
1 A 282/05
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2007, 62154
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGLUENE:2007:0713.1A282.05.0A

Gründe

1

Die Erinnerung hat keinen Erfolg.

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Der Prozessbevollmächtigte hat die Erledigungsgebühr zu Recht beantragt und erhalten.

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1. Zunächst ist der Vorsitzende entscheidungsbefugt, weil er auch die Kostenlastentscheidung im Beschluss vom 15. Mai 2007 getroffen hat (vgl. Beschluss des Nds. OVG v. 11.6.2007 - 2 OA 433/07 - unter Hinweis auf BayVGH, NVwZ-RR 2004, 309 und Sächs. OVG, NVwZ 2007 116).

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2. Die hier einschlägige Anlage 1.1 zum RVG lautet bezüglich der maßgeblichen Nr. 1002, 1003 (1,0 Erledigungsgebühr):

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Erledigungsgebühr, soweit nicht Nummer 1005 gilt

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Die Gebühr entsteht, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Das Gleiche gilt, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt.

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3. Die Rechtsanwaltstätigkeit kennt zwar einige Erfolgselemente, aber nur in einem gesetzlich sehr stark eingeschränktem Maße, so wie das vom Gesetzgeber aus Gründen des Allgemeinwohls für erforderlich gehalten wird (vgl. dazu eingehend BVerfG, Beschluss v. 12.12.2006 - 1 BvR 2576/04 -). Angesichts dieser starken Ein- und Begrenzungen erfolgsabhängiger Anwaltstätigkeit, die z.T. in einem verfassungswidrigen Widerspruch zu Art. 12 GG stehen, ist es grundsätzlich geboten, innerhalb der bestehenden gesetzlichen Eingrenzungen nicht noch "scharfe" Maßstäbe anzulegen und etwa eine umfassende oder weitgehende Kausalität im Falle einer zur Erledigung führenden Anwaltstätigkeit zu fordern. Denn auf diese Weise würden die Art. 12 GG begrenzenden Einengungen noch weiter verstärkt. Das ist im Lichte der Berufsfreiheit nicht angezeigt.

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Vgl. insoweit Hartmann, Kostengesetze, 36. Auflage 2006, VV:

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Rdn. 2: ..." Der Streit mit der Öffentlichen Hand ist für den Rechtsfrieden oft besonders schädlich. Das darf zwar nicht zur uferlosen Begünstigung des Anwalts führen, aber auch nicht zu einer kleinlichen Einengung des Begriffs der ursächlichen Mitwirkung, zumal sie ja auf anderen Rechtsgebieten ohnehin meist wesentlich eher Bejahung erfährt."

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Rdn. 13: "Unzumutbare Strenge ist aber ebenso wenig erlaubt wie anderswo. ... Es gibt eine gewisse Vermutung dafür, dass ein Einsatz des Anwalts zumindest mitursächlich für die dann auch eingetretene Wirkung war, FG Bln EFG 85, 517."

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Vgl auch Nds OVG v. 25.10.2006 - 8 OA 119/06 - :

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Zudem widerspricht die vom Verwaltungsgericht für zutreffend erachtete Ansicht dem Sinn und Zweck der Gebührenregelung. Die Erledigungsgebühr ist eine Erfolgsgebühr. Sie honoriert die Entlastung des Gerichts und das erfolgreiche anwaltliche Bemühen um eine möglichst weitgehende Herstellung des Rechtsfriedens. Sie entsteht daher zusätzlich zu den in anderen Teilen des VV bestimmten Gebühren, also insbesondere zusätzlich zu den dort geregelten Tätigkeitsgebühren (Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, Kommentar, 16. Aufl., Nr. 1000 VV, Rn. 5). Dass eine Erledigungsgebühr auch in der streitigen Fallkonstellation zusätzlich neben der Terminsgebühr entstehen kann, ergibt sich im Übrigen aus dem Vergleich der jeweiligen Gebührensätze. Eine Terminsgebühr ist mit einem Gebührensatz von 1,2 höher bewertet als die Erledigungsgebühr. Hierfür ist nämlich gemäß Ziffern 1002, 1003 VV "nur" ein Gebührensatz von 1,0 vorgesehen. Regt der Prozessbevollmächtigte eines Klägers während eines laufenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in einer außergerichtlichen Besprechung mit einem Behördenvertreter an, den von seinem Mandanten angefochtenen Bescheid aufzuheben, so stünde der Rechtsanwalt daher, wenn sich in diesem Fall Termins- und Erledigungsgebühr gegenseitig ausschlössen und nur eine Erledigungsgebühr entstünde, gebührenrechtlich besser da, wenn die Behörde den angefochtenen Bescheid nicht änderte und es nicht zu einer Erledigung des Verfahrens käme, sondern einer streitigen Entscheidung bedürfte. In diesem Fall wäre nämlich nur die höhere Terminsgebühr, nicht aber die Erledigungsgebühr entstanden. Ein solches Ergebnis widerspricht ersichtlich dem angeführten gesetzgeberischen Ziel, den Rechtsanwalt, der an einer gütlichen Einigung der Beteiligten und damit an einer Entlastung der Gerichte ursächlich mitgewirkt hat, durch Gewährung einer besonderen Gebühr, vorliegend der Erledigungsgebühr, zu "belohnen".

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4. Da nach der Gebührenziffer 1002 lediglich eine "anwaltliche Mitwirkung" erforderlich ist, dabei nicht etwa eine maßgebliche oder überwiegende Wirkung vorausgesetzt wird, sondern jede Beteiligungs- und Mitwirkungsform den Gebührentatbestand erfüllt, reicht schon - im Lichte des Art. 12 GG - "irgendeine Mitursächlichkeit" anwaltlicher Betätigung für das Anfallen der Erfolgsgebühr aus (so Hartmann, aaO., Rdn. 11 letzter Satz). Somit kann auch schon eine bloße Rücksprache zur Erledigungsgebühr führen. Vgl. SG Frankfurt S 25 SF 29/05 B. v. 7.4.2006 :

"Bietet eine gesetzliche Krankenkasse in einem Streit über die Fortdauer der freiwilligen Krankenversicherung an, dieselbe fortzuführen mit der Auflage, innerhalb einer Frist die rückständigen Beiträge nachzuzahlen, und nimmt der Antragsteller nach Rücksprache mit dem Rechtsanwalt das Angebot an, entsteht eine Erledigungsgebühr."

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Auch die Mitwirkung an einer tatsächlichen Verständigung mit der Gegenseite kann eine Erledigungsgebühr rechtfertigen. Vgl. dazu schon OVG Münster MDR 1983, 872, vgl. auch VGH Mannheim, NVwZ-RR 2006, 735:

"Zwar ist das letztlich zur Erledigung des Rechtsstreits führende Ereignis - die Erklärung der Bekl. vom 19. 10. 2004, der Kl. könne auf Grund nachträglicher Vergrößerung der Stellflächen doch noch auf dem Weihnachtsmarkt zugelassen werden - nach Aktenlage in der Tat ohne Mitwirkung des Prozessbevollmächtigtendes Kl. eingetreten. Hierauf allein kommt es jedoch nicht an; vielmehr ist auch der weitere Ablauf des Verfahrens bis zur Abgabe der Erledigungserklärungen in den Blick zu nehmen....

Auf dieser Grundlage ist im vorliegenden Falle die Erledigungsgebühr ungeachtet des Umstands entstanden, dass der Prozessbevollmächtigte des Kl. bis zur (telefonischen) Erklärung der Gegenseite vom 19. 10. 2004 nicht in erledigungsfördernder Weise mitgewirkt hat. Denn in der Zeit danach bis zur Abgabe der Erledigungserklärungen hat er aktiv an einer tatsächlichen Verständigung mit der Gegenseite beigetragen und erkennbar auch auf den Kl. - seinen Auftraggeber - eingewirkt, das Verfahren durch Einigung ohne gerichtliche Entscheidung zu beenden;..."

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5. Im vorliegenden Fall hatte der Prozessbevollmächtigte des Klägers angeregt, den Rechtsstreit, der zuvor auf den Tatbestand des § 5 Abs. 4 BeamtVG konzentriert war, mit Blick auf die zu erwartende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auszusetzen. Hierin lag eine Öffnung und Überleitung des Verfahrens auch auf die Vorschrift des § 5 Abs. 3 BeamtVG, was rechtlich ein neuer, dem Kläger zu vermittelnder Aspekt war. Wäre die bis dahin vertretene und verfolgte Prozesslinie beibehalten worden, so hätte es weiterhin allein bei § 5 Abs. 4 BeamtVG sein Bewenden gehabt.

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Sodann hat der Prozessbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 16.4.2007 auf die bereits am 20. März 2007 ergangene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hingewiesen und zugleich auch die Wiederaufnahme des ausgesetzten Verfahrens beantragt sowie außerdem noch angeregt, eine Abhilfeentscheidung im Sinne des erweiterten Klagebegehrens zu treffen (S. 2 d. Schr. v. 16.4.2007). Schon das stellt eine Anwaltstätigkeit dar, welche die letztlich erfolgte Erledigung mitursächlich vorbereitet hat.

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Schließlich ist der dann ergangene Änderungsbescheid vom 26. April 2007 vom Prozessbevollmächtigten geprüft und dem Kläger in dem Sinne vermittelt worden, dass auf diesem Wege das Klagebegehren ebenso gut als erreicht gelten kann wie auf dem Weg des zuvor in den Mittelpunkt gerückten § 5 Abs. 4 BeamtVG. Dabei sei unterstrichen, dass auch Änderungsbescheide noch fehlerbehaftet sein können, eine Prüfung in jedem Falle also angezeigt erscheint. Mit Schriftsatz vom 2. Mai 2007 ist der Rechtsstreit sodann in der Hauptsache für erledigt erklärt worden, nachdem - wie der Prozessbevollmächtigte unwidersprochen darlegt - er "zuvor dem Kläger dargelegt und erläutert" hatte,

"dass der Änderungsbescheid des beklagten Amtes vom 26.04.2007 nicht zu beanstanden, demzufolge ein Widerspruch hiergegen nicht einzulegen und statt dessen des gerichtliche Verfahren für erledigt erklärt werden sollte".

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Darlegungen und Erläuterungen, die angesichts des mehrseitigen, für Laien nicht ohne weiteres schon aus sich heraus verständlichen Bescheides vom 26.4.2007 angezeigt waren, stellen eine typische Anwaltstätigkeit dar, die als eine ursächliche "Mitwirkung" - sogar über eine bloße Rücksprache hinaus (s.o. SG Frankfurt v. 7.4.2006) - anzusehen ist.

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Es besteht unter solchen Umständen kein Zweifel, dass eine anwaltliche Mitwirkung an der Erledigung des Verfahrens gegeben ist.