Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 18.04.2013, Az.: 2 A 801/12

Beurteilung; Funktion; Laufbahn; Maßstab; Polizei; Polizeivollzugsbeamte; Richtlinien; Vergleichsgruppe

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
18.04.2013
Aktenzeichen
2 A 801/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 64465
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die BRLPol sind auch auf Nicht-Polizeivollzugsbeamte anwendbar.
2. Eine laufbahnübergreifende Vergleichsgruppenbildung ist ausgeschlossen.

Tenor:

Das beklagte Amt wird unter Aufhebung der dienstlichen Beurteilung der Klägerin zum Stichtag 01.09.2010 sowie des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2011 verpflichtet, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut für den Zeitraum vom 01.08.2007 bis zum 31.08.2010 dienstlich zu beurteilen.

Das beklagte Amt trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Das beklagte Amt darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Regelbeurteilung zum Stichtag 01.09.2010.

Die am D. geborene Klägerin ist Diplom-Psychologin. Nach Abschluss ihres Studiums im Jahr 2001 wurde sie zunächst als Angestellte für das E. tätig. Am 24.04.2006 wurde sie unter Verleihung der Eigenschaft einer Beamtin auf Probe zur Psychologierätin z.A. ernannt. Ab dem 01.01.2007 wurde sie zum beklagten Amt zunächst abgeordnet und später auch dorthin versetzt. Am 25.04.2007 erfolgte die Ernennung zur Psychologierätin unter Verleihung der Eigenschaft einer Beamtin auf Lebenszeit und am 22.07.2008 wurde die Klägerin zur Psychologieoberrätin befördert. Zum 01.08.2009 wurde ihr der Dienstposten der Leitung des Sachgebiets Zentralstelle Gewaltdelikte im Dezernat 32 übertragen.

Während des Regelbeurteilungszeitraums vom 01.08.2007 bis zum 31.08.2010 erhielt die Klägerin am 14.07.2008 eine Anlassbeurteilung, die den Zeitraum vom 24.04.2007 bis zum 30.06.2008 umfasste. Diese wurde nach den allgemeinen Richtlinien für die dienstliche Beurteilung der Beschäftigten im unmittelbaren Landesdienst vom 12.12.2006 (Nds. MBl. 2007, 5, im Folgenden: BRL) erstellt und schloss mit dem Gesamturteil „B - Übertrifft erheblich die Anforderungen“.

Für den Zeitraum vom 01.07.2008 bis zum 28.02.2010 erhielt die Klägerin aufgrund eines Erstbeurteilerwechsels am 12.11.2010 einen Beurteilungsbeitrag vom Ltd.KD F. als Erstbeurteiler und dem Direktor des Beklagten Amtes G. als Zweitbeurteiler.

Am 22.11.2010 wurde der Klägerin die Regelbeurteilung zum Stichtag 01.09.2010 eröffnet, mit der sie sich zunächst einverstanden erklärte. Erstbeurteiler war der Leiter der Abteilung 3, KD Z., und Zweitbeurteiler Herr G.. Von den Leistungsmerkmalen wurden die Merkmale „Berufliches Selbstverständnis/Bürgerorientierung“ und „Fachkompetenz“ mit B bewertet, die übrigen Einzelmerkmale auch hinsichtlich des Führungsverhaltens mit C. Die Befähigungsmerkmale wurden als normal ausgeprägt beurteilt und ein Gesamturteil „C - entspricht voll den Anforderungen“ mit der Binnendifferenzierung „Mittlerer Bereich“ vergeben.

Mit Schreiben vom 27.07.2011 legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie beanstandete, ein Vergleich ihrer Leistungen mit den anderen Beamtinnen und Beamten ihres Statusamtes sei nicht möglich, weil sie die einzige Psychologin im beklagten Amt sei und dort auch zahlreiche Sonderaufgaben wahrnehme. Ihre Beurteilung hätte nicht nach den Beurteilungsrichtlinien für die Polizei des Landes Niedersachsen vom 11.07.2008 (Nds. MBl. 2008, 782, im Folgenden: BRLPol) erstellt werden dürfen, da diese auf der Ermächtigungsnorm des § 30 PolNLVO beruhten, die ausschließlich für die Polizeivollzugsbeamten des Landes Niedersachsen gelte. Zudem sei ihr vor und nach der Eröffnung der Beurteilung von Herrn F. mitgeteilt worden, es sei vorgesehen gewesen, sie mit dem Gesamturteil „C - oberer Bereich“ zu beurteilen. Wenn Herr H. sich maßgeblich auf den Beurteilungsbeitrag von Herrn F. gestützt hätte, sei nicht nachvollziehbar, weshalb er zu einem anderen Ergebnis gekommen sei. Wie er eigene Feststellungen getroffen habe, sei unklar, da die dienstlichen Kontakte mit der Klägerin nicht intensiv genug gewesen wären, um eine belastbare Bewertung ihrer Leistungen zu erlauben. Auch sei nicht nachvollziehbar, mit welchen Beamten und anhand welcher Anforderungen sie verglichen worden sei.

Nach Einholung von Stellungnahmen von Herrn F., Herrn H. und Herrn G. wies das beklagte Amt den Widerspruch mit am 19.12.2011 zugestelltem Widerspruchsbescheid vom 15.12.2011 zurück. Es führte aus, Herr F. habe der Klägerin keine Zusage für ihre Beurteilung gegeben, sondern lediglich mitgeteilt, dass sein Beurteilungsbeitrag aus seiner Sicht der Wertungsstufe „C - oberer Bereich“ entspreche. Herr H. habe den Beurteilungsbeitrag angemessen gewürdigt im Vergleich zum Leistungsbild der übrigen Beamtinnen und Beamten der Vergleichsgruppe und des sich auf Landesebene ergebenden Maßstabs. Da die Klägerin als Abwesenheitsvertreterin der Dezernatsleitung fungiere, habe er gelegentlich eigene Wahrnehmungen ihres Leistungsverhaltens gehabt. Die BRLPol seien auch auf die Klägerin anwendbar, da sie in Überschrift und Einleitungssatz nicht nur auf § 30 PolNLVO Bezug nähmen, sondern auch auf Ziff. 2.4 der BRL, wonach die obersten Dienstbehörden für ihre Geschäftsbereiche besondere Beurteilungsrichtlinien erlassen könnten. Die BRLPol seien eine solche besondere Beurteilungsrichtlinie, die im Einvernehmen mit dem Innenministerium ergangen sei. Als Beschäftigte einer Landespolizeibehörde unterfalle die Klägerin gemäß Ziff. 2 BRLPol ihrem Anwendungsbereich. Da der Beurteilungsmaßstab aus den Anforderungen des statusrechtlichen Amtes zu entwickeln sei, sei die Bildung der Vergleichsgruppe der Klägerin gemäß Ziff. 5.1.1, 5.1.3 BRLPol landesweit für alle Personen im Statusamt A 14 auf der Ebene des Landespräsidiums für Polizei, Brand- und Katastrophenschutz (LPPBK) erfolgt. Auf Behördenebene seien 17 Personen dieser Gruppe miteinander zu vergleichen gewesen. Der Maßstab sei in mehreren Konferenzen auf Behörden- und Landesebene gebildet worden. Im Quervergleich sei die Klägerin nicht in einer Weise hervorgetreten, die eine Einstufung einzelner Merkmale oder der Gesamtbewertung in eine höhere Wertungsstufe rechtfertigen würde.

Am 19.01.2012 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie hält daran fest, dass die BRLPol nicht auf sie hätten angewendet werden dürfen. Auch die BRL seien Verwaltungsvorschriften, die den Anwendungsbereich der BRLPol nicht über deren Grundlage in den materiellen Gesetzen hinaus ausdehnen dürften. Zudem sei fraglich, ob die in Ziff. 2.4 BRL formulierten Voraussetzungen vorgelegen hätten. Der Vergleich von Beurteilungen, die auf unterschiedlichen Richtlinien beruhen, sei in der Praxis kein Ausnahmefall. Durch die Anwendbarkeit der BRLPol auf Nicht-Polizeivollzugsbeamte werde für Situationen, wo Bewerber unterschiedlicher Geschäftsbereiche miteinander konkurrieren, gerade keine Vergleichbarkeit geschaffen. Die Beurteilungsgerechtigkeit und der Aussagewert der Beurteilungen würden nicht gesteigert, wie sich aus der Bildung der sie betreffenden Vergleichsgruppe ersehen lasse. Der Vergleich von Psychologinnen und Psychologen oder anderer Beamter mit Polizeivollzugsbeamten im Statusamt A 14 sei nicht möglich. Den Beurteilern, die selbst regelmäßig Polizeivollzugsbeamten wären, würde die Fachkenntnis zur Bewertung der spezifischen Aufgaben der Nicht-Polizeivollzugsbeamten fehlen und sie könnten sich häufig nicht eines Automatismus erwehren, Beamten der eigenen Laufbahn als leistungsstärker anzusehen als „fachfremde“ Beamten der Vergleichsgruppe. Eine Konkurrenz zwischen Polizeivollzugsbeamten und Beamten anderer Laufbahnen werde regelmäßig dadurch ausgeschlossen, dass entsprechende Dienstposten für Polizeivollzugsbeamten ausgeschrieben würden. Des Weiteren würden die BRLPol mit Ziff. 6.2 gegen die Vorgaben aus § 44 Abs. 3 S. 4 NLVO verstoßen, da sie über die dort vorgegebenen Rangstufen für das Gesamturteil hinaus bei der Vergabe der Wertungsstufe C die Zwischenstufen oberer, mittlerer und unterer Bereich vorsehen. Abgesehen von der Anwendbarkeit der Richtlinien sei der Beurteilungsmaßstab fehlerhaft gewesen, weil die Vergleichsgruppe nicht nur im Hinblick auf die Besoldungsgruppe, sondern auch im Hinblick auf die Funktion gebildet werden müsse. Die Einzelmerkmale korrespondierten jeweils mit der konkreten Aufgabe und Funktion des Beurteilten und seien nur bedingt vergleichbar. In ihrem Fall bestehe kein Bedarf für eine Regelbeurteilung auf der Grundlage der BRLPol, da sie bei einem eventuellen zukünftigen Bewerbungsverfahren für einen Dienstposten ihrer Laufbahn nicht mit Polizeivollzugsbeamten konkurrieren würde und eine Anlassbeurteilung erstellt werden könnte. Schließlich beruhe die angegriffene Regelbeurteilung auf unzureichenden Feststellungen des Erstbeurteilers, der sie als Abwesenheitsvertreterin der Dezernatsleiterin allenfalls sporadisch erlebt habe. Wie er den Beurteilungsbeitrag von Herrn F. berücksichtigt habe, sei nicht nachvollziehbar, und die Anlassbeurteilung sei offenbar überhaupt nicht in die Beurteilung eingeflossen. Der von der Anlassbeurteilung umfasste Zeitraum sei in der Regelbeurteilung bei der Tätigkeitsbeschreibung unter Ziff. 4 nicht aufgeführt und die Bewertungen der Regelbeurteilungen seien mit den in der Anlassbeurteilung vergebenen Wertungsstufen und Leistungsbeschreibungen nicht in Einklang zu bringen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung der dienstlichen Beurteilung zum Stichtag 01.09.2010  sowie des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2011 zu verpflichten, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut für den Zeitraum vom 01.08.2007 bis 31.08.2010 dienstlich zu beurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die BRLPol seien auf die Klägerin anwendbar. Über Ziff. 2.4 BRL fänden sie ihre Grundlage auch in § 44 NLVO. Eine zusätzliche Binnendifferenzierung bei den Gesamturteilen sei durch die Vorgabe der Rangstufen nicht ausgeschlossen. Die Beurteilung aller in einem Bereich Beschäftigter nach einheitlichen Richtlinien sei aus Gründen der Gleichbehandlung geboten. Beurteilungen seien nicht nur für Auswahlentscheidungen erforderlich, sondern ein umfassend wirkendes personalwirtschaftliches Instrument. Bei Bewerbungen außerhalb der Polizei könne eine Vergleichbarkeit durch Erläuterungen und Notenspiegel geschaffen werden. Im Falle der Klägerin sei durchaus auch eine Konkurrenz um Dienstposten mit Polizeivollzugsbeamten denkbar im Personalbereich, in der Polizeiakademie oder um Leitungsfunktionen im Sozialwissenschaftlichen Dienst. Die Bildung der Vergleichsgruppe der Klägerin sei nicht zu beanstanden. Die Bestimmung in Ziff. 5.1.1 BRLPol sei eine Soll-Vorschrift, die im Einzelfall Ausnahmen zulasse. In der Besoldungsgruppe der Klägerin seien nur verhältnismäßig wenige Beamten tätig, so dass bei einer Differenzierung nach Laufbahnen keine ausreichend großen Gruppen hätten gebildet werden können. Außerdem seien alle Beamten in diesem Statusamt mit Führungsaufgaben betraut, so dass insofern ähnliche Aufgaben wahrgenommen würden. Ohnehin hätten die zu beurteilenden Beamten auch innerhalb der Laufbahnen sehr unterschiedliche Funktionen, in der Laufbahn der Polizei beispielsweise beim Sondereinsatzkommando einerseits und im Verkehrsunfalldienst andererseits. Durch die Abstraktheit der zu bewertenden Einzelmerkmale könnten die Leistungen bei den konkret sehr unterschiedlichen Anforderungen jedoch miteinander verglichen werden. Der Erstbeurteiler habe eine ausreichende Erkenntnisgrundlage gehabt, da er als Abteilungsleiter auch durch die Mitzeichnung von Vorgängen, Besprechungen und Gespräche mit den Dezernatsleitern Informationen über die Leistungen der Mitarbeiter gewinne. Den Beurteilungsbeitrag von Herrn F. habe er angemessen berücksichtigt. Das von ihm zu vergebende Gesamturteil ergebe sich schlüssig aus den Einzelbewertungen, ohne dass es einer weiteren Plausibilisierung bedürfe. Die Anlassbeurteilung sei ebenfalls in die Regelbeurteilung eingeflossen, die Nichterwähnung unter Ziff. 4.1 sei lediglich ein formaler Fehler. Die Regelbeurteilung weiche von dem dort vergebenen Urteil nicht negativ ab, da zu berücksichtigen sei, dass die Anlassbeurteilung nach dem weniger strengen Maßstab der BRL erstellt worden sei und die Klägerin sich damals noch in einem niedrigeren Statusamt mit entsprechend geringeren Leistungsanforderungen befunden habe.

In der mündlichen Verhandlung hat das Gericht Beweis erhoben durch Vernehmung des Erstbeurteilers H. als Zeugen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts, des Vorbringens der Beteiligten und der Angaben des Zeugen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 18.04.2013 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig und hat in der Sache Erfolg.

Die Regelbeurteilung der Klägerin zum Stichtag 01.09.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2011 ist rechtsfehlerhaft. Deshalb ist das beklagte Amt zur erneuten Beurteilung der Klägerin für den Zeitraum vom 01.08.2007 bis 31.08.2010 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verpflichten (vgl. § 113 Abs. 5 S. 2 VwGO).

Dienstliche Beurteilungen sind nach ständiger Rechtsprechung von den Verwaltungsgerichten nur beschränkt nachprüfbar. Ausschließlich der Dienstherr oder der für ihn handelnde jeweilige Vorgesetzte soll nach dem erkennbaren Sinn der Regelungen über die dienstliche Beurteilung ein persönlichkeitsbedingtes Werturteil darüber abgeben, ob und inwieweit der Beamte den - ebenfalls grundsätzlich vom Dienstherrn zu bestimmenden - zahlreichen sachlichen und persönlichen Anforderungen seines Amtes und seiner Laufbahn entspricht. Die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle hat sich darauf zu beschränken, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat oder ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat. Soweit der Dienstherr Richtlinien für die Abgabe dienstlicher Beurteilungen erlassen hat, ist vom Gericht auch zu prüfen, ob die Richtlinien eingehalten sind und ob sie mit den gesetzlichen Regelungen, speziell denen der Laufbahnverordnung über die dienstliche Beurteilung, und auch sonst mit gesetzlichen Vorschriften im Einklang stehen (BVerwG, Urt. v. 19.12.2002 - 2 C 31.01- NVwZ 2003, 1398 f.).

Einer Überprüfung nach diesen Maßgaben hält die angegriffene Beurteilung in Gestalt des Widerspruchsbescheides nicht stand. Das Gericht geht zwar davon aus, dass eine Beurteilung der Klägerin nach den BRLPol erfolgen durfte (nachfolgend unter 1.), jedoch haben die Beurteiler einen fehlerhaft gebildeten Maßstab angelegt (nachfolgend unter 2.) und die tatsächliche Grundlage der Beurteilung nicht ausreichend ermittelt (nachfolgend unter 3.).

1. Das Gericht nimmt an, dass die BRLPol auch auf die Klägerin als Psychologieoberrätin anwendbar waren.

Gemäß Ziff. 2 BRLPol finden diese Richtlinien Anwendung bei der Beurteilung der Beschäftigten der Polizeibehörden und der Polizeiakademie Niedersachsen. Beschäftigte im Sinne dieser Richtlinie sind Beamtinnen und Beamte sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Polizei. Als Psychologieoberrätin beim beklagten Amt unterfällt die Klägerin dem Anwendungsbereich. Eine nach Satz 4 der Bestimmung mögliche Ausnahmeentscheidung hat die oberste Dienstbehörde nicht getroffen.

Der Anwendbarkeit steht kein höherrangiges Recht entgegen.

Die Einzelrichterin schließt sich insoweit den folgenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts Oldenburg im Urteil vom 02.02.2011 - 6 A 2030/09 - an:

„Die BRLPol basiert hinsichtlich der Polizeivollzugsbeamten auf § 30 der Verordnung über die Laufbahn des Polizeivollzugsdienstes des Landes Niedersachsen (PolNLVO) vom 7. August 1979. Allerdings handelt es sich bei der BRLPol nicht nur um eine Beurteilungsrichtlinie nach § 30 PolNLVO, sondern auch um besondere Beurteilungsrichtlinien im Sinne von Nr. 2.4 des Beschlusses der Landesregierung vom 12. Dezember 2006 (a.a.O.). Danach können die obersten Dienstbehörden in begründeten Fällen für ihre Geschäftsbereiche gesonderte oder ergänzende Beurteilungsrichtlinien (besondere Beurteilungsrichtlinien) erlassen. Von dieser Ermächtigung machte das Land Niedersachsen Gebrauch und bezog die Polizeiverwaltungsbeamten gemäß Nr. 2 BRLPol in den Geltungsbereich dieser Beurteilungsrichtlinie ein. Das ist nicht zu beanstanden. Nach Nr. 2.4 BRL müssen sich besondere Beurteilungsrichtlinien an den Zielen ausrichten, dass die Beurteilungen dort vergleichbar sind, wo Bewerberinnen und Bewerber verschiedener Geschäftsbereiche miteinander konkurrieren, Beurteilungsgerechtigkeit und Aussagewert der Beurteilungen, insbesondere die Ausschöpfung der Rangstufenskala, gesteigert wird und die neuen Mitwirkungsrechte gewahrt bleiben.

Das Ministerium für Inneres und Sport hat sich dazu entschieden, alle Beschäftigten der Polizei in einem System beurteilen zu lassen. Insofern wurde offenbar das Ziel verfolgt, ein aussagefähiges und vergleichbares Bild der Leistungen und Befähigungen aller Beschäftigten (Beamtinnen und Beamte sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer) der Polizei zu gewinnen, um den individuellen Fähigkeiten entsprechende Personalentscheidungen über die weitere Verwendung und das dienstliche Fortkommen zu ermöglichen. So wurde auch die Möglichkeit geschaffen, Polizeiverwaltungs- und Polizeivollzugsbeamte bei der Konkurrenz sowohl um einen bestimmten Dienstposten als auch um eine frei werdende Beförderungsstelle direkt und unmittelbar miteinander vergleichen zu können. Auch wenn es tatsächlich Dienstposten gibt, deren Ausschreibung sich ausschließlich an Polizeivollzugs- bzw. an Polizeiverwaltungsbeamte richtet, begegnet es keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken, wenn die Beklagte versucht, unmittelbar vergleichbare Beurteilungen bei einer durchaus vorkommenden Konkurrenz zwischen Polizeivollzugs- und Polizeiverwaltungsbeamten zu erhalten. Es ist aus Sicht der Kammer auch nicht zu beanstanden, dass dieser Vorgehensweise der Vorzug gegenüber der Einführung bzw. Beibehaltung von zwei verschiedenen Beurteilungssystemen innerhalb einer Polizeibehörde gegeben wurde.“

Das Vorliegen eines „begründeten Einzelfalles“ erfordert keine zwingende Notwendigkeit zum Erlass besonderer Beurteilungsrichtlinien. Der Umstand, dass in der Praxis häufig nach unterschiedlichen Richtlinien erstellte Beurteilungen miteinander verglichen werden müssen, steht der Annahme eines begründeten Einzelfalles daher nicht entgegen. Entgegen der klägerischen Auffassung muss durch eine besondere Beurteilungsrichtlinie auch keine Vergleichbarkeit der Beurteilungen dort geschaffen werden, wo Bewerberinnen und Bewerber verschiedener Geschäftsbereiche miteinander konkurrieren. Verlangt wird in Ziff. 2.4 S. 3 a) BRL lediglich, dass die besonderen Beurteilungsrichtlinien sich an dem Ziel ausrichten, dass die Beurteilungen dort vergleichbar sind. Die Richtlinien müssen also so gestaltet werden, dass die auf ihnen beruhenden Beurteilungen mit Beurteilungen nach anderen Richtlinien verglichen werden können. Dies ist bei den BRLPol der Fall, die im Vergleich zur BRL ähnliche Leistungsmerkmale und die gleichen Wertungsstufen vorsehen. Ein Vergleich des Maßstabs ist anhand der jeweiligen textlichen Vorgaben und von Beurteilungsstatistiken möglich. Die Kritik der Klägerin, entgegen den Vorgaben seien die Beurteilungsgerechtigkeit und der Aussagewert nicht gesteigert worden, fußt in erster Linie auf der in ihrem Fall vorgenommenen Vergleichsgruppenbildung. Diese stand jedoch nicht im Einklang mit den Vorgaben der BRLPol (vgl. dazu unter 2.) und ist daher nicht maßgeblich. Grundsätzlich erscheint die BRLPol mit ihrem System der Vergleichsgruppenbildung und Orientierung an der Gaußschen Normalverteilung durchaus geeignet, die genannten Ziele und insbesondere auch die Ausschöpfung der Rangstufenskala zu erreichen.

Die Regelungen der PolNLVO zur Vergabe des Gesamturteils stehen ebenfalls im Einklang mit den Vorgaben der NLVO. § 44 Abs. 3 S. 1, 4 NLVO schreibt vor, dass die Beurteilung mit einem Gesamturteil abzuschließen ist. Dafür sind die Rangstufen

1. übertrifft in hervorragender Weise die Anforderungen,

2. übertrifft erheblich die Anforderungen,

3. entspricht voll den Anforderungen,

4. entspricht im Allgemeinen den Anforderungen und

5. entspricht nicht den Anforderungen

zu verwenden.

Ziff. 5.1.4 BRLPol sieht mit den Wertungsstufen A bis E, die wortgleich wie die aufgeführten Rangstufen definiert sind, entsprechende Bewertungen vor. Darüber hinaus bestimmt Ziff. 6.2 BRL Pol, dass bei der Vergabe der Wertungssstufe C zur erleichterten Durchführung einer Binnendifferenzierung zusätzlich zum Gesamturteil die Zwischenstufe oberer Bereich, mittlerer Bereich oder unterer Bereich zu vergeben ist, da sich die meisten Beschäftigten im Normal- bzw. Durchschnittsbereich befinden. Letzteres ergibt sich aus der Vorgabe in Ziff. 5.1.1 S. 6 BRLPol, wonach die Beurteilenden darauf hinwirken, dass sich die Gesetzmäßigkeiten der Gaußschen Normalverteilungskurve in der Gesamtschau der Beurteilungen in den jeweiligen Vergleichsgruppen wiederfinden lassen. Mit den Zwischenstufen für das Gesamturteil C werden keine weiteren Rangstufen eingeführt, sondern lediglich eine abgestufte Bewertung innerhalb dieser Wertungsstufe. Zwar bringen die Binnendifferenzierungen einen messbaren und beachtlichen Bewertungsunterschied zum Ausdruck (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 18.08.2011 - 5 ME 209/11 - juris Rn. 7), sie sind aber beim Vergleich von Beurteilungen in verschiedenen Statusämtern nicht wie eigenständige Wertungsstufen zu berücksichtigen (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 18.08.2011 - 5 ME 212/11 - juris Rn. 8). Die von der Rechtsprechung formulierte Anforderung, das gewählte Beurteilungssystem müsse gleichmäßig auf alle Beamten angewendet werden, die bei beamtenrechtlichen Entscheidungen über ihrer Verwendung und über ihr dienstliches Fortkommen miteinander in Wettbewerb treten können (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.02.2003 - 2 C 16/02 - NVwZ 2003, 1397f., juris Rn. 13; Nds. OVG, Beschl. v. 18.08.2011 - 5 ME 209/11 - juris Rn. 6) ist nicht dahingehend zu verstehen, dass innerhalb des Anwendungsbereichs einer Verordnung lediglich eine Ausgestaltung möglich ist. Vielmehr dient dieses Argument in den angeführten Entscheidungen dazu, bestimmte Mindestvoraussetzungen für verbale Zusätze zur abgestuften Bewertung innerhalb von Gesamtnoten zu entwickeln, die von der in den BRLPol vorgesehenen Binnendifferenzierung erfüllt werden (Nds. OVG ebenda). Die geforderte gleichmäßige Anwendung bezieht sich auf das jeweilige Beurteilungssystem. Mit der Einführung der Zwischenstufen hat der Richtliniengeber daher den ihm eingeräumten Gestaltungsspielraum genutzt, ohne die in § 44 NLVO vorgegebenen Grenzen zu überschreiten.

2. Die angegriffene Beurteilung ist jedoch fehlerhaft, weil der angewandte Maßstab nicht entsprechend der Vorgaben der BRLPol entwickelt wurde.

Ziff. 5.1.1. S. 4 BRLPol schreibt vor, dass die dienstliche Beurteilung die Leistung der Beschäftigten in Bezug auf ihre Funktion und im Vergleich zu anderen Beschäftigten derselben Besoldungs- beziehungsweise Entgeltgruppe (Vergleichsgruppe) ihrer Laufbahn objektiv darstellen soll. Gemäß Ziff. 5.1.3 BRLPol wird eine Vergleichsgruppe in diesem Sinne für die Beschäftigten des höheren Dienstes auf der Ebene des LPPBK gebildet. Die Vergleichsgruppe der Klägerin hätte demnach aus allen zu beurteilenden Angehörigen der Laufbahn Gesundheits- und soziale Dienste im Statusamt A 14 und der entsprechenden Entgeltgruppe auf Landesebene zusammengestellt werden müssen. Tatsächlich wurde hingegen eine laufbahnübergreifende Vergleichsgruppe aller Beschäftigten im Statusamt A 14  gebildet. Nach den Angaben des beklagten Amtes in der mündlichen Verhandlung waren schon auf Behördenebene neben der Klägerin und mehreren Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten ein Biologe und ein Jurist in ihrer Vergleichsgruppe. Ihre Leistungen wurden also mit den Leistungen anderer Beamten im Statusamt A 14 der Laufbahn Polizei, der Laufbahn des allgemeinen Dienstes und der Laufbahn des wissenschaftlichen Dienstes verglichen.

Eine atypische Konstellation, die ein Abweichen von der Soll-Regelung in Ziff. 5.1.1 S. 4 BRLPol rechtfertigen könnte, lag nicht vor. Die vom beklagten Amt geschilderte Problematik, dass die Vergleichsgruppen zu klein wären, wenn sie nach Laufbahnen gebildet würden, ist vom Richtliniengeber berücksichtigt worden. In Ziff. 5.1.3 S. 2 BRLPol hat er für diesen Fall geregelt, dass bei nicht genügend großen Vergleichsgruppen die Beurteilungen in geeigneter Weise entsprechend zu differenzieren sind. Deshalb bestand keine Notwendigkeit dazu, eine Vergleichsgruppe mit Angehörigen verschiedener Laufbahnen zu bilden. Dies dürfte im Übrigen auch aus übergeordneten Gesichtspunkten ausgeschlossen sein. Ein Leistungsvergleich setzt ein Mindestmaß an Homogenität der Vergleichsgruppe in dem Sinne voraus, dass für alle Gruppenmitglieder im Wesentlichen dieselben Anforderungen an Eignung, Befähigung und fachliche Leistung gelten (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.11.2005 - 2 C 34/04 - BVerwGE 124,356ff., juris Rn. 15 ff.). Auch bei einer abstrakten Fassung der Einzelmerkmale wie in den BRLPol müssen bei einem Vergleich die konkret in der jeweiligen Funktion erbrachten Leistungen einander gegenübergestellt werden. Dies mag bereits innerhalb einer Laufbahn aufgrund der Vielzahl unterschiedlicher Aufgaben häufig schwierig sein, die Grenze eines tragfähigen Vergleichs wird aber zumindest bei Angehörigen unterschiedlicher Laufbahnen mit ihren jeweils spezifischen Bildungsvoraussetzungen überschritten sein. Dass alle Beschäftigten im Statusamt A 14 Führungsaufgaben wahrnehmen, kann möglicherweise für die Merkmale des Führungsverhaltens eine Vergleichbarkeit bedingen, nicht aber für die übrigen Leistungsmerkmale.

3. Darüber hinaus hat die Klägerin Anspruch auf erneute Beurteilung, weil der Regelbeurteilung in der vorliegenden Fassung ein unvollständiger Sachverhalt zugrunde gelegt wurde.

Der Erstbeurteiler H. hatte sich keinen ausreichenden Überblick über die Leistungen der Klägerin verschafft. Eigene Eindrücke hatte er während des Beurteilungszeitraums lediglich von Mitte März bis Ende Juni 2010 gewinnen können (vgl. Übersicht Amtsantritt KD H. und Krankheit/Urlaub der Klägerin auf Bl. 11 Beiakte A). Währenddessen erlebte er die Klägerin nur in ihrer Funktion als Abwesenheitsvertreterin der Dezernatsleiterin. Von ihren übrigen Aufgabenbereichen erlangte er allenfalls bruchstückhafte Kenntnisse durch Schriftstücke, die er abzeichnen musste, oder zufällige Erwähnung bei Besprechungen oder in fachlichen Berichten. Auf eine Befragung der Dezernatsleiterin der Klägerin zu ihren Leistungen hatte er bewusst verzichtet, weil diese sich im gleichen Statusamt und damit in der gleichen Vergleichsgruppe wie die Klägerin befand. Eine Einbindung der direkten Vorgesetzten wäre allerdings wohl schon aufgrund der internen Verfügung Nr. 01/2009 des Beklagten Amtes erforderlich gewesen, wo es unter Ziff. 2.1 heißt, dass in Fällen, in denen zwischen der zu beurteilenden Beschäftigten und dem Erstbeurteilenden weitere Vorgesetzte vorhanden sind, diese regelmäßig an der Erstellung der Beurteilung beteiligt werden sollen. Jedenfalls wäre es aus allgemeinen Grundsätzen geboten gewesen, ihre Erkenntnisse - angesichts ihrer Stellung in derselben Vergleichsgruppe unter kritischer Würdigung - einzubeziehen. Zu einer ähnlichen Konstellation hat das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 21.03.2007 - 2 C 2/06 - IÖD 2007, 206ff, juris Rn. 10, Folgendes ausgeführt:

„Das Urteil über Leistung, Befähigung und Eignung eines Beamten darf nicht auf eine nur partiell oder bruchstückhaft vorhandene Tatsachenkenntnis gestützt werden. Dies erfordert es häufig, dass sich der Beurteiler die notwendigen Kenntnisse durch Befragung dritter Personen beschafft (vgl. Urteil vom 5. November 1998 - BVerwG 2 A 3.97 - BVerwGE 107, 360). Es gibt keinen allgemeinen Grundsatz, wonach der zur Entscheidung berufene Amtsträger bei der Ermittlung des maßgeblichen Tatsachenstoffs bestimmte mögliche Auskunftspersonen von vornherein nicht heranziehen darf, weil diese einen Grund haben, unrichtige Angaben zu machen. Vielmehr muss auch die Ermittlung des Sachverhalts, auf den ein höchstpersönliches Werturteil gestützt werden soll, umfassend angelegt sein und darf zugängliche und greifbare Erkenntnisquellen nicht von vornherein aussparen und auf das Wissen mit dem Sachverhalt vertrauter Auskunftspersonen verzichten. Diese Auffassung liegt auch dem Beschluss des Senats vom 24. Juni 1996 - BVerwG 2 B 97.95 - (juris; ZfPR 1997, 122 <nur Leitsatz>) - zugrunde, wonach die Frage, ob in der Beteiligung von Konkurrenten am Beurteilungsverfahren eine Verletzung des Grundsatzes des fairen Verfahrens liegt, zu verneinen ist. Jedoch hat der Beurteiler den Auswirkungen, die ein Konkurrenzverhältnis zwischen dem beurteilten Beamten und dem Informanten auf dessen Angaben haben kann, bei der Würdigung und Verwertung dieser Informationen Rechnung zu tragen (in diesem Sinne bereits Beschluss des 1. Wehrdienstsenats vom 18. August 1992 - BVerwG 1 WB 106.91 - ZBR 1993, 89). Der Beurteiler muss sich bewusst sein, dass die Angaben von einem Konkurrenten stammen, und er muss sie vor diesem Hintergrund würdigen.“

Da die Klägerin ausweislich der Beschreibung unter Ziff. 4.2 der Beurteilung und der Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung in unterschiedlichen Bereichen sehr selbstständig arbeitete, wäre darüber hinaus möglicherweise auch noch die Befragung weiterer Auskunftspersonen angezeigt gewesen.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 S. 1, 2 ZPO.