Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 02.10.2015, Az.: 5 B 3636/15

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
02.10.2015
Aktenzeichen
5 B 3636/15
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 45087
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die örtliche Zuständigkeit für Klagen gegen die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 2 AufenthG in der seit 1. August 2015 geltenden Fassung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge richtet sich nach § 52 Nr. 2 Satz 3 VwGO. Es handelt sich um eine zwingende Folgeentscheidung zu aufenthaltsbeendenden Maßnahmen in erfolglosen Asylverfahren, die demgemäß trotz Verortung im Aufenthaltsgesetz asylverfahrensrechtlich zu behandeln und nach verständiger Würdigung des gesetzgeberischen Willens sowohl unter den Begriff der Streitigkeit nach dem Asylverfahrensgesetz im Sinne von § 52 Nr. 2 Satz 3 VwGO zu fassen ist als auch im Übrigen die Anwendung der besonderen prozessualen Bestimmungen des 9. Abschnitts des Asylverfahrensgesetzes erfordert (entgegen: VG Regensburg, Beschluss vom 10. September 2015 - RO 9 K 15.1357 -).

Tenor:

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage (- 5 A 3635/15 -) gegen die im Bescheid vom 15. September 2015 enthaltene Abschiebungsandrohung und die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes (Nr. 5 bzw. 6 des Bescheides).

Der Antrag, über den nach durch Beschluss vom heutigen Tage erfolgter Rückübertragung gem. § 76 Abs. 4 Satz 2 AsylVfG die Kammer entscheidet, hat keinen Erfolg.

Der Antrag ist zulässig, insbesondere gem. § 80 Abs. 5 VwGO statthaft, weil die aufschiebende Wirkung der Klage gem. § 75 Abs. 1 AsylVfG bzw. § 84 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG ausgeschlossen ist. Der Antrag ist jedoch nicht begründet, weil ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht bestehen.

1. Soweit sich die Klage gegen die Entscheidung über den Asylantrag (§ 13 Abs. 2 AsylVfG) richtet ist Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens gem. § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG (zunächst) die unter Setzung einer Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylVfG) ausgesprochene Abschiebungsandrohung, wobei das Gericht vorliegend auch die Einschätzung des Bundesamtes zum Gegenstand seiner Prüfung zu machen hat, dass der geltend gemachte Anspruch auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft – den Anspruch auf Asylanerkennung verfolgt der anwaltlich vertretene Antragsteller im Hauptsacheverfahren nicht weiter – offensichtlich nicht besteht.

Eine Offensichtlichkeit ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 bis 5 oder des § 29a AsylVfG erfüllt sind oder wenn nach vollständiger Erforschung des Sachverhalts an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen keine Zweifel bestehen und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung (nach dem Stand der Rechtsprechung und Lehre) sich eine Ablehnung des Antrags geradezu aufdrängt (BVerfG, Beschlüsse vom 20. April 1988 - 2 BvR 1506/87 -, NVwZ 1988, 717, und vom 8. November 1991 - 2 BvR 1351/91 -, InfAuslR 1992, 72 [BVerfG 04.12.1991 - 2 BvR 657/91]). Dies wird bei Geltendmachung einer kollektiven Verfolgungssituation in der Regel nur bei gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung in Betracht kommen und ausnahmsweise bei Erkenntnissen, die auf regelmäßig eindeutigen und widerspruchsfreien Auskünften und Stellungnahmen sachverständiger Stellen beruhen (BVerfG, Beschlüsse vom 12. Juli 1983 - 1 BvR 1470/82 -, BVerfGE 65, 76, und vom 13. Oktober 1983 - 2 BvR 888/93 -, InfAuslR 1993, 390 [BVerfG 13.10.1993 - 2 BvR 888/93]). Bei der Geltendmachung von Einzelverfolgungsmaßnahmen kann sich eine Ablehnung des Asylantrages als offensichtlich aufdrängen, wenn die im Einzelfall geltend gemachte Gefährdung des Asylsuchenden den von Art. 16a Abs. 1 GG vorausgesetzten Grad der Verfolgungsintensität nicht erreicht, die behauptete Verfolgungsgefahr allein auf nachweislich gefälschten oder widersprüchlichen Beweismitteln beruht oder sich das Vorbringen des Asylbewerbers insgesamt als unglaubhaft oder als unschlüssig erweist (BVerfG, Beschlüsse vom 12. Juli 1983, a.a.O., und vom 27. Februar 1990 - 2 BvR 186/89 -, InfAuslR 1990, 199).

Ausgesetzt werden darf die Abschiebung nur dann, wenn ernstliche Zweifel an dem Offensichtlichkeitsurteil oder an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung bestehen (§ 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG). Diese sind dann zu bejahen, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung - und ihr vorgehend das Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamtes - einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1516/93 -, BVerfGE 94,166).

Im gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 Abs. 1 und 4, § 3a - 3e AsylVfG) offensichtlich nicht vor (§ 30 Abs. 1 AsylVfG). Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt das Gericht gem. § 77 Abs. 2 AsylVfG auf die Begründung des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge Bezug, der es folgt.

Ergänzend ist Folgendes auszuführen:

Das behauptete individuelle Verfolgungsschicksal erweist sich aller Voraussicht nach als nicht flüchtlingsrelevant.

Der Antragsteller hat in seiner Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorgetragen, zwei seiner Töchter seien im Herkunftsland von Personen, die einem Netzwerk zur organisierten Prostitution angehörten, schwer misshandelt und vergewaltigt worden. Die Täter hätten auch ihn zusammengeschlagen und bedroht. Es ist bereits nicht erkennbar, dass die behaupteten Bedrohungen an asylerhebliche Merkmale angeknüpft haben oder der Antragsteller Verfolgungshandlungen ausgesetzt war, die im Sinne des § 3a Abs. 3 AsylVfG mit Verfolgungsgründen im Sinne des § 3 Abs. 1, § 3b AsylVfG verknüpft sind und in seiner Heimat gezielten und systematischen Verfolgungsmaßnahmen nach §§ 3, 3a AsylVfG durch Akteure im Sinne von § 3c AsylVfG ausgesetzt war oder im Falle einer Rückkehr sein wird. Bei der geschilderten Bedrohung handelt es sich demnach um gewöhnliches kriminelles Unrecht.

Im Übrigen erachtet die Kammer das angebliche Verfolgungsschicksal wegen des unsubstantiierten, detailarmen und widersprüchlichen Vortrags schon für unglaubhaft (§ 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG). Insbesondere bleibt unklar, aus welchen Gründen die Täter Druck auf den Antragsteller ausüben sollten und welches Ziel sie mit dessen Bedrohung verfolgen könnten. Der Antragsteller hat in der Anhörung selbst vorgetragen, dass er die Täter nach der Misshandlung der älteren Tochter identifiziert und eine Anzeige gegen die – nach eigenen Angaben bereits polizeibekannten – Täter erstattet habe. Zudem hat der Antragsteller angegeben, sich absolut sicher zu sein, dass die Täter mit der Polizei zusammenarbeiten und die Polizei daher nichts unternehme. Vor diesem Hintergrund sind keine nachvollziehbaren Beweggründe dafür ersichtlich, weshalb die Täter ihn – etwa durch das berichtete Vorbeifahren an seinem Haus – fortwährend unter Druck setzen bzw. ihm – anlässlich des Vorfalls im August 2014 – mit der Auslöschung seiner Familie drohen sollten, um eine (erneute) Anzeige zu verhindern. Die von dem Antragsteller geschilderten Umstände lassen nach alldem plausible Gründe für eine gezielte Bedrohung seiner Person nicht erkennen.

Das Vorbringen des Antragstellers weist außerdem zahlreiche Widersprüche zum Vortrag seines Bruders, dem Kläger und Antragsteller in den Verfahren 5 A 976/15 und 5 B 998/15, auf. Die von dem Bruder des Antragstellers in dessen Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 6. Januar 2015 geschilderten wiederholten Aufforderungen der Täter an ihn und den Antragsteller, aus Berat zu fliehen bzw. zu verschwinden, hat der Antragsteller nicht ansatzweise berichtet. Ebenso hat der Bruder angegeben, er und der Antragsteller seien „sehr oft malträtiert und geschlagen“ worden. Der Antragsteller hat hingegen – auch auf weitere Nachfrage hin – nur von einem einmaligen tätlichen Übergriff auf seine Person im August 2014 berichtet sowie Tritte gegen ihn und seinen Bruder am Folgetag geschildert, als er sich auf den Weg zum Krankenhaus begeben habe. Der Antragsteller hat zudem angegeben, er habe die Täter mit Freunden gesucht und identifiziert. Die Täter seien auch polizeibekannt. Demgegenüber hat der Bruder ausdrücklich angegeben, sie hätten nur eine Person identifiziert, die anderen Personen hätten sie nicht gekannt.

Auch bezüglich der Einzelheiten des Übergriffs im August 2014 weichen die Darstellungen des Antragstellers deutlich von denen seines Bruders ab. Während der Bruder geschildert hat, die Familie habe die jüngere Tochter des Antragstellers im Haus zurückgehalten, hat der Antragsteller berichtet, dass die Tochter vor dem Übergriff im August 2014 zwei Monate lang von verschiedenen Personen wiederholt verfolgt und unter Druck gesetzt worden sei. Ein solcher Sachverhalt setzt aber voraus, dass sich die Tochter außerhalb des Hauses aufgehalten hat. Nach den weiteren Angaben des Bruders seien sie am Tag des Übergriffs zunächst von maskierten Männern verfolgt worden, die den Antragsteller dann mit Steinen beworfen hätten und ihn ebenfalls mit einem Stein verletzt hätten, als er dem Bruder zur Hilfe gekommen sei. Demgegenüber hat der Antragsteller angegeben, die Personen seien auf dem Rückweg von seiner Schwester auf ihn zugekommen und hätten ihn – nachdem er seinen Bruder mit seiner Tochter weggeschickt habe – zusammengeschlagen. Während der Bruder zudem berichtet hat, anlässlich des Vorfalls hätten die Täter sie aufgefordert, sie sollten verschwinden, sonst würden sie sie „abschlachten“, hat der Antragsteller allein berichtet, die Täter hätten damit gedroht, die Familie „auszulöschen“, sollte er Anzeige erstatten. Diese Drohung sei am nächsten Tag zudem wiederholt worden.

Auch davon, dass die ältere Tochter im Jahr 2013 mit einem Baseballschläger misshandelt worden sein soll, hat der Bruder des Antragstellers nicht ansatzweise berichtet. Nicht nachvollziehbar ist zudem, dass sich die ältere Tochter des Antragstellers nach wie vor in Albanien aufhält und nur die jüngere Tochter mit ihrem Vater und Onkel vor der behaupteten – in erster Linie gegen die Frauen gerichteten – Bedrohung geflohen ist.

Dem Antragsteller wäre es überdies möglich und zumutbar, sich einem am Wohnort bestehenden Konflikt durch Umzug in einen entfernt liegenden Landesteil (innerstaatliche Fluchtalternative) zu entziehen und gegen kriminelles Unrecht polizeiliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Soweit der Antragsteller insoweit geltend macht, er sei überzeugt, dass die Täter mit der Polizei zusammenarbeiten, sind Anhaltspunkte hierfür weder dargelegt noch ersichtlich.

Gründe für die Gewährung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylVfG) liegen hiernach ebenso wenig wie ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG vor.

Das Gericht vermag auch keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit (§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) des Antragstellers bei seiner Rückkehr nach Albanien zu erkennen. Insbesondere wurden krankheitsbedingte Abschiebungsverbote nicht geltend gemacht.

Schließlich hat das Bundesamt zu Recht eine Ausreisefrist von einer Woche unter Androhung der Abschiebung gesetzt. Diese folgt aus §§ 34, 36 Abs. 1 AsylVfG und § 59 AufenthG.

2. Soweit sich der Antragsteller mit seiner Klage gegen die im angefochtenen Bescheid ausgesprochene Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes auf 30 Monate wendet, hat der Antrag ebenfalls keinen Erfolg.

Das beschließende Gericht ist auch insoweit zuständig und befugt, die Sache als Streitigkeit nach dem Asylverfahrensgesetz zu behandeln.

Die örtliche Zuständigkeit des beschließenden Gerichts folgt aus § 52 Nr. 2 Satz 3 VwGO. Diese Norm trifft eine Sonderregelung für Streitigkeiten nach dem Asylverfahrensgesetz und gilt nicht nur für Streitigkeiten über die Anerkennung als Asylberechtigter, sondern für alle Streitigkeiten, die sich bei der Anwendung des Asylverfahrensgesetzes ergeben (Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 52 Rn. 11; Bier/Schenk, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: 28. EL 2015, § 52 Rn. 23). Auch ausländerrechtliche Maßnahmen und Entscheidungen des Bundesamtes nach § 5 Abs. 1 Satz 2, §§ 34 ff. AsylVfG werden umfasst (vgl. Kraft, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 52 Rn. 21). Darunter fallen auch Streitigkeiten über die seit dem 1. August 2015 vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu treffenden Entscheidungen zur Befristung von Einreise- und Aufenthaltsverboten (§ 11 Abs. 2 AufenthG), die an dessen aufenthaltsbeendende Entscheidungen nach erfolglosen Asylverfahren anknüpfen (a.A. VG Regensburg, Beschluss vom 10. September 2015 - RO 9 K 15.1357 - juris, Rn. 13).

Durch das Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 hat der Gesetzgeber die bisherigen Regelungen zum Einreise- und Aufenthaltsverbot in § 11 AufenthG neu gefasst und damit u.a. die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts zu den sich insoweit aus Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348 vom 24. Dezember 2008, S. 98; Rückführungsrichtlinie) ergebenden Anforderungen nachvollzogen (vgl. EuGH, Urteil vom 19. September 2013 - Rs. C-297/12 -, juris; BVerwG, Urteil vom 10. Juli 2012 - 1 C 19.11 -, juris, Rn. 30, vgl. BT-Drs. 18/4097, S. 24, 35).

Der ursprüngliche Gesetzentwurf (BT-Drs. 18/4097, S. 35 f.) vom 25. Februar 2015 sah dabei zunächst vor, dass die Zuständigkeit für die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 2 AufenthG bei den Ausländerbehörden verbleibt. Eine Änderung der allgemeinen Regelung des § 71 Abs. 1 AufenthG, nach der für aufenthaltsrechtliche Maßnahmen und Entscheidungen nach diesem Gesetz die Ausländerbehörden zuständig sind, enthielt der Gesetzentwurf nicht.

Demgemäß heißt es in der ursprünglichen Gesetzesbegründung zu § 11 (BT-Drs. 18/4097, S. 36):

Im Falle einer Ausweisung wird die Frist gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung festgesetzt. Sofern dem Einreise- und Aufenthaltsverbot keine Ausweisung zugrunde liegt, soll die Frist mit der Abschiebungsandrohung der Ausländerbehörde festgesetzt werden, da dies regelmäßig das vorerst letzte Schriftstück darstellen dürfte, das dem Ausländer von einer deutschen Behörde zugestellt wird.“ [Unterstreichung durch das Gericht]

Lediglich für § 11 Abs. 7 AufenthG, der unter bestimmten Voraussetzungen (bestandskräftige Antragsablehnung als offensichtlich unbegründet nach § 29a Abs. 1 AsylVfG oder bestandskräftige Ablehnung eines Folge- oder Zweitantrags) die Anordnung und Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbotes ermöglicht, enthielt der Gesetzentwurf mit dem neu eingefügten § 75 Nr. 12 AufenthG eine Zuständigkeitsregelung zugunsten des Bundesamtes (BT-Drs. 18/4097, S. 19, 58).

Demgemäß sollte sich die - in dieser Form auch in Kraft getretene - Regelung in § 83 Abs. 3 AufenthG, nach der gegen die Anordnung und Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt kein Widerspruch stattfindet (BT-Drs. 18/4097, S. 20), auch nur auf Entscheidungen nach § 11 Abs. 7 AufenthG beziehen, nicht aber auf die nach dem damaligen Entwurf von der Ausländerbehörde vorzunehmende Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes.

In der Begründung des ursprünglichen Gesetzentwurfs heißt es dazu (BT-Drs. 18/4097, S. 58):

Mit der Änderung wird ein Widerspruch gegen die Anordnung oder Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt ausgeschlossen. Die Klage gegen eine solche Maßnahme richtet sich nach der Verwaltungsgerichtsordnung. Die Vorschriften zum Gerichtsverfahren im Asylverfahrensgesetz finden keine Anwendung, da es sich bei dem Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Absatz 7 nicht um eine Entscheidung nach dem Asylverfahrensgesetz handelt.

Erst auf Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses vom 1. Juli 2015 (BT-Drs. 18/5420, S. 7, 28) wurde die Regelung in § 75 Nr. 12 AufenthG dahingehend gefasst, dass Aufgabe des Bundesamtes nicht nur, wie im ursprünglichen Entwurf bereits vorgesehen, „die Anordnung und Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 7“ ist, sondern auch die „Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 2 im Fall einer Abschiebungsandrohung nach den §§ 34, 35 Asylverfahrensgesetzes oder einer Abschiebungsanordnung nach § 34a Asylverfahrensgesetzes“.

Dazu heißt es in der Begründung (BT-Drs. 18/5420, S. 28):

In anderen Fällen als bei Ausweisungen ist die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 2 Satz 3 mit der Abschiebungsandrohung, spätestens aber bei der Ab- oder Zurückschiebung, festzusetzen. Zuständig hierfür sind grundsätzlich die Ausländerbehörden. Bei abgelehnten Asylbewerbern erfolgt die Abschiebung aber auf Grundlage einer Abschiebungsandrohung nach §§ 34, 35 des Asylverfahrensgesetzes oder einer Abschiebungsanordnung nach § 34a des Asylverfahrensgesetzes, für die nicht die Ausländerbehörden, sondern das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zuständig ist. Aus verwaltungsökonomischen Gründen und aufgrund der größeren Sachnähe ist es daher sinnvoll, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge selbst zusammen mit der jeweiligen Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots für den Fall der Abschiebung vornimmt. Dementsprechend wird in § 75 Nummer 12 die Zuständigkeit des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge für derartige Befristungen geregelt. Die Änderung entspricht auch einem Petitum des Bundesrates (vgl. Stellungnahme des Bundesrates vom 6. Februar 2015, Bundesratsdrucksache 642/14 (Beschluss)).“

Das Verwaltungsgericht Regensburg hat in seiner Entscheidung vom 10. September 2015 (a.a.O.) hinsichtlich der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes einen eigenständigen Streitgegenstand angenommen und das Verfahren nach Abtrennung insoweit an das Verwaltungsgericht Ansbach verwiesen. Zur Begründung hat es Bezug genommen auf die - bereits zitierte - Begründung des ursprünglichen Entwurfs zu § 83 (BT-Drs. 18/4097, S. 58), nach der sich die Klage gegen die Anordnung oder Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach der Verwaltungsgerichtsordnung richtet und die Vorschriften zum Gerichtsverfahren im Asylverfahrensgesetz keine Anwendung finden, weil es sich bei dem Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 7 AufenthG nicht um eine Entscheidung nach dem Asylverfahrensgesetz handelt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass wenn es sich nach der Gesetzesbegründung schon bei § 11 Abs. 7 AufenthG nicht um eine Entscheidung des Bundesamtes nach dem Asylverfahrensgesetz handele, dies erst recht für eine Entscheidung des Bundesamtes nach § 11 Abs. 2 AufenthG gelten müsse, zumal der Wortlaut des § 83 Abs. 3 AufenthG n.F. insoweit nicht differenziere. Bei dem Verwaltungsgericht Ansbach handele es sich nach § 52 Nr. 2 Satz 1 und 2 VwGO um das örtlich für den Sitz des Bundesamts in Nürnberg zuständige Gericht.

Vor dem Hintergrund der dargestellten Gesetzesentwicklung ist jedoch der vom Verwaltungsgericht Regensburg (a.a.O.) gezogene „Erst-recht-Schluss“ von einer ausdrücklich nur zu § 11 Abs. 7 AufenthG ergangenen Gesetzesbegründung auf die erst im weiteren Gesetzgebungsverfahren aufgrund anderer Erwägungen neu gefasste Regelung in § 11 Abs. 2 AufenthG nicht zulässig.

Dass § 83 Abs. 3 AufenthG in der im ursprünglichen Gesetzentwurf enthaltenen Fassung in Kraft getreten ist, ändert daran nichts. Aus der darin enthaltenen Regelung, nach der gegen die Anordnung und Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt kein Widerspruch stattfindet, lässt sich kein Rückschluss darauf ziehen, dass es sich bei einer Befristungsentscheidung nach § 11 Abs. 2 AufenthG nicht um ein asyl-, sondern um ein ausländerrechtliches Verfahren handeln soll. Die insoweit gefasste Regelung ist auch erforderlich, da sich der Ausschluss des Widerspruchs nach § 11 AsylVfG nur auf Maßnahmen und Entscheidungen nach dem Asylverfahrensgesetz bezieht, nicht dagegen auf solche nach dem Aufenthaltsgesetz.

Zwar ist dem Verwaltungsgericht Regensburg zuzugeben, dass § 52 Nr. 2 Satz 3 VwGO eine besondere Zuständigkeitsregelung nur für Streitigkeiten nach dem Asylverfahrensgesetz enthält, eine auf § 11 Abs. 2 AufenthG gestützte Entscheidung des Bundesamtes über eine Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 2 AufenthG einen gesetzlichen Anknüpfungspunkt im Asylverfahrensgesetz aber nicht unmittelbar enthält.

Allerdings handelt es sich bei verständiger Würdigung des Regelungsbereichs bei der Befristungsentscheidung nach § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG - anders als bei der in das Ermessen des Bundesamtes gestellten Anordnung und Befristung nach § 11 Abs. 7 AufenthG - um eine zwingende Folgeentscheidung zu aufenthaltsbeendenden Maßnahmen in erfolglosen Asylverfahren, die demgemäß trotz der gesetzessystematisch verunglückten Verortung im Aufenthaltsgesetz auch asylverfahrensrechtlich zu behandeln ist. Offensichtlich hat der Gesetzgeber die nach § 5 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG gebotene Verbindung der in § 11 AufenthG angelegten Regelung (zunächst) übersehen. In der Sache wollte er jedoch erkennbar mit seiner Neuregelung zum 1. August 2015 den sachlichen Zusammenhang zwischen aufenthaltsbeendenden Entscheidungen bezüglich Drittstaatsangehörigen und zugehörigen Befristungsentscheidungen wahren, der sich auch aus der Rückführungsrichtlinie (vgl. Art. 11 Abs. 1 RL 2008/115/EG) ergibt, und zudem mit der Neuregelung einen Beschleunigungseffekt bei der Abwicklung von Asylverfahren erzielen (vgl. BT-Drs. 18/5420, S. 28; BR-Drs. 642/14, S. 9), der konterkariert wäre, wenn in einer Vielzahl von Asylverfahren eine Aufspaltung der Gerichtszuständigkeit hinsichtlich der in einheitlichen Bescheiden zusammengefassten Verwaltungsakte erfolgte.

Dementsprechend sieht auch der aktuelle Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 29. September 2015 (BT-Drs. 18/6185, S. 9) neben einzelnen § 11 Abs. 2 AufenthG betreffenden Regelungen im geplanten Asylgesetz (u.a. § 34a Abs. 2 Satz 3 und 4, § 36 Abs. 3 Satz 4 und 5 AsylG-E) mit § 83c AsylG-E auch eine eigenständige Regelung vor, nach der die Bestimmungen des Abschnitts 9 (Gerichtsverfahren) sowie § 52 Nr. 2 Satz 3 VwGO auch für Rechtsbehelfe nach § 75 Nr. 12 AufenthG, insbesondere also Befristungsentscheidungen des Bundesamtes nach § 11 Abs. 2 AufenthG gelten sollen. Laut Entwurfsbegründung soll es sich dabei ausdrücklich nur um eine Klarstellung handeln, dass für Rechtsbehelfe gegen die Entscheidung des Bundesamtes zum Einreise- und Aufenthaltsverbot die gleichen Regeln und Zuständigkeiten gelten wie für die Rechtsbehelfe gegen die asylrechtliche Entscheidung (BT-Drs. 18/6185, S. 51).

Aus den vorgenannten Erwägungen folgt gleichzeitig, dass auch im Übrigen die besonderen prozessualen Bestimmungen des 9. Abschnitts des Asylverfahrensgesetzes (insbes. § 74 Abs. 1 Satz 1, § 75 Abs. 1, § 76 Abs. 1 Satz 1, §§ 80 und 83b AsylVfG) anzuwenden sind.

Über die Dauer der Sperrfrist entscheidet die zuständige Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Das Gericht hat nur zu prüfen, ob die in § 114 VwGO genannten besonderen Voraussetzungen eingehalten werden, d.h. ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes – hier der behördlichen Befristungsentscheidung – gegeben sind, ob der Erlass des Verwaltungsaktes auf Ermessensfehlern beruht und ob eine Unterlassung einer rechts- und ermessensfehlerfreien Entscheidung der Behörde beim betroffenen Ausländer zu einer Rechtsverletzung führt.

Die Antragsgegnerin war nach § 11 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 75 Nr. 12 AufenthG zur Entscheidung über die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots (§ 11 Abs. 1 AufenthG) berufen. Die Entscheidung, das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung zu befristen ist auch ermessensfehlerfrei innerhalb der von § 11 Abs. 3 Satz 2 und 3 AufenthG aufgezeigten gesetzlichen Grenzen getroffen worden. Das Vorliegen besonderer Umstände ist vom Antragsteller weder vorgetragen noch ersichtlich. Die in der Mitte des von § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG aufgezeigten Rahmens vorgenommene Befristung auf 30 Monate begegnet keinen Bedenken.