Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 21.10.2015, Az.: 11 A 3678/14

Anlieferung; Behältnis; Tiere; Tierschutzschlachtrecht; Tierschutztransportrecht; Tränkwasser; Verhältnismäßigkeit

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
21.10.2015
Aktenzeichen
11 A 3678/14
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 45117
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

§ 7 Abs. 2 Satz 2 TierSchlV, welcher vorsieht, dass Tiere, die in Behältnissen angeliefert und nicht innerhalb von zwei Stunden der Schlachtung zugeführt werden, mit Tränkwasser zu versorgen sind, konkretisiert Anhang III Ziff. 1.5 lit.c der Verordnung (EG) 1099/2009.

Tiere sind auch dann angeliefert, wenn sie sich noch auf dem Transportfahrzeug, welches auf dem Schlachthof auf die Entladung zum Schlachten der Tiere wartet, befinden.

§ 7 Abs. 2 Satz 2 TierSchlV ist nicht wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht unwirksam.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens: insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin betreibt in der ……. einen Schlachthof.

Am 13. März 2013 hat die Altmärkische Putenmastgesellschaft mbH aus …….752 Puten von der Firma ……. zum Schlachten in den Betrieb der Klägerin transportieren lassen. Das Fahrzeug fuhr um 2.20 Uhr ab und kam etwa um 7.35 Uhr auf dem Gelände der Klägerin an. Bis ca. 15.45 Uhr verblieben die Tiere auf dem Transportfahrzeug. Danach sind die Tiere unmittelbar zum Schlachten verbracht worden.

Mit Bußgeldbescheid vom 18. Februar 2014 setzte der Beklagte gegen die Klägerin sowie gegen deren Geschäftsführer wegen Verstoßes gegen § 7 Abs. 2 Satz 2 Tierschutz-Schlachtverordnung (TierSchlV) ein Bußgeld in Höhe von jeweils 200,00 Euro fest, da die Tiere nach der Ankunft auf dem Schlachthof im Transportfahrzeug länger als zwei Stunden ohne die erforderliche Wasserversorgung geblieben seien. Hiergegen hat die Klägerin Einspruch erhoben. Das Amtsgericht Wildeshausen hat das Bußgeldverfahren nach § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt. Der Beklagte ermittelte vier vergleichbare Vorfälle und hat wegen eines Falles einen weiteren Bußgeldbescheid erlassen, gegen den die Klägerin Einspruch erhoben hat, über den noch nicht entschieden ist.

Am 10. November 2014 hat die Klägerin verwaltungsgerichtliche Klage erhoben.

Sie trägt im Wesentlichen vor: Die Klage sei als Feststellungsklage zulässig. Es bestehe ein konkretisiertes Rechtsverhältnis, weil sie und der Beklagte das Ereignis vom 13. März 2013 rechtlich unterschiedlich beurteilten. Wegen der erlassenen Bußgeldbescheide bestehe ein berechtigtes Feststellungsinteresse, zumal sie weitere befürchten müsse. Die Subsidiarität der Feststellungsklage nach § 43 Abs. 2 VwGO stehe nicht entgegen, weil der Beklagte keinen angreifbaren Verwaltungsakt erlassen habe. Die Klage sei auch begründet. Von einer „Anlieferung“ i.S.d. § 7 Abs. 2 Satz 2 TierSchlV könne erst nach der Abladung der Tiere von dem Transportfahrzeug gesprochen werden. Schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch liege eine Anlieferung erst bei der Übergabe des Transportgutes an den Empfänger vor. In systematischer Hinsicht sei zu berücksichtigen, dass nach §§ 1 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Nr. 4 TierSchlV lediglich das Betreuen von Tieren „in“ einem Schlachthof geregelt sei. Dieses beginne erst mit dem Abladen. § 8 Abs. 2 Satz 1 TierSchlV stelle ebenfalls auf das Entladen ab, welches in den Sätzen 2 und 3 der Vorschrift synonym mit dem Begriff der „Ankunft“ verwandt werde. Dass es auf das Entladen ankomme, ergebe auch die Ziff. 1.6 des Anhangs III der Verordnung (EG ) 1099/2009, welche sich gerade mit der Tränkwasserversorgung nach dem Abladen beschäftige. § 7 Abs. 2 Satz 2 TierSchlV regele gerade die Durchführung dieser Bestimmung. Das Tierschutztransportrecht, welches in der Verordnung (EG) 1/2005  geregelt sei, sei außerdem von dem Tierschutzschlachtrecht zu trennen. Erst nach Abschluss des Transportes sei das Schlachtrecht anwendbar. Der Transport sei nach Art. 2 lit. w der Verordnung (EG) 1/2005 der Vorgang bis zum Entladen der Tiere. Auch Art. 2 lit. s dieser Verordnung definiere den Bestimmungsort als denjenigen, an dem das Tier vom Transportmittel entladen werde. Mithin gehöre das Entladen noch zum Vorgang des Transports. Dementsprechend enthalte der Anhang I der Verordnung (EG) 1/2005 Regelungen für das Entladen. Bei gleichzeitiger Anwendung des Schlachtrechts käme es zu widersprüchlichen Doppelregelungen. Darüber hinaus ergäbe sich aus Anhang III  Ziff. 1.6. der Verordnung (EG) 1099/2009, dass die Bestimmung nur auf Säugetiere Anwendung finde. Inzwischen sei ein diesbezügliches redaktionelles Versehen in der deutschen Sprachfassung berichtigt worden. Nach der Ziff. 1.2 des Anhangs III der Verordnung (EG) 1099/2009 müssten auch lediglich Säugetiere nach dem Abladen untergebracht werden. Die Verordnung(EG) 1/2005  enthalte ebenfalls strengere Regelungen nur für Säugetiere. So sei etwa in Ziff. 1 des Kapitels III des Anhangs I geregelt, dass während des Transports keine Fütterungs- und Tränkpflicht für Geflügel bestehe. Mithin gelte dies auch für die Zeit der Ver- und Entladevorgänge. Schließlich sei auf Anhang III Abschnitt I Kapitel II lit. 1 a der Verordnung (EG) 853/2004 hinzuweisen, welcher Anforderungen an die Anlage von Tränken in Stallungen lediglich für Huftiere, nicht aber für Geflügel vorsehe. Die Regelung in § 7 Abs. 2 Satz 2 TierSchlV sei auch wegen Verstoßes gegen Art. 26 der Verordnung (EG) 1099/2009 unwirksam, weil sie strengere Vorgaben mache. Die europarechtliche Regelung sei bereits 2009 in Kraft getreten, während § 7 Abs. 2 Satz 2 TierSchlV erst seit dem 1. Januar 2013 gelte. Es handele sich mithin nicht um die Beibehaltung einer bereits vorhandenen strengeren Vorschrift. Abgesehen davon sei ein Tränken der Tiere auch objektiv unmöglich. Vor dem Abladen sei dies nicht durchführbar. Die Käfige seien gestapelt, so dass kein Zugang zu den Tieren bestehe. Dies ergebe sich auch wegen der Belegdichte und der baulichen Beschaffenheit der Käfige, die eine individuelle Tränkung ausschlössen. Ein Öffnen der Transportboxen würde die Puten in eine tierschutzwidrige Stresssituation versetzen. Dies werde durch die Äußerungen einer der Amtstierärzte des Beklagten in einer E-Mail vom 11. März 2013 gestützt.

Die Klägerin beantragt,

festzustellen, dass durch sie durch den am 13. März 2013 durchgeführten Transport von insgesamt 752 Puten mit anschließender Schlachtung, der Gegenstand des Bußgeldbescheides des Beklagten vom 18. Februar 2014 ist, in objektiver Hinsicht nicht gegen § 7 Abs. 2 Satz 2 TierSchlV verstoßen wurde.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er erwidert im Wesentlichen: § 7 Abs. 2 TierSchlV beziehe sich nicht nur auf Säugetiere. Bereits § 7 Abs. 2 TierSchlV in der seit 1997 geltenden Fassung habe eine solche Beschränkung nicht vorgesehen. Als strengeres nationales Recht habe man diese Bestimmung auch nach dem Erlass der Verordnung (EG) 1099/2009 zulässigerweise beibehalten. Deshalb habe auch die Korrektur der deutschen Sprachfassung im Anhang III Nr. 1.6 der Verordnung keine Auswirkungen auf die rechtliche Beurteilung. Die Regelungen in den §§ 7 und 8 TierSchlV beträfen unterschiedliche Sachverhalte, so dass eine einheitliche Auslegung der dortigen Begriffe nicht geboten sei. Nur in § 7 werde der Begriff der Anlieferung verwendet. Bei lebensnaher Auslegung sei die Anlieferung bereits die Ankunft des Transportfahrzeuges auf dem Schlachthof. Allein das Schlachtunternehmen bestimme dann den Zeitpunkt der Überführung der Tiere in die Schlachtkette. Dieses habe die alleinige Dispositionsbefugnis. Eine Umsetzung sei auch nicht objektiv unmöglich. Die Klägerin habe inzwischen eine Umstrukturierung ihrer Arbeitsabläufe vorgenommen. Der Beklagte reichte eine amtstierärztliche Stellungnahme vom 4. Februar 2015 sowie ein Schreiben des Nds. Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 5. Februar 2015 ein.

Das Gericht hat eine ergänzende fachliche Stellungnahme des Nds. Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 10. September 2015 eingeholt.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen; sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist als Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO zulässig. Wegen des noch anhängigen und drohender weiterer Bußgeldverfahren besteht ein streitiges Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. März 2009 - 8 C 1.09 -, NVwZ 2009, 1170, Rn. 21). Es ist auch ein Feststellungsinteresse der Klägerin anzuerkennen, weil es ihr nicht zumutbar ist, sich gegen jeden einzelnen noch zu erwartenden Bußgeldbescheid wehren zu müssen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2013 - 3 C 21.12 -, BVerwGE 147, 100, Rn. 12). Die Einstellung des früheren Bußgeldverfahrens durch das Amtsgericht Wildeshausen nach § 47 Abs. 2 OWiG ändert hieran nichts. Das Amtsgericht Wildeshausen hat gerade keine inhaltliche Entscheidung getroffen und die Klägerin von dem vorgeworfenen Verstoß nicht frei gesprochen. Der Beklagte bleibt zudem bei seiner Rechtsauffassung und hat einen weiteren Bußgeldbescheid erlassen. Über den hiergegen erhobenen Einspruch der Klägerin ist noch nicht entschieden worden.

Die Klage ist jedoch nicht begründet.

Die Klägerin hat gegen § 7 Abs. 2 Satz 2 TierSchlV verstoßen, weil danach Tiere in Behältnissen, die nicht innerhalb von zwei Stunden nach der Anlieferung der Schlachtung zugeführt werden, mit Tränkwasser zu versorgen sind. Die in Käfigen transportierten Puten waren am 13. März 2013 von 7.35 Uhr bis 15.45 Uhr noch in dem auf dem Gelände des Schlachthofes der Klägerin stehenden Anlieferungsfahrzeug und haben in dieser Zeit kein Wasser bekommen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Regelung nicht nur auf Säugetiere anwendbar. Zwar sieht der Anhang III Ziff. 1.6 der Verordnung (EG) 1099/2009 auch in der inzwischen berichtigten deutschen Sprachfassung vor, dass lediglich Säugetiere, die nach dem Abladen nicht direkt zu den Schlachtplätzen geführt werden, über geeignete Vorrichtungen jederzeit Zugang zu Tränkwasser haben müssen. § 7 Abs. 2 Satz 2 TierSchlV ist jedoch entgegen der Auffassung der Beteiligten nicht die Konkretisierung dieser Regelung, sondern der Bestimmung im Anhang III Ziff. 1.5 lit. c der Verordnung (EG) 1099/2009. Diese bestimmt, dass im Zusammenhang mit der Schlachtung u.a. Tiere, die in Containern angeliefert wurden, prioritär gegenüber anderen Tieren behandelt werden. Ist dies nicht möglich, so wird zur Linderung des Leidens Tieren, die in Containern angeliefert wurden, Wasser gegeben. Die Bestimmung betrifft also - wie § 7 Abs. 2 Satz 2 TierSchlV - die Versorgung von Tieren in Behältnissen mit Tränkwasser nach der Ablieferung. Bestätigt wird dies durch die amtliche Begründung des § 7 Abs. 2 Satz 2 TierSchlV (vgl. BR-Drs 672/12, S. 33 f.). Darin ist ausgeführt, dass dadurch die bislang geltenden Anforderungen an die Versorgung von Tieren mit Tränkwasser fortgeführt würden, da sie die Anforderungen von Anhang III Ziff. 1.5 der Verordnung (EG) 1099/2009 konkretisierten.

Die Kammer ist ferner der Auffassung, dass die hier fraglichen Puten bereits angeliefert gewesen sind, obwohl sie sich noch einige Stunden in dem auf dem Schlachthof stehenden Transportfahrzeug befunden haben. Nach § 3 Abs. 1 UStG sind Lieferungen Leistungen, durch die der Abnehmer befähigt wird, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Auch der Zugang eines Schreibens wird in entsprechender Anwendung des § 130 BGB angenommen, wenn dieses derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass er unter normalen Umständen die Möglichkeit der Kenntnisnahme hat (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, Rn. 7 b zu § 41).

So liegt es hier. Das Fahrzeug mit den Puten hat sich am 13. März 2013 bereits ab 7.35 Uhr auf dem Gelände des Schlachthofes der Klägerin befunden. Das Fahrzeug konnte dann je nach den Möglichkeiten und Abläufen im Schlachthof jederzeit entladen werden. Mithin wird der Zeitpunkt der Entladung von den Gegebenheiten im Schlachthof und damit von der Klägerin bestimmt. Daher hatte die Klägerin - wie der Beklagte zutreffend ausgeführt hat - bereits mit der Ankunft des Fahrzeugs auf ihrem Gelände das alleinige Verfügungsrecht über die Tiere. Letztlich diente das Transportfahrzeug als Aufbewahrungsraum für den Schlachthof. Dies wird bestätigt durch die in der mündlichen Verhandlung dargestellte jetzige Praxis bei der Klägerin. Denn die Tiere werden jetzt alsbald abgeladen und bis zur Schlachtung in einem neu errichteten Gebäudeteil aufbewahrt.

Die Verordnung (EG) 1099/2009 rechtfertigt auch insoweit keine andere Beurteilung. Auch nach der hier - wie oben ausgeführt - maßgeblichen Ziff. 1.5 lit. c des Anhangs III kommt es auf die Ablieferung der Tiere an. Lediglich die nicht einschlägige Ziff. 1.6 des Anhangs III stellt auf das Abladen ab. Dass einmal der Begriff „Abladen“ und einmal derjenige der „Anlieferung“ verwendet wird, lässt zudem gerade den Schluss zu, dass unterschiedliche Sachverhalte geregelt werden sollten.

Auch die Berücksichtigung anderer Regelungen der TierSchlV führt nicht zu einem abweichenden Ergebnis. § 8 Abs. 2 Satz 1 TierSchlV betrifft Tiere, die nicht in Behältnissen untergebracht sind und nicht sofort nach dem Entladen geschlachtet werden. Dass dort der Begriff „Entladen“ und in § 7 Abs. 2 Satz 2 TierSchlV derjenige der „Anlieferung“ verwendet wird, spricht dafür, dass unterschiedliche Vorgänge gemeint sind. Auch wird in § 8 Abs. 2 Satz 2 und 3 TierSchlV der Begriff „Ankunft“ nicht synonym zum „Entladen“ verwandt. § 1 Abs. 2 Nr. 1 und § 2 Nr. 4 TierSchlV bestimmen, dass es um die Tierbetreuung „in“ einem Schlachthof bzw. „innerhalb“ eines Schlachthofes geht. Gemeint ist also das gesamte Gelände eines solchen Betriebes.

Dass in Art. 2 lit. w der Verordnung (EG) 1/2005 der Transport als jede Bewegung von Tieren in Transportmitteln sowie alle damit zusammenhängenden Vorgänge einschließlich des Verladens, Entladens, Umladens und Ruhens bis zum Ende des Entladens der Tiere am Bestimmungsort definiert wird, ändert ebenfalls nichts. Anders als die Klägerin meint, können sich Vorgänge des Transports und der Schlachtung überschneiden. Aus den maßgeblichen Regelungen ist nicht erkennbar, dass die Normgeber die Anwendungsbereiche des Transport- und des Schlachtrechts exakt zu trennen beabsichtigten. Beispielsweise regelt Anhang III Ziff. 1.2 der Verordnung (EG) 1099/2009 auch das Verhalten des Schlachthofbetreibers vor dem Abladen, obwohl dieses nach der obigen Definition noch dem Transportvorgang zuzurechnen ist.

Die von der Klägerin angeführten Regelungen des Lebensmittelhygienerechts sind für die Auslegung tierschutzrechtlicher Bestimmungen ohne maßgebliche Bedeutung. Auch die Vorschriften über die Genehmigung von Schlachthöfen sind insoweit keine maßgebliche Auslegungshilfe.

Nach Auffassung der Kammer ist § 7 Abs. 2 Satz 2 TierSchlV auch nicht wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht unwirksam.

Art. 26 Abs. 1 der Verordnung (EG) 1099/2009 lässt die Beibehaltung von nationalen Vorschriften, die einen umfassenderen Schutz von Tieren ermöglichen, ausdrücklich zu. Die Kammer ist insoweit der Auffassung, dass § 7 Abs. 2 Satz 2 TierSchlV keine strengere Regelung als Anhang III Ziff. 1.5 lit. c der Verordnung (EG) 1099/2009 trifft, sondern diese - in zeitlicher Hinsicht - lediglich konkretisiert. Abgesehen davon war schon in § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 TierSchlV in der vom 1. April 1997 bis 31. Dezember 2012 geltenden noch weitergehenden Fassung vorgesehen, dass Tiere, die nach ihrer Ankunft nicht sofort der Schlachtung zugeführt werden, jederzeit mit Wasser in ausreichender Qualität zu versorgen sind. Dass § 7 Abs. 2 Satz 2 TierSchlV in der heutigen Fassung erst seit dem 1. Januar 2013 gilt, ändert nichts daran, dass hier eine Regelung zum umfassenderen Schutz von Tieren „beibehalten“ wurde.

Die Regelung des § 7 Abs. 2 Satz 2 TierSchlV greift auch nicht unverhältnismäßig in die unternehmerische Freiheit (Art. 16, 52 Abs. 1 Satz 2 EU-GR-Charta) ein.

Die Klägerin macht geltend, dass es unmöglich sei, der Tränkpflicht nachzukommen, ohne dass andere überwiegende Belange des Tierschutzes verletzt würden. Damit trägt sie in der Sache vor, dass die Vorschriften ungeeignet seien, den Tierschutz zu fördern. Nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. etwa Urteil vom 6. Dezember 2005 - C-453/03 u.a. - juris, Rn. 69; Kingreen in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Rn. 68 zu Art. 52 GRCh), der derjenigen des Bundesverfassungsgerichts zum Verhältnismäßigkeitsprinzip nach Art. 20 GG entspricht (vgl. etwa Beschluss vom 24. März 2009 - 1 BvR 144/09 - NJW 2009, 2587, juris, Rn. 12), steht dem Normgeber bei der Beurteilung komplexer Zusammenhänge ein weites Ermessen zu. Sein Spielraum ist erst dann überschritten, wenn die normgeberische Entscheidung offensichtlich unvertretbar ist. Dies kann hier im Ergebnis nicht festgestellt werden.

In der mit Schriftsatz vom 4. Februar 2015 eingereichten amtstierärztlichen Stellungnahme - die …… in der mündlichen Verhandlung noch einmal bekräftigt hat - wird ausgeführt, dass die Puten in den Transportcontainern nicht getränkt werden könnten, weil sich darin so viele Tiere aufhielten, dass sie aus Platzmangel keinen Bewegungswechsel vornehmen könnten. Versuche, die Tiere mit Wasserschalen oder Nippeltränken zu versorgen, hätten gezeigt, dass die Tiere auf Grund der widrigen Bedingungen und mangels Bewegungsfreiheit kein Wasser aufnehmen würden. Bei einer Tränkung nach der Abladung der Käfige müssten die Tiere, die nicht innerhalb von zwei Stunden geschlachtet werden könnten, manuell aus den Transportkäfigen entnommen und in Wartebuchten verbracht werden. Die Herde würde dadurch in Panik geraten und es entstünde die Gefahr des Erdrückens am Stallende. Außerdem müssten die Tiere zur Schlachtung wiederum ergriffen und in die Transportkäfige zurückgesteckt werden. Zusammenfassend wird angeführt, dass das Tränken von Schlachtgeflügel in Transportkäfigen oder das Unterbringen in Wartebuchten so gut wie unmöglich sei. Stress und Verletzungsgefahr würden die Tiere aus Sicht des Tierschutzes höher belasten. Ergänzend hat ..... in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass eine Versorgung der Puten mit Wasser in den Transportkäfigen auch bei geringer Besatzdichte nicht möglich sei, weil die Tiere entsprechende Nippeltränken in der kurzen Zeit des Transports nicht annehmen würden.

Das Nds. Ministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Verbraucherschutz hat in einer fachlichen Stellungnahme vom 5. Februar 2015 ebenso mitgeteilt, dass es an einer realisierbaren, bedarfsgerechten Trinkwasser-Versorgungsmöglichkeit fehle.

In der ergänzenden Stellungnahme vom 10. September 2015 hat eine Veterinärin des Nds. Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz allerdings ausgeführt, dass eine Versorgung der Puten mit Wasser am Schlachtbetrieb in bestimmten Fällen realisierbar sei. Dies sei möglich, wenn die Puten in auf den Fahrzeugen fest installierten Käfigen angeliefert würden. Die Puten könnten dann in einen abzutrennenden ausreichend großen Bereich des Schlachthofs entladen und dort getränkt werden. Die Wasserversorgung könne über einfache Geflügeltränkeimer erfolgen. Vor dem Schlachten könnten die Tiere eingefangen werden und dann durch Einhängen in die Transportkette direkt der Schlachtung zugeführt werden.

Dagegen sei die Wasserversorgung der Puten, die in transportablen Kisten angeliefert würden, nicht möglich. Es würden insoweit dafür keine technischen Einrichtungen im Handel angeboten. Selbst wenn eine temporäre Installation zum Tränken der Tiere vorhanden wäre, könnte der Zugang wegen der hohen Besatzdichte nicht für alle Tiere gewährleistet werden. Die transportablen Kisten würden unmittelbar ohne Ausladung der Tiere zur CO2-Betäubung gefahren. Ein zwischenzeitliches Ausladen der Tiere und ein Wiederverbringen in die Kisten wären mit zusätzlichem Stress und einer erheblichen Belastung für die Tiere verbunden.

Es besteht damit Einigkeit darüber, dass die Tränkung der Tiere in der Art und Weise wie die Anlieferung und Schlachtung bei der Klägerin erfolgt, tierschutzgerecht nicht möglich ist. Die Ausführungen des Nds. Ministeriums für Landwirtschaft vom 10. September 2015 zeigen aber nachvollziehbar, dass es mindestens eine Fallgestaltung gibt, in der fachlich begründet die Auffassung vertreten werden kann, dass überwiegende Gründe des Tierschutzes eine Tränkung der Tiere erforderlich erscheinen lassen und dies auch möglich ist. Die Kammer hat zudem erwogen, dass eine Tränkung jedenfalls bei der Anlieferung von Säugetieren in Transportbehältnissen tierschutzfachlich sinnvoll sein könnte.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 154 Abs. 1, 167 VwGO, 708 Nr. 11 ZPO. Die Berufung war zuzulassen, weil die aufgeworfenen Fragen grundsätzliche Bedeutung haben (§§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO).