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§ 8a Nds. MVollzG - Behandlung der Anlasskrankheit gegen den natürlichen Willen zur Erreichung des Vollzugsziels

Bibliographie

Titel
Niedersächsisches Maßregelvollzugsgesetz (Nds. MVollzG)
Amtliche Abkürzung
Nds. MVollzG
Normtyp
Gesetz
Normgeber
Niedersachsen
Gliederungs-Nr.
34140010000000

(1) Eine Behandlung der Anlasskrankheit gegen den natürlichen Willen der untergebrachten Person darf nur angeordnet werden, wenn

  1. 1.

    die untergebrachte Person zur Einsicht in die Schwere ihrer Krankheit und die Notwendigkeit von Behandlungsmaßnahmen oder zum Handeln gemäß solcher Einsicht krankheitsbedingt nicht fähig ist,

  2. 2.

    eine Patientenverfügung im Sinne des § 1901a Abs. 1 Satz 1 BGB, deren Festlegungen auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen und die die Durchführung der Behandlung untersagt, nicht vorliegt,

  3. 3.

    die untergebrachte Person über die beabsichtigte Behandlung und ihre Wirkungen in einer ihren Verständnismöglichkeiten und ihrem Gesundheitszustand entsprechenden Weise angemessen informiert worden ist,

  4. 4.

    der ernsthafte, mit dem erforderlichen Zeitaufwand und ohne Ausübung von Druck unternommene Versuch einer zuständigen Ärztin oder eines zuständigen Arztes, eine auf Vertrauen gegründete Zustimmung zu der Behandlung zu erreichen, erfolglos geblieben ist,

  5. 5.

    die Behandlung dem Ziel dient, die untergebrachte Person entlassungsfähig zu machen,

  6. 6.

    die Behandlung zur Erreichung ihres Ziels geeignet, nach ihrer geplanten Art und Dauer einschließlich der Auswahl und Dosierung der Medikamente sowie der begleitenden Kontrollen erforderlich ist, weniger eingreifende Behandlungen aussichtslos sind und

  7. 7.

    der Nutzen der Behandlung die mit ihr einhergehenden Belastungen und den möglichen Schaden bei Nichtbehandlung deutlich überwiegt.

(2) Bevor eine Behandlung nach Absatz 1 angeordnet wird, müssen zwei von der Einrichtung unabhängige Sachverständige das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 Nrn. 1 und 3 bis 7 in einer schriftlichen Stellungnahme einvernehmlich bestätigen. Eine oder einer der Sachverständigen muss Fachärztin oder Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sein. Die oder der andere Sachverständige muss Erfahrung im Umgang mit untergebrachten Personen haben. Die Auswahl der Sachverständigen im Einzelfall trifft das Fachministerium oder eine von ihm bestimmte Stelle. Die Sachverständigen sind unabhängig, nicht weisungsgebunden und zur Verschwiegenheit verpflichtet. Sie erhalten eine Vergütung in entsprechender Anwendung der Gebührenordnung für Ärzte. Die Vollzugsleitung oder, wenn eine solche bestellt ist, die Therapeutische Leitung und der Träger der Einrichtung sind verpflichtet, die Sachverständigen bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Sie haben ihnen, soweit es zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist, Auskünfte zu erteilen, Akteneinsicht zu gewähren und Gespräche mit den Untergebrachten sowie den Bediensteten zu ermöglichen. Die untergebrachte Person ist von der zuständigen Ärztin oder dem zuständigen Arzt über die bevorstehende Begutachtung durch die Sachverständigen zu unterrichten.

(3) Die zuständige Ärztin oder der zuständige Arzt teilt der untergebrachten Person und ihrer gesetzlichen oder rechtsgeschäftlichen Vertreterin oder ihrem gesetzlichen oder rechtsgeschäftlichen Vertreter das Ergebnis der Stellungnahme der Sachverständigen mit und unterrichtet sie über eine beabsichtigte Anordnung der Behandlung.

(4) Die Anordnung erfolgt schriftlich durch die Vollzugsleitung oder, wenn eine solche bestellt ist, die Therapeutische Leitung. In der Anordnung ist die Art und Dauer der Behandlung einschließlich der Auswahl und Dosierung der Medikamente und der begleitenden Kontrollen, deren Zulässigkeit nach Absatz 2 Satz 1 bestätigt worden ist, sowie die Intensität der erforderlichen ärztlichen Überwachung anzugeben. Die Anordnung ist der untergebrachten Person sowie ihrer rechtsgeschäftlichen oder gesetzlichen Vertreterin oder ihrem rechtsgeschäftlichen oder gesetzlichen Vertreter vor Behandlungsbeginn bekannt zu geben und muss eine Belehrung darüber enthalten, dass gegen die Anordnung um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht und auch ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt werden kann. Der Vollzug der Anordnung beginnt frühestens zwei Wochen nach ihrer Bekanntgabe, sofern kein Antrag auf gerichtlichen Rechtsschutz gestellt worden ist.

(5) Die Behandlung ist durch die zuständige Ärztin oder den zuständigen Arzt zu überwachen. Sie ist unter Angabe der maßgeblichen Gründe für ihre Anordnung, ihres Zwangscharakters, der Art und Weise ihrer Durchführung, der vorgenommenen Kontrollen und der Überwachung der therapeutischen Wirksamkeit zu dokumentieren.

(6) Die Behandlung ist nach Erreichen des Behandlungsziels, spätestens jedoch nach Ablauf von sechs Monaten zu beenden. Sie ist auch zu beenden, wenn im Verlauf der Behandlung eine Besserung nicht eintritt oder schwerwiegende Nebenwirkungen einen Abbruch der Behandlung erforderlich machen. Nach Ablauf von jeweils sechs Monaten darf die Behandlung nur unter den Voraussetzungen der Absätze 1 bis 5 erneut angeordnet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten für Untersuchungen, die im Rahmen der Behandlung der Anlasskrankheit erforderlich und mit einem körperlichen Eingriff verbunden sind, entsprechend.