Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 05.07.2012, Az.: 4 A 1182/10

Anforderungen an die Pflicht eines Krankenhausbetreibers zur Entrichtung von Fremdenverkehrsbeiträgen gem. kommunaler Satzung

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
05.07.2012
Aktenzeichen
4 A 1182/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2012, 19815
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2012:0705.4A1182.10.0A

Fundstelle

  • Gemeindehaushalt 2012, 286

Amtlicher Leitsatz

Der Betreiber eines Krankenhauses, in dem angestellte Ärzte arbeiten, unterliegt ebenso wie selbständige Arzte und Fachärzte der - grundsätzlichen - Fremdenverkehrsbeitragspflicht. Eien Differenzierung danach, ob es sich um ein Akutkrankenhaus oder um eine Rehabilitations- oder Vorsorgeeinrichtung handelt, ist in diesem Zusammenhang nicht angezeigt.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu Fremdenverkehrsbeiträgen für die Jahre 2010 und 2011.

2

Der Kläger ist Inhaber und Betreiber des "O. -Hotel P. " in der Stadt E.. Zudem ist er Verpächter von gastronomischen Räumlichkeiten (Bierstube und Restaurant), die dem genannten Hotel angeschlossen sind. Die Stadt Q. welche Mitgliedsgemeinde der beklagten Samtgemeinde ist, ist für das gesamte Stadtgebiet als Nordseebad staatlich anerkannt.

3

In seiner Sitzung vom 14. Juni 2010 beschloss der Rat der Stadt E. die Satzung über die Erhebung eines Fremdenverkehrsbeitrages in der Stadt E. (Fremdenverkehrsbeitragssatzung - FVBS -), die er zum 01. Juli 2010 in Kraft setzte. Neben Bestimmungen zum umzulegenden Aufwand (§ 1 FVBS) enthält die Satzung u.a. folgende weitere Regelungen:

§ 2 Beitragspflichtige

(1)

Beitragspflichtig sind alle selbständig tätigen Personen und alle Unternehmen, denen durch den Fremdenverkehr im Gebiet der Stadt E. unmittelbar oder mittelbar besondere wirtschaftliche Vorteile geboten werden. Die Beitragspflicht erstreckt sich auch auf solche Personen und Unternehmen, die, ohne in der Stadt E. ihren Wohnsitz oder Betriebssitz zu haben, dauernd oder vorübergehend dort erwerbstätig sind.

(2)

Beitragspflichtig im Sinne des Absatzes 1 sind die in Spalte 1 der Anlagen 2010/2011 und 2012, die Bestandteile dieser Satzung sind, genannten und sonstigen selbständig tätigen Personen und Unternehmen, soweit ihnen nach der Ausgestaltung ihrer Tätigkeit typischerweise unmittelbar oder mittelbar besondere wirtschaftliche Vorteile aus dem Fremdenverkehr geboten werden. Unmittelbare Vorteile haben selbständig tätige Personen und Unternehmen, soweit sie mit den Gästen selbst entgeltliche Rechtsgeschäfte abschließen; mittelbare Vorteile erwachsen denjenigen selbständig tätigen Personen und Unternehmen, die mit den Nutznießern unmittelbarer Vorteile im Rahmen der für den Fremdenverkehr erfolgenden Bedarfsdeckung entgeltliche Rechtsgeschäfte tätigen. (...)

§ 3 Beitragsmaßstab

(1)

Der Fremdenverkehrsbeitrag bemisst sich nach dem besonderen wirtschaftlichen Vorteil, welcher den Beitragspflichtigen durch den Aufwand der Stadt E. nach § 1 Abs. 1 geboten wird.

(2)

Die Vorteile verstehen sich als jährlich erzielbare Durchschnittsgewinne und richten sich nach den geschätzten fremdenverkehrsinduzierten Gewinnanteilen an den Jahresumsätzen im Erhebungsgebiet.

(3)

Bei der Vorteilsermittlung werden Personen und Unternehmen mit vergleichbarer Wirtschaftsstruktur zu einer Gruppe zusammengefasst und einer entsprechenden durchschnittlichen Gewinnquote zugeordnet. (...)

(5)

Der jeweils anzuwendende Beitragsmaßstab ist Spalte 2 der Anlagen 2010/2011 und 2012, die Bestandteile dieser Satzung sind, zu entnehmen. (...)

§ 4 Beitragssatz

(1)

Die Beitragssätze ergeben sich im Einzelnen aus Spalte 3 der Anlagen 2010/2011 und 2012. Der Beitragsmaßstab (§ 3) wird mit dem Beitragssatz multipliziert und ergibt den zu zahlenden Beitrag. Der Beitrag wird jährlich erhoben. (...)

4

In der Anlage 2010/2011 zur Fremdenverkehrsbeitragssatzung werden in Spalte 1 unter 49 laufenden Nummern die beitragspflichtigen Personen und Unternehmen gemäß § 2 der Satzung, in Spalte 2 der Beitragsmaßstab und in Spalte 3 der Beitrag je Maßstab in Euro (Beitragssatz) geregelt. Unter Ziffer 1 der Spalte 1 werden aufgeführt "Inhaber von Beherbergungsbetrieben u.Ä.", konkretisiert unter Buchstabe a) als "Hotels, Gasthöfe, Pensionen". Diesbezüglich wird in Spalte 2 als Beitragsmaßstab vorgesehen "nach der Anzahl der vorhandenen Fremdenbetten/Schlafstellen, die zur Beherbergung gegen Entgelt zur Verfügung gestellt werden", wobei nach Spalte 3 "je Bett/Schlafstelle" ein Beitrag von 10,64 EUR beschlossen worden ist. Unter Ziffer 48 der Spalte 1 werden aufgeführt "Vermieter/Verpächter von a) Beherbergungsbetrieben, b) Gaststättenräumen und c) Ladenlokalen". Diesbezüglich wird in Spalte 2 als Beitragsmaßstab vorgesehen "nach der Größe der vermieteten/verpachteten Fläche". Nach Spalte 3 ist "je qm" ein Beitrag von 0,45 EUR (für Buchstabe a)), von 0,30 EUR (für Buchstabe b)) bzw. von 0,15 EUR (für Buchstabe c)) beschlossen worden. Unter Ziffer 49 der Spalte 1 werden aufgeführt "Sonstige Personen und Unternehmen mit beitragsrelevanten Vorteilen aus dem Fremdenverkehr". Diesbezüglich wird in Spalte 2 als Beitragsmaßstab vorgesehen "nach der Anzahl der Arbeitskräfte". Nach Spalte 3 ist "je Arbeitskraft" ein Beitrag von 17,50 EUR beschlossen worden. Die Anlage 2010/2011 enthält den Hinweis, dass sich für 2010 die genannten Beitragssätze aufgrund des Inkrafttretens der Fremdenverkehrsbeitragssatzung zum 01. Juli 2010 anteilig für 6 Monate ergäben. Aufgrund von § 4 Abs. 3 der Satzung würden für das Jahr 2011 die Beitragssätze um 50% reduziert und daher ebenfalls in der genannten Höhe erhoben.

5

Mit Bescheid vom 26. August 2010 zog die Beklagte den Kläger unter Ansetzung der für Beitragspflichtige im Sinne der Ziffer 1 a) der Spalte 1 der Anlage zur Fremdenverkehrsbeitragssatzung maßgeblichen, jeweils ermittelten Betten/Schlafstellen (40 Stück) einerseits und des beschlossenen Beitrags je Maßstab andererseits zu Vorausleistungen auf den Fremdenverkehrsbeitrag für das Jahr 2010 in Höhe von insgesamt 425,60 EUR heran. Aufgrund fehlender oder unvollständiger Angaben seien die Berechnungsgrundlagen geschätzt worden. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass der Vorausleistungsbescheid gemäß § 8 Abs. 3 FVBS gleichzeitig als Heranziehungsbescheid gelte, wenn zum Stichtag - 01. Juli eines jeden Jahres - keine beitragsrelevanten Veränderungen einträten.

6

Mit weiterem Bescheid vom 26. August 2010 zog die Beklagte den Kläger unter Ansetzung der für Beitragspflichtige im Sinne der Ziffer 48 b) der Spalte 1 der Anlage zur Fremdenverkehrsbeitragssatzung maßgeblichen, jeweils ermittelten vermieteten bzw. verpachteten Quadratmeter (130 m2) einerseits und des beschlossenen Beitrags je Maßstab andererseits zu Vorausleistungen auf den Fremdenverkehrsbeitrag für das Jahr 2010 in Höhe von insgesamt 39,00 EUR heran. Auch dieser Bescheid enthielt die Hinweise auf die Schätzung der Berechnungsgrundlagen sowie auf die Fortgeltung als Heranziehungsbescheid.

7

Mit Bescheid vom 26. Januar 2011 zog die Beklagte den Kläger unter Ansetzung derselben Berechnungsgrundlagen als Beitragspflichtigen im Sinne der Ziffer 1 a) der Spalte 1 der Anlage zur Fremdenverkehrsbeitragssatzung zu Vorausleistungen auf den Fremdenverkehrsbeitrag für das Jahr 2011 in Höhe von insgesamt 425,60 EUR heran.

8

Weiterhin zog die Beklagte den Kläger mit weiterem Bescheid vom 26. Januar 2011 unter Ansetzung derselben Berechnungsgrundlagen als Beitragspflichtigen im Sinne der Ziffer 48 b) der Spalte 1 der Anlage zur Fremdenverkehrsbeitragssatzung zu Vorausleistungen auf den Fremdenverkehrsbeitrag für das Jahr 2011 in Höhe von insgesamt 39,00 EUR heran.

9

Der Kläger hat gegen die beiden Bescheide vom 26. August 2010 am 24. September 2010 und gegen die beiden Bescheide vom 26. Januar 2011 am 14. Februar 2011 Klage erhoben. Die erkennende Kammer hat die Klagen mit Beschluss vom 15. Dezember 2011 unter dem im Rubrum genannten Aktenzeichen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

10

Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger im Wesentlichen vor:

11

Die Fremdenverkehrsbeitragssatzung verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Grundgesetz (GG). In der Satzung sei eine Reihe von Fremdenverkehrsbeitragspflichtigen nicht veranlagt worden, so dass keine korrekte Bemessungsgrundlage vorliege. Der Grundsatz der konkreten Vollständigkeit sei verletzt und die Satzung daher nichtig. Nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts sei dabei auch unbeachtlich, wie hoch die Mehreinnahmen bei Berücksichtigung der bislang nicht berücksichtigten Beitragspflichtigen wären. Erfasst seien in Ziffer 48 der Anlage 1 zur Satzung nur Vermieter/Verpächter von Beherbergungsbetrieben, Gaststättenräumen und Ladenlokalen, jedoch nicht Vermieter/Verpächter von sonstigen Geschäftsräumen und Gewerbeimmobilien, die unmittelbar einem Fremdenverkehrsbetrieb zu dienen bestimmt seien. Auch diese Vermieter/Verpächter seien jedoch selbst mittelbar bevorteilt und daher beitragspflichtig. Des Weiteren profitierten nach der Satzung Ärzte vom Fremdenverkehr, nicht jedoch Betreiber von Krankenhäusern, in denen Ärzte angestellt seien. Das in E. befindliche "S. Krankenhaus T. H. " sei nicht nur ein Krankenhaus für den Akut- und Regelbedarf, sondern biete ausweislich seines Internetauftritts "umfangreiche Gesundheits- und Rehabilitationsangebote" sowie weitere Dienste an, z.B. eine Gefäßchirurgie und eine Geriatrie. Außerdem vermiete es zeitweise Facharztpraxen. Schornsteinfeger profitierten ebenfalls von dem Fremdenverkehr, da die Ferienhäuser, die dem Fremdenverkehr dienten, kontrolliert werden müssten. Darauf beruhe eine wesentliche Zunahme ihrer Verdienstmöglichkeiten. Bevorteilt seien auch Behörden, soweit sie unternehmerisch tätig würden, wie etwa das in E. befindliche Katasteramt mit dem ihm angegliederten Gutachterausschuss. Umsatzsteuerpflichtig würden Wertgutachten erstellt, Liegenschaftskarten verkauft und Vermessungen vorgenommen. Vermieter/Verpächter von Parkplätzen seien nicht erfasst worden; der Großraumparkplatz im Ferienhausgebiet werde kostenpflichtig betrieben. Nicht erfasst worden seien auch Inhaber eines Altenheimes bzw. von Pflegediensten. So sei insbesondere das "Pflegeteam U. " gewerblich tätig und biete einen mobilen Pflegedienst an. Schließlich erfasse die Satzung nicht die Müllabfuhr sowie die Abwasserentsorgungsbetriebe. Beitragspflichtig seien nach Ziffer 47 der Anlage 1 zur Satzung lediglich Versorgungsunternehmer für Elektrizität, Wasser und Gas. Es müsse eine Gleichstellung von Entsorgungs- mit Versorgungsbetrieben stattfinden. Die nicht berücksichtigten Personen bzw. Unternehmen seien auch nicht von Ziffer 49 der Anlage 1 zur Satzung umfasst bzw. bei der Erstellung der Bemessungsgrundlage berücksichtigt worden; die Anwendung der Auffangvorschrift sei nicht in jedem Fall sachgerecht.

12

Des Weiteren werde die Rechtmäßigkeit der Kalkulation und die Gewichtung zur Heranziehung einzelner Betriebe gerügt. Die Kalkulation einzelner Beitragssätze sei fehlerhaft und verstoße gegen Art. 3 GG und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Es bestehe eine Ungleichgewichtung in der Belastung der einzelnen Verpflichteten. Eine annähernd vorteilsgerechte Verteilung habe nicht stattgefunden. Die Beklagte habe die besondere Fremdenverkehrsstruktur im Gebiet der Stadt E. nicht berücksichtigt; der wesentliche Fremdenverkehr bei den Übernachtungsgästen werde über die Vermietung von Ferienhäusern abgewickelt. Vermieter von Ferienhäusern profitierten gegenüber anderen Gewerbetreibenden überproportional vom Fremdenverkehr, würden aber nur unterdurchschnittlich zu den Abgaben herangezogen. Gastronomische Betriebe würden durch das Abstellen auf das Angebot der Sitzgelegenheit einseitig benachteiligt und überdurchschnittlich herangezogen.

13

Zu rügen sei zudem, dass keine Regionalisierung stattgefunden habe. Gerade im Bereich der Stadt E. konzentriere sich ein Großteil des Fremdenverkehrs auf den Bereich des Deiches, in dem die sog. Ferienhausgebiete lägen, und an zweiter Stelle auf die Innenstadt. Die Beklagte bzw. die Stadt E. habe keine Prüfungen hinsichtlich einer möglichen Regionalisierung der Beitragssätze vorgenommen und auch keine entsprechenden Erhebungen getätigt.

14

Der Kläger beantragt,

die Bescheide der Beklagten vom 26. August 2010 und die Bescheide der Beklagten vom 26. Januar 2011 aufzuheben.

15

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

16

Sie erwidert: Ein Verstoß gegen den Grundsatz der konkreten Vollständigkeit mache die Satzung nicht nimmer nichtig. Aufgrund des Verhältnismäßigkeitsprinzips seien die Folgen der Verletzung zu berücksichtigen. Entscheidend sei, ob die Verletzung Auswirkungen auf die Beitragspflicht der anderen Beitragspflichtigen habe. Dies sei hier nicht der Fall. Es werde insoweit eingeräumt, dass in der Satzung Vermieter, die an sonstige Selbständige vermieteten, die ihrerseits einen unmittelbaren Vorteil vom Fremdenverkehr hätten, nicht ausdrücklich genannt seien. Im Erhebungsgebiet befänden sich ca. 500 m2, die an Ärzte und Physiotherapieeinrichtungen vermietet seien. Diese zusätzliche Beitragseinnahme wäre aber ohne Relevanz für die Beitragssätze. Im Übrigen habe sie, die Beklagte, alle im Erhebungsgebiet in Frage kommenden Selbständigen erfasst. Krankenhäuser des Akut- und Regelbedarfs hätten keinen relevanten Nutzen; eine Beitragspflicht bestehe nur für Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen. Schornsteinfeger hätten keine besseren Verdienstmöglichkeiten, weil im Erhebungsgebiet Fremdenverkehr betrieben werde. Als beliehene Unternehmer könnten sie nur in den ihnen zugewiesenen Kehrbezirken tätig werden. Ihre Verdienstmöglichkeiten beruhten auf der allgemeinen Entwicklung der Stadt E.. Behörden schieden als Beitragspflichtige schon deshalb aus, weil sie hoheitlich handelten. Als beitragspflichtig käme allenfalls das Katasteramt in Betracht, jedoch fänden Verkäufe von Karten so gut wie nicht statt. Der vom Kläger benannte Großraumparkplatz werde durch die Stadt E. betrieben und sei als eine dem Fremdenverkehr dienende Einrichtung anzusehen. Altenheime und Pflegedienste hätten regelmäßig keinen relevanten Nutzen vom Fremdenverkehr. Altenheime böten regelmäßig keine Kurzaufenthalte an. Die in der Stadt E. tätigen Pflegedienste seien ausschließlich karitativ tätig; zudem fielen Pflegemaßnahmen für Fremdenverkehrsgäste nur gelegentlich an. Die Müllabfuhr werde vom Landkreis V. und die Abwasserbeseitigung von ihr, der Beklagten, selbst hoheitlich als öffentliche Einrichtung betrieben.

17

Schließlich leide die Kalkulation nicht an Mängeln. Ihr, der Beklagten, stehe insoweit ein Einschätzungsermessen zu. Sie habe die Untersuchungen des Deutschen Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts für Fremdenverkehr zugrunde gelegt. Auch die Anwendung des sog. Produktionsfaktorenmaßstabes sei zulässig.

18

Im Laufe des Klageverfahrens hat die Beklagte mitgeteilt, dass die Stadt E. die Fremdenverkehrsbeitragssatzung geändert hat. Die 2. Satzung vom 12. Juni 2012 zur Änderung der Satzung über die Erhebung eines Fremdenverkehrsbeitrages in der Stadt E. ist im Amtsblatt des Landkreises V. vom 21. Juni 2012 veröffentlicht worden. Danach erhält Ziffer 48 der Anlage 2010, der Anlage 2011 und der Anlage 2012 zur Fremdenverkehrsbeitragssatzung vom 14. Juni 2010 folgende Ergänzung: "Vermieter/Verpächter von sonstigen Personen oder Unternehmen, die aus dem Fremdenverkehr unmittelbare wirtschaftliche Vorteile erzielen (z.B. Ärzte, medizinische Heilberufe, Friseure, Notare) je Quadratmeter 0,30 EUR [2010] bzw. 0,15 EUR [2011, 2012]." Die Änderung der Anlage 2010 und 2011 tritt nach Artikel 4 der Änderungssatzung rückwirkend zum 01. Juli 2010, die Änderung der Anlage 2012 rückwirkend zum 31. Dezember 2011 in Kraft.

19

Der Kläger hat insoweit noch vorgetragen, dass die rückwirkende Änderung einer Satzung gegen das Rückwirkungsverbot verstoße und daher rechtswidrig sein dürfte.

20

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

21

Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg.

22

Die angefochtenen Fremdenverkehrsbeitragsbescheide für das Jahr 2010 der Beklagten vom 26. August 2010 und die Fremdenverkehrsbeitragsbescheide für das Jahr 2011 der Beklagten vom 26. Januar 2011 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

23

Rechtsgrundlage sind die §§ 9, 2 Niedersächsisches Kommunalabgabengesetz (NKAG) i.V.m. der zum 01. Juli 2010 in Kraft getretenen Satzung über die Erhebung eines Fremdenverkehrsbeitrags in der Stadt E. (Fremdenverkehrsbeitragssatzung - FVBS -). Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 NKAG können Gemeinden, die ganz oder teilweise als Kurort, Erholungsort oder Küstenbadeort staatlich anerkannt sind, zur Deckung ihres Aufwandes für die Förderung des Fremdenverkehrs sowie für Herstellung, Anschaffung, Erweiterung, Verbesserung, Erneuerung, Betrieb, Unterhaltung und Verwaltung ihrer Einrichtungen, die dem Fremdenverkehr dienen, einen Fremdenverkehrsbeitrag erheben. Beitragspflichtig sind nach § 9 Abs. 2 NKAG alle selbständig tätigen Personen und alle Unternehmen, denen durch den Fremdenverkehr unmittelbar oder mittelbar besondere wirtschaftliche Vorteile geboten werden; die Beitragspflicht erstreckt sich auch auf solche Personen und Unternehmen, die, ohne in der Gemeinde ihren Wohnsitz oder Betriebssitz zu haben, vorübergehend dort erwerbstätig sind. Gemäß § 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 NKAG dürfen kommunale Abgaben wie z.B. Fremdenverkehrsbeiträge nur aufgrund einer - wirksamen - Satzung erhoben werden. Die Satzung soll den Kreis der Abgabenschuldner, den die Abgabe begründenden Tatbestand, den Maßstab und den Satz der Abgabe sowie die Entstehung und den Zeitpunkt der Fälligkeit der Schuld bestimmen. Nach § 9 Abs. 5 NKAG kann die Satzung die Erhebung von Vorausleistungen bis zur voraussichtlichen Höhe des Fremdenverkehrsbeitrags vorsehen.

24

Die von der Stadt E. beschlossene Fremdenverkehrsbeitragssatzung ist - auch nach Erlass der 2. Satzung vom 12. Juni 2012 zur Änderung der Satzung über die Erhebung eines Fremdenverkehrsbeitrages in der Stadt E. - wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der konkreten Vollständigkeit unwirksam und stellt damit keine wirksame Rechtsgrundlage für die Heranziehung zu einem Fremdenverkehrsbeitrag dar.

25

Nach dem auch im Fremdenverkehrsbeitragsrecht geltenden Grundsatz der konkreten Vollständigkeit muss eine Fremdenverkehrsbeitragssatzung für alle in Betracht kommenden Veranlagungsgruppen eine gültige Maßstabsregelung enthalten. Dieser Grundsatz verlangt eine Beitragssatzung, die auf jeden in der Gemeinde denkbaren Beitragsfall anwendbar ist. Es muss eine dem Gleichbehandlungsgrundsatz und dem Äquivalenzprinzip entsprechende Veranlagung gewährleistet sein (vgl. Niedersächsisches OVG, Urteil vom 05.12.1990 - 14 K 1/89 - zitiert nach [...]). Mithin wird eine Regelung verlangt, die eine annähernd vorteilsgerechte Verteilung des umlagefähigen Aufwandes für alle Verteilungskonstellationen ermöglicht, die in der betreffenden Gemeinde im Zeitpunkt des Erlasses der Satzung vorhanden sind oder deren Entstehen aufgrund konkreter Anhaltspunkte zu erwarten ist (vgl. VG Oldenburg, Urteil vom 07.10.2008 - 2 A 3435/05 - zitiert nach [...]; im Zusammenhang mit einer Erschließungsbeitragssatzung: BVerwG, Urteil vom 09.12.1994 - 8 C 6/93 - zitiert nach [...]; BVerwG, Urteil vom 19.08.1994 - 8 C 23/92 - zitiert nach [...]). Werden nicht alle Beitragspflichtigen von einer Fremdenverkehrsbeitragssatzung erfasst, liegt darin grundsätzlich ein weitreichender Fehler bei der Maßstabsbildung, der die Gesamtunwirksamkeit der Satzung nach sich zieht (vgl. Niedersächsisches OVG, Urteil vom 22.11.2010 - 9 LC 393/08 - zitiert nach [...]; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 05.12.1990 - 14 K 1/89 - zitiert nach [...]; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 06.11.2008 - 2 S 669/07 - zitiert nach [...]).

26

1.

Hier liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz der konkreten Vollständigkeit und damit gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vor. Die Fremdenverkehrsbeitragssatzung der Stadt E. hat in rechtlich erheblichem Maße Vorteilshabende nicht berücksichtigt mit der Folge, dass in die Satzung einbezogene Vorteilshabende - wie der Kläger - dadurch in ihrem Grundrecht auf Gleichbehandlung verletzt werden.

27

Wie ausgeführt, sind gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 NKAG beitragspflichtig alle selbstständig tätigen Personen und Unternehmen, denen durch den Fremdenverkehr unmittelbar oder mittelbar besondere wirtschaftliche Vorteile geboten werden, und liegen die besonderen wirtschaftlichen Vorteile regelmäßig in den gesteigerten Gewinn- und Verdienstmöglichkeiten aus dem Fremdenverkehr. Diese Möglichkeiten haben in der Regel diejenigen selbstständig tätigen Personen und Unternehmen, bei denen eine nicht nur vereinzelte Verbindung mit dem Fremdenverkehr typisch oder nach der allgemeinen Lebenserfahrung offensichtlich ist. Nicht zu einer Beitragspflicht führen demgegenüber die besseren Verdienst- und Gewinnmöglichkeiten, die sich daraus ergeben, dass der Fremdenverkehr die Wirtschaftskraft in einer Gemeinde allgemein anhebt und die Zahl der Einwohner steigen lässt. Nicht berücksichtigungsfähig sind daher die Gewinnchancen, die keinen konkreten Zusammenhang zum Fremdenverkehr aufweisen. Durch den Fremdenverkehr unmittelbar bevorteilt sind demnach diejenigen Personen bzw. Unternehmen, die in direkter Verbindung mit den Fremden stehen, indem sie für diese gegen Entgelt Dienstleistungen erbringen oder an sie Waren verkaufen. In diese Kategorie fallen z.B. Beherbergungsbetriebe, Gaststätten sowie Inhaber von Ferienwohnungen, Läden oder Betrieben, die Freizeitaktivitäten anbieten. Mittelbar bevorteilt sind diejenigen, deren Tätigkeit nach ihrer Art (nur) direkten Geschäftskontakt mit den Nutznießern unmittelbarer Vorteile im Rahmen der für den Fremdenverkehr notwendigen Bedarfsdeckung herstellt. Dazu zählen z.B. die Inhaber solcher Ladengeschäfte und Handwerksbetriebe, welche die unmittelbar am Fremdenverkehr verdienenden Personen oder Unternehmen beliefern (Großhändler, Getränkeniederlassungen, Gärtnereien), aber auch alle Freischaffenden, die gegenüber den unmittelbar Bevorteilten mit Rücksicht auf den Fremdenverkehr Dienstleistungen erbringen, wie etwa Steuerberater, Notare, Banken und Sparkassen oder Architekten (vgl. Niedersächsisches OVG, Urteil vom 22.11.2010 - 9 LC 393/08 - zitiert nach [...]; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 26.03.2003 - 9 KN 352/02 - zitiert nach [...]; Lichtenfeld in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, 25. Ergänzungslieferung, § 11 Rn. 81).

28

a)

In der ursprünglichen und bei Erlass der streitgegenständlichen Bescheide geltenden Fassung der Fremdenverkehrsbeitragssatzung waren Vermieter und Verpächter, die im Erhebungsgebiet gelegene Räumlichkeiten an durch den Fremdenverkehr unmittelbar bevorteilte Personen bzw. Unternehmen überlassen haben, als Beitragspflichtige nicht einbezogen. Unter Ziffer 48 der Spalte 1 der Anlage 2010/2011 zur Fremdenverkehrsbeitragssatzung wurden lediglich aufgeführt "Vermieter/Verpächter von a) Beherbergungsbetrieben, b) Gaststättenräumen und c) Ladenlokalen". Nicht berücksichtigt wurden demnach in der ursprünglichen Fassung der Fremdenverkehrsbeitragssatzung der Stadt E. Vermieter und Verpächter von sonstigen Räumlichkeiten, die an unmittelbar bevorteilte Personen bzw. Unternehmen überlassen wurden.

29

Bei der genannten Gruppe von Vermietern und Verpächtern, die im Erhebungsgebiet gelegene Räumlichkeiten an durch den Fremdenverkehr unmittelbar bevorteilte Personen bzw. Unternehmen überlassen haben, handelt es sich um Vorteilshabende im Sinne des § 2 FVBS, der mit § 9 Abs. 2 NKAG übereinstimmt. Vermieter und Verpächter, die im Erhebungsgebiet gelegene Räumlichkeiten an im Sinne von § 9 Abs. 2 Satz 1 NKAG durch den Fremdenverkehr unmittelbar bevorteilte Personen bzw. Unternehmen überlassen, sind selbst mittelbar bevorteilt und deswegen nach niedersächsischem Landesrecht beitragspflichtig (vgl. Niedersächsisches OVG, Urteil vom 22.11.2010 - 9 LC 393/08 - zitiert nach [...]).

30

Im Laufe des Klageverfahrens hat die Stadt E. die Fremdenverkehrsbeitragssatzung jedoch geändert. Nach der 2. Satzung vom 12. Juni 2012 zur Änderung der Satzung über die Erhebung eines Fremdenverkehrsbeitrages in der Stadt E. erhält Ziffer 48 der Anlage 2010, der Anlage 2011 und der Anlage 2012 zur Fremdenverkehrsbeitragssatzung vom 14. Juni 2010 folgende Ergänzung: "Vermieter/Verpächter von sonstigen Personen oder Unternehmen, die aus dem Fremdenverkehr unmittelbare wirtschaftliche Vorteile erzielen (z.B. Ärzte, medizinische Heilberufe, Friseure, Notare) je Quadratmeter 0,30 EUR [2010] bzw. 0,15 EUR [2011, 2012]." Die Änderung der Anlage 2010 und 2011 tritt nach Artikel 4 der Änderungssatzung rückwirkend zum 01. Juli 2010, die Änderung der Anlage 2012 rückwirkend zum 31. Dezember 2011 in Kraft. Der rückwirkende Erlass der Satzung ist nach § 2 Abs. 2 NKAG zulässig. Danach können Satzungen innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen rückwirkend erlassen werden. Eine Satzung kann insbesondere rückwirkend erlassen werden, wenn sie ausdrücklich eine Satzung ohne Rücksicht auf deren Rechtswirksamkeit ersetzt, die eine gleiche oder gleichartige Abgabe regelte. Die Rückwirkung kann bis zu dem Zeitpunkt ausgedehnt werden, zu dem die zu ersetzende Satzung in Kraft getreten war oder in Kraft treten sollte. Durch die rückwirkend erlassene Satzung darf die Gesamtheit der Abgabenpflichtigen nicht ungünstiger gestellt werden als nach der ersetzten Satzung. Die Voraussetzungen der Vorschrift liegen hier vor. Die Stadt E. hat insoweit den ursprünglich vorliegenden Verstoß gegen den Grundsatz der konkreten Vollständigkeit geheilt.

31

b)

Auch nach Erlass der 2. Satzung vom 12. Juni 2012 zur Änderung der Satzung über die Erhebung eines Fremdenverkehrsbeitrages in der Stadt E. ist jedoch eine ordnungsgemäße Heranziehung des in der Stadt E. ansässigen "S. Krankenhaus T. H. ", welches der privaten Unternehmensgruppe S. angehört, nicht möglich, obwohl dieses nach Auffassung der Kammer beitragspflichtig im Sinne des § 9 Abs. 2 Satz 1 NKAG ist.

32

In der Rechtsprechung ist grundsätzlich unumstritten, dass selbständige Ärzte beitragspflichtig im Sinne des § 9 Abs. 2 Satz 1 NKAG sind. Ihnen entstehen durch den Fremdenverkehr unmittelbare und mittelbare besondere wirtschaftliche Vorteile. Diese Vorteile erwachsen ihnen durch die Behandlung von im Fremdenverkehr tätigen Personen, von Touristen, die während eines Urlaubes im Erhebungsgebiet erkranken, und von ortsfremden Patienten aus der (näheren) Umgebung der Standortgemeinde, die die Auswahl ihres Arztes auch mit Blick auf die Nutzung der Fremdenverkehrseinrichtungen getroffen haben (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15.01.2009 - 2 S 952/08 - zitiert nach [...]). Ärzte können Gewinne u.a. daraus erzielen, dass Touristen ihre Praxen aufsuchen. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass im Falle einer Erkrankung oder Verletzung während eines Urlaubes ein Arzt vor Ort aufgesucht wird. Dies ist auch hinsichtlich eines Facharztes nicht ausgeschlossen (vgl. für einen Facharzt für HNO-Heilkunde und Allergologie: Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 18.08.2003 - 9 LA 52/03 - zitiert nach [...]; für einen Facharzt für Chirurgie: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15.01.2009 - 2 S 952/08 - zitiert nach [...]; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 06.11.2008 - 2 S 669/07 - zitiert nach [...]; Lichtenfeld in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, 41. Ergänzungslieferung, § 11 Rn. 89, 95).

33

Für die Kammer ist kein Grund ersichtlich, warum zwar selbständig tätige Ärzte und Fachärzte der Fremdenverkehrsbeitragspflicht unterliegen sollen, nicht jedoch Betreiber von Krankenhäusern, in denen angestellte Ärzte arbeiten. Eine Differenzierung der - grundsätzlichen - Fremdenverkehrsbeitragspflicht danach, ob es sich dabei um ein Akutkrankenhaus oder um eine Rehabilitations- oder Vorsorgeeinrichtung im Sinne des § 107 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) handelt, erscheint der Kammer in diesem Zusammenhang nicht angezeigt (vgl. zu dieser Differenzierung: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30.11.2000 - 2 S 2061/98 - zitiert nach [...]; zu einer Mutter-Kind-Klinik: Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 10.10.2007 - 9 LA 407/04 - zitiert nach [...]; zu einer Reha-Klinik: Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 11.09.2007 - 9 ME 119/07 - zitiert nach [...]; zu einer Fachklinik für psychosomatische Medizin: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29.04.2010 - 2 S 2160/09 - zitiert nach [...]). Dies ergibt sich schon daraus, dass bei Unfällen bzw. Verletzungen von Touristen während des Urlaubes in etlichen Fällen ein (Akut-)Krankenhaus - z.B. mit einer Chirurgieabeilung - aufgesucht werden dürfte (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15.01.2009 - 2 S 952/08 - zitiert nach [...]). Dies gilt insbesondere für den Fall, dass ein niedergelassener selbständiger Arzt für den Touristen - etwa am Wochenende oder nach Feierabend - nicht erreichbar ist, aber auch aus Gründen der persönlichen Präferenz hinsichtlich der Behandlungsmöglichkeiten. Auch hier entstehen - genau wie bei selbständig tätigen Ärzten - durch den Fremdenverkehr besondere wirtschaftliche Vorteile durch die Behandlung von im Urlaub erkrankten oder verletzten Touristen. Dies hat zur Folge, dass nach Auffassung der Kammer auch ein Akutkrankenhaus einer grundsätzlichen Fremdenverkehrsbeitragspflicht unterliegt.

34

Hinzu kommt, dass das "S. Krankenhaus T. H. " - jedenfalls aus fremdenverkehrsbeitragsrechtlicher Sicht - von den Tätigkeitsschwerpunkten her betrachtet nicht als reines Akutkrankenhaus - im Gegensatz zu einer Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtung - eingestuft werden kann. Insoweit übersieht die Kammer nicht den Einwand der Beklagten, dass das Krankenhaus nach dem Krankenhausbedarfsplan des Landes Niedersachsen als Krankenhaus der Grundversorgung eingestuft sei. Ausweislich des Internetauftritts des "S. Krankenhaus T. H. " ist das Krankenhaus jedoch "mehr als nur ein Allgemeinkrankenhaus"; es biete "umfangreiche Gesundheits- und Rehabilitationsangebote". Geworben wird mit der "gesundheitsfördernden Lage des Krankenhauses direkt an der Nordsee". Das Krankenhaus verfügt u.a. über 18 Betten in der Geriatrie. In der geriatrischen Abteilung steht älteren Menschen ein umfassendes Therapieangebot zur Verfügung, bei dem auch die Angehörigen mit eingebunden werden. Das Therapeutenteam besteht aus Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und Logopäden. Es werden Mobilitäts- und Alltagsfähigkeiten sowie Kommunikations- und Konzentrationsfähigkeit trainiert. Der Sozialdienst berät und unterstützt Patienten und deren Angehörige in persönlichen, sozialrechtlichen und wirtschaftlichen Angelegenheiten (vgl. Internetauftritt des "S. Krankenhaus T. H. "). Bei geriatrischen Patienten besteht im Regelfall die Notwendigkeit gleichzeitiger akutmedizinischer Behandlung bzw. Überwachung und rehabilitativer Maßnahmen; der geriatrische Patient befindet sich leistungsrechtlich an der Schnittstelle zwischen Akut- und Rehabilitationsbehandlung (vgl. Begutachtungs-Richtlinie Vorsorge und Rehabilitation des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen e. V., Oktober 2005, Ziffer 4.6).

35

Jedenfalls in dem genannten Fachbereich Geriatrie, aber auch in dem Fachbereich Gefäßchirurgie (Venenzentrum W. -X.) können die Patienten bewusst eine Auswahlentscheidung hinsichtlich des behandelnden Krankenhauses treffen. Der Begriff Fremdenverkehr umfasst nicht nur reine Erholungssuchende, sondern auch solche Personen, die sich zur Heilung an einen anderen Ort begeben. Patienten, die von auswärts zumindest auch wegen besonderer natürlicher Heilfaktoren wie des Nordseeklimas stationäre Leistungen in Anspruch nehmen, sind dem Fremdenverkehr zuzurechnen (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 10.10.2007 - 9 LA 407/04 - zitiert nach [...]; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 11.09.2007 - 9 ME 119/07 - zitiert nach [...]; Bayerischer VGH, Urteil vom 14.03.2000 - 4 B 96.809 - zitiert nach [...]). Vorliegend ist davon auszugehen, dass jedenfalls ein gewisser Prozentsatz der Patienten des "S. Krankenhaus T. H. " sich zumindest auch wegen dieser natürlichen Heilfaktoren in eine Behandlung in der Stadt E. begibt. Sowohl für Patienten der Geriatrie als auch für Patienten des Venenzentrums W. -X. besteht nämlich die Möglichkeit, z.B. über das Internet Informationen über verschiedene Standorte des jeweiligen Fachbereichs einzuholen und einen bevorzugten Ort für die Behandlung auszuwählen. Danach ist nach allgemeiner Lebenserfahrung davon auszugehen, dass bei einem gewissen Prozentsatz der Patienten - neben der im Vordergrund sehenden fachlichen Kompetenz - die Klinikumgebung und die Fremdenverkehrseinrichtungen ein Kriterium für die Auswahlentscheidung darstellen und damit ein Teil der Umsätze des Krankenhauses fremdenverkehrsbedingt erwirtschaftet wird. Dem Umstand, dass sich die Patienten des "S. Krankenhaus T. H. " in erster Linie wegen der fachlichen Kompetenz des ärztlichen Personal und des therapeutischen Umfelds zur Behandlung in das Krankenhaus begeben, stellt die Beitragspflicht dem Grund nach nicht in Frage. Diesem Gesichtspunkt muss bei der Bestimmung der Höhe des Vorteilssatzes Rechnung getragen werden (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29.04.2010 - 2 S 2160/09 - zitiert nach [...]; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 22.12.2011 - 2 S 2011/11 -zitiert nach [...]).

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Schließlich ist noch anzumerken, dass die Stadt E. im Internet auf ihrer offiziellen Seite "Nordseebad E. - Die grüne Stadt am Meer" unter der Rubrik "Kur & Gesundheit" u.a. für das "S. Krankenhaus T. H. " wirbt.

37

Die Auffangvorschrift in Ziffer 49 der Spalte 1 der Anlage 2010/2011 zur Fremdenverkehrsbeitragssatzung, der zufolge auch "sonstige Personen und Unternehmen mit beitragsrelevanten Vorteilen aus dem Fremdenverkehr" beitragspflichtig sind, ändert an dem vorliegenden Satzungsmangel nichts. Auf eine Auffangvorschrift, mit der die Beitragspflicht auf sonstige selbständig tätige Personen und Unternehmen erstreckt wird, darf nämlich nur für diejenigen vom Fremdenverkehr Bevorteilten zurückgegriffen werden, deren Hinzutreten zum Kreis der Beitragspflichtigen nicht vorhersehbar war. Im Übrigen setzt die Anwendung eines solchen Auffangtatbestands weiter voraus, dass der vorgesehene Beitragsmaßstab den Vorteil des Beitragspflichtigen sachgerecht abbildet (vgl. Niedersächsisches OVG, Urteil vom 22.11.2010 - 9 LC 393/08 - zitiert nach [...]; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 13.11.1990 - 9 K 11/89 - zitiert nach [...]). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Das Hinzutreten zum Kreis der Beitragspflichtigen war vorhersehbar.

38

c)

Darüber hinaus sind nach Auffassung der Kammer im Gebiet der Stadt E. ansässige Inhaber von Pflegediensten beitragspflichtig im Sinne des § 9 Abs. 2 Satz 1 NKAG. Benannt wurde hier insbesondere das gewerblich tätige "Pflegeteam U. ", welches auch einen mobilen Pflegedienst und eine Behindertenbetreuung anbietet. Entsprechenden Pflegediensten entstehen unmittelbare und mittelbare Vorteile durch die Pflege und Betreuung von Touristen bzw. deren pflegebedürftigen Angehörigen, die aufgrund des Nordseeklimas sowie der vorhandenen Fremdenverkehrseinrichtungen in der Stadt E. Urlaub machen.

39

2.

Der dargelegte Verstoß gegen den Grundsatz der konkreten Vollständigkeit führt zur Gesamtunwirksamkeit der Satzung (vgl. Niedersächsisches OVG, Urteil vom 22.11.2010 - 9 LC 393/08 - zitiert nach [...]; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 05.12.1990 - 14 K 1/89 - zitiert nach [...]; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 13.11.1990 - 9 K 11/89 - zitiert nach [...]; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 06.11.2008 - 2 S 669/07 - zitiert nach [...]).

40

Der Verstoß begründet einen wesentlichen und weitreichenden Fehler bei der Maßstabsbildung. Wird - wie hier- der Kreis der Beitragspflichtigen falsch festgelegt, hat das Auswirkungen auf die Kalkulation der Abgabensätze für alle einzelnen Gruppen von Beitragspflichtigen, weil den Gruppen jeweils ein der Höhe nach fehlerhafter Aufwand zugeteilt wird (vgl. Niedersächsisches OVG, Urteil vom 22.11.2010 - 9 LC 393/08 - zitiert nach [...]). Da eine nicht zu beanstandende Maßstabsregelung zwingender Bestandteil einer Beitragssatzung nach § 2 Abs. 1 Satz 2 NKAG ist, muss ihre Ungültigkeit gleichzeitig zur Gesamtungültigkeit der Satzung führen (vgl. VG Oldenburg, Urteil vom 07.10.2008 - 2 A 3435/05 - zitiert nach [...]).

41

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang die Frage, ob die Verletzung des Grundsatzes der konkreten Vollständigkeit Auswirkungen auf die Beitragspflicht der anderen Beitragspflichtigen hat. Die Kalkulation der Fremdenverkehrsbeitragssätze fällt in die Kompetenz des Rates. Dies bedeutet, dass der Rat einen Beitragssatz nur auf der Grundlage einer Kalkulation, die er sich zu Eigen macht, ermessenfehlerfrei durch Satzung festlegen kann. Denn nur der Rat hat darüber zu entscheiden, in welchem Umfang beitragsfähiger Aufwand durch Beiträge zu decken ist. Im Übrigen setzt die Kalkulation vielfach Schätzungen, Prognosen und Wertungen voraus, die für die Höhe des beitragsfähigen Aufwandes maßgeblich sind und daher allein dem Rat überlassen bleiben müssen. Eine reine Ergebniskontrolle durch das Gericht ist damit ausgeschlossen. Das Gericht ist - ebenso wie die Verwaltung - nicht befugt, Ermessensentscheidungen des Rates zu ersetzen oder zu korrigieren; eine fehlende oder fehlerhafte Kalkulation kann daher nicht nachgeschoben werden (vgl. Niedersächsisches OVG, Urteil vom 13.11.1990 - 9 K 11/89 - zitiert nach [...]; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 13.11.1990 - 9 L 156/89 - zitiert nach [...]; Lichtenfeld in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, 25. Ergänzungslieferung, § 11 Rn. 79). Vorliegend lässt sich nicht ausschließen, dass der Rat der Stadt E. bei Berücksichtigung der bislang nicht berücksichtigten Beitragspflichtigen die Abgabensätze anders kalkuliert hätte (vgl. Niedersächsisches OVG, Urteil vom 05.12.1990 - 14 K 1/89 - zitiert nach [...]).

42

Es handelt sich auch nicht um einen unbeachtlichen Kalkulationsfehler im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 3 NKAG; denn zu den unbeachtlichen Kalkulationsfehlern zählen nicht Fehler bei der Maßstabsbildung an sich (vgl. Niedersächsisches OVG, Urteil vom 22.11.2010 - 9 LC 393/08 - zitiert nach [...]).

43

Klarstellend sei darauf hingewiesen, dass sich die Gesamtunwirksamkeit der Satzung allerdings nur in den Fällen auswirkt, in denen die Heranziehungsbescheide der Beklagten weder bestands- noch rechtskräftig geworden sind. Der Grundsatz der Rechtssicherheit schließt in Fällen der Bestands- oder Rechtskraft einen Anspruch des Einzelnen auf Beseitigung der behördlichen Entscheidung grundsätzlich aus (vgl. Niedersächsisches OVG, Urteil vom 22.11.2010 - 9 LC 393/08 - zitiert nach [...]).

44

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

45

Die Zulassung der Berufung erfolgt gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO.