Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 28.10.2022, Az.: 1 A 125/21
Erneuerung; gegenseitige Anerkennung; Pflanzenschutzmittel; Referenzzulassung
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 28.10.2022
- Aktenzeichen
- 1 A 125/21
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2022, 59706
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
Rechtsgrundlagen
- Art 40 EGV 1107/2009
- Art 41 EGV 1107/2009
- Art 42 EGV 1107/2009
- Art 43 EGV 1107/2009
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Zum Prüfungsspielraum im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung.
2. Gegenseitige Anerkennung bei Erneuerung der Referenzzulassung.
Tenor:
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 10. Oktober 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Mai 2019 verpflichtet, der Klägerin die Zulassung für das Pflanzenschutzmittel F. zu erteilen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des festzusetzenden Vollstreckungsbetrages vorläufig vollstreckbar.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 100.000,-- EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Erteilung der Zulassung für ein Pflanzenschutzmittel im Wege der gegenseitigen Anerkennung.
Am 27. Oktober 2015 erteilte Polen als Referenzmitgliedstaat auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009. eine Zulassung für das Pflanzenschutzmittel F. mit einer Geltungsdauer bis zum 31. Dezember 2016. Bei dem Pflanzenschutzmittel handelt es sich um ein Herbizid mit den Wirkstoffen J. als Esterform und K..
Mit Antrag vom 24. November 2015 beantragte die Klägerin beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) die Erteilung einer Zulassung für das Pflanzenschutzmittel F. in Deutschland im Wege der gegenseitigen Anerkennung der polnischen Zulassung.
Im Zulassungsverfahren beteiligte das BVL das Julius Kühn-Institut (JKI) und das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), die mit Schreiben vom 25. Mai und vom 6. September 2016 Stellung nahmen. Das BfR wies unter anderem darauf hin, es müsse abgeklärt werden, ob der in dem Pflanzenschutzmittel enthaltene Wirkstoff J. als L. ein zugelassener Wirkstoff sei. In der Verordnung (EU) Nr. 540/2011 sei ausschließlich J. aufgeführt. In der aktuellen EFSA-Conclusion für J. (M.) sei ebenfalls nur J. bewertet worden. Hinweise darauf, dass beide Substanzen als äquivalent anzusehen seien, seien nicht gegeben.
Das ebenfalls beteiligte Umweltbundesamt (UBA) versagte mit Schreiben vom 26. September 2017 sein Einvernehmen für die Zulassung des Pflanzenschutzmittels unter Hinweis auf ein mit der Verwendung verbundenes unannehmbares Risiko für Regenwürmer. Dem trat die Klägerin mit Schreiben vom 9. Juli 2018 entgegen.
Mit Bescheid vom 10. Oktober 2018 lehnte das BVL den Antrag auf Zulassung des streitgegenständlichen Pflanzenschutzmittels ab. Zur Begründung verwies es auf die Versagung des Einvernehmens durch das UBA und die vom UBA dazu genannten Gründe. Die Klägerin erhob am 17. Oktober 2018 Widerspruch, zu dessen Begründung sie sich erneut mit den Erwägungen des UBA auseinandersetzte. Gründe für die Versagung der Zulassung seien nicht gegeben.
Mit Schreiben vom 11. April 2019 erteilte das UBA sein Einvernehmen für die Zulassung des Pflanzenschutzmittels mit verschiedenen Maßgaben und Anwendungsbestimmungen. Das BfR machte mit Schreiben vom 9. April 2019 geltend, das Pflanzenschutzmittel enthalte mit J. -L. (J. -N.) eine Wirkstoffvariante, für die aktuell eine Wirkstoffgenehmigung nicht bestehe. Bereits mit Schreiben vom 6. September 2016 habe es darauf hingewiesen, dass mit der Durchführungsverordnung (EU) E. zwar die Genehmigung des Wirkstoffs J. erneuert, die Wirkstoffvariante J. -N. in der dazugehörigen Bewertung aber nicht berücksichtigt worden sei.
Das BVL wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16. Mai 2019 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, der Erteilung einer Zulassung im Wege der gegenseitigen Anerkennung stehe entgegen, dass der Zulassungsantrag erst zu einem Zeitpunkt eingereicht worden sei, zu dem die Geltungsdauer der Genehmigung für die in dem Pflanzenschutzmittel enthaltene Wirkstoffvariante J. -N. bereits abgelaufen gewesen sei. Mit Durchführungsverordnung (EU) E. vom F. sei ausschließlich die Genehmigung für den Wirkstoff J. mit Wirkung zum 1. Januar 2016 erneuert worden. Die Wirkstoffvariante J. -N. sei von der Durchführungsverordnung nicht umfasst. Dies ergebe sich insbesondere aus einem Vergleich des Review Reports aus dem Jahre 2001 mit dem Renewal Report aus dem Jahr 2017 für den Wirkstoff J.. Die Wirkstoffvariante J. -N. sei im Erneuerungsverfahren nicht mehr bewertet und somit nicht erneut genehmigt worden. Die vom Referenzmitgliedstaat Polen am 27. Oktober 2015 erteilte Zulassung sei auf der Grundlage der alten Wirkstoffgenehmigung für J. -N. ergangen. Ob diese Zulassung weiterhin Bestand habe, sei in Polen im Verfahren nach Art. 43 bzw. Art. 44 Verordnung (EG) Nr. I. zu prüfen. Soweit die Klägerin ausführe, Polen habe das Erneuerungsverfahren nach Art. 43 Verordnung (EG) Nr. I. bereits abgeschlossen und am 11. September 2017 seine Zulassung erneuert, seien mehrfache diesbezügliche Anfragen von der polnischen Zulassungsbehörde bislang nicht beantwortet worden. Eine Recherche auf der Homepage der polnischen Zulassungsbehörde habe ergeben, dass die Zulassung bis zum 31. Dezember 2022 erteilt worden sei. Der üblichen Verwaltungspraxis entspreche es jedoch, die Zulassungsdauer gemäß Art. 32 Abs. 1, UAbs. 2 Verordnung (EG) Nr. I. für einen Zeitraum von einem Jahr nach Ablauf der Genehmigung des im Pflanzenschutzmittel enthaltenen Wirkstoffs festzusetzen. Die Genehmigung für den Wirkstoff K. ende am 31. Dezember 2024, weshalb die Geltungsdauer der Zulassung für das Pflanzenschutzmittel an sich bis zum 31. Dezember 2025 hätte festgesetzt werden können. Die kürzere Geltungsdauer sei ein Indiz dafür, dass der Referenzmitgliedstaat Polen das Erneuerungsverfahren nach Art. 43 Verordnung (EG) Nr. I. angesichts der noch ausstehenden Wirkstoffgenehmigung für J. -N. noch nicht abgeschlossen und die Erstzulassung lediglich gemäß Art. 43 Abs. 6 Verordnung (EG) Nr. I. administrativ verlängert habe. Das Genehmigungsverfahren für die Wirkstoffvariante J. -N. finde aktuell statt. Im Juli 2018 habe der berichterstattende Mitgliedstaat Griechenland einen Bridging Report erstellt, der zwischenzeitlich den anderen Mitgliedstaaten zur Kommentierung vorgelegt worden sei. Wann und ob eine Genehmigung für die Wirkstoffvariante J. -N. erteilt werde, könne zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abgeschätzt werden. Unabhängig von einem etwaigen Abschluss des Erneuerungsverfahrens gemäß Art. 43 Verordnung (EG) Nr. I. in Polen scheitere eine Anerkennung der Zulassung gegenwärtig an der fehlenden Genehmigung der Wirkstoffvariante J. -N.. Bei Erteilung der begehrten Zulassung wären sogleich die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 44 Abs. 1 und Abs. 3 Buchst. a Verordnung (EG) Nr. I. für einen Widerruf der Zulassung erfüllt, wonach jeder Mitgliedstaat seine nationale Zulassung jederzeit widerrufen könne, wenn es Anzeichen dafür gebe, dass das Pflanzenschutzmittel eine Anforderung gemäß Art. 29 der Verordnung nicht mehr erfülle. Nach Art. 29 Abs. 1 Buchst. a Verordnung (EG) Nr. I. setze die Erteilung der Zulassung für ein Pflanzenschutzmittel voraus, dass sein Wirkstoff genehmigt ist. Die Erteilung einer Zulassung für das Pflanzenschutzmittel hätte mithin zur Folge, dass diese unmittelbar zu widerrufen wäre.
Die Klägerin hat bereits vor Erlass des Widerspruchsbescheides am 29. März 2019 Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie insbesondere vor: Gemäß Art. 41 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 bestehe zu ihren Gunsten ein Anspruch auf Erteilung der begehrten Zulassung. Die polnische Zulassungsbehörde habe die Zulassung für das Pflanzenschutzmittel F. mit Bescheid vom 11. September 2017 auf der Grundlage von Art. 43 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 erneuert, sodass der Anwendungsbereich der Normen über die gegenseitige Anerkennung pflanzenschutzrechtlicher Zulassungen eröffnet sei. Nach den entsprechenden verordnungsrechtlichen Regelungen stehe der Beklagten nicht die Befugnis zu, die Richtigkeit der in Polen getroffenen Zulassungsentscheidung oder den Fortbestand der Zulassungsvoraussetzungen zu überprüfen. In Art. 41 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 habe der Verordnungsgeber ausdrücklich vorgesehen, dass der Mitgliedstaat, dem ein Antrag auf gegenseitige Anerkennung vorgelegt wird, für das betreffende Pflanzenschutzmittel eine Zulassung unter den gleichen Bedingungen wie der den Antrag prüfende Mitgliedstaat erteilt. Ein Beurteilungsspielraum oder ein Ermessen sei der Beklagten mithin nicht eingeräumt. Abweichungen von der Zulassungsentscheidung des Referenzmitgliedstaats könnten nur unter den Voraussetzungen des Art. 41 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 erfolgen, die hier nicht gegeben seien. Dementsprechend sei die Beklagte nicht nur gehindert, die Zulassung unter Hinweis auf unannehmbare Auswirkungen der Verwendung des Pflanzenschutzmittels auf Regenwürmer zu versagen, sondern könne auch nicht mit Erfolg darauf verweisen, die im Zeitpunkt der Zulassungsentscheidung in Polen bestehende Genehmigung der enthaltenen Wirkstoffvariante J. -N. sei zwischenzeitlich abgelaufen. Für die Berücksichtigung derartiger Erwägungen biete das Verfahren auf gegenseitige Anerkennung von Zulassungen keinen Raum. Unzutreffend sei gleichfalls die Erwägung, die begehrte Zulassung müsse unmittelbar nach ihrer Erteilung widerrufen werden. Übersehen werde dabei, dass der Verordnungsgeber die Aufhebung der Zulassung für ein Pflanzenschutzmittel, das die Anforderungen gemäß Art. 29 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 nicht oder nicht mehr erfülle, weil die Genehmigung des darin enthaltenen Wirkstoffs abgelaufen sei, keineswegs zwingend vorsehe. Die Regelung des Art. 44 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 gebe vor, dass der Mitgliedstaat in derartigen Fällen die Zulassung aufhebe oder sie alternativ ändere. Die danach erforderliche Entscheidung, ob und gegebenenfalls mit welchen Nebenbestimmungen die Zulassung des Pflanzenschutzmittels in Deutschland verbunden werden müsse bzw. ob unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sogar eine Aufhebung der Zulassung erforderlich sei, könne von der Beklagten erst getroffen werden, wenn die Entscheidung der für die Genehmigung des Wirkstoffs zuständigen Behörde vorliege. Die Beklagte trage insoweit allerdings zutreffend vor, dass das Verfahren für die Genehmigung des Wirkstoffs noch andauere und bisher nicht abgeschlossen sei. Letztlich sei entscheidend, dass für das Pflanzenschutzmittel in Polen eine wirksame Zulassung bestehe und der Beklagten nach den insoweit abschließenden Regelungen der Art. 40 ff. Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 keine weitergehende Prüfungs- oder Versagungskompetenz zukomme, wenn wir hier keine ökologischen Besonderheiten im Hoheitsgebiet der Beklagten vorlägen. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei der stofflich unveränderte Ester im Übrigen weiterhin Bestandteil der Wirkstoffgenehmigung. Soweit Polen die Zulassung des streitgegenständlichen Pflanzenschutzmittels während des beim BVL geführten Verwaltungsverfahrens erneuert habe, stehe dies der gegenseitigen Anerkennung nicht entgegen, denn sie sei weiterhin Inhaberin einer Zulassung für das Pflanzenschutzmittel und erfülle damit die Voraussetzungen für eine gegenseitige Anerkennung.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 10. Oktober 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Mai 2019 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, das Pflanzenschutzmittel F. zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf die Gründe des Widerspruchsbescheides. Ergänzend erwidert sie: Der Referenzmitgliedstaat Polen habe mit Schreiben vom 9. September 2019 (Anlage B2) bestätigt, dass das Verfahren zur Erneuerung der Zulassung für das streitgegenständliche Pflanzenschutzmittel nach Art. 43 Verordnung (EG) Nr. I. mit Erteilung der erneuten Zulassung am 11. September 2017 abgeschlossen worden sei. Vor diesem Hintergrund sei eine Anerkennung der streitgegenständlichen Referenzzulassung vom 27. Oktober 2015 nicht mehr möglich, weil deren Geltung mit Erteilung der rechtlich eigenständigen Zulassungserneuerung geendet habe. Damit sei grundsätzlich erforderlich, dass die Klägerin einen Antrag auf Anerkennung der erneuerten Referenzzulassung in Deutschland stelle. Eine unwirksame Zulassung könne nicht Gegenstand der gegenseitigen Anerkennung sein. Unabhängig davon stehe der gegenseitigen Anerkennung jeglicher Zulassung für das Pflanzenschutzmittel F. entgegen, dass die in dem Mittel enthaltene Wirkstoffvariante J. -N. gegenwärtig nicht genehmigt sei. Die Wirkstoffvariante sei erstmals am 1. Oktober 2002 genehmigt worden. Entsprechend des Review Reports aus dem Jahre 2001 sei J. -N. im Rahmen der Erstgenehmigung des Wirkstoffs J. bewertet worden und dementsprechend von der Erstgenehmigung umfasst gewesen. Im Rahmen des Verfahrens zur Erneuerung der Genehmigung des Wirkstoffs J. sei die Variante allerdings nicht erneut bewertet worden, weil die Antragsteller in diesem Verfahren keine Daten für die Wirkstoffvariante vorgelegt hätten. Der Renewal Report aus dem Jahr 2015 (Anlage B3) lasse die fehlende Bewertung der Wirkstoffvariante erkennen. Der Vollständigkeit halber sei darauf hinzuweisen, dass der Report im Jahr 2017 im Hinblick auf die Endpunkte im Abschnitt über die Toxikologie von Säugetieren aktualisiert worden sei (Anlage B4). Die Europäische Kommission teile die Einschätzung, dass die Wirkstoffvariante derzeit nicht genehmigt sei (vgl. Summary Report des Meetings des Standing Committee on Plants, Animals, Food and Feed - SCoPAFF - G.). Sie gehe davon aus, dass der Ester gegenüber der Säureform des Wirkstoffs als ein anderer Stoff zu betrachten sei. Soweit Griechenland als berichterstattender Mitgliedstaat einen Bridging Report erstellt habe, in dem bewertet worden sei, ob die Studien und Ergebnisse der Bewertung des Wirkstoffs J. auf die Wirkstoffvariante J. -N. übertragbar seien, sei die Kommission der Auffassung, dass die Verwendung eines Bridging Dossiers/Reports bei der Zulassung auf nationaler Ebene nicht möglich sei, weil die Verordnung (EG) Nr. I. ein solches Verfahren nicht vorsehe. Sie habe deshalb empfohlen, eine Änderung der Bedingungen der Wirkstoffgenehmigung gemäß Art. 7 Verordnung (EG) Nr. I. zu beantragen, um neben der Säure auch den Ester als genehmigten Wirkstoff im Anhang der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 zu erfassen (vgl. Summary Report des Meetings des SCoPAFF vom H.).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Klage war ursprünglich als Untätigkeitsklage gemäß § 75 Satz 1 VwGO zulässig. Über den am 17. Oktober 2018 von der Klägerin erhobenen Widerspruch gegen den Bescheid der Beklagten vom 10. Oktober 2018 hatte das BVL weder innerhalb von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs entschieden (§ 75 Satz 2 VwGO) noch war ein zureichender Grund für die ausstehende Entscheidung über den Widerspruch gegeben (§ 75 Satz 3 VwGO). Den nach Klageerhebung am 16. Mai 2019 erlassenen Widerspruchsbescheid hat die Klägerin zulässigerweise in das Klageverfahren einbezogen.
Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 10. Oktober 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Mai 2019 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat Anspruch auf die Erteilung der begehrten Zulassung für das Pflanzenschutzmittel F. im Wege der gegenseitigen Anerkennung (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Rechtsgrundlage für die Erteilung einer Zulassung für ein Pflanzenschutzmittel im Wege der gegenseitigen Anerkennung ist Art. 41 Abs. 1 i. V. m. Art. 40 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (ABl. L 309 S. 1). Nach Art. 40 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung kann der Inhaber einer nach Art. 29 der Verordnung gewährten Zulassung unter anderem dann eine Zulassung für dasselbe Pflanzenschutzmittel, für dieselben Verwendungen und unter vergleichbaren landwirtschaftlichen Bedingungen in einem anderen Mitgliedstaat im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung beantragen, wenn die Zulassung von einem Mitgliedstaat (Referenzmitgliedstaat) erteilt wurde, der zur selben Zone gehört. Der Mitgliedstaat, dem ein Antrag gemäß Art. 40 der Verordnung vorgelegt wird, erteilt gemäß Art. 41 Abs. 1 der Verordnung nach Prüfung des Antrags und gegebenenfalls der in Art. 42 Satz 1 der Verordnung genannten Begleitdokumente im Hinblick auf die Bedingungen in seinem Hoheitsgebiet für das betreffende Pflanzenschutzmittel eine Zulassung unter den gleichen Bedingungen wie der den Antrag prüfende Mitgliedstaat; hiervon ausgenommen sind die Fälle, in denen Art. 36 Abs. 3 der Verordnung Anwendung findet.
Nach Art. 36 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 können abweichend von Absatz 2 und vorbehaltlich des Gemeinschaftsrechts geeignete Bedingungen in Bezug auf die Anforderungen gemäß Art. 31 Abs. 3 und 4 der Verordnung und andere Maßnahmen zur Risikominderung, die sich aus den spezifischen Verwendungsbedingungen ergeben, festgelegt werden (Unterabs. 1). Können die Bedenken eines Mitgliedstaats in Bezug auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt nicht durch die Festlegung nationaler Maßnahmen zur Risikominderung gemäß Unterabs. 1 ausgeräumt werden, so kann ein Mitgliedstaat die Zulassung des Pflanzenschutzmittels in seinem Gebiet verweigern, wenn er angesichts spezifischer ökologischer oder landwirtschaftlicher Bedingungen berechtigten Grund zu der Annahme hat, dass das betreffende Produkt noch immer ein unannehmbares Risiko für die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt darstellt (Unterabs. 2).
In der Rechtsprechung der Kammer ist geklärt, dass das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung auf dieser Grundlage grundsätzlich keinen Raum für die Versagung der Anerkennung der von einem anderen Mitgliedstaat erteilten Zulassung aus anderen als den unionsrechtlich ausdrücklich benannten Gründen lässt. Der Prüfungsspielraum des mit einem Antrag auf gegenseitige Anerkennung befassten Mitgliedstaats ist sehr begrenzt. Eine über das Vorliegen von Gründen nach Art. 36 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 hinausgehende materielle Prüfungskompetenz kommt ihm nicht zu. Insbesondere ist er weder berechtigt noch verpflichtet, die Referenzzulassung auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen (vgl. Urt. d. Gerichts v. 30.11.2016 - 9 A 27/16 und 9 A 28/16 -, juris; Urt. d. Gerichts vom 3.12.2020 - 9 A 252/18 -, V. n. b.; vgl. zu zonalen Zulassungsverfahren mit Deutschland als beteiligten Mitgliedstaat: Urt. d. Gerichts v. 12.4.2018 - 9 A 26/16 -, juris; bestätigend: Nds. OVG, Beschl. v. 10.12.2019 - 10 LA 333/18 -, V. n. b.).
Sinn und Zweck der gegenseitigen Anerkennung pflanzenschutzrechtlicher Zulassungen ist nach Erwägungsgrund 29 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 die Gewährleistung des freien Warenverkehrs innerhalb der Gemeinschaft. Zur Vermeidung von Doppelarbeit, Verringerung des Verwaltungsaufwands für Industrie und Mitgliedstaaten und zur Sicherstellung einer einheitlicheren Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln soll die von einem Mitgliedstaat erteilte Zulassung von anderen Mitgliedstaaten akzeptiert werden, sofern die landwirtschaftlichen, pflanzengesundheitlichen und ökologischen Bedingungen (einschließlich der klimatischen Bedingungen) vergleichbar sind. Eine Ausnahme hiervon ist nur vorgesehen, wenn besondere ökologische oder landwirtschaftliche Bedingungen im Gebiet eines Mitgliedstaates eine Verweigerung der Zulassung erforderlich machen. Diesen Gesichtspunkt greift Art. 36 Abs. 3 Unterabsatz 2 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 auf, wonach ein Mitgliedstaat die Zulassung des Pflanzenschutzmittels in seinem Gebiet verweigern kann, wenn er angesichts spezifischer ökologischer oder landwirtschaftlicher Bedingungen berechtigten Grund zu der Annahme hat, dass das betreffende Produkt ein unannehmbares Risiko für die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt darstellt, dem nicht durch die Festlegung nationaler Maßnahmen zur Risikominderung genügt werden kann.
Für die Zulassung von Arzneimitteln, für die ein Verfahren der gegenseitigen Anerkennung ebenfalls mit der Zielsetzung des Abbaus von Handelshemmnissen, der Harmonisierung der Zulassungspraxis innerhalb der Gemeinschaft und der Vermeidung von Doppelarbeit europarechtlich in ähnlicher Weise vorgesehen ist (vgl. Art. 28 Richtlinie 2001/83/EG und § 25b Abs. 2 Arzneimittelgesetz - AMG -), hat der Europäische Gerichtshof festgestellt, dass die Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung in strikter Weise geregelt ist. Der unionsrechtlich ausdrücklich vorgesehene Tatbestand, bei dem ausnahmsweise die Zulassung verweigert werden dürfe, bilde den einzigen Grund, auf den sich ein Mitgliedstaat berufen dürfe, um einer von einem anderen Mitgliedstaat erteilten Zulassung die Anerkennung zu versagen. Das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung lasse keinen Raum für eine Versagung der Anerkennung der von einem anderen Mitgliedstaat erteilten Zulassung durch eine nationale Zulassungsbehörde aus anderen als den unionsrechtlich ausdrücklich benannten Gründen. Der Prüfungsspielraum des mit einem Antrag auf gegenseitige Anerkennung befassten Mitgliedstaats sei sehr begrenzt. Insbesondere müsse sich der betroffene Mitgliedstaat im Hinblick auf jede Prüfung, die über die Gültigkeit des Antrags hinausgeht, grundsätzlich auf die Beurteilung und die wissenschaftliche Bewertung verlassen, die der Referenzmitgliedstaat vorgenommen hat (vgl. EuGH, Urt. v. 16.10.2008 - C-452/06, Synthon -, juris).
Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hat das Bundesverwaltungsgericht für den Bereich der gegenseitigen Anerkennung einer Tierarzneimittelzulassung ausgeführt, dass es der deutschen Behörde genügen darf und muss, dass die Referenzzulassung wirksam erteilt und nicht angefochten worden ist. Sonstige Rechtmäßigkeitsmängel sind nicht maßgeblich. Eine (weitergehende) Rechtmäßigkeitskontrolle der von einem anderen Mitgliedstaat erteilten Referenzzulassung erfolgt nicht (BVerwG, Urt. v. 19.9.2013 - 3 C 22/12 -, NVwZ 2014, 457; Liebler, jurisPR-BVerwG 4/2014 Anm. 6). Das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung, namentlich die beschränkte Prüfpflicht des anerkennenden Mitgliedstaates, ist durch vernünftige Gemeinwohlgründe gerechtfertigt. Es dient dem Abbau von Handelshemmnissen und der Harmonisierung der Zulassungspraxis innerhalb der Gemeinschaft; zudem vermeidet es Doppelarbeit. Diese Zwecke würden nicht erreicht, wenn der anerkennende Staat eine Rechtmäßigkeitskontrolle der Referenzzulassung vornehmen müsste. Die mit den Gemeinschaftskodizes verbundene Harmonisierung der Zulassung und das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung beruhen auf dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens. Jedenfalls solange sich nicht aufdrängt, dass ein Referenzmitgliedstaat Vorschriften des Zulassungsverfahrens systematisch verletzt, besteht im Anerkennungsverfahren kein Raum für eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Referenzzulassung (vgl. BVerwG, a. a. O., unter Hinweis auf EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 -, juris; Urt. v. 29.1.2013 - C-396/11 -, juris).
Nach diesen Maßgaben ist die Beklagte verpflichtet, der Klägerin die begehrte Zulassung für das Pflanzenschutzmittel F. im Wege der gegenseitigen Anerkennung zu erteilen.
Anhaltspunkte für eine systematische Verletzung von Rechtsvorschriften des Zulassungsverfahrens durch den Referenzmitgliedstaat Polen sind hier nicht erkennbar und von der Beklagten auch nicht vorgetragen worden.
Vielmehr macht die Beklagte geltend, dass die Esterform des in dem streitgegenständlichen Pflanzenschutzmittel enthaltenen Wirkstoffs J. gegenwärtig eine Genehmigung nicht besitzt. Der Wirkstoff O. (J.) ist mit Richtlinie I. der Kommission vom J. in den Katalog der EU-weit für die Verwendung in Pflanzenschutzmitteln zugelassenen Wirkstoffe aufgenommen worden (Anhang I der Richtlinie 91/414/EWG, ABl. L 230 S. 1) verbunden mit dem aus Fußnote 1 des Anhangs der Richtlinie I. folgenden Hinweis, dass weitere Einzelheiten hinsichtlich der Identität und Spezifikation des Wirkstoffs dem Beurteilungsbericht zu entnehmen sind. Aus dem damit in Bezug genommenen Review Report for the active substance J. vom 1. Oktober 2001 (P.) folgt hinsichtlich der Identität des Wirkstoffs, dass sich die Bewertung nicht nur auf die Säureform J. (Acid), sondern auch auf die Esterform des Wirkstoffs (Q.) bezieht, hier angegeben mit J. 2-N. (vgl. Appendix I). Mit Durchführungsverordnung (EU) Nr. E. der Kommission vom F. (K.) ist die Genehmigung des Wirkstoffs J. mit Geltungsdauer bis zum 31. Dezember 2030 erneuert worden. Betreffend näherer Angaben zur Identität und Spezifikation des Wirkstoffs wird insoweit auf den Überprüfungsbericht verwiesen (vgl. Fußnote 1, Anhang I der Durchführungsverordnung). Der im Erneuerungsverfahren erstellte Final Review report for the active substance J. vom 9. Oktober 2015 (R.) gibt zur Identität des Wirkstoffs in Abweichung vom Review Report aus dem Jahre 2001 allerdings lediglich die Säureform des Wirkstoffs an (vgl. Ziffer 4 i. V. m. Appendix I). Auch der Revised Renewal report for the active substance J. vom 6. Oktober 2017 (S.) beschränkt die Angaben zur Identität des Wirkstoffs auf die Säureform (T.) acetic acid (vgl. Ziffer 4 i. V. m. Appendix I).
Selbst wenn vor diesem Hintergrund angenommen würde, dass die im Pflanzenschutzmittel F. enthaltene Esterform des Wirkstoffs J. nicht mehr als Wirkstoff genehmigt ist, rechtfertigt dies die Versagung der Zulassung für das Pflanzenschutzmittel im Wege der gegenseitigen Anerkennung der polnischen Referenzzulassung aber nicht. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Genehmigung des in einem Pflanzenschutzmittel enthaltenen Wirkstoffs gemäß Art. 29 Abs. 1 Buchst. a Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 eine grundlegende Voraussetzung für die Erteilung einer Zulassung für das Pflanzenschutzmittel ist.
Der Referenzmitgliedstaat Polen hat die Zulassung für das Pflanzenschutzmittel F. am 27. Oktober 2015 zu einem Zeitpunkt erteilt, als die Erneuerung der Genehmigung des Wirkstoffs J. mit der dem Bewertungsbericht zu entnehmenden Beschränkung auf die Säureform des Wirkstoffs noch nicht vorlag. Nach der Erneuerung der Genehmigung des Wirkstoffs mit Durchführungsverordnung (EU) Nr. E. hat er am 11. September 2017 die Zulassung für das Pflanzenschutzmittel gemäß Art. 43 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 erneuert, das gegenwärtig in Polen mit einer Geltungsdauer bis zum 31. Dezember 2022 zugelassen ist (vgl. Angaben der polnischen Zulassungsbehörde im Internet unter „https://www.gov.pl/web/rolnictwo/rejestr-rodkow-ochrony-roslin“). Auch wenn den Unterlagen zur Genehmigung des Wirkstoffs zu diesem Zeitpunkt - wie dargelegt - die Beschränkung auf die Säureform des Wirkstoffs zu entnehmen war, hält Polen seine Vorgehensweise für rechtmäßig. Wie es mit Schreiben an das BVL vom 9. September 2019 ausgeführt hat, stützt es sich insbesondere darauf, dass in den Studien über das Pflanzenschutzmittel, die im Zulassungsverfahren vorgelegt worden seien, oft nicht zwischen den einzelnen Formen des Wirkstoffs differenziert werde. Es könne insoweit ein Umrechnungsfaktor zum Ansatz gebracht werden. Außerdem werde J. -N. im Boden und im Wasser schnell zur Säureform abgebaut sowie in Pflanzen zur Säureform hydrolysiert. Die Säureform sei von höherer toxikologischer Relevanz als der Ester. Der Ansatz zur Anwendung eines Umrechnungsfaktors sei nicht nur von Polen, sondern auch von anderen Mitgliedstaaten akzeptiert worden, die den Bewertungsbericht für das Pflanzenschutzmittel im zonalen Verfahren als beteiligte Mitgliedstaaten kommentiert hätten und Polen halte an diesem Ansatz fest. Der polnische Ansatz stehe im Einklang mit dem Bridging Report für J. Acid und J. 2-N., den Griechenland als berichterstattender Mitgliedstaat im September 2018 zur Übertragung der Bewertung der Säureform auf die Esterform des Wirkstoffs erstellt habe. Die polnische Position entspreche zudem der Handhabung der EU-Kommission, die Behandlung von Salzen und Estern desselben Stoffes als verschiedene Wirkstoffe zu verhindern. Da J. -N. nur eine der verfügbaren Varianten des Wirkstoffs sei, sei Polen der Auffassung, dass es keinen Grund gebe, die Zulassung für F. abzulehnen.
Im Gegensatz dazu geht der Ständige Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel der EU-Kommission (Standing Committee on Plants, Animals, Food and Feed - SCoPAFF -) entsprechend der von der Beklagten vorgelegten Unterlagen zwar davon aus, dass die Esterform des Wirkstoffs J. als anderer Stoff anzusehen und die Verwendung eines Bridging Dossiers auf Ebene der Mitgliedstaaten im Zulassungsverfahren nicht möglich sei (vgl. Summary Report des Meetings des SCoPAFF vom 16. - 17.7.2019, Anlage B5, zu Punkt A.26; Summary Report des Meetings des SCoPAFF vom 5. - 6.12.2019, Anlage B6, zu Punkt A.24). Aus dem Bericht des Ausschusses über die Sitzung am 5. und 6. Dezember 2019 ergibt sich allerdings auch, dass die Kommission mitgeteilt habe, dass sich mehrere Mitgliedstaaten zu der Frage geäußert hätten, ob die Erneuerung der Genehmigung von J. auch J. N. umfasse, und dass ein Treffen mit dem Antragsteller stattgefunden habe (vgl. a. a. O.).
Bei dieser Sachlage kann jedenfalls nicht angenommen werden, dass sich Polen bei der Erneuerung der Referenzzulassung für F. etwa sehenden Auges über das Fehlen einer Genehmigung für einen der in dem Pflanzenschutzmittel enthaltenen Wirkstoffe hinweggesetzt hätte. Vielmehr hat es insoweit die Position vertreten, die Bewertung der Säureform des Wirkstoffs könne auf die Esterform übertragen werden. Auch unter den Mitgliedstaaten ist zudem die Frage, ob die Erneuerung der Genehmigung von J. auch J. N. umfasst, erörtert worden. Der zuständige Ausschuss der EU-Kommission hat seine Auffassung zu den in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Fragen nach den vorliegenden Unterlagen erst im Jahre 2019 und damit nach der Erneuerung der Zulassung durch Polen im Jahre 2017 geäußert.
Kann die polnische Referenzzulassung damit noch nicht einmal als offenkundig rechtswidrig angesehen werden, unterliegt die Beurteilung der aufgezeigten Fragestellungen jedenfalls nicht dem im Verfahren auf gegenseitige Anerkennung nach Art. 40 ff. Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 eng begrenzten Prüfungsspielraum der Beklagten. Der Mitgliedstaat, bei dem die gegenseitige Anerkennung der von einem anderen Mitgliedstaat erteilten Zulassung für ein Pflanzenschutzmittel beantragt wird, ist - wie dargelegt - weder berechtigt noch verpflichtet, die Referenzzulassung auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen.
Ob die Beklagte berechtigt wäre, die Zulassung für das Pflanzenschutzmittel F. nach gegenseitiger Anerkennung der polnischen Referenzzulassung gemäß Art. 44 Abs. 1 und Abs. 3 Buchst. a Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 aufzuheben oder zu ändern, bedarf im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung unter Berücksichtigung des eng begrenzten Prüfungsspielraums der Beklagten keiner näheren Betrachtung. Die Klärung der Frage, ob hinsichtlich der Genehmigung der Esterform des Wirkstoffs und der Berücksichtigung des von Griechenland erstellten Bridging Reports der von Polen vertretenen Auffassung oder der Auffassung der Beklagten unter Hinweis auf den Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel der EU-Kommission zu folgen ist, wäre gegebenenfalls in einem solchen Verfahren um den Widerruf oder die Änderung der Zulassung zu klären. Würde insoweit der Rechtsauffassung der Beklagten folgend angenommen, dem Anspruch der Klägerin auf gegenseitige Anerkennung der Referenzzulassung stehe entgegen, dass die Zulassung nach ihrer Erteilung sogleich gemäß Art. 44 Abs. 1 und Abs. 3 Buchst. a Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 widerrufen werden müsste, wären auch andere Fragen des (Fort)Bestehens der Zulassungsvoraussetzungen des Art. 29 i. V. m. Art. 44 Abs. 1 und Abs. 3 Buchst a Verordnung (EG) Nr. 1107/2009, die sich noch weniger eindeutig als das Vorliegen einer Genehmigung für den Wirkstoff (Art. 29 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung) beurteilen lassen, wie etwa die Frage des Vorliegens unannehmbarer Auswirkungen auf die Umwelt (Art. 29 Abs. 1 Buchst. e i. V. m. Art. 4 Abs. 3 der Verordnung), im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung einer Referenzzulassung zu klären. Dies liefe allerdings den bereits dargelegten Zielen, die der Verordnungsgeber mit den Regelungen zur gegenseitigen Anerkennung von Zulassungen für Pflanzenschutzmittel verfolgt, zuwider und könnte bei komplexeren Fragestellungen auch kaum innerhalb der für das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung in Art. 42 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 bestimmten eng bemessenen Frist von 120 Tagen bewerkstelligt werden.
Dass Polen die Zulassung für das Pflanzenschutzmittel F. am 11. September 2017 gemäß Art. 43 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 erneuert hat und die erneuerte Zulassung an die Stelle der ursprünglichen Zulassung vom 27. Oktober 2015 getreten ist, steht der gegenseitigen Anerkennung der Referenzzulassung nicht entgegen. Zwar bezieht sich der beim BVL ursprünglich gestellte Antrag der Klägerin vom 24. November 2015 auf die gegenseitige Anerkennung der von Polen am 27. Oktober 2015 erteilten Zulassung. Nach Erneuerung der polnischen Zulassung am 11. September 2017 entspricht es allerdings der Interessenlage der Klägerin, die erneuerte Referenzzulassung in das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung einzubeziehen. Durchgreifende sachliche Gründe, die einer solchen Einbeziehung entgegenstehen würden, hat die Beklagte nicht vorgetragen und sind für die Kammer auch sonst nicht erkennbar. Mit der erneuerten Referenzzulassung ist die Klägerin weiterhin im Besitz einer nach Art. 29 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 erteilten Zulassung im Sinne von Art. 40 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009. Etwaige mit der Erneuerung der Zulassung in Polen verbundene Änderungen der Maßgaben der Zulassung können im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung Berücksichtigung finden. Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung der Kammer darauf hingewiesen hat, die Erneuerung einer Referenzzulassung könne bei Änderung der Maßgaben der Zulassung einen erheblichen neuen Prüfungsumfang auslösen, der innerhalb eines bereits laufenden Verfahrens auf gegenseitige Anerkennung im Hinblick auf die in diesem Fall schon laufende 120 Tage-Frist des Art. 42 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 gegebenenfalls nicht zu bewältigen wäre, hindert dieser Gesichtspunkt die Einbeziehung der erneuerten Zulassung in ein laufendes Verfahren auf gegenseitige Anerkennung zur Überzeugung der Kammer nicht. Vielmehr wäre zu erwägen, ob dem berechtigten Hinweis der Beklagten auf eine mögliche Veränderung bzw. Erweiterung des Prüfungsumfangs nicht dadurch Rechnung getragen werden kann, dass die 120 Tage-Frist, die mit der Vorlage eines vollständigen Antrags auf gegenseitige Anerkennung nach Art. 42 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 beginnt, mit der Vorlage einer erneuerten Referenzzulassung als neu in Lauf gesetzt betrachtet wird, weil die anzuerkennende gültige Referenzzulassung nach Art. 42 Abs. 1 Buchst. a Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 und bei Änderung der Maßgaben der Zulassung gegebenenfalls der zugehörige Bewertungsbericht gemäß Art. 42 Abs. 1 Buchst. d Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 zu den vorzulegenden Antragsunterlagen zählen.
Auch im Übrigen sind Gründe, welche die Versagung der Zulassung für das Pflanzenschutzmittel F. rechtfertigen würden, nicht ersichtlich. Das UBA hat mit Schreiben vom 11. April 2019 das ursprünglich versagte Einvernehmen für die Zulassung des Pflanzenschutzmittels in Deutschland erteilt (§ 34 Satz 1 Nr. 3 PflSchG). Soweit es darin unter anderem die Festsetzung der Anwendungsbestimmungen Biodiv 1, Biodiv 2 und NT(neu) gefordert hat, entspricht dies unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts zu den genannten Anwendungsbestimmungen (Urt. v. 4.9.2019 - 9 A 11/19 und 9 A 18/19 -, juris) nicht mehr der aktuellen Verwaltungspraxis des UBA. Ob und inwieweit ggf. andere Anwendungsbestimmungen erforderlich sind, ist von der Beklagten im Zuge der Erteilung der Zulassung zu prüfen. Weitere Gründe, die der Erteilung der Zulassung entgegenstehen könnten, sind von der Beklagten nicht vorgetragen worden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 709 ZPO und die Festsetzung des Streitwerts auf § 52 Abs. 1 GKG.