Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 29.05.2018, Az.: 5 B 238/18
Durchsagen; Emission; Kernbereich; Lärm; Musik; Musikbeschallung; Pause; Redebeiträge; Schall; Unterbrechung; Versammlung; Versammlungsfreiheit; versammlungsrechtliche Auflage
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 29.05.2018
- Aktenzeichen
- 5 B 238/18
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2018, 74327
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- Art 8 GG
- § 8 Abs 1 VersammlG ND
- § 80 Abs 5 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Auf der Grundlage von § 8 Abs. 1 NVersG kann eine Anordnung, nach der die Musikbeschallung anlässlich einer Versammlung durch Pausen zu unterbrechen ist, nach den Umständen des Einzelfalls rechtmäßig sein.
2. Eine Anordnung, auch Redebeiträge anlässlich einer Versammlung durch Pausen zu unterbrechen, greift in den Kernbereich der Versammlungsfreiheit nach Art. 8 Abs. 1 GG ein.
3. Hier: Einzelfall, bei dem eine Anordnung auf der Grundlage von § 8 Abs. 1 NVersG, Redebeiträge während einer Versammlung nach jeweils 10 Minuten Dauer für 5 Minuten zu unterbrechen, nach summarischer Bewertung rechtswidrig ist.
Tenor:
Die aufschiebende Wirkung der Klage 5 A 237/18 wird wiederhergestellt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2500 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine versammlungsrechtliche Anordnung, mit der die Antragsgegnerin ihr in Bezug auf eine stationäre Kundgebung unter Anordnung der sofortigen Vollziehung aufgegeben hat, Redebeiträge nach maximal 10 Minuten Dauer für eine Pause von 5 Minuten zu unterbrechen.
Die Antragstellerin zeigte am 3. Mai 2018 der Antragsgegnerin an, am 31. Mai 2018 eine stationäre Kundgebung auf dem Marktplatz in Goslar, Ortsteil Vienenburg, zum Thema: „Mobi für die Kundgebung zum 10. Tag der deutschen Zukunft 2018 „Unser Signal gegen Überfremdung“ mit circa 30-50 Personen durchzuführen. Als Redner benannte die Antragstellerin in der Anzeige der Versammlung drei Personen namentlich. Als Kundgebungsmittel führte sie unter anderem eine mobile Musikanlage auf. Am 11. Mai 2018 fand ein telefonisches Kooperationsgespräch statt. Die Antragsgegnerin teilte mit, dass die Versammlung auf den Zeitraum von 18:00 bis 20:00 Uhr beschränkt werde. Hiermit zeigte sich die Antragstellerin einverstanden. Sie erklärte, dass drei Redner vorgesehen seien. Die streitgegenständliche Anordnung war nicht Bestandteil dieses Gesprächs.
Mit Bescheid vom 22. Mai 2018 ordnete die Antragsgegnerin verschiedene Beschränkungen für die Versammlung am 31. Mai 2018 an. Wie bereits im Kooperationsgespräch thematisiert, beschränkte sie diese auf den Zeitraum von 18:00 bis 20:00 Uhr und führte aus, der konkrete Standort auf dem Platz am Markt im Ortsteil Vienenburg werde vor Ort von der Polizei zugewiesen. Unter Ziffer 1 des Entscheidungstenors ordnete die Antragsgegnerin im Wortlaut zudem wie folgt an:
„Der Betrieb einer elektroakustischen Schallverstärkungsanlage wird innerhalb der Dauer der Kundgebung zugelassen. Durchsagen dürfen nur mit solcher Lautstärke erfolgen, dass unangemessene und dauerhafte Lärmbelästigung von Personen, die nicht Teilnehmer Ihrer Versammlung sind, vermieden werden. Die Lautstärke ist – gemessen am Dauerschallpegel des Veranstaltungsortes – dann als angemessen anzusehen, wenn akustisch verstärkte Durchsagen auch in der Randzone der räumlichen Ausdehnung Ihrer Versammlung von Personen mit normal empfindlichem Gehör zu verstehen sind.
Nach jeweils maximal -10 - Minuten Redebeiträge oder Musikdarbietungen ist eine Pause von -5- Minuten einzuhalten. Zusätzlich sind bei polizeilichen Lautsprecherdurchsagen eigene Rede- oder Musikbeiträge unverzüglich einzustellen.
Das Spielen indizierter Musikstücke, die während der Versammlung abgespielt oder vorgetragen werden, ist untersagt
Eine Lautstärke von maximal 90 dB darf nicht überschritten werden.
Während der An- und Abreise ist die Nutzung der elektroakustischen Schallverstärkungsanlage untersagt.“
Die Antragsgegnerin begründete dies wie folgt:
„Durchsagen und Musikdarbietungen im Rahmen der Versammlung sind nicht wesentliche Bestandteile des Rechts auf freie Meinungsäußerungen. Eine dauerhafte Beschallung, insbesondere der Personen, die in Nähe des Standortes der Kundgebung wohnen, arbeiten oder aber sich aus anderen Gründen aufhalten und nicht an der Versammlungsthematik interessiert sind, ist nicht zu tolerieren.
Für die Definition der Maximalwerte der Geräuschemissionen ist die Technische Anleitung Lärm (TA-Lärm) anzuwenden. Die TA-Lärm dient dem Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche sowie deren Vorsorge. Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne der TA-Lärm sind Geräuschemissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Anlieger herbeizuführen.
Hinsichtlich des festgesetzten Richtwertes von 90 db(A) verweise ich insbesondere auf den Beschluss des VG Hannover vom 12.08.2010 (Az. 10 B 3412/10 und 10 B 3503/10).
Eine Beschränkung auf das Abspielen von Musik und Redebeiträge von jeweils maximal 10 Minuten mit anschließender Pause von 5 Minuten unterstreicht weiterhin den Schutz unbeteiligter Dritter sowie der Anwohner durch schädigende Einwirkung von Lärm (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 10. November 2010 – 11 LA 298/10).“
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid (Blatt 9 ff. Beiakte 1) verwiesen.
Am 22. Mai 2018 hat die Antragstellerin Anfechtungsklage erhoben, mit der sie sich gegen Ziffer 1 Satz 4 des Bescheids vom 22. Mai 2018 wendet, soweit dieser sich auch auf Redebeiträge bezieht (gerichtliches Aktenzeichen: 5 A 237/18). Zugleich hat sie den vorliegenden Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Sie begründet diesen im Wesentlichen wie folgt: Die Anordnung verletze sie in ihrem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 Grundgesetz). Auch wenn nach der von der Antragsgegnerin in Bezug genommenen Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts davon ausgegangen werden könne, dass eine Musikbeschallung während einer Versammlung nach angemessener Zeit für eine Pause zu unterbrechen sei, gelte dies nicht für Redebeiträge auf einer Kundgebung. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht beziehe sich schon im Wortlaut nach eindeutig nur auf „Lärm- und Musikpausen“, nicht hingegen auf Redebeiträge. Es habe die Entscheidung zudem maßgeblich darauf gestützt, dass Musikdarbietungen als Teil einer nach Art. 8 Grundgesetz geschützten Versammlung nur im begrenztem Umfang zu dem vorrangig geschützten Meinungs- und Gedankenaustausch beitragen. Redebeiträge stellten sich demgegenüber als zentraler Kern der Versammlung dar. Die angeordnete Beschränkung schränke die Meinungs- und Versammlungsfreiheit unverhältnismäßig ein. Redner könnten durch eine Pause ihren Faden verlieren; Zuhörer könnten in einer Pause das zuvor Gesagte vergessen. Hinzukomme, dass die Kundgebung am 31. Mai 2018 sich maßgeblich – schon im Hinblick auf die Dauer der Veranstaltung – von derjenigen unterscheide, die das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht im Beschluss vom 10. November 2010 zu bewerten hatte.
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung ihrer Klage insoweit wiederherzustellen, als sich Ziffer 1 Satz 4 des Auflagenbescheids der Antragsgegnerin vom 22. Mai 2018 auch auf Redebeiträge bezieht.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie erwidert im Wesentlichen wie folgt: Der Antragstellerin sei der streitgegenständliche Passus aus einem früheren versammlungsrechtlichen Bescheid bekannt gewesen. Dennoch habe sie diesen im Kooperationsgespräch nicht thematisiert. Sie könne deshalb nicht nachvollziehen, weshalb nun erst im Rahmen einer Klage Beanstandungen hiergegen geltend gemacht würden. Die Anordnung sei rechtmäßig. Weil die Versammlungsanzeige keine zeitliche Aufteilung von Musik- und Redebeiträgen enthalte, müsse davon ausgegangen werden, dass während der gesamten Dauer der Veranstaltung eine Beschallung erfolgen solle. Angesichts dessen sei die Anordnung erforderlich, um unbeteiligte Dritte sowie eingesetzte Polizeibeamte, die anderenfalls über zwei Stunden einem ständigen Lärmpegel ausgesetzt würden, die erforderlichen Lärmpausen zu ermöglichen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin verwiesen.
II.
Der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 2 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat Erfolg.
Zwar hat die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung ihrer Verfügung formell ordnungsgemäß angeordnet. Insbesondere hat sie auf Seite 5 ihres Bescheids in ausreichender Weise schriftlich begründet, warum sie das besondere Interesse an dem Sofortvollzug als gegeben erachtet (vgl. § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO).
Die aufschiebende Wirkung der Klage 5 A 237/18 ist aber aus materiell-rechtlichen Gründen wiederherzustellen. Ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 2 VwGO ist aus materiell-rechtlichen Gründen erfolgreich, wenn das Interesse eines Antragstellers, den Vollzug eines Verwaltungsaktes vor einer abschließenden gerichtlichen Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit im Klageverfahren zunächst zu verhindern, gegenüber dem öffentlichen Interesse oder dem Interesse Dritter an einem sofortigen Vollzug des Verwaltungsaktes überwiegt. Bei Versammlungen, die auf einen einmaligen Anlass bezogen sind, müssen die Verwaltungsgerichte schon im Eilverfahren durch eine möglichst umfangreiche Prüfung dem Umstand Rechnung tragen, dass der Sofortvollzug der umstrittenen versammlungsrechtlichen Maßnahme in der Regel zur endgültigen Verhinderung der Versammlung in der beabsichtigten Form führt. Soweit möglich, ist deswegen die Rechtmäßigkeit der Maßnahme zu prüfen; im Übrigen kommt es auf eine sorgsame Interessenabwägung an (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 01.06.2011 – 11 ME 164/11 –, juris Rn. 13 m. w. N.).
Nach diesem Maßstab überwiegt vorliegend das Interesse der Antragstellerin an einer aufschiebenden Wirkung der Klage 5 A 237/18 gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Vollziehung. Die von der Antragstellerin beanstandete Beschränkungen zu Ziffer 1 Satz 4 des Bescheids vom 22. Mai 2018 ist nach der im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Überprüfung aller Voraussicht nach rechtswidrig und verletzt die Antragstellerin in ihrem Recht auf Versammlungsfreiheit, soweit sich die Anordnung auf Redebeiträge erstreckt.
Rechtsgrundlage für die Beschränkung ist § 8 Abs. 1 NVersG. Hiernach kann die zuständige Behörde Beschränkungen zu einer angezeigten Versammlung verfügen, um eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren. Wegen des durch Art. 8 GG bewirkten Schutzes von Versammlungen und der hohen Bedeutung der Versammlungsfreiheit für die freiheitlich-demokratische Gesellschaftsordnung gerade auch im Hinblick auf den Schutz von Minderheiten darf eine Versammlung nur ausnahmsweise beschränkt werden. Das Ermessen der Versammlungsbehörde ist grundrechtlich gebunden. Die Versammlungsfreiheit hat nur dann zurückzutreten, wenn eine Abwägung unter Berücksichtigung der Bedeutung des Freiheitsrechts ergibt, dass dies zum Schutz anderer, mindestens gleichwertiger Rechtsgüter notwendig ist. Die behördliche Eingriffsbefugnis setzt eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit bei Durchführung der Versammlung in der beabsichtigten Form voraus. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung müssen deshalb Umstände vorliegen, die eine Gefährdung von der Versammlungsfreiheit entgegenstehenden Rechtsgütern der öffentlichen Sicherheit mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten lassen. Die behördliche Gefahrenprognose muss sich auf nachweisbare Tatsachen stützen; bloße Vermutungen reichen nicht aus (vgl. VG Braunschweig, U. v. 26.09.2012 – 5 A 96/11 –, juris Rn. 23 m.w.N). Beschränkungen nach § 8 Abs. 1 NVersG sind u. a. in örtlicher Hinsicht (durch Verlegung der angezeigten Route eines Aufzugs oder ggf. durch die Beschränkung auf eine stationäre Kundgebung) sowie in zeitlicher Hinsicht oder hinsichtlich der Modalitäten, unter denen die Versammlung durchgeführt wird, denkbar. Zwar umfasst die Versammlungsfreiheit nach Art. 8 Abs. 1 GG grundsätzlich das Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters, über Gegenstand, Zeitpunkt und Ort der Versammlung zu entscheiden. Kommt es jedoch zur Rechtsgüterkollision, kann das Selbstbestimmungsrecht durch Rechte anderer beschränkt sein. In diesem Fall ist für die wechselseitige Zuordnung der Rechtsgüter mit dem Ziel ihres jeweils größtmöglichen Schutzes zu sorgen. Wird den gegenläufigen Interessen Dritter oder der Allgemeinheit bei der Planung der angemeldeten Versammlung nicht hinreichend Rechnung getragen, kann die praktische Konkordanz zwischen den Rechtsgütern durch versammlungsbehördliche Beschränkungen hergestellt werden. Dem Veranstalter steht hierbei kein Bestimmungsrecht darüber zu, mit welchem Gewicht die Rechtsgüter in die Abwägung einzubringen sind und wie die Interessenkollision rechtlich bewältigt werden kann. Die Abwägung, ob und wie weit gegenläufige Interessen die Einschränkung der Versammlungsfreiheit rechtfertigen, obliegt vielmehr der Versammlungsbehörde bzw. ihr folgend dem Verwaltungsgericht (vgl. VG Braunschweig, U. v. 26.09.2012 – 5 A 96/11 –, juris Rn. 27 m.w.N.). Nach diesem Maßstab ist die streitgegenständliche Anordnung zu Ziffer 1 Satz 4 des Bescheids vom 22. Mai 2018 voraussichtlich rechtswidrig, soweit sie sich auf Redebeiträge erstreckt und anordnet, dass diese ebenfalls durch Pausen zu unterbrechen sind.
Zwar kann nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts und des beschließenden Gerichts nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls eine Anordnung rechtmäßig sein, nach der eine Musikbeschallung anlässlich einer Versammlung durch Pausen in dem auch hier in Rede stehenden Umfang – 10 Minuten Beschallung, anschließend 5 Minuten Pause – zu unterbrechen ist (vgl. bspw. Nds. OVG, B. v. 10.11.2010 – 11 LA 298/10 –, juris Rn. 22 ff.; VG Braunschweig, B. v. 06.04.2018 – 5 B 151/18 – n.v.), und spricht nach summarischer Prüfung vieles dafür, dass auch im Hinblick auf fortgesetzte Redebeiträge eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit bestehen kann: Hinsichtlich ihrer faktischen Auswirkungen auf Anwohner, unbeteiligte Dritte sowie Polizeibeamte, die aus dienstlichen Gründen vor Ort sind, unterscheiden sich die von (Schall-)Emissionen von Musik- und Redebeiträgen, abgesehen davon, dass eine Musikbeschallung mit geringerem Einsatz als Redebeiträge über seinen sehr langen Zeitraum aufrechterhalten werden kann, nicht wesentlich, sofern sie jeweils elektronisch auf das gleiche Lautstärkemaß verstärkt werden. Dem Grunde nach lassen sich deswegen die Erwägungen, aufgrund derer nach der Rechtsprechung der Niedersächsischen Verwaltungsgerichtsbarkeit im Einzelfall eine langanhaltende Musikbeschallung im Rahmen einer Versammlung eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit begründen kann (vgl. Nds. OVG, B. v. B. v. 10.11.2010 – 11 LA 298/10 –, juris Rn. 7 ff. sowie Rn. 22 ff.) auf Redebeiträge übertragen.
Vorliegend ist aber bereits zweifelhaft, ob ohne die streitgegenständliche Anordnung in Bezug auf Redebeiträge eine hinreichend schwerwiegende dauerhafte Beschallung, die eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit begründet, überhaupt zu befürchten ist. Die Antragstellerin plant auf der insgesamt (nur) zweistündigen Versammlung den Auftritt von drei Rednern. Offensichtlich beabsichtigt sie neben den Redebeiträgen auch eine Musikbeschallung als Teil des Versammlungsprogramms. Schon die Tatsache, dass sie hinsichtlich der Musikbeschallung die Anordnung mit dem Bescheid vom 22. Mai 2018, diese durch Pausen zu unterbrechen, akzeptiert, steht der Annahme einer „ununterbrochenen Dauerbeschallung“ während der gesamten Dauer der Versammlung entgegen.
Die Anordnung zu Ziffer 1 1. Absatz des Bescheids vom 22. Mai 2018 über eine Begrenzung der Lautstärke, wonach die Lautstärke dann als angemessen anzusehen sei, wenn akustisch verstärkte Durchsagen auch in der Randzone der räumlichen Ausdehnung der Versammlung von Personen mit normal empfindlichem Gehör noch zu verstehen sind, steht der Annahme einer Beeinträchtigung von Schutzgütern der öffentlichen Sicherheit durch Redebeiträge allerdings nicht entgegen. Diese Anordnung bezieht sich – dies ergibt eine Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont – nur auf „Durchsagen“, die an die Teilnehmer der Versammlung adressiert sind und sich inhaltlich auf die Art und Weise der Durchführung der Versammlung beziehen, nicht hingegen auf Redebeiträge zum inhaltlichen Thema der Versammlung.
Die streitgegenständliche Anordnung hingegen, auch die Redebeiträge durch Pausen zu unterbrechen, ist in der Abwägung der widerstreitenden Interessen und Rechtsgüter aber unverhältnismäßig und deswegen rechtswidrig, selbst wenn man zugunsten der Antragsgegnerin zugrunde legt, dass die Redebeiträge in vergleichbarer Weise wie eine Musikbeschallung Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit beeinträchtigen können. Die Redebeiträge stellen den wesentlichen Inhalt der Versammlung dar und betreffen den Kernbereich der nach Art. 8 Abs. 1 Grundgesetz geschützten Versammlungsfreiheit. Insoweit unterscheiden sie sich maßgeblich von einer Musikbeschallung, die regelmäßig – so auch im dem Sachverhalt, über den das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht im Beschluss vom 10. November 2010 – 11 LA 298/10 –, juris Rn. 25 – entschieden hatte – keinen wesentlichen Bezug zum inhaltlichen Anliegen der Versammlung aufweist. Die Anordnung, Redebeiträge nach jeweils 10 Minuten Dauer für 5 Minuten zu unterbrechen, greift auch schwerwiegend in diesen Kernbereich der Versammlungsfreiheit ein: Zu Recht verweist die Antragstellerin darauf, dass eine oder mehrere solcher Unterbrechungen nicht nur das Halten einer Rede erschweren können, sondern insbesondere die Wirkung der Rede auf die Zuhörerschaft erheblich schmälern können. Angesichts dessen überwiegt im vorliegenden Fall das aus der Versammlungsfreiheit resultierende Recht der Antragstellerin, die Reden ohne Unterbrechungen abzuhalten, gegenüber den Interessen und Anliegen, die die Antragsgegnerin durch die angeordneten Pausen schützen möchte. Hinzu kommt vorliegend, dass die Versammlung der Antragstellerin insgesamt – einschließlich der Musikbeiträge – nur für zwei Stunden angezeigt ist und sich auch insoweit erheblich von der Versammlung unterscheidet, die Gegenstand der Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 10. November 2010 gewesen ist (dort: 7 Stunden Dauer).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich an der Empfehlung des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. NVwZ 2013, Beilage Heft 2, 57 ff., hier: Nr. 45.4). Das Gericht hat den hiernach für das Hauptsacheverfahren empfohlenen Streitwert für das Eilverfahren nicht reduziert, weil mit diesem die Hauptsache vorweggenommen wird (vgl. hierzu Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs).