Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 17.02.2004, Az.: 7 B 454/04
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 17.02.2004
- Aktenzeichen
- 7 B 454/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 43470
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOLDBG:2004:0217.7B454.04.0A
Fundstelle
- JWO-VerkehrsR 2004, 76
Amtlicher Leitsatz
Ein fahreignungsausschließender regelmäßiger Cannabiskonsum liegt erst dann vor, wenn das Rauschmittel täglich oder nahezu täglich eingenommen wird (im Anschluss an VGH Mannheim, Beschluss vom 26. November 2003 - 10 S 2048/03 -).
Gründe
Das nach § 80 Abs. 7 VwGO zu beurteilende Begehren des Antragstellers auf Änderung des aus dem Tenor ersichtlichen Beschlusses ist unbegründet.
Das öffentliche Interesse an der sofortigen Entziehung der Fahrerlaubnis des Antragsgegners überwiegt dessen Interesse an einer Aussetzung der Vollziehung bis zum Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens weiterhin nicht. Bei der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Prüfung ist auch unter Berücksichtigung der vom Antragsteller vorgebrachten neuen Umstände davon auszugehen, dass die angegriffene Verfügung vom 4. November 2003 rechtlich zu beanstanden ist.
Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 8. Dezember 2003 ergänzend angeordnet, dass der Antragsgegner nunmehr statt eines Drogenabstinenznachweises (vgl. Schreiben des Antragstellers vom 18. Juni 2003) ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen habe. Zwar hat sich der Antragsgegner geweigert, an einer entsprechenden Untersuchung mitzuwirken. Daraus kann jedoch nicht auf seine fehlende Fahreignung geschlossen werden. Die Gutachtenanordnung ist nämlich wahrscheinlich rechtswidrig.
Sie findet insbesondere keine rechtliche Grundlage in §§ 46 Abs. 3, 14 Abs. 1 Satz 4 FeV. Danach kann ein medizinisch-psychologisches Gutachten angeordnet werden, wenn eine gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliegt und weitere Tatsachen Zweifel an der Eignung begründen.
Zwar ist - wie zwischen den Beteiligten nicht streitig ist - zumindest von einem (früheren) gelegentlichen Cannabiskonsum des Antragsgegners auszugehen. Indes liegen keine weiteren Tatsachen vor, die Eignungszweifel begründen.
Der Antragsgegner hat unter Drogeneinfluss kein Kraftfahrzeug geführt. Auch liegen die sonstigen in Anlage 4 Nr. 9.2.2 zur FeV genannten zusätzlichen Umstände, die bei einem gelegentlichen Cannabisgenuss fahreignungsausschließend sein können, nach dem dem Gericht bekannten Sachverhalt nicht vor.
Auch die Annahme des Antragstellers, der Antragsgegner habe bis Dezember 2002 regelmäßig Cannabis eingenommen und sei deshalb schon damals ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen gewesen (vgl. § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV iVm Anlage 4, Nr. 9.2.1 zur FeV), ist weiterhin nicht verwertbar belegt.
Ein regelmäßiger Cannabiskonsum liegt nach neuerer fachwissenschaftlicher Erkenntnis nur dann vor, wenn das Rauschmittel täglich oder nahezu täglich eingenommen wird (vgl. VGH Mannheim, Beschluss vom 26. November 2003 - 10 S 2048/032 -juris m.w.N. aus der obergerichtlichen Rechtsprechung). Auch die Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung (Stand: Februar 2000, S. 43) beschreiben den Begriff "regelmäßiger Konsum" als tägliche oder gewohnheitsmäßige Einnahme. Nur dann führt dieser Betäubungsmittelkonsum zu einer Beeinträchtigung der für die Verkehrssicherheit bedeutsamen Fähigkeiten (vgl. auch bereits VG Oldenburg, Beschluss vom 18. September 2002 - 7 B 3625/02 -S. 3 f.; offen: OVG Lüneburg, Beschluss vom 15. November 2002 - 12 ME 700/02 -S. 3).
Zu Gunsten des Antragsgegners sind insoweit die Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts Oldenburgs vom 20. Januar 2004 - 23 Ds 119 Js 31351/03 (111/03) - zu Grunde zulegen. Nach § 3 Abs. 4 Satz 1 StVG darf in einem behördlichen Fahrerlaubnisentziehungsverfahren von einem in einem Strafurteil gegen den Inhaber der Fahrerlaubnis festgestellten Sachverhalt nicht zu dessen Nachteil abgewichen werden.
Nach dem erwähnten Strafurteil hat der Antragsgegner vom 1. Januar bis 11. Dezember 2002 lediglich in sechs Fällen M a r i h u a n a in geringen Mengen zum Eigenverbrauch erworben (10 bis 15 g, vgl. Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Oldenburg vom 6. August 2003 und Protokoll der polizeilichen Vernehmung vom 11. Dezember 2002) und versucht, mittels Hanfsamen Betäubungsmittel anzubauen. Die der Beurteilung des Antragstellers zu Grunde liegenden Feststellungen der Polizei und der Staatsanwaltschaft Oldenburg, wonach der Antragsteller bei seiner Vernehmung am 11. Dezember 2002 einen monatlichen Erwerb der erwähnten Menge H a s c h i s c h eingeräumt hat, sind nach der erwähnten Vorschrift nicht verwertbar.
Es ist mithin davon auszugehen, dass der Antragsteller im Verlaufe des Jahres 2002 etwa alle zwei Monate Marihuana in den o.g. Mengen erworben hat. Für einen Joint oder eine Pfeife werden 0,5 g bis 1 g Marihuana benötigt (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 12. Mai 2003 - 12 ME 186/03 -S. 4 unter Bezugnahme auf Anlage 3 des Erlasses des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Technologie und Verkehr vom 19. Dezember 1997 - 402.3-30013/31 -). Es lässt sich für das Jahr 2002 deshalb innerhalb eines Zeitraumes von jeweils zwei Monaten lediglich ein Konsum in 10 bis 15 Fällen, also 1 bis 2 mal pro Woche, sicher nachweisen. Dass der dem Urteil des Amtsgerichts Oldenburg vom 20. Januar 2004 ebenfalls zu Grunde gelegte Anbau von Hanf zu einem signifikant höheren Konsum geführt hat, ergibt sich aus den strafgerichtlichen Feststellungen nicht. Danach hat der Antragsgegner lediglich versucht, mittels Hanfsamen Betäubungsmittel anzubauen.
Dass bei dem Antragsgegner zahlreiche Utensilien zur Einnahme und Aufbewahrung von Cannabisprodukten vorgefunden worden sind, vermag unter diesen Umständen einen regelmäßigen Konsum des Betäubungsmittels nicht hinreichend abzusichern. Entsprechendes gilt für den vom Antragsgegner in der polizeilichen Vernehmung vom 11. Dezember 2002 eingeräumten Umstand, mit kurzen Unterbrechungen bereits seit 20 Jahren Cannabis zu konsumieren. Schließlich ist das Strafverfahren, welches im Jahre 1999 wegen des Besitzes von 3,7 Gramm Cannabis durchgeführt wurde, nach § 31 a BtMG eingestellt worden. Der damals von anderen Personen gegen den Antragsgegner erhobene Vorwurf, er habe 30 Gramm Haschisch unterschlagen, ist wegen unterschiedlicher Aussagen nicht belegt und auch strafrechtlich ebenfalls nicht weiter verfolgt worden.
Aus der ergänzenden Mitteilung des Zentralkrankenhauses St.-Jürgen-Straße an den Antragsteller vom 8. Dezember 2003 lässt sich ebenfalls nicht der Schluss ziehen, der Antragsgegner habe bis zum Dezember 2002 regelmäßig Cannabis konsumiert. Vielmehr ergibt sich danach aus den bei den Drogenkontrollen am 22. August und 12. September 2003 festgestellten THC-COOH-Werten lediglich mit hinreichender Sicherheit ein Konsum bis etwa 2 ? Monate vorher (also bis Anfang Juni 2003) und damit nur für eine Zeit bevor der Antragsgegner seine Bereitschaft, sich einem Drogenscreening zu unterziehen, erklärt hat (vgl. auch die im Verfahren 7 B 4141/03 eingeholte fernmündliche Auskunft der genannten Stelle vom 24. November 2003). Dass der Antragsgegner beim Zentralkrankenhaus St.-Jürgen-Straße unzutreffend angegeben haben soll, lediglich bis Dezember 2002 Cannabis konsumiert zu haben, belegt ebenfalls nicht hinreichend, dass er das Rauschmittel regelmäßig eingenommen hat.
Da aber aus den vorstehend angegebenen Tatsachen weiterhin der Verdacht herzuleiten ist, dass der Antragsteller regelmäßig Cannabis konsumiert (hat), wird der Sachverhalt - wie bereits im Beschluss vom 24. November 2003 ausgeführt - durch die Fortsetzung des mit Schreiben vom 18. Juni 2003 angeordneten Drogenscreenings (§§ 46 Abs. 3, 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV) weiter aufzuklären sein.