Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 25.02.2004, Az.: 6 A 1675/02

Ausnahmegenehmigung; Beurteilungsspielraum; Ermessen; körperliche Eignung; Übernahme als Berufssoldat

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
25.02.2004
Aktenzeichen
6 A 1675/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 50533
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Es liegt innerhalb des anzuerkennenden Beurteilungsspielraums der Bundeswehr, die Übernahme eines Zeitsoldaten, der an Morbus Crohn erkrankt, aber schon lange beschwerdefrei ist, in das Berufssoldatenverhälntis abzulehnen.

Tatbestand:

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I. Der Kläger begehrt seine Übernahme in das Berufssoldatenverhältnis.

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Der im ... geborene Kläger ist Soldat auf Zeit mit einem vorgesehenen Dienstzeitende zum 4. April 2006. Mit Antrag vom 2. September 1999 bewarb sich der Kläger um die Umwandlung seines Dienstverhältnisses in das eines Berufssoldaten. Die Stammdienststelle der Luftwaffe in ... teilte dem Kläger mit Schreiben vom 25. Juni 2000 mit, dass er grundsätzlich die Voraussetzungen für eine Übernahme in das Berufssoldatenverhältnis erfülle, jedoch seine gesundheitliche Eignung noch der Überprüfung bedürfe. Der Kläger wurde daraufhin am 25. Juli 2000 im Bundeswehrkrankenhaus in ... untersucht und in einer truppenärztlichen Stellungnahme vom 2. August 2000 wurden Bedenken gegen die gesundheitliche Eignung des Klägers geltend gemacht. Am 1. August 2000 beantragte der Kläger die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung, was die Beklagte mit Schreiben vom 17. November 2000 ablehnte, nachdem am 12. September 2000 im Bundeswehrzentralkrankenhaus in ...eine weitere Untersuchung des Klägers stattgefunden hatte.

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Mit Bescheid vom 27. November 2000 – zugestellt am 22. Dezember 2000 – lehnte es die Stammdienststelle der Luftwaffe ab, den Kläger als Berufssoldaten zu übernehmen. Zur Begründung führte sie aus, dass es beim Kläger an der erforderlichen körperlichen Eignung für die Übernahme ins Berufssoldatenverhältnis fehle.

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Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 29. Dezember 2000 Beschwerde ein und führte später zur Begründung aus, dass die erhobenen Bedenken gegen seine gesundheitliche Eignung nicht tragfähig seien. Zwar sei bei ihm vor einiger Zeit eine Erkrankung an Morbus Crohn diagnostiziert, jedoch sei die Krankheit nicht zum Ausbruch gekommen, so dass er bislang fast nie den Dienst versäumt habe. Auch sei die Wahrscheinlichkeit eines Ausbruches der Krankheit so gering, dass dieser Umstand zu vernachlässigen sei.

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Nachdem der Kläger am 15. Januar 2002 nochmals von Ärzten der Beklagten untersucht worden war, lehnte die Beklagte mit Beschwerdebescheid vom 15. März 2002 – zugestellt am 20. März 2002 – die Beschwerde als unbegründet ab. Zur Begründung wurde auf die mangelnde gesundheitliche Eignung des Klägers und den Umstand hingewiesen, dass auch die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nur dann in Betracht komme, wenn ein unabweisbarer dienstlicher Bedarf für die Übernahme des Klägers in das Berufssoldatenverhältnis bestehe. Das sei aber bei ihm nicht gegeben.

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Am 22. April 2002 hat der Kläger Klage erhoben. Er macht geltend: Zwar sei es richtig, dass früher einmal bei ihm eine Erkrankung an Morbus Crohn festgestellt worden sei. Tatsächlich sei die Erkrankung aber über Jahre hinweg nicht wieder aufgetreten, so dass zu Recht am Ende eines untersuchenden Berichtes des Bundeswehrkrankenhauses ...vom 31. Juli 2002 die Empfehlung ausgesprochen werde, ihm eine gesundheitliche Ausnahmegenehmigung für die Übernahme in das Berufssoldatenverhältnis zu erteilen. Es sei in der Truppe schlechthin nicht einsehbar, dass seine gesundheitliche Eignung für die Übernahme in das Berufssoldatenverhältnis von der Beklagten bestritten werde, während er andererseits jeden Tag tatsächlich seinen Dienst versehe und zudem körperlich anstrengende Lehrgänge und Ausbildungen absolviere, ohne dass er erkranke.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 27. November 2000 und deren Widerspruchsbescheid vom 15. März 2002 aufzuheben und

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die Beklagte zu verpflichten, über seinen Antrag vom 2. September 1999 auf Ernennung zum Berufssoldaten erneut unter der Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie wiederholt und vertieft die Begründung der angefochtenen Bescheide.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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II. Die zulässige Klage hat keinen Erfolg. Die angefochtenen Bescheide sind rechtlich nicht zu beanstanden und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Ermessensfehlerfrei hat die Beklagte sein Begehren, als Berufssoldat übernommen zu werden, abgelehnt. Dazu im einzelnen:

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Zutreffend hat der Kläger den Rechtsweg zum Verwaltungsgericht gewählt, da der Anspruch auf Übernahme als Berufssoldat gegen den Dienstherrn das Statusverhältnis des Soldaten betrifft. Die Zuständigkeit der Wehrdienstgerichte ist nicht gegeben, denn diese haben über die Verletzung solcher Rechte und Pflichten zu entscheiden, die auf dem Verhältnis der besonderen militärischen Über- und Unterordnung beruhen, also in „truppendienstlichen Angelegenheiten“, in denen sich der Soldat gegen den militärischen Vorgesetzen oder gegen dessen Maßnahmen wendet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. November 1995 – 1 WB 91.99 – DokB 1996, 75).

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Nach § 4 Abs. 1 des Gesetzes über die Rechtsstellung der Soldaten – Soldatengesetz – in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Februar 2001 (BGBl. I Seite 232, berichtigt Seite 478, zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Dezember 2001, BGBl. I Seite 4013) bedarf es zur Umwandlung des Dienstverhältnisses eines Soldaten auf Zeit in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten einer Ernennung. Gemäß § 3 Abs. 1 SG ist der Soldat nach Eignung, Befähigung und Leistung ohne Rücksicht auf Geschlecht, Abstammung, Rasse, Glauben, religiöse und politische Anschauungen, Heimat oder Herkunft zu ernennen und zu verwenden. Dabei steht gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 SG die Zuständigkeit zur Ernennung der Berufssoldaten in der Macht des Bundespräsidenten. Dieser hat die Ausübung seiner Befugnisse durch Anordnung vom 10. Juli 1969 (BGBl. I Seite 775 = VMBl. Seite 315) auf den Bundesminister der Verteidigung übertragen, der sie seinerseits weiter übertragen hat (Anordnung vom 23. August 1978, BGBl. I Seite 1538 = VMBl. Seite 274, zuletzt geändert durch Anordnung vom 14. September 1987, VMBl. Seite 253). Grundvoraussetzung einer Berufung in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten ist u.a. nach § 37 Abs. 1 Nr. 3 SG die körperliche Eignung des Betreffenden. Denn nach dieser Vorschrift darf in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten nur berufen werden, wer die körperliche Eignung besitzt, die zur Erfüllung seiner Aufgaben als Soldat erforderlich ist. Dabei unterliegt die Beurteilung der Frage, ob die erforderliche körperliche Eignung für eine Tätigkeit als Berufssoldat besteht, dem Beurteilungsspielraum der Beklagten. Denn nur allein sie kann die allgemeinen und besonderen Maßstäbe bestimmen, nach denen die körperliche Eignung der Tätigkeit von Berufssoldaten zu bestimmen ist. Dabei ist insbesondere zu bedenken, dass bei den Berufssoldaten – anders als bei Wehrpflichtigen oder Zeitsoldaten – eine langjährige Diensterfüllung im Mittelpunkt steht und dass insbesondere Berufssoldaten von Einsätzen in Spannungs- und Kriegsgebieten sowie von Einsätzen im Falle eines Krieges um Deutschland betroffen sein könnten. Es liegt daher auf der Hand, dass die körperlichen Anforderungen an Berufssoldaten strenger und höher zu bestimmen sind, als diejenigen, die die Wehrpflichtigen oder Soldaten auf Zeit betreffen. Insgesamt steht die Ernennung eines Bürgers zum Berufssoldaten nach § 1 Abs. 2 SG im Ermessen der Beklagten, so dass auch bei der Frage, welche Maßstäbe im einzelnen bei Bestimmung der körperlichen Eignung anzusetzen sind, sich die Beklagte im Wege der Selbstbindung ihres Ermessens Richtlinien geben kann. Um eine derartige Richtlinie handelt es sich hier beim Erlass vom 18. Juni 1985 (VMBl. 1986, Seite 404), der sich mit der Berücksichtigung von militärärztlich festgestellten Verwendungseinschränkungen der Soldaten bei Entscheidung der personalbearbeitenden Stellen beschäftigt.

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Nach diesem Erlass kann ein Soldat, dessen militärärztliches Begutachtungsergebnis „ärztlicherseits Bedenken“/“verwendungsfähig mit Bedenken“ (Graduation 4) lautet, grundsätzlich nicht in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten übernommen werden. Soll in Einzelfällen bei Vorliegen eines unabweisbaren dienstlichen Bedarfs eine Ausnahme vom militärärztlichen Begutachtungsergebnis zugelassen werden, so sind begründete Anträge von der personalbearbeitenden Stelle dem Inspekteur des Sanitätswesens beim Bundesverteidigungsministerium vorzulegen. Im Interesse der Sicherung der gebotenen personellen Einsatzbereitschaft ist aber grundsätzlich der besseren Eignung der Vorrang einzuräumen.

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Nach Ansicht des Gerichts begegnen diese ermessensbindenden Richtlinien keinen rechtlichen Bedenken. Sie stellen eine geeignete Form dar, mit der den verschiedenen gesundheitlichen Erscheinungsbildern und deren Bewertung Rechnung getragen werden kann.

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Entgegen der Ansicht des Klägers ist im vorliegenden Falle nichts dagegen zu erinnern, dass gegen seine Verwendung als Berufssoldat im militärärztlichen Begutachtungsergebnis die Einschätzung „ärztlicherseits Bedenken“ verwandt wurde. Diese Einschätzung wird durch sämtliche militärärztlichen Stellungnahmen und Untersuchungsberichte gestützt. So wurde im Bericht des Bundeswehrzentralkrankenhauses ... vom 12. September 2000 die Diagnose einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung – am ehesten Morbus Crohn – gestellt und in der Zusammenfassung die Fehlerziffer VI vergeben. Auch in der truppenärztlichen Stellungnahme der Luftwaffensanitätsstaffel in ... vom 27. September 2000 wird die Diagnose eines Morbus Crohn bestätigt und zugleich ausgeführt, dass der Kläger bereits seit längerem wieder beschwerdefrei ist. Wegen der Art der Erkrankung wird eine Kontrolluntersuchung empfohlen und die Fehlerziffer V vergeben. Auf der Grundlage dieser Stellungnahmen hat es daher die Sanitätsinspektion beim Bundesministerium der Verteidigung mit Schreiben vom 17. November 2000 abgelehnt, eine militärfachärztliche Ausnahmegenehmigung zu erteilen, da die Prognose des bestehenden Krankheitsbildes zur Zeit nicht beurteilbar sei. In der Stellungnahme des Bundeswehrkrankenhauses ...vom 9. Januar 2002 wird die bislang aufgestellte Diagnose bestätigt und es heißt am Ende innerhalb der Beurteilung: „Im allgemeinen ist zu sagen, dass der Verlauf dieser Erkrankung unberechenbar ist und eine Rezidiv der Erkrankung von uns nicht ausgeschlossen werden kann. Da der Patient aber seit 1 ½ Jahren ohne Medikation beschwerdefrei ist und das Therapieinterwall damals auch nur über zwei Monate ging, ist insgesamt von einem eher gutartigen Verlauf der Erkrankung auszugehen. Daher befürworten wir eine Ausnahmegenehmigung wegen Übernahmewunsch zum Berufssoldaten.“ Vor diesem Hintergrund hat der Stabsarzt der Luftwaffensanitätsstaffel in ...unter dem 15. Januar 2002 das Ergebnis der militärfachärztlichen Begutachtung wie folgt zusammengefasst: „Nicht gesundheitlich geeignet – Antrag auf Ausnahmegenehmigung wird befürwortet“. Auf der Grundlage einer späteren Untersuchung gab die Luftwaffensanitätsstaffel in ... unter dem 31. März 2003 folgende truppenärztliche Stellungnahme ab: „Aufgrund der Fehlerziffer VI/49 bei histologisch gesichertem Morbus Crohn kann die Tauglichkeit für den militärfachlichen Offiziersdienst nicht gewährt werden. Eine vorangegangene Begutachtung auf Übernahme als Berufssoldat ist aus eben diesem Grund ebenfalls als nicht tauglich eingestuft worden“. Zutreffend hat sich daher die Beklagte bei ihrer Entscheidung, die gesundheitliche Eignung des Klägers zur Übernahme als Berufssoldat zu verneinen, von einer eindeutigen und abgeklärten gesundheitlichen Situation des Klägers auf der Grundlage verschiedenster militärfachlicher Erkenntnisse leiten lassen. Letztlich wird vom Kläger die von den verschiedenen Ärzten erstellte Diagnose auch nicht in Abrede gestellt.

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Entgegen der Ansicht des Klägers kommt es auch nicht darauf an, mit welcher Wahrscheinlichkeit objektiv die Gefahr eingeschätzt werden müsse, er werde voraussichtlich im Laufe der nächsten etwa 20 Jahre an der bei ihm diagnostizierten Krankheit erkranken. Denn es obliegt gerade dem Beurteilungsspielraum der Beklagten, anhand eines bestimmten Krankheitsbildes die Befürchtung hegen zu dürfen, die Gefahr einer zukünftigen gesundheitlichen Beeinträchtigung sei gegeben. Zu Recht hat die Bundeswehr ein erhebliches Interesse daran, nur solche Personen als Berufssoldaten zu ernennen, deren gesundheitliche Eignung völlig außer Zweifel steht. Davon kann aber im vorliegenden Falle nicht ausgegangen werden. Bekanntlich handelt es sich bei der Erkrankung von Morbus Crohn durchaus um ein Krankheitsbild, bei dem – gewiss mit individuell wechselnder Wahrscheinlichkeit – möglicherweise wieder eine Erkrankung eingetreten kann. Bei dieser Sachlage kann der Kläger auch nicht beanspruchen, ihm müsse eine Ausnahmegenehmigung erteilt werden. Denn die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung setzt voraus, dass die Beklagte gerade selbst ein besonderes Interesse an der Gewinnung des Klägers als Berufssoldaten hat. Das hat sie aber gerade in seinem Falle verneint, so dass sich ein Anspruch eines Soldaten auf Erteilung einer derartigen Ausnahmegenehmigung in einer solchen Situation nicht ergeben kann.

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Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens beantragt hat, war dieser Beweisantrag wegen rechtlicher Unerheblichkeit abzulehnen. Die vorhandenen militärfachärztlichen Stellungnahmen reichten ohne weiteres aus, um davon auszugehen, dass eine jedenfalls abstrakte Wahrscheinlichkeit bei dieser Erkrankung gegeben ist, dass möglicherweise der lange beschwerdefreie Verlauf der Erkrankung des Klägers durch auftretende Beschwerden oder Beeinträchtigungen unterbrochen wird. Dann ist es aber allein Sache der Beklagten, darüber zu entscheiden, ob sie das Risiko einer Übernahme des Klägers in den Dienst als Berufssoldaten eingeht oder nicht.