Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 24.03.2003, Az.: 10 A 265/03
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 24.03.2003
- Aktenzeichen
- 10 A 265/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 40502
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGHANNO:2003:0324.10A265.03.0A
In der Verwaltungsrechtssache
...
Streitgegenstand: Rechtmäßigkeit der Datenerhebung durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel
hat das Verwaltungsgericht Hannover - 10. Kammer - auf die mündliche Verhandlung vom 24. März 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Reccius, die Richterin am Verwaltungsgericht Lüerßen, den Richter am Verwaltungsgericht Kleine-Tebbe, sowie die ehrenamtliche Richterin ... und den ehrenamtlichen Richter ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass eine Anordnung des beklagten Landeskriminalamtes betreffend die Datenerhebung durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel rechtswidrig war.
Der Kläger ist Strafverteidiger des Beschuldigten ..., dem in einem Ermittlungsverfahren gemeinschaftlich begangene Erpressungen, schwere räuberische Erpressungen sowie erpresserischer Menschenraub pp. vorgeworfen werden. Die Ermittlungen führt das Dezernat 32 des Landeskriminalamtes Niedersachsen (LKA).
Eine der Taten ist eine gemeinschaftlich begangene schwere räuberische Erpressung sowie ein räuberischer Menschenraub zum Nachteil des Zeugen .... Der Zeuge ... hat erstmals am 25.10.2002 Aussagen zu diesem Sachverhalt gemacht und als Beschuldigte drei Personen namentlich sowie eine vierte ihm angeblich unbekannte Person genannt. Die Taten gegen ihn sollen vom 11.01. bis 12.01.2002 in Hamburg, Oyten und Stadthagen geschehen sein. Bei einer weiteren Vernehmung am 25.11.2002 erklärte der Zeuge, der vierte Mann sei ... gewesen. Auf die Frage, warum er das nicht gleich gesagt habe, erklärte er, große Angst vor ... und seinen Freunden zu haben und Racheakte zu befürchten.
Am 27.11.2002 fand beim Amtsgericht Oldenburg eine Haftprüfung in dem Strafverfahren gegen ... statt, der sich zu diesem Zeitpunkt auf Grund eines Haftbefehls vom 05.11.2002 wegen einer räuberischen Erpressung zum Nachteil des ... in Untersuchungshaft befand. Auf Grund der Aussage des Zeugen ... vom 25.11.2002 wurde der Haftbefehl um die dargestellten Delikte zum Nachteil des Zeugen erweitert.
Am 28.11.2002 schickte der Kläger dem Zeugen ... eine SMS mit dem Inhalt "Ruf mich bitte bald mal an. Gruß Andi." In dem daraufhin geführten Telefongespräch zwischen dem Zeugen ... und dem Kläger bat dieser den Zeugen um ein Gespräch, weigerte sich aber nach Angaben des Zeugen ... auch auf Nachfrage, ihm den Grund der Kontaktaufnahme am Telefon mitzuteilen. Der Zeuge ... wandte sich daraufhin an das LKA, wo er u.a. am 04.12.2002 zu den Umständen des Telefonats mit dem Kläger befragt wurde. Hierbei gab er an, dass noch nicht darüber gesprochen worden sei, wie und wo das Treffen stattfinden solle. Er habe die feste Überzeugung, dass er im Zusammenhang mit dem Gespräch massiv beeinflusst werden solle, um seine Aussage gegen den Beschuldigten ... nicht zu wiederholen bzw. zu ändern.
In einer daraufhin angestellten Gefährdungsanalyse gelangte das LKA zu der Einschätzung, dass eine gewaltsame Einwirkung auf den Zeugen während des Gesprächs mit dem Kläger sehr wahrscheinlich sei. Hierbei spielte nach Angaben des LKA eine Rolle, dass der Beschuldigte ... ein sog. Fullmember im Hells-Angels Charter Hannover ist und die anderen Beschuldigten der Straftat zum Nachteil des Zeugen ... sog "Prospects" (Anwärter) des Hells-Angels-Charter Westside sind. Zugleich glaubte man nicht außer Acht lassen zu dürfen, dass auch der Kläger eine gewisse Nähe zur Hells-Angels Szene besitze. Gleichwohl verabredete man mit dem Zeugen, dass dieser das Gespräch wahrnehmen solle.
Zum Schutz des Zeugen strebte das LKA an, dass das Treffen möglichst in der Öffentlichkeit stattfindet. Dabei sollte der Zeuge verdeckt beobachtet werden, um ihm bei einer Gefährdung zu Hilfe kommen zu können. Für den Fall, dass das Treffen in einer durch Art. 13 GG geschützten Räumlichkeit stattfinden würde, sollten die Schutzmaßnahmen durch den Einsatz eines Personensicherungssenders gewährleistet werden. Im Hinblick hierauf ordnete der Dezernatsleiter ... am 09.12.2002 auf der Grundlage von § 35 Abs. 5 NGefAG den verdeckten Einsatz technischer Mittel zum Schutz von Leib, Leben und Freiheit des Zeugen ... an.
Da jede gewaltsame Einwirkung auf den Zeugen zugleich eine strafbare Handlung gewesen wäre, prüfte die Beklagte, unter welchen Voraussetzungen die zum Zwecke der Gefahrenabwehr gefertigten Tonaufzeichnungen auch für die Verfolgung einer strafbaren Handlung zum Nachteil des Zeugen ... genutzt werden könnten. Da hierfür gem. § 161 Abs. 2 StPO eine richterliche Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Anordnung nach § 35 Abs. 5 NGefAG erforderlich ist, wurde am 09.12.2002 ein entsprechender Antrag beim Amtsgericht Hannover gestellt, dem das Amtsgericht mit Beschluss vom gleichen Tag entsprach.
Am 10.12.2002 telefonierten der Kläger und der Zeuge ... miteinander und verabredeten ein Treffen für den Nachmittag desselben Tages in der Rechtsanwaltskanzlei des Klägers. Das Treffen fand auch tatsächlich statt; zu einer gewaltsamen oder sonstigen Einwirkung auf den Zeugen kam es nicht. Während des Treffens befand sich vor der Kanzlei des Klägers ein Mobiles Einsatzkommando, das u.a. mit einem Vorschlaghammer ausgerüstet war, um im Notfall verschlossene Türen gewaltsam öffnen zu können. Über einen beim Zeugen ... angebrachten Sender wurde das Gespräch zwischen diesem und dem Kläger von Mitarbeitern des LKA mitgehört; zugleich wurde die Sprachübertragung aufgezeichnet.
Am 11.12.2002 wurde der Kläger von dem zuständigen Staatsanwalt über die vom LKA getroffenen Maßnahmen in Kenntnis gesetzt. Am 20.12.2002 sind dem Kläger die Anordnung vom 09.12.2002, der Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom gleichen Tag und das Wortprotokoll über das Treffen vom 10.12.2002 übersandt worden.
Auf die Beschwerde des Klägers hob das Landgericht Hannover mit Beschluss vom 24.02.2003 den Beschluss des Amtsgerichts vom 09.12.2002 auf und stellte fest, dass die Anordnung des Landeskriminalamts Niedersachsen zur Datenerhebung durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel gem. § 35 Abs. 5 NGefAG vom 09.12.2002 rechtswidrig war.
Auf Antrag der Beklagten hatte das Amtsgericht Oldenburg mit Beschluss vom 03.12.2002 auf der Grundlage von § 100c StPO das Abhören und Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes mit technischen Mitteln sowie die Verwendung technischer Mittel angeordnet. Die Maßnahme war auf Orte, Räumlichkeiten oder andere Objekte beschränkt, die nicht dem Schutzbereich des Art. 13 GG unterliegen und erging im Hinblick auf den Verdacht, dass der Kläger als Verteidiger des Beschuldigten ... im persönlichen Gespräch mit dem Zeugen ... verfahrensrelevante Einzelheiten der zugrundeliegenden Straftatbestände offenbaren oder Mitteilungen seines Mandanten an den Geschädigten weiterleiten werde. Nach Angaben der Beklagten ist die Durchführung von Maßnahmen zur Beweissicherung durch technische Maßnahmen nach § 100c StPO im Umfeld des Treffens des Klägers mit dem Zeugen ... nicht zum Tragen gekommen.
Zur Begründung seiner am 15.01.2003 beim Verwaltungsgericht erhobenen Klage macht der Kläger geltend, die Anordnung des verdeckten Einsatzes technischer Mittel sei rechtswidrig gewesen. An der Durchführung des Klageverfahrens habe er sowohl im Hinblick auf die Wiederholungsgefahr wie auch unter dem Gesichtspunkt seiner Rehabilitation ein berechtigtes Interesse.
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass die Anordnung der Beklagten vom 09.12.2002 rechtswidrig war und er hierdurch in seinen Rechten verletzt wurde.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die Klage sei zulässig, aber unbegründet, da die vom Kläger beanstandete Maßnahme rechtmäßig gewesen sei.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge (3 Bände) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unzulässig.
Bei der von der Beklagten auf der Grundlage von § 35 Abs. 5 NGefAG getroffenen Anordnung zum verdeckten Einsatz technischer Mittel handelt es sich um einen Verwaltungsakt im Sinne von § 1 Abs. 1 Nds.VwVfG, § 35 VwVfG, so dass, da die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme im Streit ist, eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO vorliegt. Ob hieraus die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte folgt, ist allerdings fraglich. Denn nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs trotz Vorliegens einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art dann nicht gegeben, wenn die Streitigkeit durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen ist. Dies könnte hier der Fall sein, weil gemäß § 161 Abs. 2 StPO aus einer Wohnung im Zuge nicht offener Ermittlungen auf polizeirechtlicher Grundlage erlangte personenbezogene Informationen in einem Strafverfahren nur dann zu Beweiszwecken verwendet werden dürfen, wenn das Amtsgericht die Rechtmäßigkeit der Maßnahme festgestellt hat und die Beklagte vor Ausführung ihrer streitbefangenen Anordnung nach § 35 Abs. 5 NGefAG beim Amtsgericht Hannover eine solche Feststellung beantragt hatte. Es spricht viel dafür, dass bei einer derartigen Konstellation die ansonsten gegebene Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte zugunsten der ordentlichen Gerichtsbarkeit entfällt. Das bedarf jedoch keiner abschließenden Klärung, da die Klage jedenfalls aus einem anderen Grunde unzulässig ist.
Die Anordnung der Beklagten zum verdeckten Einsatz technischer Mittel vom 09.12.2002 hatte sich durch die Durchführung der Maßnahme am 10.12.2002 erledigt, so dass der Kläger ihre Rechtmäßigkeit nur dann zum Gegenstand verwaltungsgerichtlicher Klärung machen kann, wenn er hieran ein berechtigtes Interesse hat. Dies gilt unabhängig davon, ob man, wenn sich der Verwaltungsakt vor Klageerhebung erledigt hat, eine Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO oder eine Fortsetzungsfeststellungsklage in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO für statthaft hält (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 14.07.1999 - BVerwG 6 C 7.98 -, DVBl. 1999, 1660). Denn in beiden Fällen kann der Kläger eine gerichtliche Klärung der Rechtmäßigkeit des erledigten Verwaltungsaktes nur dann verlangen, wenn er hieran ein berechtigtes Interesse hat. Das ist indes nicht der Fall.
Nach seinem Vorbringen - nur hierauf kann zur Ermittlung des Feststellungsinteresses abgestellt werden - will der Kläger mit seiner Klage zum einen einer Wiederholung vorbeugen, zum anderen möchte er durch die erstrebte Entscheidung rehabilitiert werden. Beide Ziele hat er jedoch bereits durch die Entscheidung des Landgerichts Hannover vom 24.02.2003 erreicht. Denn mit diesem auf die Beschwerde des Klägers ergangenen rechtskräftigen Beschluss hat das Landgericht Hannover den Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 09.12.2002 aufgehoben und zugleich festgestellt, dass die Anordnung des Landeskriminalamtes Niedersachsen zur Datenerhebung durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel gemäß § 35 Abs. 5 NGefAG vom 09.12.2002 rechtswidrig war. Ein schützenswertes Interesse, dass dieselbe Feststellung auch durch das Verwaltungsgericht getroffen wird, ist nicht erkennbar. Weder der Kläger noch die Beklagte, die von der Zulässigkeit der Klage ausgeht, legen dar, warum die bereits vorliegende rechtkräftige Entscheidung des Landgerichts nicht geeignet sein könnte, einer Wiederholung des vom Kläger beanstandeten Verhaltens der Beklagten entgegenzuwirken und der Rehabilitation des Klägers zu dienen.
Als Unterlegener hat der Kläger gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG auf 4 000,00 € festgesetzt.