Landgericht Oldenburg
Beschl. v. 21.08.2008, Az.: 1 Qs 314/08

Bibliographie

Gericht
LG Oldenburg
Datum
21.08.2008
Aktenzeichen
1 Qs 314/08
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2008, 44204
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOLDBG:2008:0821.1QS314.08.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Delmenhorst - 18.07.2008 - AZ: 81 Cs 561/08

Fundstellen

  • StV 2010, 479
  • StraFo 2008, 471-472 (Volltext mit red. LS)

Tenor:

  1. Auf die Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluss des Amtsgerichts D.... vom 18.07.2008, mit welchem das Amtsgericht den Antrag des Verteidigers des Angeklagten auf Verlegung des Termins der Hauptverhandlung vom 15.09.2008 abgelehnt hat, aufgehoben.

  2. Der Termin der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Delmenhorst vom 15.09.2008, 11.10 Uhr wird aufgehoben.

  3. Die im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen der Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

1

Der Angeklagte hat gegen den Strafbefehl des Amtsgerichts D.... vom 25.04.2008 am 8.05.2008 Einspruch eingelegt. Mit Verfügung vom 14.05.2008 hat das Amtsgericht daraufhin Termin zur Hauptverhandlung auf den 15.09.2008 anberaumt; die Terminsladung wurde dem Verteidiger des Angeklagten am 18.06.2008 zugestellt. Mit dem am 25.06.2008 bei dem Amtsgericht eingegangen Schreiben hat der Verteidiger die Verlegung des Termins beantragt, weil er sich in den ersten drei Wochen im September in seinem seit langem geplanten Jahresurlaub befinde.

2

Durch Beschluss vom 1.07.2008 hat das Amtsgericht sodann den Terminsverlegungsantrag abgelehnt. Zur Begründung hat es im wesentlichen darauf verwiesen, eine Aufhebung des Termins komme aus den Gründen der Verfahrensbeschleunigung und der Terminsplanung des Gerichts nicht in Betracht, die Prozessbeteiligten hätten grundsätzlich keinen Anspruch auf einen ihnen genehmen Zeitpunkt und eine Terminsabsprache mit dem Verteidiger sei wegen der Auslastung generell nur bei umfangreichen Strafsachen möglich, zumal es sich nicht um einen Fall der notwendigen Verteidigung durch einen Rechtsanwalt handele. Außerdem würde die Terminsaufhebung bei der Terminslage des Amtsgerichts zu einer Verfahrensverzögerung von ca. 3 Monaten führen. Überdies sei die Verhinderung nicht glaubhaft gemacht und eine Vertretung könne unschwer auch durch einen Kanzleipartner erfolgen. Durch Beschluss vom 18.07.2008 hat das Amtsgericht Delmenhorst den Termin vom 15.09.2008 aus den Gründen des Beschlusses vom 1.07.2008 aufrechterhalten.

3

Gegen diese Entscheidung hat der Verteidiger des Angeklagten Beschwerde eingelegt. Wegen der vorgetragenen Begründung wird auf seinen Schriftsatz vom 29.07.2008 Bezug genommen.

4

Die Staatsanwaltschaft hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.

5

Die Beschwerde ist zulässig gemäß § 304 Abs. 1 StPO.

6

Zwar ist die Ablehnung des Antrags auf Terminsverlegung im Hinblick auf § 305 Abs. 1 StPO grundsätzlich der Anfechtung enthoben (Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., Rdnr. 8 zu § 213 m.w.N.). Ausnahmsweise ist die Beschwerde jedoch dann statthaft, wenn eine in rechtsfehlerhafter Ermessenausübung getroffene Entscheidung für die Verfahrensbeteiligten eine besondere selbstständige Beschwer bewirkt, weil sie zum Beispiel unschwer vermeidbar das Recht des Angeklagten beeinträchtigt, sich des Beistandes eines Verteidigers seines Vertrauens zu bedienen und die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verfügung evident ist (ders., ebenda; OLG Dresden NJW 2004, S. 3196 m.w.N).

7

Die Beschwerde ist auch begründet.

8

Das Amtsgericht hat das ihm durch § 213 StPO bei der Terminierung eingeräumte Ermessen evident fehlerhaft ausgeübt.

9

Zwar weist das Amtsgericht zu Recht darauf hin, dass der Verteidiger kein Recht auf eine vorherige Terminsabsprache hat. Wird aber das Recht des Angeklagten auf freie Wahl des Verteidigers dadurch eingeschränkt, dass dieser die Termine wegen anderer Verteidigungen oder aus anderweitigen Gründen nicht wahrnehmen kann, ohne dass er Einfluss auf die Terminsanberaumung hätte nehmen können, dann kann die Terminsverfügung prozessordnungswidrig sein (OLG Dresden a a.O., m.w.N).

10

Im vorliegenden Fall ... der Angeklagten am Terminstag verhindert, weil er in seinem seit langer Zeit geplanten Jahresurlaub weilt. Fände die Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Delmenhorst gleichwohl wie terminiert statt, könnte der Angeklagte nicht durch den Verteidiger seines Vertrauens vertreten werden. Das wiegt um so schwerer, als dass das Amtsgericht in seiner Terminsladung gemäß § 265 StPO den rechtlichen Hinweis erteilt hat, es käme auch die Verhängung eines Fahrverbotes in Betracht. Dies hat zwar nicht zur Folge, dass eine notwendige Mitwirkung eines Verteidigers geboten ist, doch unterstreicht dies das Erfordernis, dass der Angeklagte instand gesetzt sein muss, sich von einem Verteidiger seines Vertrauens vertreten zu lassen. Die Fürsorgepflicht, welche unter anderem in den §§ 137, 265 StPO ihren Ausdruck gefunden hat, gebietet es ohne Weiteres, eine Hauptverhandlung in Gegenwart des gewählten Verteidigers zu ermöglichen, wenn es nach der Bedeutung der Sache und ihrer tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten dem Angeklagten nicht zuzumuten ist, sich allein zu verteidigen. Nichts anderes folgt aus dem Gebot des fairen Verfahrens, wonach der Angeklagte das Recht hat, den Beistand seiner Wahl zu erhalten (Art. 6 Abs. 3c MRK).

11

Demgegenüber ist evident, dass die mit der Aufhebung des Termins vom 15.09.2008, 11.10 Uhr eintretende Verfahrensverzögerung hingenommen werden muss, weil sie nämlich nicht so gravierend ist, dass hier die Interessen des Angeklagten zurückzustehen hätten. Zum einen kann nach den Gründen des angefochtenen Beschlusses immerhin etwa drei Monate später terminiert werden. Zum anderen ist die Sache auch nicht besonders eilbedürftig, weil insbesondere vorläufige, den Angeklagten belastende Maßnahmen wie Untersuchungshaft, vorläufige Unterbringung oder der vorläufige Entzug der Fahrerlaubnis nicht angeordnet sind. Auch sonstige für die Notwendigkeit einer besonderen Beschleunigung des Verfahrens sprechende Umstände, wie sie etwa in dem drohenden Verlust von Beweismitteln liegen könnten, sind hier unter keinen Umständen ersichtlich. Dies gilt umso mehr, als das Amtsgericht offenbar davon ausgeht, für die Hauptverhandlung keine übermäßige Zeit zu benötigen. Selbst der Hinweis des Amtsgerichts auf seine angespannte Terminslage ist kein tragender Gesichtspunkt, wenn es sich wie hier um ein Verfahren von nicht ungewöhnlicher Bedeutung handelt und der vorgesehene Hauptverhandlungstermin unproblematisch noch mit einer anderen, womöglich eilbedürftigeren Sache belegt werden kann.

12

Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1 StPO analog.