Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 27.08.2019, Az.: L 11 AS 414/17

100%-Sanktion; Darlehen für Mietrückstände;; Haushaltsgemeinschaft; Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH); Abweichen vom Kopfteilprinzip;

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
27.08.2019
Aktenzeichen
L 11 AS 414/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 69528
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG - 08.03.2017 - AZ: S 31 AS 5202/14

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. In Haushaltsgemeinschaften besteht - anders als in Bedarfsgemeinschaften - kein Anlass, bei sanktionsbedingtem Wegfall des KdUH-Anteils eines Mitglieds abweichend vom Kopfteilprinzip den verbleibenden hilfebedürftigen Mitgliedern einen höheren KdUH-Anteil zuzusprechen.

2. Wird gegen ein Mitglied einer Haushaltsgemeinschaft eine 100%-Sanktion festgestellt, kann dem Verlust der Wohnung durch die Gewährung eines Darlehens an dieses Mitglied nach § 28 Abs 8 SGB II beggnet werden.

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 8. März 2017 (S 31 AS 5202/14) aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Beklagte wendet sich gegen die Verurteilung zur Zahlung höherer Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) an die Klägerin für die Monate September bis November 2014, in denen für den mit ihr in Haushaltsgemeinschaft lebenden Sohn eine Sanktion (100%) verfügt wurde.

Die 1956 geborene Klägerin lebt mit ihrem 1981 geborenen Sohn in einer 69,56 qm großen Drei-Zimmer-Wohnung in H.. Sie steht - mit einer kurzen Unterbrechung - seit 2005 im Leistungsbezug bei dem Beklagten. Der Sohn erhält – als eigene Bedarfsgemeinschaft – ebenfalls von dem Beklagten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Mit Bescheid vom 27. Juni 2014 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 1. August 2014 bewilligte der Beklagte der Klägerin neben den Leistungen für den Regelbedarf die Hälfte der von ihr tatsächlich zu zahlenden KdUH iHv 271,50 Euro für die Zeit vom 1. September 2014 bis 31. Januar 2015.

Am 17. September 2014 beantragte die Klägerin die Überprüfung des Bescheides vom 1. August 2014 (§ 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – SGB X). Sie gab an, der Bescheid sei falsch geworden, weil dem zur Haushaltsgemeinschaft gehörenden Sohn die SGB II-Leistungen sanktionsbedingt gekürzt worden seien und er ab September 2014 für 3 Monate keine KdUH mehr erhalte. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bestehe ein höherer Anspruch für sie. Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 22. September 2014 den Antrag ab. Der Bescheid sei zutreffend. Die angeführte Rechtsprechung des BSG beziehe sich auf die Sanktionierung eines in einer Bedarfsgemeinschaft mit den Eltern lebenden unter 25 Jahre alten Leistungsempfängers. Das treffe hier nicht zu.

Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch wiederholte die Klägerin, unter Berücksichtigung der BSG-Rechtsprechung sei eine Abweichung vom Kopfteilprinzip auch im Falle der hier bestehenden Haushaltsgemeinschaft erforderlich. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 12. November 2014 zurück. Die Klägerin bilde mit ihrem Sohn eine Haushaltsgemeinschaft. In Haushaltsgemeinschaften seien die KdUH kopfanteilig zu berücksichtigen. Das geschehe hier. Die Rechtsprechung des BSG erlaube vorliegend keine andere Würdigung. Denn in dem vom BSG entschiedenen Fall habe eine Bedarfsgemeinschaft bestanden.

Mit der am 21. November 2014 vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhobenen Klage hat die Klägerin unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens ihr Begehren weiter verfolgt. Der Beklagte hat seine Auffassung wiederholt, die BSG-Rechtsprechung beziehe sich ausschließlich auf die Konstellation einer Bedarfsgemeinschaft. Soweit sich in der BSG-Entscheidung vom 22. August 2013 – B 14 AS 85/12 R – der Satz finde „Gleiches gilt im Grundsatz auch bei Haushaltsgemeinschaften unter Verwandten“ habe sich dies nur auf die grundsätzlich vorzunehmende kopfanteilige Berücksichtigung bezogen und stelle eine Abgrenzung zu Wohngemeinschaften, in denen regelmäßig eine vertragliche Vereinbarung zu dem Mietanteil nach Nutzungsintensität vorliege, dar.

Das SG hat den Beklagten mit Urteil vom 8. März 2017 unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, den Bescheid vom 1. August 2014 für die Zeit vom 1. September bis 30. November 2014 abzuändern und der Klägerin weitere KdUH iHv insgesamt 814,50 Euro zu bewilligen. In den Verhältnissen, die bei Erlass des Änderungsbescheides vorgelegen hätten, sei eine wesentliche Änderung eingetreten. Die Klägerin habe für die Zeit der Sanktionierung ihres Sohnes und der fehlenden Gewährung von KdUH an ihn Anspruch darauf, dass vom Kopfteilprinzip aus bedarfsbezogenen Gründen abgewichen werde. Nach der Rechtsprechung des BSG werde in den Fällen, in denen bei einem Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft aufgrund einer Sanktion die Leistungen für KdUH weggefallen seien, eine Abweichung vom Kopfteilprinzip hinsichtlich der weiteren Bedarfsgemeinschaftsmitglieder aus bedarfsbezogenen Gründen bejaht, wenn der Dritte auch kein Einkommen oder Vermögen habe, aus dem er seinen Anteil bestreiten könne. Dies gelte ebenso im Falle der zwischen der Klägerin und ihrem Sohn bestehenden Haushaltsgemeinschaft. Die Situation in der Haushaltsgemeinschaft zwischen Mutter und Sohn unterscheide sich nicht wesentlich von derjenigen in der Bedarfsgemeinschaft. Da der Sohn der Klägerin weder über Einkommen noch Vermögen verfüge, aus dem er den fehlenden Mietanteil in den drei Monaten begleichen könnte, sei die Abweichung vom Kopfteilprinzip erforderlich. Auch die Klägerin habe keine Mittel zur Begleichung gehabt. Sie habe mit dem Vermieter eine Vereinbarung getroffen, nach der sie monatlich 15,00 Euro zurückzahlt, bis die Schulden getilgt seien.

Gegen dieses ihm am 11. Mai 2017 zugestellte Urteil wendet sich der Beklagte mit der am 31. Mai 2017 eingegangenen Berufung. Er wiederholt und vertieft sein bisheriges Vorbringen. Die Entscheidung des BSG vom 23. Mai 2013 – B 4 AS 67/12 R – beziehe sich ausschließlich auf die Konstellation des Vorliegens einer Bedarfsgemeinschaft. Die vorliegende Konstellation sei eine andere. Denn die Klägerin und ihr Sohn bildeten wegen dessen fortgeschrittenen Alters keine Bedarfsgemeinschaft, so dass Einkommen und Vermögen der Mutter nicht für den Sohn einzusetzen seien. Auch bestehe hier die Möglichkeit, getrennte Wohnungen zu beziehen, die im Falle der Bedarfsgemeinschaft nach Maßgabe des § 22 Abs 5 SGB II nur eingeschränkt möglich sei. Wenn allein die individuellen und eigenverantwortlichen Entscheidungen der Klägerin und ihres Sohnes zum Fortbestand der Haushaltsgemeinschaft führten, sei damit auch die wechselseitige Hinnahme des Risikos umfasst, dass einer von beiden nicht zur Erfüllung seiner anteiligen finanziellen Verpflichtungen in der Lage sei. Ein maßgeblicher Unterschied zu einer reinen Wohngemeinschaft ergebe sich allein aus der gemeinsamen Haushaltsführung im Rahmen der Haushaltsgemeinschaft nicht. Eine Verpflichtung des Beklagten, im Falle der Verwirklichung des beschriebenen Risikos einen Ausgleich zu schaffen, könne den Vorschriften des SGB II nicht entnommen werden.

Der Beklagte beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,

das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 8. März 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,

Die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung des SG für zutreffend.

Die Beteiligten haben am 1. bzw 4. Februar 2019 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Außer den Gerichtsakten haben die die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten des Beklagten vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist form- und fristgerecht erhoben und daher zulässig.

Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).

Die Berufung des Beklagten ist auch begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung weiterer KdUH durch den Beklagten an sich. Denn der Beklagte hat zutreffend die Rücknahme des bestandskräftigen Bescheides vom 1. August 2014 nach § 44 SGB X abgelehnt.

Die Klägerin ist leistungsberechtigt im Sinne von §§ 7 iVm 19 ff SGB II. Danach erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen KdUH. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin vorliegend im streitbefangenen Zeitraum nicht leistungsberechtigt im vorgenannten Sinne war, weil sie etwa im Streitzeitraum über den Bedarf übersteigendes Einkommen verfügte, liegen dem Senat nicht vor.

Nach der Rechtsprechung des BSG ist eine Begrenzung des Streitgegenstandes auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung zulässig, da es sich um abtrennbare Verfügungen handelt (grundlegend: BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/06 R - Rn 18ff,). Die Beschränkung setzt eine unzweifelhafte Erklärung voraus (BSG aaO, Rn 23 und Urteil vom 17. Februar 2016 – B 4 AS 12/15 R – mwN). Diese ist vorliegend bereits mit dem Antrag nach § 44 SGB X vorgenommen worden. Streitgegenstand ist ausschließlich der Bedarf für KdUH in der Zeit vom 1. September bis 30. November 2014.

Nach § 44 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.

Die materielle Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 1. August 2014 beurteilt sich nach § 40 Abs 1 SGB II iVm § 48 Abs 1 S 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB X). Wegen § 40 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB II iVm § 330 Abs 3 S 1 SGB III ist diese Rechtsfolge zwingend. Haben sich Veränderungen in den rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnissen ergeben, die dazu führen, dass der Verwaltungsakt dem Grunde oder der Höhe nach so nicht mehr ergehen dürfte, so liegt eine wesentliche Änderung vor.

Diese tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Aufhebung nach § 48 SGB X die Rücknahme liegen hier nicht vor. Die 100 %-Sanktion des mit der Klägerin in einer Wohnung in Haushaltsgemeinschaft lebenden über 25-jährigen Sohnes ist keine wesentliche Änderung in den Verhältnissen in diesem Sinne.

Die Klägerin und ihr Sohn leben in einer Haushaltsgemeinschaft iS des § 9 Abs 5 SGB II. Denn sie leben nicht nur vorübergehend in einer Wohnung zusammen, führen einen gemeinsamen Haushalt und wirtschaften „aus einem Topf“ (vgl zu diesen Anforderungen an das Bestehen einer Haushaltsgemeinschaft auch in Abgrenzung zu einer bloßen Wohngemeinschaft nur Hengelhaupt in Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB II, K § 9 Rn 430 mwN). Da die Klägerin und ihr Sohn „aus einem Topf“ wirtschaften, kommt es auf die Frage, ob die Voraussetzungen der Vermutungsregelung des § 9 Abs 5 SGB II vorliegen, nicht an. Die trotz des beiderseitigen Leistungsbezugs nach dem SGB II tatsächliche Erbringung von Unterstützungsleistungen durch das gemeinsame Wirtschaften zeigt sich schon darin, dass die Klägerin ausweislich ihres Schreibens vom 23. Mai 2013 erklärte, „Aufgrund einer Komplettsanktion meines Sohnes ist es mir nicht möglich, die Miete von meiner Regelleistung komplett selbst zu tragen“. Im Schreiben vom 28. Januar 2014 (Antrag auf Übernahme von Energieschulden) führte sie an, die Miete und den Abschlag an den Energieversorger I. vollständig zu zahlen. In ihrem Schreiben vom 3. März 2014 erläuterte sie, dass sie in der Zeit der 3-monatigen Sanktion des Sohnes, in der dieser keine Leistungen mehr bezogen habe und somit keinen Anteil zur Miete/Energiekosten dazugeben konnte, was er sonst immer getan habe, „alle anderen Baustellen bezahlen“ musste und somit Energieschulden entstanden seien. Zur Überzeugung des Senats handelt es sich nicht nur um Leistungen iS einer „Nothilfe“ oder Darlehensleistungen an den Sohn. Vielmehr übernimmt die Klägerin diese Beträge endgültig, was sich auch daran zeigt, dass sie – anstatt des Sohnes – die Ratenzahlungen an den Vermieter zur Begleichung der Mietschulden vornimmt.

Der Beklagte übernimmt für die Klägerin und ihren Sohn nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II jeweils die Hälfte der tatsächlich anfallenden KdUH. Nach dieser Vorschrift werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Leben Leistungsberechtigte mit anderen Personen zusammen in einem Haushalt in einer Haushaltsgemeinschaft, so sind die Kosten der Unterkunft grundsätzlich anteilig pro Kopf zu ermitteln (Kopfteilprinzip). Die Zuordnung der Unterkunftskosten zu gleichen Anteilen auf die in der Wohnung lebenden Personen erfolgt aus Gründen der Praktikabilität unabhängig von Alter, konkretem Wohnflächenbedarf oder Nutzungsintensität (BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 – B 14/11b AS 55/06 R –, Rn 18 mwN). Die gemeinsame Nutzung einer Wohnung durch mehrere in einem Haushalt lebende Personen lässt in aller Regel eine an der unterschiedlichen Intensität der Nutzung ausgerichtete Aufteilung der Aufwendungen für diese Wohnung nicht zu, so dass die Aufteilung der Kosten nach Köpfen vorgenommen wird, auch wenn die Personen nicht zu einer Bedarfsgemeinschaft gehören (BSG, Urteil vom 18. Juni 2008 – B 14/11b AS 61/06 R –, Rn 19 mwN).

Besonderheiten, die ein Abweichen vom Prinzip der Aufteilung nach Kopfzahl rechtfertigen könnten (zB Behinderung oder Pflegebedürftigkeit), bestehen hier nicht. Auch die weiteren von der Rechtsprechung berücksichtigten Ausnahmen – Ortsabwesenheit oder Auszug eines Mitbewohners (vgl Piepenstock in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 22, Rn 77 mwN) – liegen hier nicht vor, da der Sohn der Klägerin weiterhin in der Wohnung lebte. Die Klägerin und ihr Sohn haben auch keine abweichenden vertraglichen Vereinbarungen zu der Aufteilung der Mietkosten getroffen.

Der Umstand, dass dem Sohn der Klägerin in dem hier streitgegenständlichen Zeitraum wegen der ihm gegenüber festgestellten 100 % - Sanktion keine Leistungen der KdUH gewährt wurden, rechtfertigt entgegen der Auffassung der Klägerin und des SG keine Ausnahme vom Kopfteilprinzip. Der Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, dass in den auch von der Klägerin zitierten Urteilen des BSG (Urteil vom 23. Mai 2013 - B 4 AS 67/12 R -; Urteil vom 22. August 2013 – B 14 AS 85/12 R), in denen es eine Abweichung vom Kopfteilprinzip vorgenommen hat, andere Fallkonstellationen vorlagen. Es handelte sich nämlich jeweils um Bedarfsgemeinschaften, in denen einem Mitglied sanktionsbedingt keine KdUH gewährt wurden. Soweit sich in der Entscheidung vom 22. August 2013 (Rn 22 aE) der Satz „Gleiches gilt im Grundsatz auch bei Haushaltsgemeinschaften unter Verwandten“ findet, bezieht sich dies eindeutig auf die Erläuterungen zum Kopfteilprinzip, ohne Belang, wer den Mietzins schuldet und wer welchen Teil der Wohnung tatsächlich nutzt.

Zur Überzeugung des Senats liegt auch kein vergleichbarer Fall vor, der die Übertragung der Grundsätze der Rechtsprechung des BSG zu den Bedarfsgemeinschaften auf die Haushaltsgemeinschaften rechtfertigt.

- Anders als bei einer Bedarfsgemeinschaft mit unter 25-Jährigen Kindern, kann – worauf auch der Beklagte hingewiesen hat - im Falle einer bloßen Haushaltsgemeinschaft nach § 9 Abs 5 SGB II bzw Wohngemeinschaft grundsätzlich der Gefahr der Mitbetroffenheit im Falle eines Ausfalls der anteiligen Miete durch einen Auszug begegnet werden.

- Anders als bei einer Bedarfsgemeinschaft mit volljährigen, aber unter 25jährigen Kindern erhalten vorliegend wegen des Bestehens einer Haushaltsgemeinschaft – und somit leistungsrechtlich zwei Bedarfsgemeinschaften - sowohl die Klägerin als auch ihr Sohn jeweils den vollen Satz des Regelbedarfs.

- Anders als bei einer Bedarfsgemeinschaft können nach der Rechtsprechung des BSG die stattdessen in einer Haushaltsgemeinschaft lebenden Hilfeempfänger höhere Kosten der Unterkunft und Heizung erhalten. Denn es ist für die Angemessenheit der KdUH nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II nicht auf die Zahl der Familienmitglieder, die eine Wohnung gemeinsam nutzen, sondern allein auf die Zahl der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft abzustellen. Die Frage der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft kann stets nur im Hinblick auf den Hilfebedürftigen nach dem SGB II und die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen beantwortet werden (BSG, Urteil vom 18. Februar 2010 – B 14 AS 73/08 R –, Rn. 23). Bei der Bestimmung der angemessenen Aufwendungen der Unterkunft nach der Produkttheorie ist allein auf den Hilfebedürftigen als Einzelperson abzustellen. Dies gilt nach der Rechtsprechung des BSG auch für den Fall, dass zwar alle Bewohner einer Familie angehören, dazu gehörende Kinder aber deshalb nach § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehören, weil sie über bedarfsdeckendes Einkommen verfügen (BSG vom 18.2.2010 - B 14 AS 73/08 R -, RdNr 23 und BSG, Urteil vom 25. April 2018 – B 14 AS 14/17 R –, Rn. 18). Diese für die Konstellation des leistungsrechtlichen Ausscheidens eines minderjährigen Kindes aus der Bedarfsgemeinschaft aufgestellten Grundsätze gelten erst recht in der vorliegenden Konstellation des Zusammenlebens der Klägerin mit ihrem über 25jährigen Sohn. Vorliegend führt dies auch dazu, dass die Klägerin und ihr Sohn gemeinsam höhere Leitungen für KdUH erhalten können, als zwei in einer Bedarfsgemeinschaft lebende Personen.

Die von der Klägerin begehrte Übernahme der gesamten KdUH für die Monate der Sanktion des Sohnes würde dazu führen, dass der Beklagte entgegen der Regelung des Sanktionsbescheides mittelbar doch die Unterkunftskosten des Sohnes übernehmen würde. Außerdem würde von dem Grundsatz abgewichen, dass die existenzsichernden Leistungen des SGB II nicht dazu bestimmt sind, den Empfänger – hier die Klägerin - in die Lage zu versetzen, (möglicherweise bestehenden) Unterhaltspflichten gegenüber Dritten – ihrem Sohn - nachzukommen (vgl BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 – B 14/11b AS 55/06 R –, Rn. 22 mwN zu der Fallgestaltung, des Leistungsausschlusses eines BAföG- Empfängers nach § 7 Abs 5 SGB II vor Einfügung des § 22 Abs 7 SGB II).

Der Gefahr des Verlustes der Wohnung aufgrund vermieterseitiger Kündigung nach § 543 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wegen – möglicherweise sanktionsbedingt aufgelaufener - Mietrückstände kann anstatt durch die Erhöhung der der Klägerin zu gewährenden KdUH-Leistungen auch mittels der Gewährung eines Darlehens nach § 22 Abs 8 SGB II (in der derzeit geltenden Fassung) an den von der Sanktion betroffenen Sohn der Klägerin auf dessen entsprechenden Antrag wirksam begegnet werden (vgl. hierzu etwa: Urteile des erkennenden Senats vom 29. Januar 2019 – L 11 AS 877/18 –, Rn 56ff und 26. Februar 2019 – L 11 AS 878/18 -; LSG Bayern, Beschluss vom 21. Dezember 2012 – L 11 AS 850/12 B ER -, NZS 2013, 393; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 1. Dezember 2010 – L 19 AS 1862/10 B ER –; Luik in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, Rn 272; Hammel ZfF 2013, 151, 159; Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Wolfgang Neskovic, Katja Kipping, Diana Golze, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE vom 13. November 2012, BT-Drs. 17/11459, Seite 8; zur Verwaltungspraxis in Nordrhein-Westfalen: Empfehlung des Nordrhein-Westfälischen Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales in der „Arbeitshilfe: Sanktionen gemäß § 31 SGB II“, 3. Auflage 2010, S. 31, wonach bei Sanktionen Darlehen nach § 22 Abs 5 SGB II a.F. zur Abwendung von Obdachlosigkeit bei drohender Wohnungslosigkeit gewährt werden können; ausführlich zu diesem Problemkreis: Hammel, aaO, 151, 157ff. mit umfangreichen weiteren Nachweisen).

Abgesehen davon, dass für die Darlehensgewährung ein entsprechender Antrag erforderlich ist, ist dieses Darlehen von demjenigen zu beantragen, der die Miete mangels Leistungen des Beklagten bzw eigenen Einkommens oder Vermögens nicht zahlen kann und somit Mietschulden aufbaut. Das ist vorliegend der am Verfahren nicht beteiligte Sohn der Klägerin.

Die Klägerin selbst hat die ihr zustehenden KdUH im streitigen Zeitraum von dem Beklagten – wie in dem zur Überprüfung gestellten Bescheid ausgewiesen – erhalten, so dass sie auch nicht die Voraussetzungen für die Gewährung eines Darlehens erfüllt.

Da sich der zur Überprüfung gestellte Bescheid vom 1. August 2014 als rechtmäßig erweist, war die vom SG ausgesprochene Verpflichtung zur Abänderung dieses Bescheides aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision gem § 160 Abs 2 Nr 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage, ob in Haushaltsgemeinschaften bei sanktionsbedingtem Wegfall des KdUH-Anteils abweichend vom Kopfteilprinzip die verbleibenden Mitglieder einen höheren KdUH-Anspruch haben, zugelassen.