Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 20.02.2012, Az.: 13 A 451/11

besonderer Fall; Betriebsänderung i.S.d. § 111 Betriebsverfassungsgesetz; Restrukturierung eines Betriebes; Sozialplan

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
20.02.2012
Aktenzeichen
13 A 451/11
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2012, 44523
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die "Restrukturierung" eines Betriebes kann ein "besonderer Fall" im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 2 BEEG sein.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit des Bescheides des Beklagten vom 2. Februar 2011, mit dem er die Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin mit der Beigeladenen zugelassen hat.

Die im Jahr 1966 geborene Klägerin ist seit dem 20. Mai 1987 bei der Beigeladenen, einem Betrieb der Autozulieferindustrie, beschäftigt. Zuletzt war sie als Teamassistentin im Technischen Vertrieb tätig. Seit dem 20. März 2010 befindet sich die Klägerin in Elternzeit, die bis einschließlich 10. Januar 2013 andauert.

Mit Schreiben vom 3. Dezember 2010, das beim Beklagten am 13. Dezember 2010 einging, suchte die Beigeladene um Erteilung der Zulässigkeitserklärung zur Beendigungskündigung des zwischen ihr und der Klägerin bestehenden Arbeitsvertrages nach. Nach den Angaben im Antrag waren bei der Beigeladenen Ende 2010 insgesamt 97 Personen beschäftigt. Weiter wird dort ausgeführt: Der Arbeitsplatz der Klägerin sei ab dem 1. Januar 2011 weggefallen, weil sich das Arbeitsvolumen der Kundenbetreuung und damit für die Teamassistenz im Technischen Vertrieb um ca. 65 % verringert habe. Das Geschäftsvolumen sei um 25 % zurückgegangen. Im gleichen Umfang habe sich die Anzahl der Kunden reduziert. Deshalb sei im Bereich der Teamassistenz im Technischen Vertrieb einer von zwei Arbeitsplätzen abzubauen. Zur weiteren Begründung des gestellten Antrags legte die Beigeladene eine „Vereinbarung über Interessenausgleich“ sowie einen Sozialplan vor, die beide am 2. Dezember 2010 mit ihrem Betriebsrat abgeschlossen worden sind.

In der Präambel der Vereinbarung über Interessenausgleich heißt es u.a.:

„Ausgehend von der in der Wirtschaftsplanung 2010 enthaltenen Umsatzplanung, die Auftragsverlusten aber auch einer stetigen Verschlechterung der Kundenpreisqualität aus Wettbewerbsgründen und einer Veränderung der Produktstruktur hin zu Produkten mit 50 % Materialanteil, soll die L. aus einem Geschäftsvolumen von ca. 12 bis 13 Mio. Euro für das bestehende Geschäft am Standort B., ohne Projektaufwand für neue Produkte, mittelfristig nachhaltig wieder ein positives Geschäftsergebnis erzielen. Ziel ist es, den Standort unter den genannten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen aufrecht zu erhalten und in diesem Rahmen Arbeitsplätze nachhaltig für die Zukunft zu sichern.

Um die Anpassungen an das mittelfristige Geschäftsvolumen und diese Zielsetzung erfüllen zu können, müssen Organisation und Personalbestand des Produktionsstandortes B. kostendeckend restrukturiert werden. Dies umfasst auch den Abbau von Personal im direkten und indirekten Beschäftigungsbereich des Standortes wegen des arbeitsvolumensbedingten Wegfalles der Zusammenfassung von Arbeitsplätzen.“

Die Präambel schließt mit der Formulierung, dass der Betriebsrat „die Notwendigkeit einer Umorganisation als nicht vermeidbar ansieht“. In Punkt 1 „Regelungsgegenstand“ heißt es unter 1.1:

„Der Betriebsrat nimmt die dargestellte Notwendigkeit der Umstrukturierung und deren unverzügliche Umsetzung mit Bedauern zur Kenntnis, sieht aber keine Möglichkeit, diese zu verhindern. Dabei ist es Ziel dieser Vereinbarung, die sich aus den Betriebsänderungen ergebenden Maßnahmen zum Erhalt des Standortes und zur Realisierung der wirtschaftlichen Perspektiven möglichst sozialverträglich zu gestalten.“

Unter Punkt 1.4 der Vereinbarung wird näher ausgeführt, dass im Hinblick auf die Reduzierung des Arbeitsvolumens eine Verringerung der Kundenbetreuung und der Teamassistenzarbeit eingetreten sei, wodurch ein von zwei Vollarbeitsplätzen im Team Technischer Vertrieb - Vertriebsinnendienst - ab 1. Januar 2011 „ersatzlos und dauerhaft“ entfalle. Diese Maßnahme solle spätestens mit Ablauf des 10. Januar 2013, der Beendigung der Elternzeit einer Mitarbeiterin, abgeschlossen sein. Am verbleibenden Arbeitsplatz werde durch das reduzierte Arbeitsvolumen die wöchentliche Arbeitszeit um 5 Stunden je Woche auf 30 Stunden je Woche verringert.

Im Weiteren wird eine Vielzahl von Arbeitsplätzen näher beschrieben und dargestellt, dass sie entweder entfallen oder es zu Umsetzungen und Reduzierung der Arbeitszeit kommt. Nach der in der Vereinbarung enthaltenen „Zusammenfassung“ führen alle Maßnahmen inklusive Renteneintritte „mittel- bzw. langfristig zum Wegfall von 35 Arbeitsplätzen“, wobei 22 Arbeitnehmer vom Wegfall der Arbeitsplätze betroffen sind. In der Liste dieser Arbeitnehmer ist auch die Klägerin aufgeführt.

Weiter ist geregelt, dass diesen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Seiten der Beigeladenen der Wechsel in eine Transfergesellschaft angeboten wird und zur Milderung der Nachteile für die vom Personalabbau betroffenen Mitarbeiter ein Sozialplan abgeschlossen worden ist. In diesem wird u.a. eine Abfindung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in Umsetzung der Maßnahmen des Interessenausgleichs aus betriebsbedingten Gründen ausscheiden, vereinbart. Weiter sind Regelungen über einen Härtefallfonds und eine Transfergesellschaft getroffen worden.

Die Klägerin erklärte in ihrer Stellungnahme zum Antrag auf Zulässigkeitserklärung der Kündigung, ihr sei von Mitarbeitern der Beigeladenen erklärt worden, dass ihr auf jeden Fall zum Ende der Elternzeit gekündigt werde. Eine Teilzeittätigkeit sei nicht möglich, da der Betrieb angeblich nicht mehr genug Aufträge habe. Weiter machte sie geltend: Im Betrieb der Beigeladenen würden sich für sie auch andere Beschäftigungsmöglichkeiten bieten. So habe sie z.B. für einige Zeit als Vertretung der Werkstattschreiberin in der Produktion gearbeitet. Auch würden ihres Wissens mehrere Arbeitsplätze umstrukturiert, hierbei sei sie nicht berücksichtigt worden. In ihrer persönlichen Situation - sie sei ledig und habe einen 11 Monate alten Sohn - sei sie auf Arbeit angewiesen. Sie sei bereit, auch andere Tätigkeiten bei der Beigeladenen zu verrichten. Schließlich müsse berücksichtigt werden, dass sie eine alleinerziehende Mutter sei, im Hause ihrer Eltern wohne und ihr Vater ein Pflegefall sei. In der W. seien „Frauenjobs“ nicht einfach zu finden. Zusätzlich sei sie nervlich und gesundheitlich durch ständige Kopfschmerzen und Schwindelgefühle belastet.

Im Verwaltungsverfahren gab die Beklagte auch dem Betriebsrat der Beigeladenen Gelegenheit zur Stellungnahme. Dieser äußerte sich nicht.

Mit Bescheid vom 2. Februar 2011 erteilte das beklagte Amt die Zulassung zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin mit der Beigeladenen. In der Begründung des Bescheides wird ausgeführt: Durch die Betriebsänderung und die damit verbundene Umstrukturierung der Produktionsstätte B. seien Arbeitsplätze weggefallen bzw. würden in Zukunft wegfallen. Eine Beschäftigungsmöglichkeit der Klägerin in einer anderen Betriebsstelle des Unternehmens sei nicht gegeben. Die Stilllegung einer Betriebsabteilung bzw. die Umstrukturierung/Auflösung verschiedener Arbeitsbereiche kennzeichneten in aller Regel eine Lage, in der das Interesse des Arbeitgebers an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses auch während der Elternzeit Vorrang vor dem Interesse der Arbeitnehmerin an der Erhaltung ihres Arbeitsplatzes habe. Die Auflösung von Arbeitsbereichen bewirke, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses aus tatsächlichen Gründen unmöglich sei. Damit liege ein besonderer Fall im Sinne des Gesetzes vor, sodass ein Kündigungsschutz nicht gewährt werden könne. Dieser würde, wenn eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses aus tatsächlichen Gründen nicht mehr möglich sei, auf eine vom Gesetz nicht gewollte Versorgung der Arbeitnehmerin hinauslaufen. Dem Interesse der Beigeladenen komme daher auch im Rahmen „der pflichtgemäßen Ermessensausübung“ der Vorzug gegenüber dem Interesse der Klägerin zu. Weiter enthält der Bescheid die Bestimmung, die Kündigung sei nur unter der Bedingung zugelassen, dass sie frühestens zum Ende der Elternzeit wirksam werde.

Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin mit einem am 24. Februar 2011 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Klage erhoben.

Sie macht geltend: Ein besonderer Fall im Sinn des § 18 Abs. 1 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) sei nur dann anzunehmen, wenn außergewöhnliche Umstände es verlangten, dass die vom Gesetz grundsätzlich als vorrangig angesehenen Interessen der Arbeitnehmerin hinter die Belange des Arbeitnehmers zurückträten. Wann ein besonderer Fall vorliege, sei in der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Kündigungsschutz bei Elternzeit erläutert. Hier sei beispielhaft erwähnt, dass bei einer Betriebs- oder Betriebsteilstilllegung sowie einer Existenzgefährdung für den Betrieb oder den Arbeitgeber es diesem nicht zugemutet werden könne, das Arbeitsverhältnis fortzuführen. Hier beabsichtigte die Beigeladene weder die Schließung eines Betriebes noch die Schließung einer Betriebsabteilung. Im Bereich Technischer Vertrieb verbleibe sogar ein Arbeitsplatz für eine Teamassistentin. Zu berücksichtigen sei weiter, dass die Klägerin, die den Beruf der Bürokauffrau erlernt habe, als Teamassistentin im Technischen Vertrieb für vielerlei Aktivitäten zuständig gewesen sei, auch vertretungsweise als Assistenz in der Fertigung gearbeitet habe. Im Übrigen seien auch im Bereich Personalwesen noch vergleichbare Arbeitsplätze vorhanden. Schließlich sei die Kollegin der Klägerin, Frau F., im Vertrieb für den Zuleitungsbereich, die Klägerin für den Bereich Bremsverschleißanzeiger zuständig gewesen. Auch hieraus ergäben sich Einsatzmöglichkeiten für die Klägerin, die der Beklagte nicht berücksichtigt habe.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 2. Februar 2011 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verteidigt den angegriffenen Bescheid und macht ergänzend geltend: Die Beigeladene habe durch die Vereinbarung über den Interessenausgleich belegt, dass aus betrieblichen Gründen generell eine Arbeitsplatzreduzierung notwendig sei und in diesem Zusammenhang der Arbeitsplatz der Klägerin ersatzlos wegfalle. Damit seien betriebliche Gründe dargelegt, hinter denen ausnahmsweise die Interessen der Arbeitnehmerin zurückstehen müssten. Soweit die Klägerin vorgetragen habe, es stünden für sie auch andere Plätze im Unternehmen zur Verfügung, sei dies bei der Entscheidung über die Zulassung der Kündigung nicht berücksichtigt worden, weil dies die Klägerin im Verwaltungsverfahren nicht geltend gemacht habe. Unabhängig davon sei aber festzustellen, dass sie nur sehr allgemein vorgetragen habe, an welchen Stellen im Unternehmen möglicherweise eine Verwendungsmöglichkeit für sie bestanden habe bzw. bestehe. Sie habe nicht dargelegt, dass tatsächlich freie Arbeitsplätze verfügbar seien, auf denen sie eingesetzt werden könne.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Sie verteidigt den angegriffenen Bescheid und macht geltend: In der Vereinbarung über den Interessenausgleich, den sie mit ihrem Betriebsrat geschlossen habe, sei der Wegfall des früheren Arbeitsplatzes der Klägerin detailliert erläutert. Sowohl der Vereinbarung über den Interessenausgleich als auch dem Sozialplan seien wochenlange Verhandlungen zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat vorausgegangen. Entgegen der Darstellung der Klägerin seien keine Arbeitsplätze vorhanden, auf denen sie eingesetzt werden könne. Die von der Klägerin genannte Mitarbeiterin Frau F. sei nicht aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden, sie werde allerdings aufgrund der Restrukturierung und des Sozialplans nur noch mit einer Arbeitzeit von 30 Wochenstunden beschäftigt. Die Tätigkeit als Werkstattschreiberin werde weiter von Frau J. durchgeführt, für die ein Kündigungsschutz als ehemaliges Mitglied des Betriebsrats bestehe. Diese sei jedoch zugleich im Rahmen der Fertigung eingesetzt, da die Tätigkeit als Werkstattschreiberin ein deutlich geringeres Zeitvolumen benötige, als es bis zum Zeitpunkt des Abschlusses des Interessenausgleiches bestanden habe. Auch für Sekretariatsarbeiten komme die Klägerin nicht in Betracht. Die Mitarbeiterin O. führe täglich nur noch ein bis zwei Stunden Sekretariatsaufgaben aus und sei danach primär im Rechnungswesen tätig. Außerdem werde sie aufgrund der Sozialplanregelung ihre Arbeitszeit von 30 auf 15 Stunden reduzieren. Ebenfalls habe die einzige Mitarbeiterin der Personalabteilung, Frau H., ab August 2011 ihre Wochenarbeitszeit von 35 auf 30 Stunden gesenkt. Bei dieser Lage sei der angegriffene Bescheid nicht zu beanstanden.

Die Beigeladene hat das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin bislang nicht gekündigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf das weitere Vorbringen der Beteiligten und den Inhalt der Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage, über die mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte, hat keinen Erfolg. Der angegriffene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt Rechte der Klägerin nicht.

Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zum Elterngeld und zur Elternzeit (BEEG) darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ab dem Zeitpunkt, von dem an Elternzeit verlangt worden ist, höchstens jedoch acht Wochen vor Beginn der Elternzeit und während der Elternzeit nicht kündigen. In besonderen Fällen kann von der zuständigen Arbeitsschutzbehörde eine Kündigung aber ausnahmsweise für zulässig erklärt werden (§ 18 Abs. 1 Satz 2 BEEG).

Zutreffend ist der Beklagte davon ausgegangen, dass hier ein besonderer Fall im Sinne der Regelung gegeben ist. Dieser ist anzunehmen, wenn außergewöhnliche Umstände es rechtfertigen, dass die vom Gesetz grundsätzlich als vorrangig angesehenen Interessen der die Elternzeit in Anspruch nehmenden Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmers hinter die Interessen des Arbeitgebers an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses zurücktreten (BVerwG, Urteil vom 30. September 2009 - 5 C 32/08 -, BVerwGE 135, 67). Das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz knüpft hinsichtlich des besonderen Kündigungsschutzes an die frühere Regelung des § 18 des Gesetzes über die Gewährung von Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub (BErzGG) an. § 18 BEEG entspricht dieser Regelung. In der Gesetzesbegründung zum Entwurf des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BTDrs 16/1889, 27) hat der Gesetzgeber weiter darauf hingewiesen, dass diese Regelung inhaltlich unverändert übernommen werde. In der Begründung zur Kündigungsschutzregelung des § 18 BErzGG (Regierungsentwurf-BRDrs 350/85) ist zum Zweck dieser Ausnahmeregelung ausgeführt: „Dieser Kündigungsschutz kann aber nicht uneingeschränkt gelten. Es muss insbesondere ausgeschlossen werden, dass die wirtschaftliche Existenz des Betriebes gefährdet wird. Ein besonderer Fall, in dem die zuständige Behörde die Kündigung auch während des Erziehungsurlaubs für zulässig erklären kann, ist z.B. die Einstellung des Betriebes oder einer Betriebsabteilung, wenn der Arbeitnehmer nicht in einen anderen Betrieb des Unternehmens oder in eine andere Betriebsabteilung umgesetzt werden kann ...“.

Eine derartige Schließung bzw. teilweise Schließung eines Betriebes bewirkt, dass eine Beschäftigungsmöglichkeit für die Zukunft nicht mehr besteht, die Arbeitsvertragsparteien ihren wesentlichen Verpflichtungen damit auf Dauer nicht mehr nachkommen können und deshalb eine Fortsetzung der arbeitsvertraglichen Rechtsbeziehungen nicht mehr möglich ist (BVerwG, a.a.O., Rn. 17).

Nach diesem Maßstab hat der Beklagte zu Recht einen besonderen Fall im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 2 BEEG angenommen. Zwar ist - worauf die Klägerin zu Recht hinweist - der Betrieb der Beigeladenen in B., in dem die Klägerin bisher beschäftigt ist, nicht stillgelegt worden. Auch hat die Beigeladene nicht eine Abteilung stillgelegt, sondern eine Restrukturierung der Organisation und des Personalbestandes des Standortes vorgenommen. Diese führt nach den Ausführungen in der zwischen der Beigeladenen und ihrem Betriebsrat abgeschlossenen Vereinbarung über Interessenausgleich zum mittel- und langfristigen Wegfall von 35 der ursprünglich 97 der bei der Beigeladenen vorhandenen Arbeitsplätze, wobei vom alsbaldigen Arbeitsplatzwegfall 22 Arbeitnehmer betroffen sind bzw. waren. Zu diesen zählt auch die Klägerin. Unter Berücksichtigung der oben näher dargelegten Zielrichtung des § 18 Abs. 1 Satz 2 BEEG ist eine derartige Restrukturierung ebenso gravierend, wie eine Teilbetriebsstilllegung oder Stilllegung einer Abteilung eines Betriebes einzustufen. Nach dem Vorbringen der Beigeladenen, das auch die Klägerin nicht bestritten hat, hatte sich im Zeitpunkt des Ergehens des angegriffenen Bescheides das Geschäftsvolumen der Beigeladenen um 25 % verringert, was für den Arbeitsbereich, in dem die Klägerin tätig war, einen Rückgang des Arbeitsanfalls um etwa 65 % bedeutete. Damit ist eine Lage gekennzeichnet, die die wirtschaftliche Existenz des Betriebes der Beigeladenen bedrohte und - soweit von Seiten der Beigeladenen keine Anpassungen vorgenommen worden wären - zu einer Gefährdung des Gesamtbetriebes geführt hätte.

Auf den Zeitpunkt des Ergehens des angegriffenen Bescheides und nicht darauf, welche wirtschaftliche Lage bei der Klägerin im Zeitpunkt der Entscheidung der Kammer besteht, kommt es hier an. Entscheidend ist nämlich der der Entscheidung des Beklagten zugrunde liegende historische Sachverhalt, die Sachlage, die im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung gegeben war (BVerwG, Beschluss vom 10. November 2008 - 5 B 79/08 -; BVerwG, Beschluss vom 7. März 1991 - 5 B 114/89 -, NZA 1991, 511). Diese Grundsätze, die das Bundesverwaltungsgericht zum Sonderkündigungsschutz für Schwerbehinderte (§§ 85 ff. SGB IX) entwickelt hat, greifen wegen der hier gegebenen mit der mit dem Sonderkündigungsschutz nach §§ 85 ff. SGB IX vergleichbaren Lage auch bei der Überprüfung von Entscheidungen nach § 18 BEEG ein.

Dieser Einschätzung steht nicht entgegen, dass die allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Kündigungsschutz bei Elternzeit des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Bundesanzeiger 2007, Nr. 5, S. 247) einen besonderen Fall, der eine Ausnahme vom Kündigungsschutz rechtfertigt, dann annimmt, wenn (Nrn. 2.1.1 bis 2.1.3) ein Betrieb oder eine Betriebsabteilung stillgelegt wird oder ein Betrieb oder die Betriebsabteilung verlagert wird und die Arbeitnehmerin am neuen Sitz, in einer anderen Betriebsabteilung in einem anderen Betrieb des Unternehmens nicht weiterbeschäftigt werden kann. Diese Verwaltungsvorschrift regelt nämlich im Punkt 1, dass ein besonderer Fall immer dann vorliegt, wenn es gerechtfertigt erscheint, dass das nach § 18 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes als vorrangig angesehene Interesse des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses wegen außergewöhnlicher Umstände hinter die Interessen des Arbeitgebers zurücktritt und zählt danach unter Punkt 2 Fälle auf, in denen die Behörde (ohne Weiteres) davon auszugehen hat, dass ein besonderer Fall gegeben ist. Damit werden unter Punkt 2 der Richtlinie Beispiele aufgezählt, die bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs „besonderer Fall“ immer von der Behörde zu beachten sind, ohne dass dadurch andere Fallgestaltungen, die unter Punkt 1 der Richtlinie fallen, für die Annahme eines besonderen Falles ausscheiden. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass die Verwaltungsvorschriften nur die gesetzlichen Voraussetzungen aus Sicht des Bundesministeriums interpretieren und nur die ausführende Behörde, nicht aber das Gericht bei der Prüfung der Frage, ob die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Satz 2 BEEG gegeben sind, binden.

Zweifel an den Angaben der Beigeladenen zum Umfang der Restrukturierung und der davon betroffenen Arbeitnehmer hat die Kammer nicht, zumal diese von der Klägerin nicht bestritten worden sind. Unabhängig davon ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass nach § 1 Abs. 5 des Kündigungsschutzgesetzes bei einer Kündigung aufgrund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes dann, wenn Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich genannt sind, zu vermuten ist, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist. Diese Regelung greift hier ein, da die Restrukturierung des Betriebs der Beigeladenen sowohl im Hinblick auf die Änderung der Betriebsorganisation als auch im Hinblick auf den Personalabbau als Betriebsänderung im Sinne des § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes einzustufen ist (vgl. dazu nur Schaub-Koch Arbeitsrechtshandbuch, 13. Aufl., § 244, Rn. 15/16 sowie Rn. 19).

Die Klägerin hat auch nicht näher dargelegt, dass sie im Betrieb der Beigeladenen nach Durchführung der Restrukturierung weiterbeschäftigt werden kann. Zwar hat sie darauf hingewiesen, dass sie in der Vergangenheit auch vertretungsweise als Assistenz in der Fertigung gearbeitet habe, im Bereich Personalwesen einsetzbar sei und sie auch früher im Bereich der Bremsverschleißanzeiger gearbeitet habe. Diesem Vorbringen ist die Beigeladene jedoch entgegengetreten und hat näher dargelegt, dass die von der Klägerin in ihrem Vorbringen genannten Mitarbeiterinnen aus diesen Bereichen nicht aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden, sondern nur noch mit reduzierter Stundenzahl beschäftigt werden sowie eine andere Mitarbeiterin zugleich im Rahmen der Fertigung eingesetzt sei, da für die Tätigkeit als Werkstattschreiberin nur noch ein deutlich geringeres Zeitvolumen erforderlich sei. Weiter hat die Beigeladene ausgeführt, dass die Klägerin auch für Sekretariatsarbeiten nicht in Betracht komme, weil die Mitarbeiterin O. täglich ein bis zwei Stunden Sekretariatsaufgaben ausführe und ansonsten primär im Rechnungswesen tätig sei; auch sei nur noch eine Mitarbeiterin in der Personalabteilung vorhanden, deren Wochenarbeitszeit auf 30 Stunden abgesenkt worden sei. Diesen substantiierten Darlegungen ist die Klägerin nicht entgegengetreten. Die Kammer sieht daher keinen Anhaltspunkt, insoweit am Vorbringen der Beigeladenen zu zweifeln und sieht sich auch nicht veranlasst, von Amts wegen eine weitere Sachverhaltsermittlung - unabhängig davon, ob dem § 1 Abs. 5 des Kündigungsschutzgesetzes entgegenstehen sollte (vgl. dazu Kittner, § 9 MuSchG, § 18 BEEG - Prüfungsumfang und Entscheidung bei betrieblich veranlassten Kündigungen, NZA 2010, 198) - durchzuführen.

Soweit die Klägerin darauf hingewiesen hat, dass im Bereich technischer Vertrieb ein Arbeitsplatz für eine Teamassistentin verblieben sei, führt dies nicht zu einem anderen Ergebnis. Die Aufrechterhaltung des Kündigungsschutzes für die Klägerin würde dazu führen, dass der Arbeitsplatz dieser noch verbliebenen Mitarbeiterin entfallen würde; einen freien, jedenfalls mit ihr besetzbaren Arbeitsplatz hat die Klägerin damit nicht aufgezeigt. Die Frage, ob nicht anstelle der Klägerin die verbliebene Mitarbeiterin hätte gekündigt und entsprechend in der Vereinbarung über den Interessenausgleich anstelle der Klägerin in die dort vorhandene Namensliste der ausscheidenden Mitarbeiter hätte aufgenommen werden müssen, ist eine Frage der Sozialauswahl, die nicht vom erkennenden Gericht, sondern vom Arbeitsgericht dann, wenn die Klägerin von der Beigeladenen gekündigt worden ist und sie Kündigungsschutzklage erhebt, zu überprüfen sein wird (vgl. dazu nur: BVerwG, Urteil vom 2. Juli 1992 - 5 C 51.90 - BVerwGE 90, 287).

Der angegriffene Bescheid weist auch keine weiteren Rechtsfehler auf. Auch bei Vorliegen eines „besonderen Falles“ im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 2 BEEG ist eine Ermessensentscheidung zu treffen. Aus der Begründung des Bescheides ist ersichtlich, dass der Beklagte das ihm eingeräumte Ermessen erkannt und auch ausgeübt hat, wenngleich die Begründung insoweit recht knapp ausgefallen ist. Aus dem Gesamtzusammenhang des Bescheides lässt sich aber durchaus erkennen, dass der Beklagte bei seiner Entscheidung die Interessen der Klägerin und der Beigeladenen erkannt und bei seiner Entscheidung abgewogen hat. Dies wird schließlich deutlich durch die Regelung im Bescheid, wonach die Kündigung nur unter der Bedingung zugelassen wird, dass sie frühestens zum Ende der Elternzeit wirksam ist. Ein Ermessensfehler im Sinn des § 114 Satz 1 VwGO liegt daher nicht vor.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der Bescheid des Beklagten vom 2. Februar 2011 weiterhin rechtliche Wirkungen hat, obgleich die Beigeladene bislang die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin nicht erklärt hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 22. Juni 2011 - 8 AZR 107/10 - DB 2011, 2553) muss der Arbeitgeber die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers, der sich in Elternzeit befindet, nämlich nicht innerhalb einer bestimmten Frist ab Zustellung der Zulässigkeitserklärung durch die oberste Landesbehörde aussprechen. Dies folgt schon daraus, dass der Wortlaut des § 18 BEEG anders als § 88 Abs. 3 SGB IX keine Frist enthält, innerhalb derer der Arbeitgeber die ihm erteilte Zulassung zur Kündigung auszunutzen hat.