Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 01.11.2013, Az.: 6 U 154/13
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 01.11.2013
- Aktenzeichen
- 6 U 154/13
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2013, 55451
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2013:1101.6U154.13.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Oldenburg - 19.06.2013
Fundstellen
- ErbR 2014, 353
- NJW-Spezial 2014, 264
Amtlicher Leitsatz
Anspruch auf Entschädigung für eine Strafverfolgungsmaßnahme (vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis) nach dem während des Gerichtsverfahrens eingetretenen Tod des grundsätzlich Ersatzberechtigten; Geltendmachung durch die Erben.
Tenor:
Auf die Berufung des beklagten Landes wird das am 19.06.2013 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg geändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger haben die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um Ansprüche über eine Entschädigung nach dem StrEG.
Die Kläger sind die Eltern und zugleich Erben des während des Rechtsstreits am 27.01.2013 verstorbenen V.... G .... .
Im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen war V .... G .... am 21.11.2010 vorläufig die Fahrerlaubnis entzogen worden. Das Amtsgericht Vechta verurteilte ihn wegen fahrlässigen Vollrausches zu einer Geldstrafe und entzog ihm zugleich die Fahrerlaubnis. Auf seine Berufung wurde er durch das Landgericht Oldenburg freigesprochen. Gleichzeitig wurde ihm vom Landgericht dem Grunde nach eine Entschädigung für die Strafverfolgungsmaßnahmen zugesprochen. Am 05.11.2011 wurde ihm der eingezogene Führerschein ausgehändigt.
Den vom ihm unter dem 18.11.2011 gestellten Entschädigungsantrag wies die Generalstaatsanwaltschaft per Bescheid vom 08.08.2012, auf dessen Inhalt verwiesen wird, zurück.
Mit der Klage begehren die Kläger die Zahlung von Fahrtkosten sowie des der Klägerin entstandenen Verdienstausfalls, wobei sie die Fahrtkosten und den Verdienstausfall näher konkretisiert haben. Die Klägerin betreibt in ............... ein Kosmetik- und Nagelstudio.
Die Parteien vertreten unterschiedliche Auffassungen, ob die geltend gemachten Fahrtkosten sowie der Verdienstausfall tatsächlich entstanden und zu entschädigen sind.
Die Kläger haben beantragt,
das beklagte Land zu verurteilen, an sie 2.957,88 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem Rechtshängigkeit (04.12.2012) zu zahlen,
festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, die Rechtsanwaltskosten des verstorbenen Sohnes V ...... für die Vertretung im Betragsverfahren zu erstatten.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Im Übrigen wird wegen der Sachverhaltsdarstellung auf die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts in dem Tatbestand und den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, weil die dem verstorbenen Sohn V...... zustehenden Ansprüche auf deren Eltern als Erben (§ 1922 BGB) übergegangen seien. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, nach Vorlage des Ausbildungsvertrages sei belegt, dass V. in einem Arbeitsverhältnis gestanden habe, ferner glaube es den Behauptungen der Kläger, dass dessen Mutter ihn zur Arbeitsstätte gebracht sowie von dort abgeholt habe. Rechtlich unerheblich sei, wem der eingesetzte PKW gehöre. Da eine zumutbare Verbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht bestanden habe, sei der Einsatz eines eigenen PKW nicht zu beanstanden.
Ein Verdienstausfallschaden der Klägerin könne zwar nicht beansprucht werden (Seite 4 LGU), die Kläger könnten jedoch von dem beklagten Land in der geltend gemachten Höhe (1.570,- €) eine Entschädigung für den Zeitaufwand beanspruchen.
Gegen das Urteil des Landgerichts wendet sich das beklagte Land mit der Berufung.
Das beklagte Land wiederholt das gesamte erstinstanzliche Vorbringen nebst Beweisantritten. Es ist der Auffassung, das Landgericht habe verfahrensfehlerhaft ohne jedwede Beweisaufnahme entschieden, den Ausführungen zur Schadenshöhe könne nicht gefolgt werden. Das Landgericht habe verfahrensfehlerhaft den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht geklärt, sondern allein nach Aktenlage entschieden. Ferner weist es darauf hin, bei dem gebotenen Hinweis hätte es sich auf die Parteivernehmung der Kläger berufen, was nunmehr geschehe. Der Vortrag der Kläger - so meint das beklagte Land - sei nicht hinreichend nachvollziehbar.
Das beklagte Land beantragt,
das angefochtene Urteil des Landgerichts Oldenburg zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen unter Bezugnahme auf das erstinstanzliche Vorbringen das angefochtene Urteil und sind der Auffassung, das angefochtene Urteil sei nicht zu beanstanden.
II.
Die zulässige Berufung ist begründet.
Das Rechtsmittel des beklagten Landes ist sachlich gerechtfertigt, weil das Landgericht das beklagte Land zu Unrecht für verpflichtet gehalten hat, an die Kläger eine Entschädigung zu zahlen sowie die vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu erstatten.
Den Klägern steht gegen das beklagte Land ein Anspruch auf Entschädigung in Höhe von 2.957,88 € gemäß §§ 2 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 5; 4 Abs. 1 Nr. 1; 7 Abs. 1, (11 Abs. 1) StrEG nicht zu.
Anspruchsteller war zunächst der am 27.01.2013 verstorbene Sohn V.... der Kläger, der durch seinen Prozessbevollmächtigten im Jahre 2012 Klage erhob. Der verstorbene Sohn war grundsätzlich berechtigt, etwaige ihm zustehende Ansprüche nach dem StrEG gegen das beklagte Land geltend zu machen.
Als Erben des vormaligen Klägers sind nunmehr dessen Erben in dessen Rechtsstellung eingetreten (§ 1922 BGB), als Prozesspartei können sie die vormals ihrem Sohn zustehenden Ansprüche nach dem StrEG geltend machen.
Nach dem Strafurteil des Landgerichts Oldenburg vom 22.09.2011 (Bl. 212 ff BA -Freispruch) war V .... G .... für die Entziehung des Führerscheins seit dem 21.11.2010 zu entschädigen. Der Antrag auf Entschädigung vom 18.11.2011 wurde innerhalb der 6 - Monats - Frist zur Anmeldung des Anspruchs nach § 10 Abs. 1 StrEG von dem Beschuldigten gestellt, allerdings mit Beschluss der GenStA vom 08.08.2012 zurückgewiesen. In dem Bescheid ist ausgeführt, hinsichtlich der Fahrtkosten sei nicht dargelegt, dass dem Antragsteller ein Schaden entstanden sei, in Bezug auf den Verdienstausfallschaden (der Antragsteller hatte behauptet, die Mutter habe ihr zustehende Ansprüche an ihn abgetreten - vgl. Bl. 46 Sonderheft "Entschädigung" sowie Bl. 11 GA) wurde darauf verwiesen, der Staat hafte für Schäden Dritter nicht nach dem StrEG.
Nach diesem Bescheid hat der verstorbene V .... G .... innerhalb der Ausschlussfrist von drei Monaten nach § 13 StrEG den Rechtsweg beschritten und Klage erhoben.
Nach dem StrEG können die Kläger als Erben nur die dem verstorbenen Sohn V .... zustehende Entschädigung beanspruchen, soweit diesem durch die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis ein Schaden entstanden ist.
Dass ein Entschädigungsanspruch besteht, ist durch das rechtskräftige Strafurteil des LG Oldenburg verbindlich festgestellt. Das Verfahren nach dem StrEG gliedert sich in zwei Abschnitte, nämlich die Entscheidung des Strafgerichts über die Verpflichtung zur Entschädigung (§ 8 StrEG-Grundentscheidung) und die nach Rechtskraft dieser Entscheidung durch die Landesjustizverwaltung und die Zivilgerichte zu treffende Feststellung der Höhe des Anspruchs (§§ 10, 13 StrEG - Betragsverfahren). Die Prüfung, ob und ggfls. in welcher Höhe dem Beschuldigten ein Schaden tatsächlich entstanden ist, bleibt dem Betragsverfahren vorbehalten (vgl. OLG München, Beschluss vom 18.02.2013 - 4 VAs 56/12, in juris Rn 23).
Einen Anspruch auf Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen i. S. d. § 2 StrEG haben nur der frühere Beschuldigte selbst und Personen, denen dieser kraft Gesetzes unterhaltspflichtig ist (§ 11 Abs. 1 StrEG). Letzteres scheidet aus.
Sonstige Verfahrensbeteiligte oder Drittgeschädigte, welche durch den Vollzug von Strafverfolgungsmaßnahmen gegen den Beschuldigten mittelbar wirtschaftliche Nachteile erleiden, haben auch bei entsprechender Anwendung dieser Vorschrift grundsätzlich keinen Anspruch (vgl. OLG München, aaO., in juris Rn 26 m.w.N.). Deshalb können die Kläger aus eigenem Recht nicht vorgehen.
Eine Entschädigung können sie auch als Erben ihres Sohnes nicht beanspruchen, weil diesem infolge der Entziehung der Fahrerlaubnis ein Schaden tatsächlich nicht entstanden ist.
Den Betrag in Höhe von 1.387,88 € (Fahrtkosten) könnten die Kläger verlangen, wenn dem verstorbenen Sohn persönlich Fahrtkosten in dieser Höhe entstanden wären bzw. er an seine Mutter Fahrtkosten in entsprechender Höhe tatsächlich gezahlt hätte. Das wurde vom ursprünglichen Kläger sowie dessen Rechtsnachfolgern nicht behauptet. Es wurde allein darauf abgestellt, dass die Klägerin den verstorbenen Sohn zur Arbeitsstätte in .......brachte und dort auch wieder abholte. Unklar ist, mit welchem PKW die Fahrt durchgeführt wurde (im Prozess wurde behauptet, der verstorbene V .... G .... sei Eigentümer eines PKW ..........., während im Entschädigungsverfahren behauptet wurde, der PKW stehe im Eigentum des Vaters und sei auf diesen zugelassen, vgl. Bl. 34 Sonderheft), und ob der verstorbene V .... G .... - entsprechend seinem gestellten Entschädigungsantrag - tatsächlich nutzlos Fahrtkosten aufwandte. Dass er tatsächlich Fahrtkosten an seine Mutter zahlte, hat er weder dargelegt noch unter Beweis gestellt.
Gleichfalls haben die Kläger nicht behauptet, dass ihr verstorbener Sohn einen Verdienstausfall in Höhe von 1.570,- € an seine Mutter gezahlt hat. Vielmehr verlangen sie den der Mutter entstandenen Verdienstausfall, der nach dem StrEG nicht zu zahlen ist. Unter Beachtung ihres eigenen Vortrags hätte die Klägerin das Entstehen eines Verdienstausfallschadens durch entsprechende Terminabsprachen mit Kunden ohne weiteres vermeiden können.
Mit der gegebenen Begründung des Landgerichts (Seite 4 LGU), die von der Mutter (= Klägerin zu 2) erbrachten Fahrerdienste zu Gunsten ihres verstorbenen Sohnes seien als sog. freigiebige Leistungen Dritter, die den Schädiger nicht entlasten, erstattungsfähig, kann das Urteil ebenfalls nicht aufrechterhalten werden. Auch insoweit wäre zu fordern, dass der Mutter der entsprechende Geldbetrag tatsächlich zugewendet wurde. Das kann indes nicht festgestellt werden.
Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Klägerin zu 2) die Fahrleistungen nur gegen Entgelt erbringen wollte. Vielmehr erscheint es naheliegender, dass sie gefälligkeitshalber oder sogar im Rahmen ihrer familiären Beistandspflicht die Fahrleistungen erbrachte.
Soweit die Kläger - offenbar hilfsweise - auf einen der Klägerin entstandenen Haushaltsführungsschaden abstellen, fehlt es bereits an einer schlüssigen Darlegung.
Auch der Hinweis des Prozessbevollmächtigten der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, der Klägerin seien Kosten entstanden, die sie ersetzt haben wolle, und sie sowie der Kläger könnten etwaige Ansprüche gegen sich selbst (als Erben) geltend machen, verhilft der Klage nicht zum Erfolg. Kommt es als Folge des Erbfalls - wie hier - zur Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit oder von Forderung und Schuld oder Belastung in der Person des Erben (Konfusion), erlischt grundsätzlich das betreffende Schuldverhältnis ohne weiteres (vgl. Palandt-Weidlich, BGB, 72. Auflage, § 1922 Rn 6; Palandt-Grüneberg, aaO., Vor § 362 Rn 4; BGH NJW-RR 2009, 1059 [BGH 23.04.2009 - IX ZR 19/08] in juris Rn 19; OLG Brandenburg WM 2008, 14 [20] in juris Rn 77). Dass dem Kläger eine eigene Forderung gegen seinen verstorbenen Sohn zustehen könnte, kann nach dem Sachvortrag der Kläger nicht festgestellt werden. Eine etwaige Forderung der Klägerin besteht infolge Erlöschens des Schuldverhältnisses ebenfalls nicht.
Der Zinsanspruch (§§ 288 Abs. 1, 291 ZPO) ist mangels Entschädigungsanspruch ebenfalls unbegründet.
Der Feststellungsantrag gerichtet auf Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten (in Höhe von 316,18 €, vgl. Bl. 35 Sonderheft) ist ebenfalls unbegründet, weil dem verstorbenen V .... G .... die geltend gemachte Entschädigung der Höhe nach nicht zustand.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1, während sich die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO herleitet.