Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 07.11.2013, Az.: 1 U 62/13

Vergütungsanspruch eines Grundstückseigentümers aus einem Nutzungsvertrag bzgl. Windkraftanlagen

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
07.11.2013
Aktenzeichen
1 U 62/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 54673
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2013:1107.1U62.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Aurich - 13.06.2013 - AZ: 2 O 999/12

Fundstelle

  • ZMR 2014, 416-417

In dem Rechtsstreit
1. G ..... W ..... , ...................., ..... G .... ,
2. H .... R .... , ....................., ..... A ... ,
Klägerinnen und Berufungsklägerinnen,
Prozessbevollmächtigter zu 1, 2:
Rechtsanwalt K.......W ......., ........................, ..... H
Geschäftszeichen:
gegen
B.... G .......... GmbH & Co. KG, vertreten durch die Geschäftsführer M .... B .... W ... M ..... und J .... W ........, ........................, ..... A .... ,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte B ........ & Partner, ............................, ..... A ..... ,
Geschäftszeichen:
hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den ......................................, den ..................................und den ................................ auf die mündliche Verhandlung vom 24. Oktober 2013
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerinnen wird das am 13.06.2013 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Aurich unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen geändert und wie folgt neu gefasst:

  1. 1.

    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerinnen als Gesamtgläubiger weitere 5.351,60 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2012 zu zahlen.

  2. 2.

    Die Beklagte wird verurteilt, an den Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen 555,85 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2012 zu zahlen.

  3. 3.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

  4. 4.

    Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  5. 5.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Klägerinnen sind Eigentümerinnen eines Grundstücks in G .........., auf dem die Beklagte Windkraftanlagen betreibt. Aus diesem Grund wurde zwischen den Parteien am 13.03.2003 einen Nutzungsvertrag geschlossen, in dem unter § 3 auch die Vergütung für die Nutzung der Flächen durch die Beklagte geregelt wurde. Es wurde dort u.a. geregelt, dass das zu zahlende Nutzungsentgelt "... 4% ... der gesamten Einspeisevergütung aller Windkraftanlagen, mindestens jedoch 5.000 EUR ... je Windkraftanlage incl. gesetzlicher Mehrwertsteuer" beträgt. Wegen der Einzelheiten des Vertrages wird auf die Anlage B 1 (Bl. 18 ff. d. A.) verwiesen. Dieser Vertragstext ist von der Beklagten in mindestens 50 Fällen gleichlautend verwendet worden.

Die Klägerinnen sind der Ansicht, die aus dieser Regelung resultierenden Auszahlungsbeträge seien aus der Bruttovergütung, die die Beklagte erhält, zu errechnen, während die Beklagte meint, es sei lediglich der Nettobetrag zugrunde zu legen. Die aus diesen beiden unterschiedlichen Berechnungsmethoden resultierende Differenz, die allein die Klägerinnen mit dem Berufungsverfahren noch geltend machen, beträgt unstreitig 5.351,60 EUR.

Das Landgericht hat in dem angefochtenen Urteil die Auffassung vertreten, der Umsatzvergütung der Klägerinnen errechne sich auf Basis der Netto-Einspeisevergütung. Da nach dem EEG unter dem Begriff der "Einspeisevergütung" das vom Netzbetreiber an den Windkraftanlagenbetreiber zu zahlende Netto-Entgelt zu verstehen sei, könne auch im Verhältnis zu den Klägerinnen nur der Nettobetrag als Berechnungsgrundlage herangezogen werden.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerinnen. Beide Parteien wiederholen und vertiefen im Wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig und hat in der Sache - lediglich mit Ausnahme des Fristbeginns der Verzugszinsen - Erfolg. Die Klägerinnen haben einen Anspruch auf Vergütung des Betrages, der sich aus der Brutto-Einspeisevergütung aus den Windkraftanlagen ergibt.

Vorliegend ist allein noch streitig, wie der Begriff der zwischen den Parteien in § 3 des Nutzungsvertrages vereinbarten Nutzungsvergütung auszulegen ist. Die Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen erfolgt nach den §§ 133, 157 BGB. Maßgeblich für die Auslegung von Verträgen ist bei der normativen Auslegung der objektive Empfängerhorizont. Es ist daher zu ermitteln, wie ein objektiver Dritter die Nutzungsvergütungsvereinbarung verstanden hätte.

Dem Wortlaut des Vertrages ist zunächst eine Differenzierung danach, ob die Brutto- oder Nettoeinspeisevergütung als Berechnungsgrundlage zugrunde gelegt werden sollte, nicht zu entnehmen. Ein Indiz für die Berechnung nach der Bruttoeinspeisevergütung ergibt sich jedoch daraus, dass die "gesamte Einspeisevergütung" zugrunde gelegt werden sollte. Ein objektiver Dritter kann dem entnehmen, dass der Gesamtbetrag, der an den Windkraftanlagenbetreiber vom Abnehmer überwiesen wird, als Berechnungsgrundlage gelten soll. Der Gesamtbetrag der Einspeisevergütung für den streitgegenständlichen Zeitraum 2009 bis 2011 umfasste unstreitig auch die Mehrwertsteuer, die an die Beklagte zunächst gezahlt wurde.

Des Weiteren ist vorliegend bei der Auslegung die Verkehrssitte zu berücksichtigen, dass bei Privatpersonen Zahlungsbeträge grundsätzlich als Bruttobeträge verstanden werden. Das muss auch im vorliegenden Fall gelten, in dem keine besondere Regelung getroffen wurde und die Klägerinnen zwei Privatpersonen sind. Nach allgemeiner Verkehrssitte war aus Sicht eines objektiven Dritten daher in dem Zeitpunkt, als die Beklagte den Klägerinnen den von ihr vorformulierten Vertrag vorlegte, davon ausgehen, dass mit der Einspeisevergütung ein Bruttobetrag gemeint war.

Im Übrigen handelt es sich bei den Regelungen des streitgegenständlichen Nutzungsvertrages um Allgemeine Geschäftsbedingungen, bei denen gemäß § 305c Abs. 2 BGB Zweifel bei der Auslegung zu Lasten des Verwenders, also der Beklagten, gehen. In der mündlichen Verhandlung hat der Geschäftsführer der K .........-GmbH der Beklagten, W .... M .... , dargestellt, dass von der Beklagten mit einzelnen Verpächtern mindestens 50 gleichlautende Verträge geschlossen wurden. Es handelt sich daher bei den Vertragsklauseln um Vertragsbedingungen, die für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert wurden und die die Beklagte als Verwenderin den Klägerinnen bei Abschluss eines Vertrags gestellt hat. Sie sind daher Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 ff. BGB. Der in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen angeführte Begriff "Einspeisevergütung" ist zwar ein rechtstechnischer Begriff, allerdings kann seine Bedeutung nicht von juristisch unerfahrenen Vertragsparteien als bekannt vorausgesetzt werden. Der Begriff ist daher im Hinblick auf die Frage, ob damit eine "Nettoeinspeisevergütung" oder "Bruttoeinspeisevergütung" gemeint ist, mehrdeutig. Eine solch mehrdeutige Allgemeine Geschäftsbedingung ist gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders auszulegen. Ihr wird daher diejenige Bedeutung zugemessen, die im Ergebnis für den Vertragspartner am günstigsten ist. Da der von den Klägerinnen zu erzielende prozentuale Erlös aus der Überlassung ihrer Flächen gemessen an der Bruttoeinspeisevergütung am höchsten ist, ist deshalb diese Auslegung daher maßgeblich.

Dem steht nicht entgegen, dass im EEG nunmehr geregelt ist, dass bei der Einspeisevergütung die Umsatzsteuer nicht enthalten ist. Denn zum einen gab es diese gesetzliche Klarstellung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht. Zum anderen kann - wie zuvor bereits ausgeführt - der von den Gerichten und vom Gesetzgeber verstandene Regelungsinhalt des rechtstechnischen Begriffs "Einspeisevergütung" nicht von juristisch unerfahrenen Vertragsparteien als bekannt vorausgesetzt werden, da er im allgemeinen Sprachgebrauch nicht gängig ist und es daher kein allgemeines Verständnis dieses Begriffs gibt.

2.)

Der Zinsanspruch rechtfertigt sich als Prozesszinsen aus §§ 291, 288 BGB. Da die Klägerinnen nicht dargetan haben, dass sie die Beklagte unter Fristsetzung zur Zahlung aufgefordert haben, liegt kein Verzug im Sinne des § 286 BGB vor. Die Regelung im Sinne des § 3 a.E. im Nutzungsvertrag begründet keinen festen Zahlungstermin. Dort ist lediglich geregelt, dass die Abrechnung jeweils zum 01. Februar eines Folgejahres zu erfolgen hat - nicht auch die Zahlung.

Der von den Klägerinnen geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 555,85 EUR folgt aus den §§ 280 Abs. 1 u. 2, 286 Abs. 1 BGB. Vorgerichtlich hatten die Klägerinnen einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 11.883,95 EUR geltend gemacht. In dieser Höhe hat die Klage unter Berücksichtigung der Anerkenntnisurteile auch Erfolg gehabt. Den Klägerinnen steht in Folge dessen eine vorgerichtliche Geschäftsgebühr über einen Gegenstandswert in Höhe des vorgenannten Betrages zu. Der Faktor zur Berechnung der Geschäftsgebühr erhöht sich gemäß Nr. 1008 VV RVG bei zwei Mandanten um 0,3, also von 1,3 auf 1,6. Nach Anrechnung einer 0,75 Geschäftsgebühr zuzüglich der Auslagenpauschale und der anfallenden Umsatzsteuer ergibt sich daher ein Anspruch in Höhe von 555,85 EUR.

3.)

Die Beklagte hat schließlich auch sämtliche Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Die Beklagte hat durch ihr Verhalten Veranlassung zur Erhebung der Klage gegeben, so dass ihr entgegen der Auffassung des Landgerichts die in § 93 ZPO geregelte Kostenfolge nicht zugute kommt.

Die Klägerinnen hatten die Beklagte vor Klageerhebung zur Zahlung des nach ihrer Ansicht noch ausstehenden Nutzungsentgeltes aufgefordert. Dazu hat die Beklagte im Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 27.09.2012 lediglich erklärt, dass man im Rahmen eines Abschlusses eines "Vergleichs" dazu bereit sei, die später anerkannte Summe zu zahlen. Daraus lässt sich jedenfalls nicht der uneingeschränkte Wille erkennen, die Summe ohne Bedingung zahlen zu wollen.

Die Beklagte hat ihre Zahlungspflicht vielmehr unter die Bedingung eines Vergleichs gestellt. Bei einem etwaigen Vergleichsschluss hätten die Klägerinnen von vornherein auf die Geltendmachung des nunmehr streitigen Betrages verzichten müssen, worauf sie sich nicht einlassen mussten. Das Verhalten der Beklagten veranlasste daher die Klägerinnen zur Erhebung der Klage, so dass die Kostenfolge des § 93 ZPO nicht in Betracht kommt.

Die Kostenentscheidung geht daher zu Lasten der Beklagten gemäß § 91, 97 ZPO.

Die übrigen prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1, 713 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

Der Senat hat die Voraussetzungen einer Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO geprüft. Sie sind nicht erfüllt. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, da es sich vorliegend allein um eine Vertragsauslegung im konkreten Einzelfall handelt. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung durch das Revisionsgericht nicht (§§ 542 Abs. 1, 543 Abs. 1 und 2 ZPO).

Der Schriftsatz der Klägerinnen vom 25.10.2013 lag dem Senat vor. Er gab keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.