Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 16.07.2003, Az.: 3 A 76/02

BSE; Rücknahme; Tauglichkeitserklärung

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
16.07.2003
Aktenzeichen
3 A 76/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 48332
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

1

Die Klägerin betreibt einen Rinderschlachthof und wendet sich gegen die Rücknahme ihr erteilter Tauglichkeitserklärungen seitens des Beklagten.

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Im Zuge der Bemühungen zum Schutz der Verbraucher vor der Bovinen Spongiformen Enzephalopathie (BSE) sollten alle zur Schlachtung vorgesehenen Rinder im Alter von über 24 Monaten im Rahmen der Fleischuntersuchung einem zum Nachweis von BSE geeigneten Testverfahren durch ein staatliches Untersuchungslabor unterzogen werden. Auf der Basis eines negativen Testergebnisses bescheinigten die hierfür zuständigen Behörden – vorliegend der Beklagte – die Genußtauglichkeit des Fleisches. Wegen der Notwendigkeit des Aufbaus entsprechender staatlicher Untersuchungskapazitäten anerkannten die staatlichen Behörden vorübergehend auch Testergebnisse von ihnen anerkannter privater Laboratorien und erteilten auf dieser Basis entsprechende Tauglichkeitserklärungen.

3

Die Fa. B-P. Gesellschaft für Mikrobiologie und Diagnostik mbH (Fa. B-P. GmbH), deren Geschäftsführer der Beigeladene war, war im Jahr 2001 Inhaberin einer entsprechenden Anerkennung des zuständigen Senators der Freie Hansestadt Bremen. Sie wurde von der Klägerin mit der Durchführung von BSE–Tests bezüglich von Schlachttieren der Klägerin beauftragt. In der Zeit vom 28.3. bis 16.5.2001 übernahm sie derartige Untersuchungen bezüglich ihr übersandter 2506 Hirnproben. Bezüglich sämtlicher Proben teilte sie ein negatives Testergebnis mit. Für die betreffenden Tiere wurden der Klägerin daraufhin vom Beklagten 2.498 Tauglichkeitserklärungen erteilt; acht Tiere wurden untauglich beurteilt und der Tierkörperbeseitigung zugeführt.

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Im Anschluss an eine am 6.2.2002 bezüglich der Fa. B-P. GmbH mit dem Beigeladenen durchgeführten sog. „Laborbegehung“ seitens der Freie Hansestadt Bremen beanstandete diese Art und Weise der Durchführung der Untersuchungen. Auf den diesbezüglichen Vermerk „über die Begehung der BSE–Labore in Bremen“ vom 14.2.2002 sowie den Vermerk „über die Auswertung der Laborunterlagen aus der Begehung des Labors Bioprävent am 06.02.2002“ vom 15.4.2002 aus den vorliegenden Verwaltungsvorgängen der Freie Hansestadt Bremen (Beiakte F) wird Bezug genommen.

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Aus diesen Erkenntnissen folgerten die zuständigen staatlichen Behörden eine fehlende Zuverlässigkeit und Aussagekraft der seitens der Fa. B-P. GmbH erzielten Testergebnisse und bejahten eine Rechtswidrigkeit der der Klägerin auf deren Basis erteilten Tauglichkeitserklärungen. Weisungsgemäß nahm der Beklagte mit Bescheid vom 26.2.2002 gegenüber der Klägerin unter Bezugnahme auf eine beigefügte Aufstellung der Ohrenmarkennummern der Schlachttiere unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die ihr erteilten Tauglichkeitserklärungen zurück und entschied, dass deren Fleisch sowie dass mit diesem Fleisch vermischte Fleisch anderer Tiere nicht als Lebensmittel in den Verkehr gebracht werden durfte. Den hiergegen erhobenen Widerspruch der Klägerin wies die Bezirksregierung Weser–Ems mit Bescheid vom 9.4.2002 zurück. Auf Bescheid und Widerspruchsbescheid wird Bezug genommen.

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Am 29.4.2002 hat die Klägerin Klage erhoben, zu deren Begründung sie bestreitet, dass die Proben nicht ordnungsgemäß analysiert worden seien. Jedenfalls sei es nicht gerechtfertigt, sämtliche Tests zu verwerfen.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 26.2.2002 und den Widerspruchsbescheid vom 9.4.2002 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Unter Bezugnahme auf die ergangenen Bescheide wiederholt der Beklagte deren Begründungen.

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Der Beigeladene hat von einer Stellungnahme abgesehen.

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Die Firma B-P. GmbH ist inzwischen aus dem Handelsregister gelöscht.

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Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig, aber unbegründet. Die Rücknahme der Tauglichkeitserklärungen ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

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Rechtsgrundlage für den Rücknahmebescheid des Beklagten ist § 48 Bundesverwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) i.V.m. § 1 Abs. 1 Niedersächsischen Verwaltungsverfahrensgesetz (NVwVfG). Danach kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt auch nach Eintritt der Bestandskraft zurückgenommen werden; ein begünstigender Verwaltungsakt jedoch nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 (§ 48 Abs. 1 VwVfG).

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Tauglichkeitserklärungen ergehen gemäß § 10 Fleischhygienegesetz (FlHG) und stellen fest, dass eine amtliche Untersuchung durchgeführt wurde, die keinen Grund zur Beanstandung ergeben hat. Dadurch wird eine – widerlegbare – Vermutung für die Unbedenklichkeit des Fleisches zum Genuß für Menschen begründet. In diesem Sinn uneingeschränkt für tauglich erklärtes Fleisch ist für den Handelsverkehr freigegeben; anderes Fleisch unterliegt weiteren Bestimmungen des Fleischhygienegesetzes (§§ 11 – 14 FlHygG). Derartige Tauglichkeitserklärungen sind daher begünstigende Verwaltungsakte i.S.d. § 48 VwVfG, für deren Rücknahme – mangels Erstreckung auf eine Geld– oder teilbare Sachleistung (§ 48 Abs. 2 VwVfG) – § 48 Abs. 3 und 4 VwVfG einschlägig sind. Erstgenannter Absatz enthält die Regelung eines die Rücknahme voraussetzenden, nicht aber einschränkenden Entschädigungstatbestands. Die letztgenannte Bestimmung normiert die sog. Jahresfrist nach Kenntniserlangung der Behörde von Tatsachen, welche die Rücknahme rechtfertigen. Diese Frist ist vorliegend jedenfalls gewahrt, denn auf die Laborbegehung vom 6.2.2002, die erstmalig einen Verdacht auf Vorliegen eines möglicherweise eine Rücknahme rechtfertigenden Sachverhalts begründete, folgte zeitnah der Rücknahmebescheid des Beklagten vom 26.2.2002.

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Die zurückgenommenen Tauglichkeitserklärungen sind auch im Sinn des § 48 Abs. 1 VwVfG rechtswidrig. Zu recht stellt der Beklagte insoweit darauf ab, dass bei Zugrundelegung der nachträglich gewonnenen Erkenntnisse über Art und Weise der Durchführung der BSE–Tests durch die Fa. B-P. die Tauglichkeitserklärungen mangels Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen nicht hätten erteilt werden dürfen; insoweit muss sich die Klägerin das Handeln des von ihr beauftragten Laboratoriums zurechnen lassen.

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Europarechtliche Vorgaben enthielten für den vorliegend interessierenden Zeitraum 28.3. bis 16.5.2001 die Entscheidungen der Kommission vom 29.12.2000 (2001/8/EG, Amtsblatt L002, 5.1.2001, S. 28 ff), vom 29.11.2000 (2000/764/EG, Amtsblatt L305, 6.12.2000, S. 35 ff), vom 5.6.2000 (Amtsblatt L135, 8.6.2000, S. 27 ff) und vom 23.4.1998 (98/272/EG, Amtsblatt L122, 24.4.1998, S. 59 ff). In Umsetzung dieser Entscheidungen erging die für die Durchführung von BSE–Tests im vorgenannten Zeitraum maßgebliche Verordnung zur fleischhygienerechtlichen Untersuchung von geschlachteten Rindern auf BSE vom 1.12.2000 – VO – (BGBl I, S. 1659) in der Fassung der ersten Änderungsverordnung vom 25.1.2001 (BGBl I, S. 164). Im Rahmen der Fleischuntersuchung waren gemäß § 1 Abs. 1 VO Rinder im Alter von über 24 Monaten mit einem der in Anhang IV Buchstabe A der Entscheidung 98/272/EG der Kommission in der jeweils geltenden Fassung anerkannten Tests zu untersuchen. Neben der Probenahme mußten gemäß § 2 S. 1 VO auch die Laboruntersuchungen und die Aufzeichnungen den Regelungen des Anhangs IV Nr. 1, 2.2 und 3 und des Anhangs III der in § 1 Abs. 1 genannten Entscheidung entsprechen. In Abhängigkeit vom Ergebnis dieser Untersuchung war sodann die Fleischuntersuchung – ggf. nach weiteren Untersuchungen (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 VO) – abzuschließen und das Fleisch entsprechend dem Ergebnis der Fleischuntersuchung zu kennzeichnen. Hierin manifestierte sich die auf dem Ergebnis der Fleischuntersuchung beruhende Tauglichkeitserklärung im Sinne des § 10 FlHygG.

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Für die Durchführung der Fleischuntersuchung einschließlich der in ihrem Rahmen vorzunehmenden BSE–Testung war die Zuständigkeit des Beklagten begründet. Aufgrund der Legaldefinition des § 1 Absatz 1 Satz 1 Fleischhygienegesetz (FlHG) und des § 2 Nr. 1 i.V.m. § 5 Absatz 2 und 3 der hierzu ergangenen Fleischhygiene–Verordnung (FlHV) steht fest, dass es sich insoweit um amtliche Untersuchungen handelt, zu deren Durchführung die zuständigen Behörden berufen sind und die einem amtlichen Tierarzt obliegen (§ 22a FlHG). Letztgenannte bedienen sich bei Durchführung der (amtlichen) Fleischuntersuchung im Grundsatz verwaltungsintern der gemäß ministeriellem Erlass zuständigen staatlichen Untersuchungseinrichtungen (Runderlass „Aufgaben und Zuständigkeiten der Staatlichen Untersuchungsämter“ des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (ML) vom 20.10.1992 (MBl. S. 1594) i.V.m. Erlass „Fleischhygiene, Tierseuchenhygiene; Durchführung der BSE–Schnelltests“ des ML vom 04.12.2000). Eine Anerkennung von BSE–Tests, die von privaten Laboratorien im Auftrag eines Schlachtbetriebs durchgeführt werden, sehen die rechtlichen Bestimmungen nicht vor; hierfür fehlt es mithin an einer ausdrücklichen rechtlichen Grundlage (Beschluss der Kammer vom 20.9.2001, 3 B 30/01). § 3 BSE–VO regelt lediglich die Durchführung von BSE–Tests bezüglich solcher Rinder, die nicht dem Anwendungsbereich des § 1 Absatz 1 BSE–VO unterfallen, bei denen somit keine amtliche Untersuchung durchgeführt wird. Diese ausschließlich aufgrund privater Initiative durchgeführten Tests unterwirft die Verordnung ersichtlich aus Gründen des Verbraucherschutzes im Einzelnen geregelten Anforderungen, um die fachliche und sachliche Aussagekraft der Tests zu gewährleisten, sowie der im übrigen nach allgemeinen Bestimmungen durchzuführenden amtlichen Fleischuntersuchung die Berücksichtigung dieser Testergebnisse zu ermöglichen.

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Die seitens der zuständigen Behörden unter dem Vorbehalt schnellstmöglicher Bereitstellung ausreichender staatlicher Untersuchungskapazitäten vorübergehend im Interesse der Schlachttierbesitzer geübten Verwaltungspraxis, im Rahmen der Fleischuntersuchung auch die Ergebnisse privatrechtlich organisierter BSE–Tests anerkannter Laboratorien zu akzeptieren und der Erteilung von Tauglichkeitserklärungen zugrunde zu legen, setzte voraus, dass deren Tests den an BSE–Tests gestellten verordnungsrechtlichen Anforderungen genügten. Dies belegt auch § 3 VO, der selbst solche betriebseigenen Kontrollen den durch § 2 VO für die Laboruntersuchungen und die Führung der Nachweise normierten Anforderungen unterwirft, die bei Rindern durchgeführt wurden, die der amtlichen Untersuchung nach § 1 Abs. 1 VO nicht unterlagen, für die somit die Notwendigkeit einer BSE–Testung aus rechtlicher Sicht zu verneinen war. Für eine zu diesen rechtlichen Rahmenbedingungen im Widerspruch stehende Verwaltungspraxis, derartigen Anforderungen nicht genügende BSE–Tests privater Laboratorien demgegenüber bei Rindern anzuerkennen bzw. anerkennen zu wollen, die der amtlichen Untersuchung von Rechts wegen aufgrund der Annahme eines besonderen Gefährdungspotentials unterlagen, ist nichts ersichtlich. Hiergegen spricht auch der Umstand, dass die privatrechtlichen Laboratorien eine Zulassung gemäß § 17c Abs. 4 Nr. 2b des Tierseuchengesetzes benötigten, mithin der administrativen Kontrolle unterstellt wurden. Dementsprechend auferlegte der diesbezügliche Bescheid der Freie Hansestadt Bremen der Fa. B-P. u.a. über die Durchführung der Untersuchungen sowie über deren Ergebnisse Aufzeichnungen zu führen, die ihr ersichtlich die Kontrolle der Erfüllung der für BSE–Tests bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen seitens der Fa. B-P. und damit des Vorliegens der Voraussetzungen für eine Anerkennung der von dieser durchgeführten Tests im Rahmen der Fleischuntersuchung ermöglichen sollten. Damit wird angesichts der Regelungen der §§ 1 Abs. 1, 2 S. 1, 3 Nr. 2 VO sowie des Artikel 4 Abs. 3 der Entscheidung 98/272/EG i.d.F.d. Entscheidung 2000/374/EG auf Anhang III der jeweils geltenden Fassung dieser Entscheidung Bezug genommen. Gemäß Ziffer 2 dieses Anhangs führt das für die Untersuchungen zuständige Labor Aufzeichnungen über alle Untersuchungen, die sieben Jahre lang zu verwahren sind. Desweiteren erfolgte die Anerkennung beschränkt auf die Anwendung des sich im Zulassungsverfahren bei der Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere (BfAV) befindlichen BSE–Testkits der Fa. BIO–RAD Laboritories GmbH, womit der Fa. B-P. die Einhaltung der seitens des Herstellers bzw. der BfAV vorgegebenen Verfahrensweisen auferlegt worden ist. Voraussetzung für Anerkennung seitens der Klägerin unter Beauftragung der Fa. B-P. erzielter Testergebnisse und damit Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die erteilten Tauglichkeitserklärungen war somit nicht nur ein negatives Testergebnis als solches, sondern vielmehr, dass dieses unter uneingeschränkter Einhaltung der für die Durchführung der Tests geltenden Anforderungen erzielt worden ist.

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Aufzeichnungen im Sinn der o.g. Anlage III, die eine von den rechtlichen Bestimmungen intendierte Überprüfung der Ordnungsgemäßheit der Probeuntersuchung und der Verlässlichkeit der Testergebnisse zuließen, liegen nicht vor. Diesbezüglich stellt der „Vermerk der über die Auswertung der Laborunterlagen aus der Begehung des Labors Bioprävent am 06.02.2002“ unter Bezugnahme auf die ebenfalls beigezogenen Laborprotokolle fest, dass die Unterlagen, die anläßlich der Laborbegehung vorgefunden bzw. seitens des Beigeladenen am 12. und 21.2.2002 nachgereicht wurden, in Ermangelung einer entsprechenden Labordokumentation der Fa. B-P. seitens der kontrollierenden Behörde sortiert und zusammen gestellt werden mußten. Als Ergebnis dieser Prüfung wird insbesondere festgestellt, dass die Messdaten nach Art und Umfang nicht für jeden Arbeitstag gleichartig sind, so dass nicht festgestellt werden kann, dass die Unterlagen vollständig sind. Ebensowenig ist erkennbar, welche Person welchen Arbeitsschritt an den Proben verantwortlich vorgenommen hat. Eine Zuordnung der Messprotokolle und der Labordaten zu den eingesandten Gehirnproben und damit den geschlachteten Rindern ist nicht eindeutig möglich. Für nahezu jeden Arbeitstag bestehen Unstimmigkeiten zwischen der Anzahl der eingesandten Proben und der im Labor erarbeiteten Messwerte, die sich anhand der Unterlagen nicht aufklären lassen. In Abweichung vom vorgeschriebenen Testverfahren sind bei den Testungen vom 28.3. und 20.4.2001 jeweils zwei eingesandte Gehirnproben zu einer Laborprobe zusammengefasst („gepoolt“) worden. Diesen Sachverhalt hat der Beigeladene nach einem Schreiben der Freie Hansestadt Bremen vom 20.2.2002 an das niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten für einen erheblichen Teil der untersuchten Proben eingeräumt. Für diese Laborprobe wurden sodann mit nachweisbarer zeitlicher Verzögerung zwei nahezu identische Messprotokolle erstellt, so dass der Eindruck einer isolierten Untersuchung jeder der beiden Gehirnproben erweckt wird. Nicht aufklärbare Zweifel bestehen bezüglich der korrekten Auswertung der gemessenen „Extinktionswerte“, weil die Berechnung des Grenzwerts bei den Messungen vom 28.3. bis zum 11.4.2001 offenbar nur auf der Grundlage einer Messreihe erfolgt ist, obwohl die Daten aus zwei Messreihen vorliegen. Diese Vorgehensweise wird unter der Prämisse der Zusammenfassung zweier Gehirnproben zu einer Laborprobe nachvollziehbar. Für die Zeit vom 12.4. bis zum 16.5.2001 liegen jeweils zwei völlig verschiedene Messprotokolle vor. Die bei der Überprüfung vor Ort vorgefundenen weisen keine Messwerte aus, die als korrekte Positivkontrollen gewertet werden können. Hinsichtlich der seitens des Beigeladenen nachgereichten Protokolle bestehen Zweifel bezüglich deren Authentizität. Form der Darstellung und Druckbild der Ziffern sind verschieden zu den vor Ort vorgefundenen Messprotokollen; zusätzliche Angaben zum Datum, zur Probenzahl und zum Grenzwert sind per Hand bzw. mit einem anderen Druckbild eingefügt worden; für den 2.5.2001 werden im zweiten Messprotokoll Messwerte für 69 Proben ausgewiesen, während es nachweislich 79 Probeneinsendungen und diesbezügliche Befundmitteilungen gegeben hat.

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Aufgrund dessen steht fest, dass die Durchführung der BSE–Tests seitens der Fa. B-P. weder den EG–rechtlichen Anforderungen noch – jedenfalls soweit es das „poolen“ zweier Gehirnproben angeht – den Vorgaben für eine bestimmungsgemäße Anwendung des Testkits genügt hat. Mithin fehlte es an entscheidenden Voraussetzungen für die Anerkennung der von der Klägerin im Rahmen der Fleischuntersuchung geltend gemachten Testergebnisse, so dass die auf deren Grundlage ausgestellten Tauglichkeitserklärungen abweichend von der verwaltungsbehördlicher Anwendungspraxis und den rechtlichen Voraussetzungen und somit rechtswidrig erteilt worden sind.

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Doch auch sofern man lediglich das jeweils seitens der Fa. B-P. als von ihr erzieltes Testergebnis bestätigte negative Befundergebnis eines fehlenden Befalls des Fleisches mit BSE als Rechtmäßigkeitsvoraussetzung ansähe, stellten die Tauglichkeitserklärungen rechtswidrige Verwaltungsakte im Sinn des § 48 VwVfG dar. In diesem Fall bliebe aufgrund der fehlenden bzw. mangelhaften Unterlagen ungeklärt, ob die Testergebnisse der Fa. B-P. zutrafen, d.h. das Fleisch tatsächlich BSE–frei ist, oder ob diese Frage mangels Aussagekraft dieser Testergebnisse weiterhin als offen angesehen werden muss. Ersterenfalls wären die Tauglichkeitserklärungen zu recht erteilt worden, während letzterenfalls mangels Ausschlusses eines BSE–Befalls keine Tauglichkeitserklärungen hätten erteilt werden dürfen und die dennoch erteilten deshalb als rechtwidrig zu bewerten wären. Die sich damit auf die Beurteilung der Rechtmäßigkeit entscheidend auswirkende fehlende Aufklärbarkeit wirkt sich vorliegend zu Lasten der Klägerin aus, so dass die Tauglichkeitserklärungen als rechtswidrig zu bewerten sind.

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Gemäß der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts trägt im Falle der Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts im Grundsatz zwar die zurücknehmende Behörde die Feststellungslast dafür, daß der begünstigende Verwaltungsakt rechtswidrig ergangen ist. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz hat aber dann zu gelten, wenn die Unerweislichkeit auf einem gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßenden unlauteren Verhalten des Begünstigten beruht; dies setzt grundsätzlich ein schuldhaftes, also mindestens ein fahrlässiges Verhalten voraus (vgl. BVerwG, U.v. 5.9.1991, 3 C 64/88, NVwZ 1992, 773 m.w.Nachw.).

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Der Begünstigte muss sich dabei schuldhaftes Verhalten von ihm beauftragter Dritter wie eigenes Verschulden nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen zurechnen lassen. Deshalb ist das Verhalten der von ihr mit der Durchführung der BSE–Schnelltests beauftragten Fa. B-P. vorliegend der Klägerin zuzurechnen. Insofern bedient sich die Klägerin unter Zuziehung der Fa. B-P. privater Dienstleistungen für die Durchführung aus verwaltungsrechtlicher Hinsicht "betriebseigener Kontrollen“ in keiner anderen Weise als bei den in § 3 VO normierten Untersuchungen von nicht der amtlichen Untersuchung unterliegenden Rindern. Dem steht auch nicht die Notwendigkeit einer öffentlichrechtlichen Erlaubnis gegenüber der Fa. B-P. zur Durchführung der BSE–Tests entgegen. Die Rechtswirkung der Erlaubnis beschränkt sich darauf, dem Privaten – hier die Fa. B-P. – kontrolliert eine zunächst von Gesetzes wegen untersagte gewerbliche Tätigkeit zu ermöglichen. Der Erlaubnisnehmer bleibt zwar der Kontrolle der zuständigen Behörde unterworfen, ohne dass dies jedoch deren Verantwortlichkeit für etwaiges Fehlverhalten des Erlaubnisnehmers im Rechtsverkehr gegenüber Dritten begründete. Soweit die Klägerin daher aus einem infolge der BSE–Krise begründeten besonderen wirtschaftlichen Interesse heraus die ihr eröffnete Möglichkeit des Nachweises der BSE–Freiheit ihrer Schlachttiere durch Vorlage auf privatrechtlicher Grundlage eingeholter und somit im Rechtssinne „betriebseigener“ Testungen nutzte, hat sie für die von ihr zugezogenen Dritten wie für eigenes Verhalten gegenüber dem Beklagten einzustehen. Insoweit ist es für die verwaltungsrechtliche Bewertung unerheblich, ob die Klägerin die BSE–Tests in einem Laboratorium ihres eigenen Betriebs durchführen ließ oder ob sie sich hierfür externer privater Dienstleister bediente.

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Dies rechtfertigt vorliegend die Wertung, dass die Unerweislichkeit der tatsächlichen Aussagekraft der in Rede stehenden BSE–Tests auf einem der Klägerin als Begünstigter zuzurechnenden, gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßenden unlauteren Verhalten beruht, das schuldhaft ursächlich dafür ist, dass die Rechtmäßigkeit der Tauglichkeitserklärungen nicht festgestellt werden kann. Wie ausgeführt ist die Fa. B-P. der ihr obliegenden Dokumentationspflicht höchst unzureichend nachgekommen. Die zugänglichen Informationen begründen in mehrfacher Hinsicht substantiierte Zweifel an der ordnungsgemäßen Durchführung der Testverfahren sowie der darin gewonnenen Messdaten und stellen die der Klägerin bzw. dem Beklagten mitgeteilten negativen Befunde nachhaltig in Frage. Dies rechtfertigt es, der Klägerin die Feststellunglast im Sinn o.g. Rechtsprechung zuzuweisen, so dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Rücknahme der Tauglichkeitserklärungen gegeben sind.

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Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Betätigung des dem Beklagten bezüglich der Rücknahmeentscheidung eingeräumten Ermessens sind nicht erkennbar. Angesichts des durch die Möglichkeit einer BSE–Belastung des Fleisches in hohem Maße gefährdeten, hervorragenden Rechtsguts von Leben und Gesundheit der Verbraucher sind einer die Verkehrstauglichkeit des Fleisches beseitigenden Rücknahme durchgreifend entgegenstehende Belange nicht gegeben. Die betroffenen wirtschaftlichen Interessen sind – auch wenn der Schaden die Millionengrenze überschreitet – hierzu erkennbar nicht geeignet. Die Klägerin ist insoweit auf etwaige Schadensersatz– und Ausgleichsansprüche verwiesen.