Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 13.03.2018, Az.: L 7 AL 71/16

Insolvenzgeld aus abgetretenem Recht; Zweck des Insolvenzgeldes; Keine Schonung der Insolvenzmasse; Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes aus Mitteln des Gemeinschuldners

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
13.03.2018
Aktenzeichen
L 7 AL 71/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 17157
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG Lüneburg - 06.10.2016 - AZ: S 7 AL 182/15

Fundstellen

  • InsbürO 2018, 365-366
  • NZI 2018, 409-412
  • NZI 2018, 790-791
  • ZInsO 2018, 1052-1055
  • info also 2018, 161-165

Redaktioneller Leitsatz

1. Das Insg soll die infolge der Insolvenz des Arbeitgebers als Gemeinschuldner unerfüllten Ansprüche auf Arbeitsentgelt ersetzen; vor dem Hintergrund dieses Gesetzeszwecks besteht kein Anlass, Ansprüche als in diesem Sinne unerfüllt anzusehen und aus Mitteln der Solidargemeinschaft abzudecken, wenn der Insolvenzverwalter wie ein Dritter den Insg-Anspruch vom Arbeitnehmer gegen eine Zahlung in Höhe des vollen Nettoarbeitsentgelts aus der Insolvenzmasse "erwirbt", anstatt den Anspruch auf Nettoarbeitsentgelt unmittelbar zu erfüllen.

2. Finanziert hingegen der Insolvenzverwalter nach der Insolvenzeröffnung das Insg aus Mitteln des Gemeinschuldners vor, steht der betroffene Arbeitnehmer bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht nur genau so, wie er bei einer unmittelbaren Erfüllung seines Anspruchs auf Arbeitsentgelt stünde.

3. Die Zahlung von Insg wird unter diesen Voraussetzungen auch nicht mehr eingesetzt, um den Weiterbetrieb des Unternehmens zu gewährleisten, sondern bewirkt letztlich nur, dass die Insolvenzmasse geschont wird.

4. Dieses Ziel ist jedoch von Gesetzes wegen nicht geschützt.

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 6. Oktober 2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten für beide Rechtszüge zu tragen.

Der Streitwert wird mit 994,73 Euro festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten Insolvenzgeld (Insg) aus abgetretenem Recht.

Die E. mit Sitz in F. (Arbeitgeberin) bot im Wesentlichen Reinigungs- und Verpackungsarbeiten für verschiedene Unternehmen u. a. der fleischverarbeitenden Industrie an und beschäftigte zuletzt 26 überwiegend aus Ungarn stammende Arbeitnehmer. Am 2. April 2015 beantragte der Geschäftsführer der Arbeitgeberin ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der E ... Mit Beschluss des Amtsgerichts (AG) G. vom selben Tag - 7 IN 27/15 - wurde der Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Der Geschäftsbetrieb wurde fortgeführt und das Unternehmen später veräußert.

Der Kläger schloss mit dem Bankhaus H. in I. (Bank) eine Rahmenvereinbarung über die Vorfinanzierung von Insg für die Monate März bis Mai 2015. Die Beklagte stimmte der Vorfinanzierung für die Monate März und April 2015 zu.

Ab dem 16. April 2015 stellte die Arbeitgeberin mit Zustimmung des Klägers vierzehn Arbeitnehmer neu ein, weil in der fleischverarbeitenden Industrie jahreszeitenbedingt ein höherer Personalbedarf bestand und deshalb ausgeschiedene Arbeitnehmer zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes ersetzt werden mussten. Unter den Neueingestellten befand sich die 1965 geborene, als Packhilfe eingestellte ungarische Staatsangehörige Frau J. (H.). H. erzielte im Mai 2015 ein Nettoarbeitsentgelt in Höhe von 1.154,73 Euro und erhielt von der Arbeitgeberin 160,- Euro sowie von der Bank im Rahmen der Vorfinanzierung 100,- Euro ausbezahlt (verbleibende Differenz 894,73 Euro). Das Arbeitsverhältnis endete nach ihrer Kündigung am 31. Mai 2015. Das Insolvenzverfahren wurde am 1. Juni 2015 eröffnet.

H. beantragte am 16. Juni 2015 Insg für den Monat Mai 2015. Im Zuge eines bis zum 30. Juni 2015 zwischen den Beteiligten geführten E-Mail-Verkehrs vertrat die Beklagte die Ansicht, dass die im vorläufigen Insolvenzverfahren eingestellten Arbeitnehmer grundsätzlich keinen Anspruch auf Insg hätten. Mit dem "Forderungskaufvertrag" vom 1. Juli 2015 erwarb der Kläger von H. gegen eine aus der Insolvenzmasse geleistete Zahlung in Höhe von 994,73 Euro ihre "pauschalierten Ansprüche auf Nettoarbeitsentgelt für den Monat Mai 2015" gegenüber der Arbeitgeberin E. in gleicher Höhe. H. trat ihre Ansprüche gegen die Arbeitgeberin sowie "in Höhe des gesamten pauschalierten Betrages alle bestehenden und künftig entstehenden Ansprüche" gegenüber der Beklagten an den Kläger ab.

Zugleich bevollmächtigte H. den Kläger, die Ansprüche im eigenen Namen oder im Namen der H. gegenüber der Beklagten - auch klagweise - geltend zu machen.

Mit Bescheid vom 7. Juli 2015 lehnte die Beklagte gegenüber H. die Bewilligung von Insg ab. Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 6. August 2015 - ausschließlich im eigenen Namen und mit dem Zusatz "als Insolvenzverwalter" bei der Unterschrift - Widerspruch ein. Diesen wies die Beklagte mit Bescheid vom 16. Oktober 2015 zurück.

Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Lüneburg mit Urteil vom 6. Oktober 2016 die Bescheide der Beklagten aufgehoben, die Beklagte verurteilt, an den Kläger 994,73 Euro zu zahlen und ausgesprochen, dass die Beklagte die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen habe. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, der zwischen H. und der Arbeitgeberin geschlossene Arbeitsvertrag sei wirksam gewesen. Die Vorschriften der §§ 134, 138 BGB sowie der §§ 165, 169 und 170 SGB III stünden der Wirksamkeit nicht entgegen. Die Regelung des § 165 Abs. 1 SGB III lasse erkennen, dass es allein auf die Einstellung eines Arbeitnehmers vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ankomme. Unerheblich sei hingegen, ob die Einstellung erst nach Beantragung des Insolvenzverfahrens erfolge.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die ihre Rechtsansicht wiederholt und vertieft.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 6. Oktober 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für richtig.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung, weil die Beteiligten hierzu mit ihren Schriftsätzen vom 1. und 12. Dezember 2017 zugestimmt haben (§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Abweisung der Klage. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Insg aus übergegangenem Recht.

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben nach § 165 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in der seit dem 1. April 2012 geltenden Fassung durch das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt (BGBl. 2011 I, 2854) Anspruch auf Insg, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei einem Insolvenzereignis für die vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Als Insolvenzereignis gilt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers (Nr. 1), die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse (Nr. 2) oder die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt (Nr. 3).

1. Maßgebliches Insolvenzereignis war im vorliegenden Fall die Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. Juni 2015. Ein hiervon abweichendes, vorrangiges vorheriges Insolvenzereignis ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

2. H. war auch bei der Arbeitgeberin als Arbeitnehmerin beschäftigt. Der Senat hat keinen Anhaltspunkt für Tatsachen, die dem Bestand oder der Wirksamkeit des Arbeitsvertrags der H. mit der Arbeitgeberin entgegen stehen könnten.

Mit dem Abschluss des Arbeitsvertrages im vorläufigen Insolvenzverfahren verstieß der Geschäftsführer der Arbeitgeberin insbesondere nicht gegen den Beschluss des AG G. vom 2. April 2015 gemäß § 21 Abs. 1 und 2 Insolvenzordnung (InsO), da mit diesem kein allgemeines Verfügungsverbot, sondern lediglich die Notwendigkeit einer Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters angeordnet wurde, die der Kläger erteilt hat.

Aus dem SGB III ergibt sich kein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB, insbesondere kein Anhaltspunkt dafür, dass im vorläufigen Insolvenzverfahren gar keine oder - wie in den internen Dienstanweisungen der Beklagten vorgesehen - nur Arbeitnehmer in "Schlüsselpositionen" eingestellt werden dürften (so bereits Senatsurteil vom 22. November 2016 - L 7 AL 2/15 -, juris Rn. 25 ff.). Vielmehr hat der Gesetzgeber in § 165 Abs. 1 Satz 1 SGB III eindeutig geregelt, dass für den Anspruch auf Insg die Beschäftigung und der Lohnausfall in den vorausgegangenen drei Monaten des Arbeitsverhältnisses vor dem Insolvenzereignis maßgebend sind. In § 165 Satz 2 SGB III hat der Gesetzgeber darüber hinaus die Insolvenzereignisse abschließend geregelt. In § 165 Abs. 3 SGB III hat der Gesetzgeber die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Insg für den Fall geregelt, dass Arbeitnehmer nach Eintritt des Insolvenzereignisses weitergearbeitet oder die Arbeit aufgenommen haben. In einer solchen Fallgestaltung umfasst der Insolvenzgeldzeitraum abweichend von § 165 Abs. 1 SGB III die letzten dem Tag der Kenntniserlangung vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses. Eine besondere (Ausschluss-)Regelung für den Fall, dass der Arbeitsvertrag im vorläufigen Insolvenzverfahren geschlossen worden ist, hat der Gesetzgeber gerade nicht getroffen.

Eine andere Auffassung lässt sich auch nicht im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte des § 165 SGB III rechtfertigen, weil der Anwendungsbereich des § 165 Abs. 3 SGB III gegenüber § 141b Abs. 4 AFG erweitert worden ist. Während § 141b Abs. 4 AFG nur den Insolvenztatbestand der Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse erfasste, bezieht die jetzige Regelung auch die erweiterten Insolvenztatbestände nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III (Eröffnung des Insolvenzverfahrens) und § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 (Beendigung der Betriebstätigkeit) ein. Dadurch hat der Gesetzgeber die frühere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), die bereits die Vorläuferregelung auf andere Insolvenzereignisse entsprechend angewendet hatte, umgesetzt (BSG, Urteil vom 16. November 1984 - 10 RAr 17/83 -, SozR 4100 § 141b Nr. 34, Voelzke in: Hauck/Noftz, SGB III, § 165 Rn. 165). Ein gesetzgeberischer Wille, Insg-Ansprüche für nach der Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens geschlossene Arbeitsverhältnisse auszuschließen, lässt sich der Gesetzeshistorie nicht entnehmen. Es kommt insbesondere nicht auf eine fehlende Kenntnis von dem Insolvenzantrag analog § 165 Abs. 3 SGB III oder darauf an, ob die neu eingestellten Arbeitnehmer Schlüsselpositionen innehaben (vgl. Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Mai 2016 - L 13 AL 1503/15 -, NZI 2016, 647 = juris Rn. 21; Urteil vom 6. Februar 2009 - L 8 AL 4096/06, NZS 2010, 163; Sächsisches LSG, Urteil vom 18. Dezember 2014, L 3 AL 13/13, NZI 2015, 522 = juris Rn. 32; SG Kassel, Urteil vom 7. November 2012 - S 7 AL 43/12 -, NZS 2013, 356; Schneider in jurisPK-SGB III, § 165 Rn. 63.1; siehe auch Koch/Rein, NZS 2014, 841). Auch eine einschränkende Auslegung oder analoge Anwendung des § 165 Abs. 3 SGB III, dass eine Insolvenzgeldgewährung bei neu eingestellten Arbeitnehmern nur in Betracht komme, wenn ihre Einstellung notwendig gewesen sei, um eine unmittelbare Betriebsschließung zu verhindern, scheidet aufgrund des klaren Regelungsgehalts der Vorschrift und mangels planwidriger Regelungslücke aus.

Der Arbeitsvertrag der H. mit der Arbeitgeberin verstößt auch nicht gegen die guten Sitten (§ 138 BGB). Ein Rechtsgeschäft ist nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt,

Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist. Dabei sind nicht nur der objektive Inhalt des Geschäfts, sondern auch die Umstände, die zu seiner Vornahme geführt haben, und die von den Parteien verfolgten Absichten und Beweggründe zusammenfassend zu berücksichtigen (vgl. Bundesgerichtshof [BGH], Urteil vom 10. Oktober 1997 - V ZR 74/96 -, NJW-RR 1998, 590). Vorliegend fehlt es bereits an den objektiven Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts. Nach den Gesamtumständen steht fest, dass der Arbeitsvertrag zwischen H. und der Arbeitgeberin dazu dienen sollte, die bereits vorhandenen Werkverträge zu erfüllen, dadurch Schlüsselkunden nicht zu verlieren und den Weiterbetrieb des Unternehmens zu sichern.

Der Abschluss des Arbeitsvertrages mit H. ist auch kein gegen § 138 BGB verstoßendes Rechtsgeschäft zu Lasten der Beklagten oder der Allgemeinheit. Das Insolvenzverfahren dient nämlich dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird (§ 1 Satz 1 InsO). Die Einstellung der H. war gerechtfertigt und diente dem Erhalt des Unternehmens, weil im vorläufigen Insolvenzverfahren Werkverträge zu erfüllen waren, die jedoch aufgrund von Eigenkündigungen einiger Arbeitnehmer nicht hätten erfüllt werden können.

3. Der Senat muss nicht entscheiden, ob und ggf. in welcher Höhe ein für die dem Insolvenzereignis vorausgehenden drei Monate - hier also den Zeitraum von März bis Mai 2015 - unerfüllter Anspruch der H. auf Arbeitsentgelt vorhanden ist. Auch einen solchen dem Grunde nach als bestehend unterstellt, wäre weder dieser (hierzu a.), noch ein Anspruch auf Insg (hierzu b.) auf den Kläger übergegangen.

a. Gemäß § 170 Abs. 1 SGB III steht der Anspruch auf Insolvenzgeld einem Dritten zu, soweit die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer diesem vor Antragstellung auf Insolvenzgeld Ansprüche auf Arbeitsentgelt übertragen hat.

Nach § 169 Satz 1 SGB III gehen Ansprüche auf Arbeitsentgelt, die einen Anspruch auf Insolvenzgeld begründen, mit dem Antrag auf Insolvenzgeld auf die Bundesagentur über.

Dies zugrunde gelegt, ist der Kläger nicht Inhaber des Anspruchs auf Arbeitsentgelt geworden, weil H. nach Beantragung des Insg bei Abschluss des Forderungskaufvertrages nicht mehr befugt war, über den Anspruch auf Arbeitsentgelt zu verfügen. Der Anspruchsübergang tritt selbst bei unbegründeten Insg-Anträgen aus Gründen der Rechtsklarheit ein (BSG, Urteil vom 17. Juli 1979 - 12 RAr 15/78, BSGE 48, 269 = SozR 4100 § 141b Nr. 11 = juris Rn. 23). Da auch ein gutgläubiger Erwerb der Forderung mangels eines einen Rechtsschein begründeten Publizitätsakts (vgl. § 405 BGB) ausscheidet, ist der Kläger nicht durch Abtretung Inhaber des Anspruchs der H. auf Arbeitsentgelt geworden, so dass ihm das Insg nicht zusteht.

Es muss auch nicht entschieden werden, ob H. den später an sie zurückgefallenen Anspruch auf Arbeitsentgelt wirksam im Voraus an den Kläger abgetreten hatte. Eine Rückübertragung auf den Arbeitnehmer erfolgt nicht bereits - wovon aber wohl die Beteiligten ausgehen - mit einer Ablehnungsentscheidung der Beklagten, sondern erst mit deren Bestandskraft, weil diese eine auflösende Bedingung für den gesetzlichen Forderungsübergang ist (BSG, Urteil vom 17. Juli 1979, a. a. O.). Zwar wurde die gegenüber H. ergangene Ablehnungsentscheidung mit dem Ablauf der Widerspruchsfrist am 10. August 2015 bestandskräftig, weil H. gegen die Ablehnungsentscheidung selbst keinen Widerspruch einlegte und der Kläger das Widerspruchs- und Klageverfahren ausschließlich im eigenen Namen als Insolvenzverwalter führte. Selbst wenn H. ihren Anspruch auf Arbeitsentgelt wirksam im Voraus an den Kläger abgetreten hätte, wäre er zwar dann Inhaber des Anspruchs auf Arbeitsentgelt geworden. Durch die bestandskräftige Ablehnung gegenüber H. hätte es dann aber eines erneuten Antrages des Klägers auf Insg bedurft, den er innerhalb von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis - also bis spätestens zum 1. August 2015 - hätte stellen müssen (§ 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III). Da das Fristversäumnis allein auf der vom Kläger selbst formulierten unwirksamen Abtretungserklärung beruhte, ist auch für eine spätere Antragstellung (§ 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III) kein Raum, so dass auch nicht entschieden werden muss, ob ein Antrag auf Insg in dem mit Schreiben vom 6. August 2015 eingelegten Widerspruch oder einem späteren Schreiben gesehen werden könnte.

b. Der Kläger ist auch nicht durch isolierte Abtretung Inhaber des Insg-Anspruchs der H. geworden. Zwar ist gemäß § 171 Satz 1 SGB III eine Abtretung des Insg-Anspruchs nach Antragstellung möglich. Hier fehlt es allerdings an einer hinreichend bestimmten Abtretung des Anspruchs der H. an den Kläger. H. hat "in Höhe des gesamten pauschalierten Betrages alle bestehenden und künftig entstehenden Ansprüche" gegen die Beklagte an den Kläger abgetreten. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 19. März 1992 - 7 RAr 26/91 -, BSGE 70, 186 = SozR 3-1200 § 53 Nr. 4 = juris Rn. 32; vgl. Urteil vom 29. Juni 1995 - 11 RAr 109/94 -, BSGE 76, 184 = SozR 3-1200 § 53 Nr. 8 = juris Rn. 28) ist eine Abtretung allerdings nur dann hinreichend bestimmt und damit wirksam, wenn die betreffende Forderung und ihr Rechtsgrund so genau bezeichnet sind, dass bei verständiger Auslegung unzweifelhaft feststeht, welche Forderung übergehen soll. Das BSG hat darauf hingewiesen, dass das Objekt des Rechtsgeschäfts (Abtretungsgegenstand) bei mangelnder Bestimmtheit wegen der im Arbeitsförderungsrecht möglichen Vielzahl laufender Geldleistungen im Ungewissen bleibe, wenn sie lediglich unter einem Sammelbegriff wie etwa dem der "sämtlichen laufenden Leistungen nach dem AFG" oder der "bestehenden und künftigen Ansprüche gegen das Arbeitsamt" gekennzeichnet werde (BSG, Urteil vom 19. März 1992, a. a. O.).

Dieser überzeugenden und - soweit ersichtlich - auch nicht in Zweifel gezogenen Ansicht folgt der Senat.

Nach diesen Maßstäben ist die Abtretung nicht hinreichend bestimmt. Sie ist zwar in der Höhe des Betrages begrenzt, nicht hingegen auf eine bestimmte Leistung, insbesondere nicht das Insg, und auch nicht im Hinblick auf den Zeitpunkt der Anspruchsentstehung.

4. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der Kläger den Insg-Anspruch der H. auch bei einer wirksamen Abtretung des Insg-Anspruchs nicht unter Berufung auf den "Forderungskaufvertrag" hätte beanspruchen können, weil er im Kern lediglich die H. so gestellt hat, als hätte der Arbeitgeber ihren Anspruch auf Arbeitsentgelt erfüllt.

Der Kläger als Insolvenzverwalter hat - offensichtlich vor dem Hintergrund der Ankündigung der Beklagten, an die während des vorläufigen Insolvenzverfahrens eingestellten Arbeitnehmer kein Insg zahlen zu wollen - mit H. einen "Forderungskaufvertrag" geschlossen und in dessen Erfüllung an H. einen Geldbetrag gezahlt und sich im Gegenzug den Anspruch der H. die Ansprüche gegen die Beklagte abtreten lassen. Die vertragliche Ausgestaltung als Forderungskauf ändert jedoch nichts daran, dass der Kläger im Kern mit ihm nicht den Weiterbetrieb des Unternehmens fördern, sondern die H. aus anderen Gründen wie bei einer unmittelbaren Erfüllung ihres Arbeitsentgeltanspruchs stellen wollte.

a. Das Insg soll die infolge der Insolvenz des Arbeitgebers als Gemeinschuldner unerfüllten Ansprüche auf Arbeitsentgelt ersetzen (vgl. E. Schneider in: jurisPK-SGB III, § 165 SGB III, Rn. 76). Vor dem Hintergrund dieses Gesetzeszwecks besteht kein Anlass, Ansprüche als in diesem Sinne unerfüllt anzusehen und aus Mitteln der Solidargemeinschaft abzudecken, wenn - wie hier - der Insolvenzverwalter wie ein Dritter den Insg-Anspruch vom Arbeitnehmer gegen eine Zahlung in Höhe des vollen Nettoarbeitsentgelts aus der Insolvenzmasse "erwirbt", anstatt den Anspruch auf Nettoarbeitsentgelt unmittelbar zu erfüllen. Der zwischen dem Kläger und H. geschlossene "Forderungskaufvertrag" vom 1. Juli 2015 ist deshalb als eine formaljuristische Umgehung der Vorgaben des SGB III anzusehen (so auch Landessozialgericht LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 6. Februar 2009 - L 8 AL 4096/06 -, juris Rn. 49). Eine bei einem Forderungsverkauf vereinbarte Abtretung auf Arbeitsentgelt und Insg wirkt sich zum Vorteil des Gemeinschuldners und zu Lasten der Beklagten aus. Diese Konsequenz hat der Gesetzgeber bei der Zahlung von Insg an Dritte nach vorheriger Abtretung von Arbeitsentgeltansprüchen bewusst in Kauf genommen, um bei einer Insolvenz den Weiterbetrieb des Unternehmens zu ermöglichen und dadurch möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten. Bereits § 170 Abs. 4 Satz 2 SGB III bringt dies deutlich zum Ausdruck (" darf der Übertragung nur zustimmen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass durch die Vorfinanzierung der Arbeitsentgelte ein erheblicher Teil der Arbeitsstellen erhalten bleibt"). Das Ziel des Weiterbetriebes ist aber in aller Regel nur erreichbar, wenn dritte Kapitalgeber die kontinuierliche Zahlung der Arbeitsentgelte der Beschäftigten durch die Vorfinanzierung sichern.

b. Finanziert hingegen der Insolvenzverwalter nach der Insolvenzeröffnung das Insg aus Mitteln des Gemeinschuldners vor, steht der betroffene Arbeitnehmer bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht nur genau so, wie er bei einer unmittelbaren Erfüllung seines Anspruchs auf Arbeitsentgelt stünde. Die Zahlung von Insg wird unter diesen Voraussetzungen auch nicht mehr eingesetzt, um den Weiterbetrieb des Unternehmens zu gewährleisten, sondern bewirkt letztlich nur, dass die Insolvenzmasse zu Lasten der Beklagten geschont wird.

Dieses Ziel ist jedoch von Gesetzes wegen nicht geschützt. Dies ergibt sich aus den für die Vorfinanzierung durch Dritte zugrunde liegenden Rechtsgedanken. Das Zustimmungserfordernis soll eine missbräuchliche Inanspruchnahme der Insolvenzgeldversicherung verhindern, insbesondere sollen nicht einzelnen Gläubigern oder Gläubigergruppen auf Kosten der Insolvenzgeldversicherung Sondervorteile verschafft werden (Kuder/Unverdorben in: K. Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, 5. Aufl. 2016, Abschn. E., Rn. 5.405; vgl. zu § 141k AFG a. F. BSG, Urteil vom 30. April 1996 - 10 RAr 2/94 -, SozR 3-4100 § 141k Nr 3 = juris Rn. 17). Die Beklagte kann im Insolvenzeröffnungsverfahren einer Vorfinanzierung durch Dritte (nach Abtretung der Arbeitsentgeltansprüche) bei ausreichend vorhandenen Mitteln ihre Zustimmung verweigern. Ist - wie hier - eine ausreichende Insolvenzmasse vorhanden, um die Arbeitsentgeltansprüche zu erfüllen, wäre eine arbeitsplatzerhaltende Vorfinanzierung nicht zu rechtfertigen. Schon um zu verhindern, dass es dem Insolvenzverwalter möglich ist, eine wegen Nichterfüllung der Voraussetzungen des § 170 Abs. 4 Satz 2 SGB III versagte Zustimmung zu umgehen, muss dieser Gedanke nach Überzeugung des Senats bei der Beurteilung eines vom Insolvenzverwalter geschlossenen Forderungskaufvertrages gleichermaßen Berücksichtigung finden, wenn die dem Insg zugrunde liegenden Ansprüche auf Arbeitsentgelt aus der Insolvenzmasse erfüllbar sind und auch aus anderen erheblichen Gründen keine Veranlassung für eine Vorfinanzierung des Insg besteht. Soweit die Beklagte die - wie zu 2. ausgeführt unrichtige - Rechtsauffassung vertreten hat, dass H. und andere erst nach dem Insolvenzantrag eingestellte Arbeitnehmer nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis gehörten, rechtfertigt das jedenfalls nicht auch ihre Belastung mit einer aus der Insolvenzmasse erfüllbaren Forderung. Auch sonst liegen keine besonderen Umstände vor, die eine Vorfinanzierung des Insg aus der Insolvenzmasse unter Berücksichtigung aller Umstände auch nur als tolerable Gestaltungsvariante erscheinen lassen könnten.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG, 154 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung; auch insoweit war die Ausgangsentscheidung zu ändern.

Das Verfahren ist gerichtsgebührenpflichtig. Der Kläger verfolgt einen in der Person der H. entstandenen und an ihn abgetretenen Anspruch auf Insg. Er ist damit Rechtsnachfolger einer Leistungsempfängerin, ohne dass ein Fall der Sonderrechtsnachfolge (§ 56 Erstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB I]) oder der Verfahrensaufnahme durch den Rechtsnachfolger (§ 183 Satz 2 SGG) vorliegt (BSG, Urteil vom 1. Juli 2010 - B 11 AL 6/09 R -, juris Rn. 24 m. w. N.; B. Schmidt in: Meyer-Ladewig u. a., SGG, 12. Aufl., § 183 Rn. 6a).

6. Der Senat holt die vom SG unterlassene Festsetzung des Streitwerts für das erstinstanzliche Verfahren nach (§ 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Gerichtskostengesetz [GKG]; vgl. B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl., § 197a Rn. 5 m. w. N.).

Das Gericht setzt den Wert für die zu erhebenden Gebühren bei einer Entscheidung über den Streitgegenstand fest (§§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG, 63 Abs. 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz [GKG]). In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist der Streitwert, soweit nichts anderes bestimmt ist, nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Betrifft der Antrag eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, ist - bis zu einer Obergrenze von 2.500.000 Euro (§ 52 Abs. 4 GKG) - deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs. 3 GKG). Der Streitwert errechnet sich hier aus der Höhe des vom Kläger verfolgten Insg-Anspruchs.

7. Die Revision war nicht zuzulassen, weil keine der hierfür in § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG bestimmten Voraussetzungen erfüllt sind. Zwar hat das BSG bislang noch nicht darüber befunden, ob und ggf. unter welchen weiteren Voraussetzungen ein Anspruch auf Insg besteht, wenn der Insolvenzverwalter den Anspruch von einem Arbeitnehmer angekauft und den Forderungskaufvertrag aus der Insolvenzmasse erfüllt hat. Auf diese Rechtsfrage kommt es jedoch wegen der Unwirksamkeit der Abtretung des Insg-Anspruchs an den Kläger nicht mehr entscheidungserheblich an.