Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 22.03.2018, Az.: L 11 AS 891/16

SGB-II-Leistungen; Übernahme von Fahrtkosten zu Terminen der Lernförderung; Begriff des Mehrbedarf; Atypische Bedarfslage

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
22.03.2018
Aktenzeichen
L 11 AS 891/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 18817
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hannover - 23.08.2016 - AZ: S 68 AS 3687/15

Fundstelle

  • ZfSH/SGB 2018, 375-376 (Pressemitteilung)

Redaktioneller Leitsatz

1. Ein Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht; es handelt sich bei § 21 Abs. 6 SGB II um eine Ausnahmevorschrift für atypische Bedarfslagen.

2. Der Gesetzgeber hat damit ein Element aus dem sogenannten Hartz IV-Urteil des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a., BVerfGE 125, 175 ff.) umgesetzt; das BVerfG hatte die Auffassung vertreten, dass es mit Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG unvereinbar sei, dass im SGB II eine Regelung fehle, die einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherstellung eines zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarfs begründe.

3. Das BVerfG ging dabei von engen und strikten Tatbestandsvoraussetzungen aus, so dass ein derartiger zusätzlicher Anspruch nur in seltenen Fällen entstehen dürfte.

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 23. August 2016 sowie der Bescheid des Beklagten vom 1. Juni 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. September 2015 abgeändert. Der Beklagte wird entsprechend seines Teilanerkenntnisses vom 31. Mai 2016 verurteilt, an die Klägerin 6,85 EUR zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt 12% der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt im Rahmen von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) die Übernahme von Fahrtkosten zu insgesamt neun Terminen der Lernförderung im Zeitraum vom 19. März bis 21. Mai 2015.

Die am H. geborene Klägerin stand im streitbefangenen Zeitraum zusammen mit ihren Eltern und zwei Geschwistern im Bezug laufender Leistungen nach dem SGB II. Die Bedarfsgemeinschaft lebte in I ... Die Klägerin besuchte zum damaligen Zeitpunkt die 10. Klasse der J. in K ...

Durch Bescheid vom 27. Februar 2015 hatte der Beklagte der Klägerin Leistungen zur Bildung und Teilhabe nach § 28 Abs. 5 SGB II in Form von Lernförderung für die Fächer Physik und Mathematik bewilligt und einen entsprechenden Gutschein ausgestellt. Die Klägerin absolvierte in der Folge vom 19. März bis zum 21. Mai 2015 insgesamt neun Termine im Fach Mathematik bei der Volkshochschule L. (vgl. Bestätigung des Landkreises M. vom 22. Juli 2015 - Blatt 724 der Verwaltungsakte). Die Klägerin wurde zu den Terminen jeweils durch ihre Eltern mit deren Privat - PKW gebracht und wieder abgeholt. Sie war zum damaligen Zeitpunkt Inhaberin einer Schülermonatskarte für den öffentlichen Personennahverkehr der Verkehrsgesellschaft Landkreis L. (N.). Die räumliche Gültigkeit dieser Monatskarte war bis K. begrenzt.

Am 30. April 2015 beantragten die Eltern der Klägerin als deren gesetzliche Vertreter bei dem Beklagten die Übernahme der durch die Fahrten zur Lernförderung entstandenen Kosten. Dies lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 1. Juni 2015 ab. Bei diesen Kosten handele es sich nicht um eine Leistung für Bildung und Teilhabe nach § 28Abs. 5 SGB II. Daher komme eine Übernahme nicht in Betracht.

Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 15. Juni 2015 Widerspruch. Die Fahrtkosten seien notwendigerweise mit der bewilligten Lernförderung verknüpft und daher durch den Beklagten zu übernehmen. Die einfache Entfernung zwischen Wohnort und Volkshochschule betrage ca. 16 Kilometer. Eine Anfahrt mit dem Bus sei nicht möglich gewesen, da L. außerhalb der Tarifzone ihrer Monatskarte liege. Zudem hätten einige Termine in den Ferien stattgefunden, sodass eine Fahrt mit dem Schulbus nicht möglich gewesen sei.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14. September 2015 als unbegründet zurück und führte ergänzend aus, dass auch eine Übernahme der Kosten nach § 21 Abs. 6 SGB II ausscheide. Die konkreten Kosten seien ferner bereits nicht nachgewiesen worden.

Die Klägerin hat am 16. Oktober 2015 bei dem Sozialgericht Hannover Klage erhoben und ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren bekräftigt. Es seien die tatsächlichen Fahrtkosten unter Berücksichtigung der Bestimmungen des Bundesreisekostengesetzes (BRKG) zu erstatten. Eine Fahrt mit dem Bus sei ihr aufgrund der ungünstigen Taktung des Fahrplans und des zeitlichen Abstands zwischen dem Ende des Schulunterrichts und dem Beginn der Lernförderung nicht zumutbar gewesen.

Der Beklagte ist dem entgegengetreten und hat detailliert vorgetragen, dass an jedem der absolvierten neun Termine eine Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln möglich und preiswerter gewesen wäre. Es sei zu beachten, dass im Regelbedarf der Klägerin monatlich 15,55 EUR für die Position "Verkehr" enthalten gewesen seien (vgl. Schriftsatz des Beklagten vom 22. März 2016). Der Beklagte sei bereit, für den Monat April 2015 einen Betrag in Höhe von 6,85 EUR anzuerkennen. Dieser ergebe sich aus dem fiktiv errechneten Preis für Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln unter Abzug der im Regelbedarf vorgesehen monatlichen Mittel für die Position "Verkehr" (22,40 EUR - 15,55 EUR). Dieses Teilanerkenntnis hat die Klägerin nicht angenommen.

Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 23. August 2016 abgewiesen. Es bestehe kein Anspruch aus § 28Abs. 5 SGB II als sog. Annex zur Übernahme der Kosten der Lernförderung. Dies sei bereits durch den Wortlaut der Norm nicht gedeckt und entspreche auch der Gesetzessystematik, da eine Übernahme von Fahrtkosten beispielsweise für Leistungen der Eingliederung in Arbeit (§ 16 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 83 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - SGB III) explizit geregelt sei. Es sei hinzunehmen, dass der Klägerin als Bewohnerin des ländlichen Raumes für die Wahrnehmung der Lernförderung höhere Fahrtkosten als anderen Leistungsberechtigten entstünden. Der Regelbedarfsanteil für Verkehr stelle einen Durchschnittswert dar. Ferner habe die Klägerin keinen Anspruch aus § 21 Abs. 6 SGB II. Der hier maßgebliche Bedarf weiche nicht erheblich vom durchschnittlichen monatlichen Bedarf für Verkehrsleistungen im Regelbedarf von 15,55 EUR ab. Selbst wenn man zugunsten der Klägerin davon ausginge, dass jeweils Fahrten mit dem PKW erforderlich gewesen seien, könne diese für den gesamten Zeitraum bei einem Fahrtkostenbetrag von 0,20 EUR pro gefahrenem Kilometer lediglich 28,80 EUR geltend machen (§ 5 Abs. 1 BRKG). Darin liege keine Überschreitung des im Regelbedarf ausgewiesenen monatlichen Betrags. Das Sozialgericht hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigen am 1. September 2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 4. Oktober 2016 Berufung eingelegt. Der Beklagte habe die Kosten nach § 28 Abs. 5 und § 21 Abs. 6 SGB II zu übernehmen, da er keine wohnortnahe Lernförderung bewilligt habe. Es sei ihr nicht zuzumuten, die Kosten aus der Regelleistung zu bestreiten.

Die Klägerin beantragt schriftlich,

unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Hannover vom 23. August 2016 den Bescheid des Beklagten vom 1. Juni 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. September 2015 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin die Fahrtkosten zur Lernförderung in der Zeit vom 19. März 2015 bis 21. Mai 2015 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt schriftlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist auf das erstinstanzliche Urteil.

Die Beteiligten haben schriftlich ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die durch den Beklagten übersandten Verwaltungsvorgänge verwiesen. Diese haben vorgelegen und sind Grundlage der Entscheidungsfindung geworden.

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.

Die Berufung der Klägerin ist statthaft, da sie das Sozialgericht im angefochtenen Urteil zugelassen hat (§ 144 Abs. 1 Satz 1 SGG). Hieran ist der Senat gebunden (§ 144 Abs. 3 SGG).

Die auch ansonsten zulässige Berufung ist in dem aus dem Tenor ersichtlich Umfang begründet, im Übrigen war sie zurückzuweisen.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung von 6,85 EUR gegen den Beklagten aus dem Teilanerkenntnis vom 31. Mai 2016. In dieser Höhe hat der Beklagte den Klageanspruch anerkannt. An diese Prozesshandlung ist er gebunden (vgl. BSG, Urteil vom 8. September 2015 - B 1 KR 1/15 R Rn 12; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/B. Schmidt, SGG 12. Auflage 2017 vor § 60 Rn 12a). Da die Klägerin dieses Teilanerkenntnis nicht angenommen hat, ist diesbezüglich eine Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache nach § 101 Abs. 2 SGG nicht eingetretenen. Somit war der Beklagte durch Teilanerkenntnisurteil entsprechend zu verurteilen (vgl. BSG a.a.O m.w.N.). Ob auf die Zahlung dieses Betrages rechtlich ein Anspruch der Klägerin besteht, war dagegen nicht zu prüfen. Die Befugnis anzuerkennen folgt aus der Dispositionsmaxime. Es ist Sache der Beteiligten, den Prozess in Gang zu setzen oder ihn (teilweise) zu beenden (vgl. B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/B. Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017 § 101 Rn 20).

Darüber hinaus hat die Klägerin keinen Anspruch auf Übernahme von Fahrtkosten gegen den Beklagten. Das angegriffene Urteil des Sozialgerichts sowie die zugrundeliegenden Bescheide sind insoweit rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG).

Das Sozialgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass bei der Berechnung der Fahrtkosten jeweils ein Betrag in Höhe von 0,20 EUR pro gefahrenem Kilometer zu berücksichtigen ist. Dies entspricht der Regelung des § 5 Abs. 1 BRKG, der auch bei einer begehrten Fahrtkostenerstattung im Zusammenhang mit sozialrechtlichen Leistungen Anwendung findet (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 4. Juni 2014 - B 14 AS 30/13 R und Beschluss des erkennenden Senats vom 31. Juli 2015 - L 11 AS 323/13 B). Unter Zugrundelegung der durch die Bescheinigung des Landkreises L. nachgewiesenen neun Termine ergibt dies jedoch bei einer Entfernung von 16 Kilometern zwischen dem Wohnort der Klägerin und den Unterrichtsräumen einen Gesamtbetrag in Höhe von 57,60 EUR (9 Hin- und 9 Rückfahrten à 16 Kilometer 0,2 EUR). Abzüglich des anerkannten Betrages in Höhe von 6,85 EUR stehen somit zwischen den Beteiligten noch 50,75 EUR im Streit (März 2015: 12,80 EUR; April 2015: 18,75 EUR und Mai 2015: 19,20 EUR).

Ein Anspruch auf Übernahme dieser Kosten folgt nicht aus § 28 Abs. 5 SGB II. Nach dieser Vorschrift wird bei Schülerinnen und Schülern eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung berücksichtigt, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen. Das Sozialgericht hat überzeugend dargelegt, dass bereits der Wortlaut der Norm und die Gesetzessystematik klar gegen einen Anspruch auf Übernahme der Fahrtkosten aus dieser Vorschrift sprechen. Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an und sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ebenso wenig hat die Klägerin einen Anspruch auf Kostenübernahme aus § 21 Abs. 6 SGB II. Dieser sieht vor, dass bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt wird soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht. Es handelt sich bei § 21 Abs. 6 SGB II um eine Ausnahmevorschrift für atypische Bedarfslagen. Der Gesetzgeber hat damit ein Element aus dem sog. Hartz IV-Urteil des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 u. a., BVerfGE 125, 175 ff.) umgesetzt. Das BVerfG hatte die Auffassung vertreten, dass es mit Art 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) unvereinbar sei, dass im SGB II eine Regelung fehle, die einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherstellung eines zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarfs begründe. Das BVerfG ging dabei von engen und strikten Tatbestandsvoraussetzungen aus, so dass ein derartiger zusätzlicher Anspruch nur in seltenen Fällen entstehen dürfte (vgl. BVerfGE 125, 175 (255).

Fahrtkosten können grundsätzlich einen derartigen Mehrbedarf auslösen (vgl. hierzu z.B.: Bundessozialgericht, Urteil vom 18. November 2014 - B 4 AS 4/14 R; Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 10. August 2017 - L 3 AS 650/15; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19. Januar 2017 - L 6 AS 1920/16; Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 22. Juni 2016 - L 4 AS 196/15; Beschluss des erkennenden Senats vom 31. Juli 2015 - L 11 AS 323/13 B). Im hier zu entscheidenden Einzelfall liegen die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme nach § 21 Abs. 6 SGB II jedoch nicht vor. Der vorliegend in Rede stehende Bedarf der Klägerin weicht nicht erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf ab. Ein solcher erheblicher Bedarf setzt voraus, dass dieser von einem durchschnittlichen Bedarf in nicht nur unbedeutendem wirtschaftlichen Umfang abweicht (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 11. Februar 2015 - B 4 AS 27/14 R; Beschluss des erkennenden Senats vom 31. Juli 2015 - L 11 AS 323/13 B). Leistungsempfänger, denen ein pauschaler Geldbetrag zur Verfügung gestellt wird, können über dessen Verwendung im Einzelnen selbst bestimmen und einen gegenüber dem statistisch ermittelten Durchschnittsbetrag höheren Bedarf in einem Lebensbereich durch geringere Ausgaben in einem anderen ausgleichen. Dies ist ihnen auch zumutbar (vgl. BVerfGE 125, 175 [253]). Dass sich der Gesamtbetrag aus statistisch erfassten Ausgaben in den einzelnen Abteilungen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe zusammensetzt, bedeutet nicht, dass jedem Hilfebedürftigen die einzelnen Ausgabenpositionen und -beträge stets uneingeschränkt zur Verfügung stehen müssen. Es ist vielmehr Grundlage eines derartigen Statistikmodells, dass der individuelle Bedarf eines Hilfebedürftigen vom statistischen Durchschnittsfall abweichen kann. Die entsprechenden Positionen sind von vornherein als abstrakte Rechengrößen konzipiert, die nicht bei jedem Hilfebedürftigen exakt zutreffen müssen, sondern erst in ihrer Summe ein menschenwürdiges Existenzminimum gewährleisten sollen. Erforderlich für die Annahme eines besonderen Bedarfs im Sinne des § 21 Abs. 6 SGB II ist daher, dass die im Regelbedarf enthaltenen jeweiligen Ausgaben - hier: für Verkehr - im Einzelfall deutlich überschritten werden (vgl. hierzu auch Bockholdt in NZS 2016, 881 [888] m.w.N.).

Der Beklagte hat zutreffend darauf verwiesen, dass im streitbefangenen Zeitraum im Regelsatz der Klägerin monatlich 15,55 EUR für sog. Verkehrsleistungen vorgesehen waren. Die tatsächlich angefallenen Fahrtkosten überschreiten diesen Betrag nach dem Teilanerkenntnis des Beklagten im Monat März 2015 nicht und in den Monaten April 2015 noch um 3,20 EUR sowie im Mai 2015 um 3,65 EUR. Ein erhebliches Abweichen vom monatlichen durchschnittlichen Bedarf liegt daher im vorliegenden Einzelfall nicht vor. Nach Überzeugung des Senats war es der Klägerin zuzumuten, diese Kosten durch Umschichtungen aus dem Regelbedarf zu bestreiten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Hierbei war das anteilige Obsiegen der Klägerin durch das Teilanerkenntnis des Beklagten zu berücksichtigen.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht gegeben. Die Rechtsache hat keine grundsätzliche Bedeutung, da das BSG die Voraussetzungen für eine Übernahme von Fahrtkosten im Rahmen des § 21 Abs. 6 SGB II bereits geklärt hat (vgl. Urteile vom 18. November 2014 - B 4 AS 4/14 R und vom 4. Juni 2014 - B 14 AS 30/13 R).