Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 26.01.2005, Az.: 11 A 2446/04
Zulässigkeitsvoraussetzung des Vorverfahrens bei Klagen gegen Maßnahmen und Entscheidungen nach dem Asylverfahrensgesetz hinsichtlich des daran anknüpfenden angedrohten Verwaltungszwangs; Kriterien für die Bestimmung des Anwendungsbereichs der das Asylstreitverfahren nach Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) regelnden Vorschriften; Rechtsgrundlage der Verpflichtung zur Vorlage eines gültigen Nationalpasses bzw. zur Beantragung eines Passes oder Passersatzes bei der zuständigen Auslandsvertretung unter Beachtung bestimmter Verfahrensschritte sowie die flankierende Zwangsmittelandrohung während oder nach Abschluss eines Asylverfahrens; Zweck des Erfordernisses einer Ermächtigungsgrundlage für hoheitliches Handeln; Zweck und Tragweite des Beschleunigungsgebots im Asylverfahrensrecht
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 26.01.2005
- Aktenzeichen
- 11 A 2446/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 32565
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOLDBG:2005:0126.11A2446.04.0A
Rechtsgrundlagen
- § 68 VwGO
- § 11 AsylVfG
- § 15 AsylVfG
- § 15 Abs. 2 Nr. 4 u. 6 AsylVfG
- § 77 Abs. 1 AsylVfG
- § 82 Abs. 4 S. 1 AufenthG
- § 11 Abs. 1 Ns. SOG
- § 1 Abs. 1 S. 1 Ns. VwVfG
- § 28 Ns. VwVfG
- § 46 Ns. VwVfG
Fundstellen
- NVwZ-RR 2005, VI Heft 8 (amtl. Leitsatz)
- NVwZ-RR 2005, 745 (amtl. Leitsatz)
- ZAR 2005, 341 (amtl. Leitsatz)
Verfahrensgegenstand
Passvorlage und Botschaftsvorführung
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Oldenburg - 11. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 26. Januar 2005
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Blaseio,
den Richter am Verwaltungsgericht Dr. Hoffmeyer,
den Richter am Verwaltungsgericht Braatz sowie
die ehrenamtlichen Richter Börjes und Ehlers
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand
Der Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger hinduistischer Volkszugehörigkeit. Er reiste nach eigenen Angaben Ende Mai 1999 als Asylbewerber in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sein Asylantrag, bei dem er sich im Wesentlichen auf eine politische Verfolgung durch die Taliban, Konfessionsprobleme der Minderheit der Hindu mit den Muslimen und die Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz berief, wurde rechtskräftig abgelehnt (vgl. Urteil des Gerichts vom 7. April 2004 - 7 A 2714/03 -). Der weitere Aufenthalt des seit dem 14. Mai 2004 ausreisepflichtigen Klägers wird derzeit lediglich geduldet.
Mit Bescheid vom 27. Mai 2004 forderte die Beklagte den Kläger auf, binnen eines Monats einen gültigen Nationalpass vorzugelegen (Nr. 1). Für den Fall, dass er keinen gültigen Nationalpass besitze, forderte sie ihn zudem auf, einen Pass oder Passersatz bei der Botschaft oder dem Konsulat seines Heimatstaates unter Beachtung bestimmter Verfahrensschritte zu beantragen (Nr. 2). Ferner drohte sie ihm die zwangsweise Vorführung bei der afghanischen Botschaft an, falls er dieser Anordnung nicht fristgerecht Folge leiste (Nr. 3). Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, der vollziehbar zur Ausreise verpflichtete Kläger müsse seinen nach § 4 Abs. 1 und § 40 Abs. 2 AuslG i.V.m. § 15 Abs. 2 Nr. 4 und 6 AsylVfG festgelegten Pflichten nachkommen. Die Anordnung von unmittelbarem Zwang ergehe nach §§ 69 Abs. 6, 70, 74 Abs. 1 Nds. SOG i.V.m. § 70 Abs. 1 VwVG und sei hier geeignet, erforderlich sowie angemessen. In der Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides wies die Beklagte darauf hin, dass gegen die Anordnungen Nr. 1 und 2 des Bescheides binnen zwei Wochen Klage beim Verwaltungsgericht erhoben und hinsichtlich des angedrohten Verwaltungszwanges in Nr. 3 binnen eines Monats Widerspruch eingelegt werden könne.
Der Kläger hat am 10. Juni 2004 Klage gegen sämtliche Anordnungen in dem Bescheid der Beklagten erhoben. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Es sei ihm unzumutbar bei einer afghanischen Auslandsvertretung vorzusprechen. Als Angehöriger der Volksgruppe der Hindu drohe ihm politische Verfolgung in Afghanistan. Seine Rückführung beschränke sich nicht auf das engere Stadtgebiet Kabuls, sondern betreffe das gesamte Land Afghanistan, in dem er gefährdet sei. Im Übrigen sei seine Vorsprache bei der Auslandsvertretung von vornherein aussichtslos, weil er nicht die afghanische Sprache spreche und auch sonst keine Umstände auf seine afghanische Staatsangehörigkeit hindeuteten.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 27. Mai 2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie erwidert ergänzend: Der geltende Abschiebestopp für afghanische Staatsangehörige entbinde den Kläger nicht von seinen Mitwirkungspflichten aus §§ 4 Abs. 1, 40 Abs. 1 sowie § 40 Abs. 2 AuslG i.V.m. § 25 Nr. 2 und 5 DVAuslG. Nach dem negativen Ausgang des Asylverfahrens könne sich der Kläger in diesem Verfahren nicht mit Erfolg auf ziel-staatsbezogene Gefährdungen berufen. Ausdrücklich werde auf die Rüge verzichtet, dass der Kläger keinen Widerspruchsbescheid erwirkt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Die Klage ist abweichend von § 68 VwGO auch ohne Vorverfahren zulässig, weil gem. § 11 AsylVfG gegen Maßnahmen und Entscheidungen nach dem Asylverfahrensgesetz ein Widerspruch nicht stattfindet. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Grundverfügungen in Nr. 1 und 2 des angefochtenen Bescheides der Beklagten vom 27. Mai 2004 als auch hinsichtlich des daran anknüpfenden (in Nr. 3) angedrohten Verwaltungszwangs.
Bei dem Streit um die Vorlage eines gültigen Nationalpasses sowie die Verpflichtung zur Beantragung eines Passes oder Passersatzes bei der Auslandsvertretung des Heimatstaates unter Beachtung bestimmter Verfahrensschritte und korrespondierende Zwangsmittelandrohungen handelt es sich, wenn er einen Asylbewerber während des Asylverfahrens oder nach dessen Abschluss betrifft, um ein Asylstreitverfahren im Sinne des §§ 11, 74 Abs. 1, 75, 76 Abs. 1, 77 Abs. 1, 78 Abs. 1 und 80 AsylVfG. Der Anwendungsbereich der genannten Vorschriften ist danach zu bestimmen, ob die angefochtene oder begehrte Maßnahme oder Entscheidung ihr rechtliche Grundlage im Asylverfahrensgesetz findet und bereitet bei Entscheidungen des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) keine Schwierigkeiten (BVerwG, Urteil vom 25. September 1997 -1 C 6.97 - InfAuslR 1998, 15, 16 [BVerwG 25.09.1997 - BVerwG 1 C 6/97]). Ob Maßnahmen oder Entscheidungen anderer Behörden ihre rechtliche Grundlage im Asylverfahrensgesetz haben, ist nach dem Gefüge und dem Sinnzusammenhang der einzelnen Regelungen zu bestimmen (BVerwG, a.a.O.). Hiervon ausgehend ergibt sich, dass die streitige Verpflichtung zur Vorlage eines gültigen Nationalpasses bzw. zur Beantragung eines Passes oder Passersatzes bei der Auslandsvertretung unter Beachtung bestimmter Verfahrensschritte sowie die flankierende Zwangsmittelandrohung während oder nach Abschluss eines Asylverfahrens auf § 15 AsylVfG zurückzuführen ist und der vom Gesetzgeber gewollte Beschleunigungszweck bei der Abwicklung von Asylverfahren bis hin zur Aufenthaltsbeendigung die Anwendung der Besonderheiten des Asylverfahrensgesetzes gebietet (vgl. Hessischer VGH, Urteil vom 5. März 2004 -12 ZU 3005/03 - InfAuslR 2004, 259, 260 f. [VGH Hessen 05.03.2004 - 12 ZU 3005/03]; VGH BW, Urteil vom 27. Dezember 2000 -11 S 1592/00 - NVwZ 2001, Beilage I, 87 f; VG Düsseldorf, Beschluss vom 11. November 2002 - 24 L 2529/02 - InfAuslR 2003, 63; VG Meinigen, Beschluss vom 26. Juni 2002 -1 E 20372/02.Me juris; offen gelassen: Bayrischer VGH, Urteil vom 11. Juli 2000 - 10 B 99.3200 - AuAS 2000, 249 = NVwZ 2001, Beilage I, 4, 5 und a.A. VG Neustadt a.W., Urteil vom 15. November 2002 - 7 K 2468/02.NW - InfAuslR 2003, 116, die die Mitwirkungspflichten aus dem Ausländergesetz ableiten).
Die Verpflichtung des Klägers zur Vorlage eines afghanischen Nationalpasses (Nr. 1 der angefochtenen Verfügung) ergibt sich aus § 15 Abs. 2 Nr. 4 AsylVfG i.V.m. § 11 Abs. 1 Nds. SOG. Die (hilfsweise) weitere Verpflichtung, einen Pass oder einen Passersatz bei der afghanischen Auslandsvertretung unter Einhaltung der vorgeschriebenen Verfahrensschritte zu beantragen (Nr. 2 der Verfügung), folgt aus § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylVfG i.V.m. § 82 Abs. 4 S. 1 Aufenthaltsgesetzes - AufenthG - vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950), das hier gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG anzuwenden ist. Diese Vorschriften sind gegenüber den allgemeinen Regelungen des Ausländerrechts (hier: §§ 4, 40 AuslG i.V.m. § 25 Nr. 2 und 5 DVAuslG, jetzt: §§ 3, 48 Abs. 1 und 3 AufenthG i.V.m. § 56 Nr. 2 Aufenthaltsverordnung - AufenthV -) die spezielleren. Auch wenn sie sich im AsylVfG befinden, ist ihre Anwendung nicht auf das Verfahren vor dem Bundesamt beschränkt. Die Regelungen des § 15 AsylVfG dienen auch den Behörden der Länder zur Erfüllung der ihnen obliegenden Aufgabe, die Ausreisepflicht eines erfolglos gebliebenen Asylbewerbers in eigener Zuständigkeit durchzusetzen (VGH BW, Urteil vom 27. Dezember 2000, a.a.O.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 11. November 2002, a.a.O.; VG Meinigen, Beschluss vom 26. Juni 2002, a.a.O.; offen gelassen: Bayerischer VGH, Urteil vom 11. Juli 2000, a.a.O. und a.A. VG Neustadt a.W., Urteil vom 15. November 2002, a.a.O.). Die besondere Zuständigkeit des Bundesamtes endet abgesehen von den in §§ 34 a, 43 AsylVfG geregelten Sonderfällen mit dem Erlass der Abschiebungsandrohung und der Unterrichtung der Ausländerbehörde. Die Durchsetzung der Ausreisepflicht obliegt dann den nach allgemeinen ausländerrechtlichen Vorschriften als zuständig bestimmten Landesbehörden. In diesem Verfahrensstadium soll durch eine Mitwirkung des Ausländers bei der Beschaffung von Identitätspapieren erreicht werden, dass nach negativem Ausgang des Asylverfahrens dessen Rückführung in den Herkunftsstaat nicht verzögert oder verhindert wird. Es entspricht dem gesetzgeberischen Willen (BT-Drucks. 12/2062 S. 25 ff.), dass die asylverfahrensrechtlich begründete Ausreiseverpflichtung des Ausländers durch entsprechende Maßnahmen der Ausländerbehören beschleunigt vollzogen wird, was am besten durch die Anwendung der Regeln des Asylverfahrensgesetzesüber das Gerichtsverfahren sichergestellt wird.
Die Vollstreckung der Mitwirkungspflicht aus § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylVfG findet zwar keine unmittelbare Ermächtigungsgrundlage im Asylverfahrensgesetz, sondern stützt sich auf § 82 Abs. 4 S. 2 AufenthG. Gleichwohl teilt sie als Annex, d.h. als notwendige (unselbständige) Vollstreckungsmaßnahme das Schicksal ihrer auf § 15 Abs. 2 Nr. 6 i.V.m. § 82 Abs. 4 S. 1 AufenthG gestützten Grundverfügung (vgl. VGH BW, Beschluss vom 5. Oktober 1994 - A 12 S 1843/94 - Juris; VG Meinigen, Beschluss vom 26. Juni 2002 -1 E 20372/02.Me - juris). Gerade die einheitliche gerichtliche Behandlung von Grundverfügung und Vollstreckungsmaßnahme stellt die vom Gesetzgeber intendierte beschleunigte Vollstreckung der Ausreisepflicht von abgelehnten Asylbewerbern sicher. Die im vorläufigen Rechtsschutz vertretene gegenteilige Auffassung (Beschluss vom 3. Februar 2003 -11 B 5396/03) gibt die Kammer auf.
Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Einordnung von Nebenverfahren als "Streitigkeiten nach dem AsylVfG" steht dem nicht entgegen. Unter Hinweis auf Gesetzeswortlaut und Entstehungsgeschichte der o.g. Vorschriften des AsylVfG wird bereits mit beachtlichen Gründen beanstandet, dass eine enge Auslegung des Begriffs dem vom Gesetzgeber in den Vordergrund gestellten Beschleunigungszweck zuwiderläuft (vgl. Hessischer VGH, Urteil vom 5. März 2004, 12 ZU 3005/03 - InfAuslR 2004, 259, 261 [VGH Hessen 05.03.2004 - 12 ZU 3005/03] m.w.N.). Ob dem uneingeschränkt zu folgen ist, mag dahinstehen. Denn das Bundesverwaltungsgericht hat - soweit ersichtlich - über eine Zuordnung der hier streitigen Mitwirkungspflichten noch nicht entschieden. Seine Auffassung, wonach die auf Erteilung einer Duldung oder einer Aufenthaltsbefugnis gerichtete Klage eines Ausländers, dem nach erfolglosem Asylverfahren die Abschiebung androht worden ist, grundsätzlich keine Streitigkeit nach dem AsylVfG begründet (Urteile vom 25. September 1997 -1 C 3 und 6.97 -InfAuslR 1998, 12 ff. [BVerwG 25.09.1997 - BVerwG 1 C 3/97] und 15 ff. [BVerwG 25.09.1997 - BVerwG 1 C 6/97]), betrifft eine andere, nicht mit der vorliegenden vergleichbare Fallkonstellation. Die Entscheidung der Ausländerbehörde über die Erteilung einer Duldung oder Aufenthaltsbefugnis findet nämlich ihre rechtliche Grundlage ausschließlich im Ausländergesetz, während hier die maßgeblichen Mitwirkungspflichten aus dem AsylVfG abzuleiten sind. Die hier streitigen Mitwirkungspflichten weisen auch kaum Sachnähe zur Frage der Erteilung einer Duldung oder Aufenthaltsbefugnis auf, sondern beziehen sich auf die Durchsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht als Ergebnis des erfolglosen Asylverfahrens.
Aus der Klassifizierung der hier streitigen Mitwirkungspflichten einschließlich der angedrohten Vollstreckung als Streitigkeit nach dem AsylVfG folgt nicht nur der Ausschluss des Widerspruchsverfahrens nach § 11 AsylVfG. Es gelten auch die weiteren prozessualen Besonderheiten des Asylverfahrensrechts, etwa hinsichtlich der Klagefrist von zwei Wochen nach § 74 Abs. 1 AsylVfG, des fehlenden Suspensiveffekts der Klage nach § 75 AsylVfG, der Rechtsmittel nach § 78 Abs. 1 AsylVfG und der Gerichtskostenfreiheit nach § 83 b AsylVfG.
Die Klage ist unbegründet, weil sich die streitigen Mitwirkungspflichten und der angedrohte Verwaltungszwang als rechtmäßig erweisen und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
Im Ergebnis bestehen keine rechtlichen Bedenken an der formellen Rechtmäßigkeit der Verfügung der Beklagten vom 27. Mai 2004. Zwar war vor ihrem Erlass nach § 28 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 S. 1 Nds. VwVfG eine Anhörung erforderlich. Diese hat - soweit aus den Verwaltungsvorgängen ersichtlich - nicht stattgefunden. Ein durch unterbliebene Anhörung verursachter Verfahrensfehler ist aber nach § 46 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 S. 1 Nds. VwVfG unbeachtlich. Es ist hier offensichtlich, dass die Beklagte auch in Kenntnis der Einwände des Klägers zu dem gleichen Ergebnis gekommen wäre (vgl. zur Alternativlosigkeit einer bestimmten Entscheidung: Bayerischer VGH, Urteil vom 11. Juli 2000 -10 B 99.3200 - AuAS 2000, 249). Im Übrigen wäre eine fehlerhafte Anhörung im Ergebnis auch dadurch geheilt, dass sich die Beklagte im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in zureichendem Maße mit dem zwischenzeitlichen Vorbringen des Klägers auseinandergesetzt hat (vgl. § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 S. 1 Nds. VwVfG).
Hinsichtlich der Anordnungen in Nr. 1 und 2 der angefochtenen Verfügung reicht allerdings die genannte Verpflichtungsnorm des § 15 Abs. 2 Nr. 4 bzw. Nr. 6 AsylVfG nicht zum Erlass eines Verwaltungsaktes aus. Die darin enthaltenen - abstrakt generell geltenden - Vorschriften beinhalten keine Ermächtigung für die Ausländerbehörde, die sich aus ihnen ergebenden Pflichten im Falle ihrer Nichtbefolgung mittels Verwaltungsakt für den einzelnen Ausländer zu konkretisieren (vgl. OVG NW, Beschluss vom 9. Februar 2004 -18 B 811 /03 - NVwZ-RR 2004, 689 [OVG Nordrhein-Westfalen 09.02.2004 - 18 B 811/03]; Bayerischer VGH, Urteil vom 11. Juli 2000 -10 B 99.3002 - AuAS 2000, 249; VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 11. November 2002 - 24 L 2529/02 - InfAuslR 2003, 63 und vom 26. August 2003 - 24 L 2373/03 -; a.A. VGH BW, Urteil vom 27. Dezember 2000 -11 S 1592/00 - NVwZ 2001, Beilage I, 87 f.; VG Meinigen, Beschluss vom 26. Juli 2002 -1 E 20372/02.Me-juris). Diese Befugnis ergibt sich jedoch hinsichtlich der Verpflichtung zur Vorlage des Nationalpasses aus § 11 Abs. 1 Nds. SOG und hinsichtlich der Verpflichtung, bei der Auslandsvertretung einen Pass bzw. Passersatz zu beantragen, aus § 82 Abs. 4 S. 1 AufenthG, also aus subsidiär anwendbarem allgemeinen bzw. speziellen Ordnungsrecht. Das Erfordernis einer Ermächtigungsgrundlage zusätzlich zur Pflichtnorm ist keine formal-juristische Konstruktion, sondern hat durchaus Auswirkungen auf den Rechtschutz des Betroffenen. Durch die Anwendung des § 11 Nds. SOG bzw. § 82 Abs. 4 S. 1 AufenthG ergibt sich, dass die Anordnungen im Ermessen der Behörde stehen und dass die Verhältnismäßigkeit und das Übermaßmaßverbot gewahrt sein müssen. Dass die Beklagte nur die Verpflichtungsnorm, nicht aber auch ergänzend die Eingriffsermächtigung angegeben hat, berührt weder die formelle noch die materielle Rechtsmäßigkeit der Anordnungen unter Nr. 1 und 2 der Verfügung. Ebenso unschädlich ist, dass die Androhung unmittelbaren Zwangs zur ggf. erforderlichen Vollstreckung der in Nr. 2 angeordneten Mitwirkung nicht auf die speziellere Ordnungsvorschrift des § 82 Abs. 4 S. 2 AufenthG gestützt worden ist, sondern allein auf allgemeines, hier ergänzend zu berücksichtigendes Vollstreckungsrecht.
Die Voraussetzungen der verschiedenen Maßnahmen der angefochtenen Verfügung sind gegeben.
Die in Nr. 1 der Verfügung geforderte Vorlage eines afghanischen Nationalpasses durfte gem. § 15 Abs. 2 Nr. 4 AsylVfG i.V.m. § 11 Abs. 1 Nds. SOG verfügt werden. Nach Beendigung des Asylverfahrens kann auch die Ausländerbehörde diese Verpflichtung durchsetzen. Diese Verfügung ist insoweit ermessenfehlerfrei, insbesondere geeignet, erforderlich und angemessen zur Durchsetzung des gesetzlichen Zieles, die Ausreise von abgelehnten Asylbewerbern zu fördern. Auch wenn der Kläger behauptet, er besitze keinerlei Papiere, steht dies der Rechtsmäßigkeit der Verfügung nicht entgegen. Allein die zweifelhafte und behördlicherseits kaum überprüfbare Behauptung, man besitze keine Unterlagen, macht die Verfügung noch nicht ungeeignet. Es reicht bereits eine geringe Wahrscheinlichkeit der Annahme aus, dass der Ausländer doch einen Nationalpass besitzt. Im Übrigen erfordert auch die weiter gehende Verpflichtung nach Nr. 2 der Verfügung, dass vorrangige Mitwirkungsmöglichkeiten ausgeschöpft werden. Die trotz negativem Asylverfahren behauptete Verfolgungsgefährdung des Klägers tangiert die Vorlagepflicht schon nicht. Im Übrigen ist die Ausländerbehörde an die Entscheidung des Bundesamtes bzw. des Verwaltungsgerichts im Asylverfahren gemäß §§ 4, 42 AsylVfG gebunden.
Auch die (hilfsweise) Verpflichtung in Nr. 2 der Verfügung, bei der afghanischen Auslandsvertretung unter Beachtung bestimmter Verfahrensschritte einen Pass bzw. Passersatz zu beantragen ist rechtmäßig. Nach § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylVfG i.V.m. § 82 Abs. 4 S. 1 AufenthG kann der Asylbewerber im Falle des Nichtbesitzes eines gültigen Passes oder Passersatzes verpflichtet werden, an der Beschaffung eines Identitätspapiers mitzuwirken. Diese Wirkungspflicht umfasst alle Tat- und Rechtshandlungen, die zur Beschaffung eines fehlenden Identitätspapiers oder zur Verlängerung seiner Gültigkeit erforderlich sind und nur vom Ausländer persönlich vorgenommen werden können. Dazu gehören nicht nur die Fertigung von Lichtbildern und das Ausfüllen sowie die eigenständige Unterzeichnung des Antragsformulars, sondern auch die persönliche Vorsprache bei der diplomatischen oder konsularischen Auslandsvertretung seines Heimatstaates und/oder die Abholung des Passes oder Passersatzes, wenn die Auslandsvertretung dies verlangt (VGH BW, Urteil vom 6. Oktober 1998 - A 9 S 856/98 - InfAuslR 1999, 287).
Dies gilt im Hinblick auf das Asylgrundrecht aus Art. 16 a Abs. 1 GG jedenfalls dann, wenn - wie hier - der Ausländer nach Abschluss des Asylverfahrens vollziehbar ausreisepflichtig ist (vgl. VGH BW, Urteil vom 6. Oktober 1998 a.a.O.). Stellt der Ausländer einen Folgeantrag, findet eine Suspendierung der Mitwirkungspflicht nur statt, wenn der Folgeantrag auf beachtliche Wiederaufgreifensgründe im Sinne von § 51 Abs. 1 - 3 VwVfG gestützt wird. Hier hat der Kläger weder einen Nachweis des Bundesamtes über ein Wiederaufgreifen seines rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens vorgelegt noch hat er überhaupt einen Folgeantrag gestellt.
Auch diese Maßnahme ist nicht ermessenfehlerhaft. Sie verletzt insbesondere nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie ist geeignet, den angestrebten Verwaltungszweck (Durchsetzung der gesetzlichen Ausreisepflicht) zu erreichen. Die in einem obiter dic-tum vom Hessischen VGH (Urteil vom 5. März 2004, a.a.O. 261) geäußerten Zweifel an der Geeignetheit einer Anordnung des persönlichen Erscheinens bei einer Auslandsvertretung zur "Vorsprache zwecks Passbeschaffung" im Hinblick auf angeblich unklare Handlungspflichten und die vorrangige Möglichkeit, schriftlich die Passausstellung zu beantragen, teilt die Kammer nicht. Dem Tenor der angefochtenen Verfügung lässt sich hinreichend deutlich entnehmen, mit welchem Ziel der Kläger bei der afghanischen Botschaft vorsprechend soll. Insbesondere ist er angehalten, diese Verfügung auch den Angehörigen der Auslandsvertretung vorzulegen und seine schriftliche Zustimmung zur direkten Übersendung des Passes/Passersatzes an die Ausländerbehörde mit einzureichen. Es bleibt dem Kläger auch unbenommen, sich - selbst oder durch seinen Bevollmächtigten -vorab fernmündlich oder schriftlich weitere Klarheit über die speziellen Anforderungen einer Passausstellung in seinem Fall zu verschaffen. Auch die im Einzelfall mögliche Notwendigkeit, ein weiteres Mal persönlich bei der Auslandsvertretung vorsprechen zu müssen, um zunächst fehlende Unterlagen nachzureichen, nimmt der angeordneten Vorsprache zum Zweck der Passbeschaffung nicht die Eignung.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Vorsprache bei der afghanischen Auslandsvertretung zwecks Beschaffung eines Heimreisedokuments auch nicht ungeeignet, weil er nicht die afghanische Sprache spricht und auch sonst kaum Umstände auf seine afghanische Staatsangehörigkeit hindeuten mögen. Insofern verkennt er, dass es ihm aufgrund der angeordneten Maßnahme gerade obliegt, durch Vorlage geeigneter Identitätsnachweise und qualifizierter Angaben (notfalls über einen Sprachmittler) seine Staatsangehörigkeit zu belegen. Bei Zweifelsfragen diesbezüglich kann er zudem auf die Unterstützung der Ausländerbehörde zurückgreifen.
Die angeordnete Maßnahme ist hier auch angesichts des Umstandes, dass der Kläger entgegen seinen Mitwirkungspflichten bisher weder Papiere vorgelegt noch erkennbare Anstalten unternommen hat, Identitätsnachweise beizubringen, auch erforderlich. Schließlich steht das dem Kläger angesonnene Verhalten auch nicht erkennbar außer Verhältnis zum Gewicht der mit der Verfügung verfolgten öffentlichen Belange.
Mit den geltend gemachten Gefährdungen in Afghanistan wegen seiner Zugehörigkeit zur Gruppe der Hindu, auf die sich der Kläger bereits in seinem rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren erfolglos berufen hatte, kann er nicht nochmals in dem ausländerbehördlichen Verfahren zur Mitwirkungshandlungen bei der Aufenthaltsbeendigung gehört werden. Die Gefahr einer politischen Verfolgung in Afghanistan und sonstige zielstaatsbezogenen Gefahren sind nicht von der Ausländerbehörde im Verfahren der Aufenthaltsbeendigung oder dem sie zu überprüfenden Verwaltungsgericht zu beurteilen, sondern nur vom Bundesamt (vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 11. Juli 2000 a.a.O.; VGH BW, Urteil vom 6. Oktober 1998 a.a.O.). Gemäß §§ 4, 42 AsylVfG ist die Ausländerbehörde - und das sie überprüfende Verwaltungsgericht - an dessen Entscheidungen gebunden.
Schließlich entbindet der geltende Erlass des Nds. Ministeriums für Inneres und Sport vom 27. Dezember 2004 - 45.11-12235/12-15-2 -, wonach gemäß § 60a Abs. 1 AufenthG die Aussetzung von Abschiebungen afghanischer Staatsangehöriger nach Afghanistan grds. weiter bis zum 30. Juni 2005 angeordnet wurde (Abschiebestopp-Erlass), nicht von der geforderten Mitwirkung. Er ist eine lediglich vorübergehende Maßnahme, der nicht entnommen werden kann, dass es auf unabsehbare Zeit nicht zu Rückführungen nach Afghanistan kommen wird. Gefahren für afghanische Staatsangehörige bei der vorsorglichen Beschaffung von Heimreisedokumenten für eine später wieder aufzunehmende Rückführung (oder eine freiwillige Ausreise) nach Afghanistan lassen sich aus ihm nicht ableiten. Im Übrigen verpflichtet § 15 AsylVfG, der weit reichende Mitwirkungshandlungen bereits während des laufenden Asylverfahrens fordert, auch zu Handlungen, die eine später möglich erscheinende Rückführung vorbereiten oder erleichtern sollen. Dies gilt um so mehr, als etwa die Beschaffung von Heimreisedokumenten bei Auslandsvertretungen erfahrungsgemäß längere Zeit in Anspruch nehmen kann.
Die in Nr. 3 der Verfügung angedrohte zwangsweise Vorführung bei der afghanischen Botschaft für den Fall, dass der Kläger der in Nr. 2 angeordneten Vorsprache zum Zweck der Passbeschaffung freiwillig nicht nachkommt, durfte gem. § 82 Abs. 4 S. 2 AufenthG i.V.m. §§ 64 ff. Nds. SOG angeordnet werden. Denn der Gesetzgeber hat hier für den Fall, dass ein Ausländer einer Anordnung nach § 82 Abs. 4 S. 1 AufenthG (hier i.V.m. § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylVfG) - die das Gericht als rechtmäßig ansieht - ohne hinreichenden Grund keine Folge leistet, die zwangsweise Durchsetzung vorgesehen. Deren näherer Ablauf erschließt sich aus den §§ 64 ff. Nds. SOG. Ermessenfehler oder Verstöße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sind insoweit weder dargetan noch sonst ersichtlich.
Folglich war die Klage mit der Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.
An einer Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache nach §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO sieht sich die Kammer wegen § 78 Abs. 2 AsylVfG gehindert.
Herr RiVG Dr. Hoffmeyer Braatz befindet sich im Erholungsurlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Blaseio