Sozialgericht Aurich
Beschl. v. 25.07.2016, Az.: S 13 SO 47/16 ER
Bibliographie
- Gericht
- SG Aurich
- Datum
- 25.07.2016
- Aktenzeichen
- S 13 SO 47/16 ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2016, 35721
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Tenor:
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig und unter dem Vorbehalt einer abweichenden Entscheidung in der Hauptsache Eingliederungshilfe in Form der Bewilligung der Aufnahme in den Kindergarten E. in F. in der Integrationsgruppe für die Zeit vom 01.08. bis zum 31.12.2016 zu bewilligen. Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um einen Anspruch der Antragstellerin auf Bewilligung von Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem 6. Kapitel des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches - Sozialhilfe (SGB XII) für den Besuch des Kindergartens E. in F. in Form der Bewilligung von Leistungen zum Besuch der Integrationsgruppe.
Die Antragstellerin ist am G. 2013 geboren und lebt gemeinsam mit ihrer Mutter und deren Ehemann im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners. Bei der Antragstellerin ist seit Februar 2015 ein Diabetes Mellitus Typ 1 diagnostiziert, welcher mit einer Insulinpumpe versorgt ist. Des Weiteren ist nunmehr seit kurzem eine Beeinträchtigung des Sprechvermögens diagnostiziert, die logopädischer Behandlung bedarf.
Mit dem 12.01.2016 beantragte die Mutter für die Antragstellerin Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII beim Antragsgegner. Sie begehrte die Aufnahme in die Integrationsgruppe in einem Regelkindergarten, der Einrichtung E. in F. in der Vormittagsgruppe. Auf den Antrag hin ließ der Antragsgegner die Antragstellerin durch die Amtsärztin Frau H. sozialmedizinisch untersuchen. Mit Datum vom 08.02.2016 gab die Amtsärztin eine sozialmedizinische Stellungnahme zu den Vorrausetzungen von Eingliederungshilfe bei jungen Menschen ab und führte darin aus, dass eine körperliche Behinderung durch Beeinträchtigung durch Erkrankung oder Schädigung innerer Organe oder der Haut nachgewiesen sei. Pädagogische oder pädagogisch organisierte Maßnahmen seien nicht erforderlich.
Die behandelnde Diabetologin Frau I. aus dem Klinikum in J. legte mit Schreiben vom 14.02.2016 dar, dass bei dem Krankheitsbild der Antragstellerin im Zusammenhang mit der Versorgung mit einer Insulinpumpe fünf bis sechs Mal täglich Blutzucker gemessen werden müsse und dann entsprechend der Ernährung die Insulinpumpe bedient werden müsse. Hinzu kämen eventuelle Zusatzkontrollen. In einem Kindergarten könnten Erzieherinnen diese Aufgaben durchführen, sofern sie eine Diabetes-Schulung durchgeführt hätten.
Mit Bescheid vom 22.02.2016 lehnte der Antragsgegner die Kostenübernahme für die integrative Betreuung der Antragstellerin in der begehrten Einrichtung ab. Ein heilpädagogischer Förderbedarf ließe sich bei der Antragstellerin nicht feststellen, ein solcher sei für einen Integrationsplatz erforderlich.
In der Folge stellte der Hausarzt der Antragstellerin mit Schreiben vom 26.02.2016 dar, dass die Antragstellerin einen Integrationskindegarten besuchen solle, weil sie dort besonders betreut werde. Mit Schreiben vom 29.02.2016 bescheinigten die Leiterin des Kindergartens sowie eine dort tätige heilpädagogische Fachkraft, die auch als Zeuginnen in den Verfahren gehört wurden, dass eine Betreuung der an Diabetes erkrankten Antragstellerin grundsätzlich als Integrationskind empfehlenswert sei. Der Mehraufwand an Betreuung und Begleitung sei in einer Regelgruppe, in der 25 Kinder von zwei Fachkräften beaufsichtigt werden, nicht zu leisten und stelle eine gesundheitliche Gefährdung für das an Diabetes erkrankte Kind dar. Zum genauen Inhalt des Schreibens wird auf die Gerichtsakten Bezug genommen.
Die Antragstellerin legte am 14.03.2016 Widerspruch gegen den Bescheid des Antragsgegners ein, den sie am 23.03.2016 unter Vorlage der ärztlichen Bescheinigungen begründete. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 10.05.2016 zurückgewiesen unter Aufnahme der inhaltlich gleichen Begründung wie im Ausgangsbescheid. Gegen diese Entscheidung erhob die Antragstellerin am 30.05.2015 Klage zum hiesigen Sozialgericht zum Aktenzeichen S 13 SO 33/16. Eine Entscheidung ist bislang nicht ergangen.
Im Kindergarten E. in F. sind alle drei Mitarbeiterinnen in der Integrationsgruppe in Bezug auf an Diabetes erkrankte Kinder geschult. Diese Schulungen haben durch die die Antragstellerin behandelnde Ärztin am Klinikum in J. anlässlich der Aufnahme eines anderen an Diabetes erkrankten Kindes im letzten Jahr stattgefunden.
Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass im Wege der Eingliederungshilfe die Gewährung der Aufnahme auf einen Integrationskindergartenplatz im Kindergarten E. in F. zu bewilligen sei, weil aufgrund ihrer Diabetes Erkrankung ein besonderer Betreuungsbedarf bestehe. Diese Erkrankung sei dabei jedoch nicht dermaßen schwerwiegend, dass es einer eventuell externen 1:1 Betreuung bedürfe.
Die Antragstellerin beantragt schriftlich sinngemäß,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin Leistungen der Eingliederungshilfe für die Kostenübernahme für einen Integrationskindergartenplatz zu bewilligen.
Der Antragsgegner beantragt schriftlich,
den Antrag abzulehnen.
Er ist der Auffassung, dass bei der Antragstellerin kein heilpädagogischer Förderbedarf bestehe und von daher die Aufnahme auf einen Integrationsplatz im Regelkindergarten als Eingliederungshilfe nicht in Betracht käme.
Die Antragstellerin hat bei der für sie zuständigen Krankenkasse bislang keinen förmlichen Antrag auf Bewilligung von Leistungen anlässlich der Aufnahme in den Kindergarten gestellt. Ein Antrag auf Anerkennung einer Pflegestufe ist mit bestandskräftig gewordenen Bescheid der Pflegekasse vom 11.11.2015 abgelehnt worden.
Das Gericht am 21.07.2016 in dieser Angelegenheit einen Termin zur Erörterung des Sachverhaltes und zur Beweisaufnahme durch Einvernahme von Zeuginnen durchgeführt. Bezüglich des genauen Ergebnisses dieses Termins wird auf das in den Gerichtsakten enthaltene Protokoll Bezug genommen. Im Rahmen dieses Termins hat die als Zeugin gehörte Leiterin des Kindergartens E. bekundet, dass die Aufnahme der Antragstellerin als Integrationskind zum 01.08.2016 weiterhin möglich sei.
Neben dem Ergebnis des Termins am 21.07.2016 waren weitere Gegenstände der Entscheidungsfindung die Gerichtsakten dieses Verfahrens, die Gerichtsakten des parallelen Klageverfahrens mit dem Aktenzeichen S 13 SO 33/16 und die zu den beiden Verfahren überreichten Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners.
II.
Der statthafte und im Übrigen zulässige Antrag gem. § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ist begründet.
Das Rechtsschutzbedürfnis in der Angelegenheit entfällt nicht, weil ein von der Antragstellerin begehrter Integrationsplatz nicht mehr verfügbar wäre, so hat die Leiterin des Kindergartens im gerichtlichen Termin als Zeugin ausdrücklich bekundet, dass auch in Anbetracht der vollen Belegung der vier Integrationsplätze ein weiterer Platz ermöglicht werden könne. Der Aufnahme der Antragstellerin steht dies nicht entgegen, so dass es einer gerichtlichen Entscheidung bedarf.
Die Erfolgsaussichten eines Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz beurteilen sich nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Danach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (S. 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung nötig erscheint (S. 2). Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist, dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber dem Antragsgegner besteht (Anordnungsanspruch) und die Antragstellerin ohne den Erlass der begehrten Anordnung wesentliche Nachteile erleiden würde (Anordnungsgrund). Sowohl die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs als auch die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile müssen glaubhaft gemacht werden (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -). Dabei darf die einstweilige Anordnung jedoch wegen des summarischen Charakters des Verfahrens im einstweiligen Rechtsschutz grundsätzlich nicht die Entscheidung in der Hauptsache vorwegnehmen. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sachlage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dies jedenfalls dann, wenn die grundrechtlichen Belange der Antragsteller betroffen sind, weil die Gerichte sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen müssen. Bei offensichtlicher Betroffenheit der Grundrechte ist die Sachlage in der Regel nicht summarisch, sondern abschließend aufgrund der glaubhaft gemachten Tatsachen zu prüfen (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005, - 1 BvR 569/05 - und vom 25. Februar 2009 - 1 BvR 120/09 -. sowie vom 6. Februar 2013 - 1 BvR 2366/12 -).
Bei dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gem. § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG handelt es sich um die statthafte Antragsart. Ein vorrangig zu bewertender Antrag an das Gericht gem. § 86b Abs. 1 SGG betreffs der Ablehnungsentscheidung der Antragsgegners mit Bescheid vom 22.02.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.05.2016 wäre im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht statthaft. Mit Anfechtungsklage im Sinne des § 54 SGG kann dem Begehren der Antragstellerin nicht bereits Erfolg beschieden sein, so dass der Vorrang des § 86b Abs. 1 SGG nicht einschlägig ist. Es ist auch ausdrücklich festzustellen, dass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kein bestandskräftiger Bescheid des Antragsgegners entgegen steht. Der oben erwähnte Ablehnungsbescheid ist Gegenstand des Klageverfahrens mit dem Aktenzeichen S 13 SO 33/16, welches bislang keinen Abschluss gefunden hat.
Die Antragstellerin hat für die Zeit vom 01.08.2016 bis zum Ende des Jahres einen Anordnungsanspruch im obigen Sinne ebenso glaubhaft gemacht wie einen Anordnungsgrund. Der Anordnungsanspruch besteht, weil die Antragstellerin nach dem Ergebnis des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes einen Anspruch auf die begehrte Leistung als Eingliederungshilfeleistung glaubhaft gemacht hat.
Die Rechtsgrundlage für den Anspruch der Antragstellerin auf Bewilligung von Eingliederungshilfeleistungen nach dem 6. Kapitel des Sozialgesetzbuches SGB XII in Form der Aufnahme in den Kindergarten E. aus F. in der Vormittagsintegrationsgruppe besteht in § 19 Abs. 3 SGB XII i.V.m. §§ 53 Abs. 1, 5 SGB XII i.V.m. § 55 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches - Rehabilitation behinderter Menschen (SGB IX).
Nach der Regelung des § 19 Abs. 3 SGB XII wird Eingliederungshilfe für behinderte Menschen geleistet, sobald es den Leistungsberechtigten als minderjährige und unverheiratete Personen wie auch ihren Eltern nicht abverlangt werden kann, ihr Einkommen und Vermögen im Sinne des 11. Kapitels des SGB XII einzusetzen. Bei der hier zu bewertenden Hilfe nach § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 SGB XII handelt es sich um eine privilegierte Leistung. Diese Leistungen sind gem. § 92 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB XII ohne Berücksichtigung von vorhandenen Mitteln zu erbringen, so dass es auf das Einkommen der Antragstellerin und ihrer Eltern nicht entscheidungserheblich ankommt.
Die Antragstellerin gehört zum im Grundsatz leistungsberechtigten Personenkreis nach der Regelung des § 53 SGB XII i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Die personengebundene Vorrausetzung einer Behinderung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist nach übereinstimmender Bewertung der Beteiligten erfüllt. Das Gericht erkennt jedenfalls im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, dass diese Bewertung der Beteiligten insbesondere in Anbetracht der konkreten Erkrankungssituation der Antragstellerin zutrifft. Bei einem alleinigen Bestehen einer Diabetes Mellitus Erkrankung mit günstigem Verlauf könnte unter Umständen keine Behinderung im Sinne der gesetzlichen Regelung vorliegen (vgl. hierzu Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 17.04.2013 - B 9 SB 3/12 R - zitiert nach ). Hierzu bedarf es jedoch keiner Entscheidung des Gerichts, da die Antragstellerin in Anbetracht ihres Lebensalters und der konkreten Gestaltung ihrer Erkrankung in jedem Fall als behinderter Mensch anzusehen ist. Hierfür ist für das Gericht auch nicht die Entscheidung des zuständigen Landesamtes im Sinne der Anerkennung einer Schwerbehinderteneigenschaft entscheidungserheblich. Ebenso wenig ist für diese Bewertung erheblich, dass die Antragstellerin bzw. ihre Mutter im Termin zur Erörterung der Angelegenheit nachvollziehbar bekundet hat, dass neben den Diabetes Mellitus aktuell eine logopädisch zu behandelnde Sprachstörung festgestellt worden war. Hierzu bedurfte es dementsprechend keiner weiteren Ermittlungen.
Die Antragstellerin kann im Grundsatz Leistungen der Eingliederungshilfe zum Zweck des Kindergartenbesuches nach der gesetzlichen Regelung des § 55 Abs. 2 SGB IX für ihren Besuch des Kindergartens beanspruchen. (vgl. Landessozialgericht - LSG - Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 27.08.2015 - L 8 SO 177/15 B ER; LSG NRW, Beschluss vom 27.08.2013 - L 9 SO 211/13 B ER zitiert nach ).
Das Gericht versteht den Antrag der Antragstellerin sowohl im behördlichen Verfahren als auch im gerichtlichen Verfahren dergestalt, dass nicht unbedingt in jedem Fall Eingliederungshilfe in Form einer heilpädagogischen Betreuung bzw. entsprechenden Leistungen heilpädagogischer Art begehrt wird. Die Mutter der Antragstellerin wie auch ihr Stiefvater haben überzeugend bekundet, dass es ihnen im Ergebnis darauf ankommt, dass die Versorgung der Diabetes Erkrankung der Antragstellerin im Kindergarten sichergestellt ist. Die als Zeugin gehörte Mitarbeiterin wie auch die ebenfalls angehörte Leiterin des Kindergartens haben für das Gericht überzeugend und nachvollziehbar bekundet, dass diesem Begehren der Antragstellerin alleine durch die Aufnahme in die Integrationsgruppe auf einem Integrationsplatz in bestmöglicher Weise Rechnung getragen werden kann.
Von daher stellt es sich für das Gericht nicht als entscheidungserheblich dar, dass eventuell ein Anspruch auf Gewährung eines integrativen Kindergartenplatzes an das Vorliegen eines heilpädagogischen Förderbedarfes geknüpft ist. Im konkreten Fall der Antragstellerin stellt sich nach dem Ergebnis der Ermittlungen des Gerichts die Aufnahme auf einen solchen Platz auch ohne spezifischen heilpädagogischen Förderbedarf als bestmöglich dem Sinn und Zweck der Eingliederungshilfe dienende Maßnahme dar. Von daher lässt es das Gericht ausdrücklich jedenfalls im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens dahinstehen, ob der von der Mutter der Antragstellerin und dem Stiefvater im Termin vor Gericht bekundete weitere Förderbedarfen in Bezug auf eine Sprachstörung unter Umständen einen solchen heilpädagogischen Förderbedarf bedingen könnte. Ebenso kann dahinstehen, ob in Anbetracht der Stellungnahme der als Zeugin gehörten Heilpädagogin die Diabetes Erkrankung in Folge auch heilpädagogische Förderung erforderlich macht. Hierfür hat die Zeugin einige Anhaltspunkte angegeben (Abnabelungsschwierigkeiten, Sprachhilfe etc.). Auch ohne Annahme eines solchen Förderbedarfes besteht ein Anspruch auf Eingliederungshilfe gegen den Antragsgegner in Form der Aufnahme im Kindergarten auf einem integrativen Platz aufgrund der aktuell bestehenden Behinderung der Antragstellerin in Form der Diabetes Mellitus Typ 1 Erkrankung. Im konkreten Fall der Antragstellerin steht einem Anspruch auf Eingliederungshilfeleistungen gegen den Antragsgegner nicht entgegen, dass Pflegedienstleistungen für die Begleitung im Kindergarten und die Kontrolle der Blutzuckerwerte sowie die damit verbundene Medikamentenvergabe als Maßnahme der Behandlungspflege nach § 37 Abs. 2 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) von den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und damit einem anderen Leistungsträger umfasst sein können. (vgl. hierzu Sozialgericht Hannover, Beschluss vom 06.02.2012 - S 17 SO 618/11 ER zitiert nach ). Insbesondere besteht kein Vorrang anderer Leistungen der Behandlungspflege im Sinne des § 37 Abs. 2 SGB V gegenüber den Leistungen des Antragsgegners im Sinne des § 2 SGB XII. Dies folgt daraus, dass die Messung des Blutzuckers einer an Diabetes erkrankten Person zu den einfachsten Maßnahmen der Krankenpflege gehört, die grundsätzlich von jedem Erwachsenen durchgeführt werden können. Solche Maßnahmen wiederum sind im Rahmen der Eingliederungshilfe als Hilfe zur Führung eines gesunden Lebens zu erbringen. (BSG, Urteil vom 22.04.2015 - B 3 KR 16/14 R -; vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11.05.2016 - L 9 KR 144/16 B ER jeweils zitiert nach ). Das Gericht teilt die Auffassung, dass nur bei in der Person des Hilfebedürftigen liegenden Besonderheiten im Einzelfall das Messen des Blutzuckergehaltes nicht im Rahmen der Eingliederungshilfe umfasst ist. Nur dann wäre es beispielsweise nicht untrennbar Bestandteil der Eingliederungshilfe und müsste als Leistung in der häuslichen Krankenpflege verordnet werden (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28.01.2016 - L 8 SO 385/12). Im Ergebnis erkennt das Gericht, dass es für die Beantwortung der Frage, ob Leistungen der Eingliederungshilfe vom zuständigen Sozialleistungsträger beansprucht werden können oder ob Leistungen der Behandlungspflege von der gesetzlichen Krankenkasse beansprucht werden können entscheidend ist, welchen Grad der Betreuungs- bzw. Behandlungsaufwand im konkreten Einzelfall erreicht. Bei einfachsten Hilfeleistungen, die geschulte Personen ohne Risiko für die Gesundheit der erkrankten Person ausüben können, nimmt das Gericht eine Zuweisung zum Bereich der Eingliederungshilfeleistungen nach dem 6. Kapitel des SGB XII an. Für den Fall eines im Einzelfall darüber hinaus gehenden Aufwandes, der einer ärztlichen Behandlung nahekommt, bzw. einer ärztlich verordneten Pflege entspricht, hingegen käme ein Anspruch gegen die zuständige Krankenkasse auf Behandlungspflege gem. § 37 SGB V in Betracht.
Hierüber bedarf es im vorliegenden Verfahren einer Entscheidung, da die Regelung des § 14 SGB IX bezüglich einer Außenzuständigkeit des zuerst angegangen Leistungsträgers im Fall der Behandlungspflege für Diabetiker nicht anwendbar ist. Bei dieser Diabetesversorgung im Rahmen des § 37 Abs. 2 SGB V handelt es sich nach Auffassung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 28.01.2016 zum Aktenzeichen L 8 SO 385/12) um eine Krankenbehandlung und keine Rehabilitationsleistung, so dass 14 SGB IX tatbestandlich nicht anwendbar ist. Dieser Bewertung folgt das erkennende Gericht jedenfalls im Rahmen dieses Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes.
Da im Ergebnis ein Anspruch gegen den Antragsgegner auf Bewilligung von Leistungen der Eingliederungshilfe aus eigenem Recht besteht, bedurfte es auch nicht der Beiladung der zuständigen Krankenkasse gem. § 75 SGG im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes. Hierbei ist auch zu beachten, dass nach dem überzeugenden Bekunden der Vertreter der Antragstellerin bislang keine formelle Vorbefassung im Sinne eines Verwaltungsverfahrens der gesetzlichen Krankenkasse vorliegt.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und den damit übereinstimmenden Bekundungen der Mutter der Antragstellerin steht für das Gericht fest, dass es sich bei der für die Antragstellerin begehrten Betreuung und Pflege wegen der Diabetes Mellitus Typ 1 Erkrankung nicht um schwere umfängliche behandlungspflegerische Maßnahmen handelt. Die Mutter der Antragstellerin wie auch ihr Stiefvater und bestätigend die Zeuginnen haben übereinstimmend bekundet, dass die gesundheitliche Situation sich bei der Antragstellerin zwar relativ schwierig in Bezug auf die Diabetes Erkrankung darstellt, dies bereits aufgrund ihres Lebensalters, aber ebenfalls übereinstimmend haben sie bekundet, dass im Alltag die Mutter der Antragstellerin ohne besondere Risiken für die Gesundheit die entsprechenden Betreuungsleistungen und auch Behandlungsleistungen in Form der Einstellung der Insulinpumpe erbringen können. Ebenso haben die Zeuginnen für das Gericht überzeugend bekundet, dass sie aktuell in der Bedienung von Insulinpumpen und der Problematik einer Diabetes Mellitus Erkrankung bei kleinen Kindern eingewiesen sind. Insbesondere hat die Leiterin des Kindergartens bestätigt, dass alle Mitarbeiterinnen in der Integrationsgruppe eine solche Schulung erhalten haben bzw. kurzfristig bei Dienstantritt erhalten werden. Von daher erkennt das Gericht einen deutlichen Unterschied zu demjenigen Sachverhalt, der der Entscheidung des Bundessozialgerichts (a.a.O.) zugrunde lag, in der es zu einem Anspruch auf Behandlungspflege gegen die Krankenkasse gekommen ist. In dieser Entscheidung handelte es sich nicht nur um die Überprüfung des Blutzuckergehaltes bei einer an Diabetes Mellitus erkrankten Person, sondern um die Gabe von Spritzen mit Insulin. Die Blutzuckermessung wird dabei von der Rechtsprechung als solche als einfachste Pflegehandlung angesehen, die Spritzengabe wird als problematisch bewertet (BSG a.a.O.). Im Fall der Antragstellerin bedarf es zwar der relativ häufigen Blutzuckerkontrolle, aber keiner Spritzengabe, da die Antragstellerin mit einer Insulinpumpe versorgt ist. Bezüglich der für die Bedienung der Insulinpumpe erforderlichen Berechnungen und Bewertungen zu den Nahrungsmitteln der Antragstellerin kann die Korrektheit der Berechnung nach überzeugenden Bekundungen der Zeuginnen wie auch der Mutter der Antragstellerin und ihres Stiefvaters im Termin zur Beweisaufnahme durch entsprechende Schulungen gewährleistet werden. Diese haben für die Mitarbeiterinnen in der Integrationsgruppe des begehrten Kindergartens bereits stattgefunden, bzw. werden stattfinden.
Von daher erkennt das Gericht keinen Anspruch auf Finanzierung einer auf die Situation der behinderten Person zugeschnittenen Diabetes-Schulung (vgl. hierzu LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28.01.2016 - L 8 SO 385/12 zitiert nach ).
Die Gewährleistung der Deckung des oben skizierten Eingliederungshilfebedarfes im Sinne einfachster Pflegeleistungen kann auf verschiedenste Arten und Weisen erreicht werden. So könnte auch der Antragsgegner bspw. durch Zurverfügungstellung von Bereitschaftspflege als 1 zu 1 Betreuung den Bedarf erfüllen. Hierbei ist jedoch dem Wunsch- und Wahlrecht der betroffenen Person nach § 9 SGB XII Rechnung zu tragen. Im Fall der Antragstellerin besteht ein wunschgemäßer Anspruch auf die Bewilligung des begehrten Integrationsplatzes in der Einrichtung E. in F ... Dieser Bewilligung kann nicht der Mehrkostenvorbehalt nach § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB XII entgegen gehalten werden. Nach diesem soll ein Träger der Sozialhilfe in der Regel Wünschen nicht entsprechen, deren Erfüllung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden wäre. Hierbei ist zu beachten, dass auch nach dem Ergebnis des Termins zur Erörterung des Sachverhaltes die konkreten Kosten der Aufnahme als Integrationskind weder von den Zeuginnen noch vom Antragsgegner beziffert werden konnten, so dass ein Mehrkostenvergleich eigentlich schon aus diesem Grunde ausscheidet. Bei einer Berufung auf diesen Vorbehalt wäre dabei durch den Leistungsträger nach allgemeinen Beweislastgrundsätzen das konkrete Vorbringen der Kostenbelastung zu erwarten. Von daher bedurfte es keiner Erwägung des Gerichts zu dieser Frage. Es ist jedoch gerichtsbekannt davon auszugehen, dass die Gewährleistung der Betreuung in der Integrationsgruppe des Kindergartens jedenfalls nicht unverhältnismäßig teurer ist als die Zurverfügungstellung einer beispielsweise auf Abruf bereitstehenden Pflegekraft im Rahmen einer Regelkindergartenbetreuung.
Die Antragstellerin hat auch die besondere Eilbedürftigkeit der Sache im Sinne des oben zitierten Anordnungsgrundes glaubhaft gemacht. Es ist ihr mit Rücksicht auf den Beginn des Kindergartenjahres am 01.08.2016 nicht zuzumuten, die Entscheidung in der (bereits anhängigen) Hauptsache abzuwarten. Es besteht Einigkeit zwischen allen Beteiligten und insbesondere wird dies durch die schriftlichen Stellungnahmen der Mediziner bestätigt, dass die Aufnahme einer Kindergartenbetreuung der Antragstellerin zielführend und kurzfristig notwendig ist. Dies stellt sich im Übrigen auch als gerichtsbekannt dar. Es ist auch nicht deswegen vom Fehlen des Anordnungsgrundes auszugehen, weil die Antragstellerin unter Umständen im Rahmen einer Regelkindergartengruppe auf einen Regelkindergartenplatz aufgenommen werden könnte bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens. Vor dem Hintergrund der überzeugenden Darstellungen der Zeuginnen als verantwortliche Personen im Kindergarten hält das Gericht es für nachgewiesen, dass eine der Erkrankung der Antragstellerin adäquate Hilfegewährung im Rahmen einer Regelkindergartengruppe bei normaler Betreuung (25 Kinder mit zwei Erzieherinnen) nicht gewährleistet ist.
Ebenso wenig entfällt der Anordnungsgrund, weil die Antragstellerin beispielsweise als Regelkind in der integrativen Gruppe aufgenommen werden könnte (in dieser Gruppe sind von 18 Kindern 4 - 5 Kinder mit Integrationsbedarf und ansonsten Kinder ohne solchen Bedarf). Dies würde zwar faktisch die Beaufsichtigung der an Diabetes erkrankten Antragstellerin ermöglichen, da die Erzieherinnen in dieser Gruppe umfänglich geschult sind, aber keinerlei rechtlich gesicherte Position gewähren. Im Übrigen liegt auch keine schriftliche Zusicherung des Kindergartens vor, dass die Antragstellerin als Regelkind aufgenommen würde.
Die zeitliche Regelung der Angelegenheit erstreckt sich bis zum Abschluss des Klageverfahrens und zugleich bis zum Ablauf des Kalenderjahres. Diese Bewertung stützt das Gericht darauf, dass die Zeuginnen bekundet haben, dass gerade in der Anfangsphase des Kindergartenbesuches ein gesteigerter Betreuungsbedarf besteht. Bezüglich der Situation ab Anfang nächsten Jahres will das Gericht deswegen keine weitere Entscheidung treffen, es ist nur aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme erkennbar, dass die regelmäßige Einstellung eines Diabetes bei Kleinkindern sehr schwierig und langwierig sein kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG. Die Antragstellerin ist mit ihrem Begehren durchgedrungen.