Sozialgericht Aurich
Urt. v. 18.10.2016, Az.: S 55 AS 693/15

Bibliographie

Gericht
SG Aurich
Datum
18.10.2016
Aktenzeichen
S 55 AS 693/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2016, 36953
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Der Bescheid vom 19.08.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.10.2015 wird insoweit abgeändert, als dass monatlich weitere 219,79 Euro an Unterkunftskosten zu zahlen sind. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerinnen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Bewilligung von laufenden Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem 2. Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) in Bezug auf die Höhe der rechtmäßig zu bewilligenden Leistungen für die Bedarfe der Kosten der Unterkunft.

Die Klägerin zu 1. ist am J. 1983 geboren und die Mutter der Klägerinnen zu 2. bis 4., die in den Jahren 2003, 2008 und 2011 geboren sind. Alle leben gemeinsam im Bereich des Beklagten in der Gemeinde K ... Sie bezogen als Bedarfsgemeinschaft zunächst bis Ende Juli 2014 Leistungen nach dem SGB II aufstockend zu Unterhaltsvorschussleistungen, zeitweisen Unterhaltszahlungen sowie Kindergeldzahlungen. Die Klägerinnen wohnten im Jahre 2014 zunächst in einer Wohnung in K., für die eine Kaltmiete von 400,00 Euro pro Monat zu zahlen war. Mit einem Schreiben vom 31.03.2014 teilte der Beklagte den Klägerinnen mit, dass diese Wohnung nicht kostenangemessen sei und er ab 01.07.2014 nur noch die angemessenen Unterkunftskosten in Höhe von 386,75 Euro für die Kaltmiete übernehmen könne. Wohl bereits am 24.03.2014 (diesbezüglich Schreibfehler im Mietvertrag in den Akten) schloss die Klägerin zu 1. einen neuen Mietvertrag betreffs der aktuell noch bewohnten Wohnung ebenfalls in K ... Für diese Wohnung mit einer Größe von ca. 90 qm zuzüglich einem Stellplatz mit dazugehörigem Carport belaufen sich die monatlichen Kosten in Bezug auf die Grundmiete auf 600,00 Euro und es ist monatlich eine Pauschale von 75,00 Euro für die sogenannten festen Nebenkosten zu leisten. Der Mietvertrag sollte ab dem 01.07.2014 nach Durchführung von Renovierungsarbeiten wirksam werden. Tatsächlich erfolgte ein Einzug der Klägerinnen jedoch nach Verzögerungen bei den Renovierungsarbeiten erst zum 01.08.2014. Bereits zum 01.07.2014 trat die Klägerin zu 1. ein Vollzeitarbeitsverhältnis und parallel ein geringfügiges Arbeitsverhältnis an, wodurch sie mit beiden Tätigkeiten insgesamt ca. 1200,00 Euro monatlichen Verdienst erzielte. Da die ersten Entgeltzahlungen aus den Tätigkeiten nachlaufend erfolgen sollten, stellten die Klägerinnen am 26.06.2014 einen Fortzahlungsantrag beim Beklagten zur Überbrückung. Der Beklagte bewilligte auf diesen Antrag hin unter dem 27.06.2014 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende für die Zeit Juli 2014 bis Dezember 2014 vorläufig wegen der zu erwartenden Einkünfte aus Erwerbstätigkeit. In diesem Bescheid waren für die Bedarfe der Kosten der Unterkunft insgesamt 455,21 Euro aufgenommen (380,21 Euro Kaltmiete und 75,00 Euro Nebenkosten). Es wurde auch in diesem Bescheid nochmals darauf hingewiesen, dass der Beklagte nur diesen Betrag als angemessen ansehen könne. Zugrunde gelegt war vorläufig ein Erwerbseinkommen von 756,94 Euro. Dies aus nicht selbständiger Arbeit. Nach Auskunft des Beklagten gelangten nur die Leistungen für den Monat Juli 2014 zur Auszahlung und wegen des Antritts der Erwerbstätigkeit wurden tatsächlich keine weiteren Leistungen aufgrund dieses Bescheides ausgezahlt.

Mit Bescheid vom 14.10.2014 hob der Beklagte dann die Leistungsbewilligung nach Vorlage der endgültigen Entgeltbescheinigungen der Klägerin zu 1. rückwirkend für die Zeit ab dem 01.08.2014 auf. In der Folge bestritten die Klägerinnen aufgrund der verschiedenartigen Einkünfte insbesondere auch nach einem Wechsel der Klägerin zu 1. von angestellter Erwerbstätigkeit in selbstständige Erwerbstätigkeit ihren Lebensunterhalt selbst. Die Kosten der Wohnung wurden - nach ihrem Vorbingen - laufend in voller Höhe gezahlt.

Die Klägerin stellte mit dem Monat Juli 2015 die selbstständige Tätigkeit aufgrund mangelnder Tragfähigkeit ein. Sie stellte dann am 06.08.2015 einen neuen Antrag auf Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für sich und die weiteren Klägerinnen beim Beklagten. Daraufhin bewilligte der Beklagte mit dem hier streitigen Bescheid vom 19.08.2015 die begehrten Leistungen für die Zeit von August 2015 bis Januar 2016. Er legte in der Bewilligung die bereits im Jahre 2014 zuletzt zugrunde gelegten 455,21 Euro für die Bedarfe der Kosten der Unterkunft, Kaltmiete und feste Nebenkosten zugrunde. Auf den Widerspruch der Klägerin bestätigte er diesen Betrag mit dem streitigen Widerspruchsbescheid vom 28.10.2015. Einer erneuten Aufforderung zur Senkung der Unterkunftskosten bedürfe es nicht zur Absenkung auf den von ihm als angemessen angesehenen Betrag, da die Klägerinnen nicht länger als ein Jahr nicht im Leistungsbezug gestanden hätten.

Die Klägerinnen sind im gerichtlichen Verfahren der Auffassung, dass sie jedenfalls längere Zeit ihre Bedarfe aus eigenen Erwerbseinkünften hätten bestreiten können und von daher im Jahre 2015 mit dem Beginn des hier streitigen Zeitraumes eine Absenkung auf das sogenannte angemessene Niveau nach Auffassung des Beklagten nicht rechtmäßig möglich sei. Es sei keine erneute Kostensenkungsaufforderung ergangen. Die Klägerinnen sind auch der Auffassung, dass es sich bereits aufgrund des Zeitablaufes seit Erteilung der Kostensenkungsaufforderung am 31.03.2014 erschließe, dass eine erneute Kostensenkungsaufforderung erforderlich sei. Das Mietniveau habe sich erkennbar geändert.

Die Klägerinnen beantragen,

den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 19.09.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.10.2015 aufzuheben und Leistungen nach dem SGB II in voller Höhe zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist auch im gerichtlichen Verfahren der Auffassung, dass die Absenkung auf das nach seiner Auffassung angemessene Niveau der Leistungen für die Kosten der Unterkunft rechtmäßig sei. Es habe keiner erneuten Kostensenkungsaufforderung bedurft, weil den Klägerinnen bekannt sein musste, welchen Betrag der Beklagte als angemessen ansieht.

Die Kammer hat am 18.10.2016 eine mündliche Verhandlung in der Angelegenheit durchgeführt. Hierbei ist die Klägerin zu 1. informatorisch angehört worden. Bezüglich des genauen Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf das in den Akten befindliche Protokoll Bezug genommen. Weiterer Gegenstand der Entscheidungsfindung waren der Inhalt der Gerichtsakte des Verfahrens sowie der Inhalt der Akten des parallelen Verfahrens der Klägerinnen zum Aktenzeichen 55 AS 363/16 und die vom Beklagten zu beiden Verfahren überreichten Verwaltungsvorgänge.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet. Der streitige Bewilligungsbescheid vom 19.08.2015 für die Zeit August 2015 bis Januar 2016 ist auch in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.10.2015 rechtswidrig und verletzt die Klägerinnen in ihren Rechten. Die Klägerinnen können vom Beklagten im streitigen Zeitraum weitere Leistungen für die Bedarfe der Kosten der Unterkunft in Höhe von 219,79 Euro pro Monat beanspruchen. Eine Absenkung durch den Beklagten mit den angegriffenen Entscheidungen auf das seiner Auffassung nach angemessene Niveau war nicht rechtmäßig.

Die Beteiligten haben den Streitgegenstand des Verfahrens in rechtmäßiger Weise auf die Höhe der zu bewilligenden Bedarfe für die Kosten der Unterkunft und Heizung beschränkt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) handelt es sich bei den Leistungen für diese Bedarfe um einen Streitgegenstand der inhaltlich von der Regelleistung abgrenzbar ist (vgl. BSG, U. v. 31.10.2007 - B 14/11B AS 7/07 R; U. v. 19.09.2008 - B 14 AS 54/07 R; U. v. 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R - jeweils zit. n. ).

Die Klägerinnen erfüllen die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II dem Grunde nach. Die Klägerin zu 1. ist Berechtigte i. S. des § 7 Abs. 1 SGB II. Sie hat das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II) und den gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II).

Sie ist erwerbsfähig i. S. v. § 8 SGB II (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II), da dem Sachverhalt keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Krankheit oder Behinderung, die sie an der Ausübung einer Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes für mindestens drei Stunden täglich hindern könnte, zu entnehmen sind. Zudem ist sie gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II in Verbindung mit §§ 9, 11, 12 SGB II hilfebedürftig, weil sie voraussichtlich für die Dauer von sechs Monaten weder über ein eigenes, den Hilfebedarf deckendes Einkommen (§ 11 SGB II) noch über für die sofortige Verwertung zu berücksichtigendes Vermögen im Sinne des § 12 SGB II verfügt. Sie lebte im streitigen Zeitraum in einer Bedarfsgemeinschaft mit den Klägerinnen zu 2. bis 4. Diese waren als unter 15 jährige Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft zum Bezug von Sozialgeld (§ 28 SGB II) berechtigt. Die Klägerinnen können im streitigen Zeitraum auf ihren Neuantrag vom 06.08.2015 vom Beklagten gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 22 Abs.1 S. 3 SGB II Leistungen für die vollen von ihnen zu zahlenden Kosten der Unterkunft in Bezug auf Kaltmiete und feste Nebenkosten beanspruchen. Eine Begrenzung der zu zahlenden Unterkunftskosten auf das nach Auffassung des Beklagten ist nicht rechtmäßig möglich.

Diese Bewertung folgt daraus, dass nach ständiger Rechtsprechung der Obergerichte Voraussetzung für die Absenkung der Leistungen für Unterkunft auf die angemessene Höhe der Aufwendungen ist, dass der erwerbsfähige Hilfebedürftige zur Absenkung der Kosten wirksam aufgefordert wurde. Eine Absenkung bereits bei erstmaliger Leistungsbewilligung erfordert dabei, dass der erwerbsfähige Hilfebedürftige von der Obliegenheit zurechenbar Kenntnis hat. (vergleiche Bundessozialgericht - BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7 b AS 10/06 R - ; Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 19/09 R - zitiert nach ).

Die Klägerinnen hatten aufgrund der Aufforderung vom 31.03.2014 zunächst Kenntnis von der nach Auffassung des Beklagten nicht angemessenen Höhen der von ihnen zu zahlenden Miete. Jedoch können sie im hier streitigen Zeitraum aufgrund der Regelung des § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II in jedem Fall die Übernahme der tatsächlichen Kosten beanspruchen.

Jedenfalls wenn ein Hilfeempfänger länger als ein Jahr nicht im Bezug von Leistungen nach dem SGB II war und während dieser Zeit aus dem ihm zur Verfügung stehenden Einkommen seine grundsicherungsrechtlich unangemessenen Kosten der Unterkunft tragen konnte, so kann ihm nicht in der Vergangenheit erteilte Kostensenkungsaufforderung entgegen gehalten werden. Vielmehr ist § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II mit einem Übergangszeitraum von 6 Monaten gegenüber anzuwenden. (Landessozialgericht - LSG - Niedersachsen Bremen, Beschluss vom 18.05.2009 - L 9 AS 529/09 B ER zitiert nach ).

Es gilt, dass bei einer Unterbrechung des Bezugs von Leistungen nach dem SGB II für mehr als 6 Monate nach Erteilung einer Kostensenkungsaufforderung nach erneuter Antragstellung anhand aller Umstände des Einzelfalls zu prüfen ist, ob eine neue Frist im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II anwendbar ist. (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.06.2012 - L 6 AS 582/10 - ; vergleiche LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27.07.2015 - L 31 AS 1471/15 BER; L 31 AS 1472/15 BER PKH - jeweils zitiert nach ). Hierbei ist festzustellen, dass bei den Klägerinnen eine Unterbrechung des Bezugs nach Leistungen nach dem SGB II für einen Zeitraum von genau 12 Monaten vorliegt. Die obige zitierte Rechtsprechung des LSG Niedersachsen-Bremen führt dabei nicht zwingend dazu, dass § 22 Abs. 1 S. 3 nicht anwendbar wäre. Vielmehr kam es in der oben zitierten Entscheidung nicht auf eine andere Bewertung an, da ein Leistungsbezug für länger als 12 Monate unterbrochen war. Die Kammer ist der Auffassung, dass auf die konkreten Umstände des Einzelfalls abzustellen wäre. Dies jedenfalls bei Zeiträumen von Unterbrechungen von mehr als 6 Monaten und dies ist bei den Klägerinnen der Fall. Bereits aus diesem Grunde stellen sich die angegriffenen Entscheidungen als rechtswidrig dar.

Weiter hat das Bundessozialgericht nunmehr erkannt, dass bei einem neuen Leistungsfall im Sinne des SGB II jedenfalls § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II nicht mehr anwendbar ist. Ein solcher neuer Leistungsfall liegt regelmäßig vor, wenn Leistungsempfänger für mindestens einen Monat aus bedarfsdeckendem Einkommen ihren Bedarf gedeckt hätten, dies auch in Bezug auf die Kosten der Unterkunft und Heizung, und für diesen Monat keine Leistungen bezogen hätten. (BSG, Urteil vom 09.04.2014 - B 14 AS 23/13 R -). Die Kammer erkennt ausdrücklich im vorliegenden Fall der Unterbrechung von genau 12 Monaten bezüglich des Leistungsbezuges nach dem SGB II einen solchen neuen Leistungsfall. Von daher kommt es nicht auf die Frage an, ob - wie oben ausgeführt - ein Übergangszeitraum im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II ohne neues Erfordernis einer Kostensenkungsaufforderung vorliegt. Vielmehr ist bei Unterbrechung und darauf folgendem neuen Leistungsfall eine hilfebedürftige Person so zu behandeln, wie eine einen Erstantrag stellende Person. Das Gericht teilt dabei ausdrücklich die vom Bundessozialgericht in der zitierten Entscheidung vertretene Auffassung und erkennt diese als überzeugend.

Dabei ist festzustellen, dass das Bundessozialgericht nicht über die Frage zu entscheiden hatte, ob eine neue Kostensenkungsaufforderung erforderlich ist, da im vom Bundessozialgericht entschiedenen Fall die Regelung des § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II in Streit stand und bereits aufgrund dieses Umstandes eine Kostensenkungsaufforderung vom Beklagten nach dessen Auffassung nicht zu erteilen war und nicht erteilt worden ist. (vergleiche BSG a.a.o. Rn. 33 nach ). Jedoch erkennt das Gericht die Bewertung des BSG bezüglich der Unterbrechung des Leistungsfalles nach nachgewiesenermaßen durch Erwerbstätigkeit gedecktem Bedarf für überzeugend. Bezüglich der Frage ob bereits nach Unterbrechung von nur einem Monat (so BSG a.a.O.) bereits ein neuer Leistungsfall vorliegt, bedurfte es keiner Entscheidung der Kammer. Jedenfalls in der Konstellation einer Unterbrechung des Leistungsbezuges für 12 Monate und damit 2 regelhafte Bewilligungszeiträume im Sinne des § 41 Abs. 1 S. 4 SGB II liegt ein neuer Leistungsfall vor. Insbesondere die Argumentation des BSG, dass bei Ausscheiden aus dem Leistungsbezug eine Zusicherung im Sinne des § 22 Abs. 2 S. 1 SGB II zum Bezug einer bestimmten Wohnung nicht erforderlich ist, stützt nach Auffassung der Kammer diese Bewertung. In ständiger Rechtsprechung knüpft das Zusicherungserfordernis an den Status als erwerbsfähige hilfebedürftige bzw. leistungsberechtigte Person an. (BSG, Urteil vom 30.08.2010 - B 4 AS 10/10 R- ; Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 19/09 R zitiert nach ). Dieses Erfordernis gilt auch bei Vorliegen eines Leistungsbezugs in früherer vergangener Zeit nicht über die Beendigung des Leistungsbezuges hinaus als anwendbar. Wenn eine hilfebedürftige Person nach Überwindung der Hilfebedürftigkeit eine neue Wohnung angemietet hat, sind deren Kosten zunächst im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 1 S. 3 SGB II der Berechnung zugrunde zu legen. Alleine in Konstellationen, wenn ein kollusives Zusammenwirken des Vermieters und der hilfeberechtigten Person nachgewiesen wäre oder die Wohnung auch bei Annahme einer dauerhaften Erwerbstätigkeit nicht hätte finanziert werden können, könnte unter Umständen eine dennoch relevante Einschränkung des Anspruches denkbar sein. (vergleiche BSG, Urteil vom 09.04.2014 - B 14 AS 23/13 R zitiert nach ). Hierüber bedarf es jedoch im vorliegenden Fall keiner Entscheidung der Kammer, da keinerlei Hinweise dafür bestehen, dass die Klägerinnen ihre teure Wohnung mit ihren Einkünften aus Erwerbstätigkeit, Unterhaltsvorschussleistungen sowie Kindergeld nicht hätten finanzieren können. Für die Annahme eines neuen Leistungsfalles ist es nach Auffassung des Gerichts auch nicht sachgerecht, zwischen der Regelung des § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II und der Regelung des § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II zu differenzieren, sodass die Rechtsprechung des BSG (a.a.O.) auch aus diesem Grunde auf den Fall der Klägerinnen anwendbar ist. Vor diesem Hintergrund beanspruchen die maßgeblichen Erwägungen der Entscheidung des BSG (a.a.o.) nicht alleine für die Regelung des § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II Geltung, sondern auch für die Frage des Erfordernisses einer neuen Kostensenkungsaufforderung zur Ausschließung der Anwendung des § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II. Im Übrigen erkennt die Kammer vor dem Hintergrund der fehlenden Obliegenheit zur Zusicherungseinholung nur bei neuem Erfordernis der Kostensenkungsaufforderung eine dem Grundsatz der Gleichbehandlung gerecht werdende Regelung.

Wenn die Klägerinnen nach Beendigung des Leistungsbezuges eine teure Wohnung angemietet und dann auch bezogen hätten, so wäre die Regelung des § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II in jedem Fall anwendbar gewesen, da eine Begrenzung aufgrund fehlenden Erfordernisses der Einholung einer Zusicherung nicht möglich gewesen wäre. Allein die Tatsache, dass hier bereits im laufenden Leistungsbezug eine teurere Wohnung angemietet worden ist - mag der Grund hierfür nachvollziehbar sein oder nicht - kann keine andere Bewertung rechtfertigen. Des Weiteren stützt die grundgesetzliche Regelung des Artikel 11 Grundgesetz mit der darin gewährleisteten freien Wohnungsnahme die Auffassung, dass den Klägerinnen nicht verwehrt sein kann, außerhalb des Leistungsbezuges nach dem SGB II eine teurere Unterkunft zu beziehen, als nach den Regelungen des § 22 SGB II angemessen wäre. eine Einschränkung aufgrund sozialrechtlicher Regelungen wäre allerhöchstens für den Fall gerechtfertigt, dass bereits bei Bezug der Wohnung zwingend für die Klägerinnen subjektiv erkennbar war, dass sie ihren Hilfebedarf nicht decken könnten. Dies ist nicht der Fall.

Vor diesem Hintergrund des neuen Leistungsfalles und damit erneuter Anwendung des § 22 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 1 S. 3 SGB II bedarf es keiner Entscheidung des Gerichtes bezüglich der Frage, ob sich die Kosten der von den Klägerinnen bewohnten Wohnung nicht entgegen der Auffassung des Beklagten bereits als angemessen darstellen. Diesbezüglich könnten Zweifel aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls resultieren, wonach die Klägerin zu 1. mit 3 kleineren Kindern (den Klägerinnen zu 2. bis 4.) zusammen lebt und einer zumindest ergänzenden Erwerbstätigkeit nachgeht. Aufgrund dieser Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines eventuellen Schul- bzw. Kindergartenbesuches, und damit besonderer Verbindung zu einem bestimmten Wohnumfeld könnte sich eine im Einzelfall bestehende Angemessenheit der Wohnung auch bei dem Betrag nach Auffassung des Beklagten übersteigenden Kosten ergeben. Es bedurfte auch keiner Entscheidung des Gerichtes darüber, ob eventuell einen neuerlichen Kostensenkungsaufforderung unmittelbar auf Antragstellung im August 2015 mit eventuell verkürzter Regelfrist des § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II rechtmäßig gewesen wäre, da eine solche nicht erteilt worden ist. Aus den Akten sowie aus dem Vorbringen der Beteiligten ist erkennbar, dass jedenfalls im Jahr 2015 keine Kostensenkungsaufforderung ergangen ist, sodass eine Absenkung der bewilligten Leistungen auf das sogenannte angemessene Niveau nicht rechtmäßig ist. Das Gericht erkennt insbesondere aus dem Vorbringen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, dass die Klägerinnen aus den Einkünften während des Zeitraums ohne Bezug von Leistungen von Grundsicherung der Grundsicherung nach dem SGB II unschwer die teurere Mietwohnung finanzieren konnten.

Bei angenommenen Durchschnittseinkünften von 1200,00 Euro und zusätzlich ausbezahlten Kindergeldleistungen sowie Unterhaltsleistungen ist dies nachvollziehbar und schlüssig. So hätten die Klägerinnen eine sogar noch teurere Wohnung aus den laufenden Einkünften finanzieren können. Es bedurfte damit keiner weiteren Ermittlungen dazu, ob die Klägerin zu 1. nicht bereits bei Abschluss des Mietvertrages der aktuell bewohnten Wohnung im März 2014 wusste oder erkennen konnte, dass sie aufgrund von Erwerbstätigkeit die Kosten für diese Wohnung nicht mit steuerfinanzierten Transferleistungen zu bestreiten hatte.

Die Differenz zwischen den vom Beklagten bereits bewilligten Leistungen für die Bedarfe der Kosten der Unterkunft in Höhe von 455,21 Euro zu den tatsächlich anfallenden Kosten von 675,00 Euro beträgt 219,79 Euro, die den Klägerinnen monatlich zu gewähren sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus der Anwendung des § 193 Sozialgerichtsgesetz. Die Klägerinnen sind mit ihrem Begehren in vollem Umfange durchgedrungen.