Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 08.03.2024, Az.: 1 A 92/18

Einbürgerung; Familienasyl; Familienschutz; Feststellungsinteresse; Fortsetzungsfeststellungsklage; Stammberechtigter; Familienasyl keine Feststellung eines bis zur Einbürgerung des schutzberechtigten Ehegatten bestehenden Anspruchs auf Familienschutz

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
08.03.2024
Aktenzeichen
1 A 92/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 12416
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGGOETT:2024:0308.1A92.18.00

[Tatbestand]

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass ihr bis zur Einbürgerung ihres Mannes in den deutschen Staatsverband Familienschutz zugestanden hat.

Die 42 Jahre alte Klägerin ist libanesische Staatsangehörige mit arabischer Volkszugehörigkeit sowie Religionszugehörigkeit der Drusen. Seit dem Jahr 2002 ist sie mit einem vormals syrischen Staatsangehörigen verheiratet, dessen Staatsangehörigkeit auch die vier gemeinsamen Kinder hatten. Die Familie lebte im Libanon. Im September 2010 entschloss sich die Familie, nach Syrien überzusiedeln, wobei der Ehemann der Klägerin nach ihren eigenen Angaben weiterhin im Libanon arbeitete und deshalb sowie wegen der Sorge um den Einzug zum Wehrdienst nicht durchgehend bei der Familie in Syrien lebte. Im Mai 2011 zog die Familie wegen des Ausbruch des Bürgerkrieges in Syrien zurück in den Libanon. Danach folgte nur noch ein Besuchsaufenthalt in Syrien im Jahr 2014. Nach eigenen Angaben reiste die Klägerin mit ihrem Ehemann und den gemeinsamen Kindern am 10.01.2016 über Istanbul und von dort den Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein.

Auf die Asylanträge des Ehemanns und der gemeinsamen Kinder wurde diesen mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) vom 22.08.2017 der subsidiäre Schutz zuerkannt.

Den Asylantrag der Klägerin vom 02.06.2016 lehnte das Bundesamt nach ihrer Anhörung am 09.11.2016 hingegen mit Bescheid vom 01.11.2017 ab. Es erkannte ihr die Flüchtlingseigenschaft nicht zu (Ziff. 1), lehnte den Antrag auf Asylanerkennung ab (Ziff. 2), erkannte ihr den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Ziff. 3) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5, 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziff. 4). Es forderte die Klägerin zur Ausreise innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe oder Eintritt der Unanfechtbarkeit der Entscheidung auf und drohte für den Fall des Zuwiderhandelns die Abschiebung in den Libanon an (Ziff. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot befristete es auf einen Monat ab dem Tag der Abschiebung (Ziff. 6). Zur Begründung führte das Bundesamt zunächst aus, dass es die Prüfung ihres Antrags auf das Vorbringen betreffend Libanon beschränke, weil die Klägerin dessen Staatsangehörigkeit besitze. Zum Familienasyl nach § 26 AsylG verhielt sich das Bundesamt nicht. Wegen der Begründung im Übrigen wird auf den Bescheid verwiesen.

Am 14.11.2017 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie hat zunächst geltend gemacht, dass ihr unter Berücksichtigung der Zuerkennung des subsidiären Schutzes des Ehemanns und der gemeinsamen Kinder jedenfalls ein Anspruch auf Familienasyl aus § 26 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 AsylG zukomme. Sie hat zunächst beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 01.11.2017 zu verpflichten, ihr die Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise den subsidiären Schutz zuzuerkennen und wiederum hilfsweise Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG bezogen auf den Herkunftsstaat festzustellen.

Am 28.09.2023 sind sowohl der Ehemann der Klägerin als auch die gemeinsamen Kinder in den deutschen Staatsverband eingebürgert worden. Auf die entsprechende Mitteilung der Klägerin im gerichtlichen Verfahren vom 19.02.2024 hat das Bundesamt den streitgegenständlichen Bescheid mit Bescheid vom 27.02.2024 hinsichtlich der Ziffern 5 und 6 aufgehoben. Die Beteiligten haben den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt.

Die Klägerin verfolgt nunmehr ihren auf § 26 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 AsylG gestützten Verpflichtungsantrag auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus als Fortsetzungsfeststellungsklage weiter und hat die Klage im Übrigen in der mündlichen Verhandlung vom 08.03.2024 zurückgenommen. Sie macht geltend, durch die lange Verfahrensdauer sei ihr Anspruch auf Gewährung von Familienasyl abgeschnitten worden und ihr seien die für die Gewährung einer Niederlassungserlaubnis und für die Einbürgerung erforderlichen Voraufenthaltszeiten verloren gegangen.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

festzustellen, dass der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 01.11.2017 hinsichtlich der Ziffer 3 rechtswidrig war und sie in ihren Rechten verletzt hat und sie einen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus vom 02.06.2016 bis 27.09.2023 gehabt hätte.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie vertritt weiterhin die Auffassung, dass ein Anspruch aus § 26 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 AsylG nie bestanden habe, da die Klägerin eine andere Staatsangehörigkeit als der Stammberechtigte besitze und demnach keine Verfolgungsgemeinschaft vorliege, die wiederum vom Gesetzgeber bei der Einführung des § 26 AsylG bezweckt gewesen sei.

Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 04.02.2021 der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen. Mit Beschluss vom 30.04.2021 hat die Einzelrichterin die Verhandlung bis zur Erledigung des Vorlageverfahrens beim Europäischen Gerichtshof aufgrund des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.12.2019 (1 C 2.19) ausgesetzt. Nachdem der EuGH mit Urteil vom 09.11.2021 auf den Vorlagebeschluss entschieden hat, ist das Verfahren mit richterlicher Verfügung vom 21.01.2022 wiederaufgenommen worden.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte die von den Beteiligten zur Gerichtsakte eingereichten Schriftsätze sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Einzelrichterin konnte gemäß § 102 Abs. 2 VwGO trotz des Ausbleibens eines Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung den vorliegenden Rechtsstreit verhandeln und entscheiden, nachdem die Beklagte ordnungsgemäß gegen Empfangsbekenntnis geladen und auf die Folgen des Ausbleibens in der mündlichen Verhandlung hingewiesen worden war.

Im Umfang der wechselseitigen Erledigungserklärungen (Ziffern 5, 6 des Bescheids vom 01.11.2017) und der Klagerücknahme (Ziffern 1, 4 des Bescheids vom 01.11.2017) ist das Verfahren einzustellen.

Im Übrigen hat die - im Wege der Beschränkung des Klageantrags gem. § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO - als Fortsetzungsfeststellungsklage fortgeführte Verpflichtungsklage keinen Erfolg. Sie ist analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft, ihr mangelt es jedoch an dem erforderlichen Fortsetzungsfeststellungsinteresse.

Nach dem Sinn und Zweck des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO, der auf Verpflichtungsklagen entsprechend anwendbar ist, soll verhindert werden, dass der Kläger um die "Früchte" der bisherigen Prozessführung gebracht wird, wenn er infolge eines erledigenden Ereignisses seinen ursprünglichen, den Streitgegenstand kennzeichnenden Antrag nicht weiterverfolgen kann (BVerwG, Urt. v. 24.01.1992 - 7 C 24.91 -, juris Rn. 7). Insofern soll dem Kläger die Möglichkeit eingeräumt werden, das in der Verpflichtungsklage subsidiär enthaltene Feststellungsbegehren als Hauptantrag fortführen zu können, wenn er ein entsprechendes Interesse an der Feststellung vorweisen kann.

Nach diesem Maßstab ist die als Fortsetzungsfeststellungsklage fortgeführte Verpflichtungsklage statthaft. Die Klägerin begehrt dabei die Feststellung, dass die Weigerung der Beklagten auf Zuerkennung eines Schutzstatus bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses, hier der Einbürgerung ihres Ehemanns und der Kinder in den deutschen Staatsverband, rechtswidrig war.

Die Klägerin hat indes kein berechtigtes Interesse i.S.d. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog an der begehrten Feststellung. Die Feststellung der Rechtswidrigkeit der unterlassenen Zuerkennung eines Schutzstatus bringt der Klägerin keinen Vorteil wirtschaftlicher, rechtlicher oder ideeller Art und verbessert die Position der Klägerin nicht.

Insbesondere ergibt sich ein Feststellungsinteresse nicht daraus, dass die Klägerin im Hinblick auf die aufenthaltsrechtliche oder staatsangehörigkeitsrechtliche Anrechnung von Voraufenthaltszeiten einen Vorteil hätte.

Anknüpfungspunkt für die Anrechenbarkeit bisheriger (asylbedingter) Aufenthaltszeiten im Rahmen des Asylverfahrens ist § 55 Abs. 3 AsylG. Soweit der Erwerb oder die Ausübung eines Rechts oder einer Vergünstigung von der Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet abhängig ist, wird danach die Zeit eines Aufenthalts nach Absatz 1 - also für die Dauer des für die Durchführung des Asylverfahrens gestatteten Aufenthalts - nur angerechnet, wenn der Ausländer als Asylberechtigter anerkannt ist oder ihm internationaler Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG zuerkannt wurde. Der von der Klägerin ursprünglich begehrte Familienschutz nach § 26 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 AsylG ist dem gleichgestellt (vgl. Bergmann, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Aufl. 2022, AsylG § 55 Rn. 16). § 55 Abs. 3 AsylG ist nicht nur auf aufenthaltsrechtliche Voraufenthaltszeiten anwendbar, sondern auch auf staatsangehörigkeitsrechtliche nach § 10 Abs. 1 StAG; auch hier gilt aber, dass Aufenthaltszeiten während des Asylverfahrens nur im Falle der tatsächlichen Anerkennung berücksichtigungsfähig sind (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Bd. 5, 128. Aktualisierung März 2023, AsylG § 55 Rn. 50, m.w.N.).

Eine unanfechtbare Schutzgewährung, die § 55 Abs. 3 AsylG nach seinem Wortlaut voraussetzt, liegt hier nicht vor. Im Zeitpunkt unmittelbar vor Eintritt des erledigenden Ereignisses durch Einbürgerung des Ehemannes war das Asylverfahren der Klägerin noch nicht abgeschlossen. Im für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) konnte sie von ihrem Ehemann keine Rechte mehr nach § 26 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 AsylG ableiten. Der personale Anwendungsbereich des § 26 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 AsylG beschränkt sich auf Ehegatten oder Lebenspartner von international Schutzberechtigten. Mit der Einbürgerung in den deutschen Staatsverband war nach § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AsylG (vgl. Art. 45 Abs. 5 Satz 2 Asylverfahrensrichtlinie) die Zuerkennung des internationalen Schutzes des Ehemannes erloschen. Die Klägerin ist nunmehr Ehegattin eines Deutschen (und kann von diesem die Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG ableiten und abweichend von § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nach drei und nicht erst nach fünf Jahren eine Niederlassungserlaubnis erlangen, § 28 Abs. 2 Satz 1 AufenthG).

§ 55 Abs. 3 AsylG kann auch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass Zeiten der Aufenthaltsgestattung angerechnet werden, wenn der Ausländer für zurückliegende Zeiträume einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter oder Zuerkennung internationalen Schutzes gehabt hätte. Der Fall kann bei einem noch offenen Verfahren über einen abgeleiteten Schutzanspruch nach § 26 AsylG nicht nur in Fällen des Erlöschens der Anerkennung des Stammberechtigten nach § 72 AsylG eintreten, sondern etwa durch Tod des Stammberechtigten vor einer Entscheidung (vgl. hierzu VG B-Stadt, Urt. v. 04.08.2022 - 1 A 17/22 -, juris). Zwar zielt die Regelung nicht darauf, diesen Fall von der Anrechnung auszunehmen. § 55 Abs. 3 AsylG wurde vielmehr eingeführt, um zu verhindern, dass Ausländer aussichtslose Asylverfahren über Jahre betreiben, um dann unter Berufung auf ihren für das Verfahren gestattete Aufenthalt Rechte geltend zu machen (Hailbronner, Ausländerrecht, Bd. 5, 128. Aktualisierung März 2023, AsylG § 55 Rn. 46, mit Verweis auf BT-Drs. 9/875, S. 21). Ein solcher Fall liegt gerade nicht vor, wenn - wie hier - die Feststellung zurückliegender Ansprüche auf Schutzgewährung geltend gemacht wird. Allerdings hat sich die Zwecksetzung nicht im Wortlaut der Regelung niedergeschlagen, und der Wortlaut gibt für eine für die Klägerin günstigere Auslegung nichts her.

Eine Verbesserung der Rechtsposition der Klägerin durch die begehrte Feststellung ergibt sich auch nicht aus anderen Regelungen. Die vom Gesetz ausdrücklich vorgesehen Ausnahmen von § 55 Abs. 3 AsylG - wie sie in § 26 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Satz 3 Nr. 1 sowie Abs. 4 Satz 3 AufenthG normiert sind - knüpfen dabei nicht an die tatsächliche An-/Zuerkennung an, sondern lässt die Durchführung eines Asylverfahrens ausreichen. Ähnlich verhält es sich mit Blick auf das neu geschaffene Chancenaufenthaltsrecht nach § 104c AufenthG, bei dem ein lediglich gestatteter Voraufenthalt ausdrücklich Berücksichtigung findet. Um im Anwendungsbereich dieser aufenthaltsrechtlichen Normen von der Dauer eines gestatteten Aufenthalts zu profitieren, bedarf es der begehrten Feststellung mithin nicht.

Auch europarechtliche Vorschriften zum Familienschutz gebieten in den Fällen wie dem vorliegenden keine für die Klägerin günstigere Auslegung von § 55 Abs. 3 AsylG.

Nach Art. 23 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (EU-Anerkennungsrichtlinie) tragen die Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass die Familienangehörigen der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, die selbst nicht die Voraussetzungen für die Gewährung dieses Schutzes erfüllen, gemäß den nationalen Verfahren Anspruch auf die in den Artikeln 24 bis 35 genannten Leistungen haben, soweit dies mit der persönlichen Rechtsstellung des Familienangehörigen vereinbar ist. Eine zwingende Erstreckung der Flüchtlingseigenschaft oder des subsidiären Schutzstatus auf die Familienangehörigen, die selbst nicht die Voraussetzungen für die Zuerkennung dieser Eigenschaft oder dieses Status erfüllen, kraft Ableitung von einer Person, der diese Eigenschaft oder dieser Status zuerkannt worden ist, ist nach Unionsrecht danach nicht vorgesehen. Insofern gewährt § 26 AsylG eine günstigere Regelung, nämlich den vollwertigen Status statt nur den Zugang zu den entsprechenden Leistungen. § 26 AsylG ist nach Art. 3 der EU-Anerkennungsrichtlinie mit Unionsrecht zu vereinbaren (vgl. EuGH, Urt. v. 09.11.2021 - C-91/20 -, juris Rn. 63).

Zwar ist der Klägerin zuzugeben, dass die Rechtsprechung zum Familienschutz darauf hindeutet, dass eine lange Verfahrenslaufzeit, die Veränderungen beim Stammberechtigten mit sich bringt, nicht nachteilig für das Familienmitglied sein soll. Der EuGH hat nämlich im Zusammenhang mit der Frage der Minderjährigkeit des Stammberechtigten als Voraussetzung für den Schutz eines Elternteils (§ 26 Abs. 3 AsylG) entschieden, dass es für die Minderjährigkeit auf den Zeitpunkt des Antrags des schutzsuchenden Elternteils ankommt (EuGH, Urt. v. 09.09.2021 - C-768/19 -, juris Rn. 28 ff., 42; BVerwG, Urt. v. 25.11.2021 - 1 C 4.21 -, juris Rn 25 ff.). Insoweit ist es unbeachtlich, wenn das Kind im laufenden Verfahren volljährig wird. Ähnlich hatte der EuGH schon beim Familiennachzug entschieden. Auch dort hatte der EuGH für die Frage der Minderjährigkeit auf den Zeitpunkt der Antragstellung abgestellt (EuGH, Urt. v. 16.07.2020 - C-133/19, C-136/19 und C-137/19 -, juris Rn. 24 ff., 42.). Der EuGH hat sich allerdings nicht dazu geäußert, dass das Elternteil eines im Verfahren volljährig gewordenen Kindes noch eine Aufenthaltserlaubnis erhalten kann. Vielmehr hat das Gericht im Urteil vom 16.07.2020 auf die Möglichkeit von Schadenersatz hingewiesen (ebd., Rn. 55 ff.):

"Folglich kann ein solcher Rechtsbehelf nicht allein deshalb als unzulässig zurückgewiesen werden, weil das betreffende Kind während des gerichtlichen Verfahrens volljährig geworden ist.

Darüber hinaus kann entgegen dem Vorbringen einiger Mitgliedstaaten, die Erklärungen abgegeben haben, die Zurückweisung eines gegen die Ablehnung eines Antrags auf Familienzusammenführung eingelegten Rechtsbehelfs als unzulässig nicht wie im vorliegenden Fall auf die Feststellung gestützt werden, dass für die Betroffenen an einer Entscheidung des angerufenen Gerichts kein Interesse mehr bestehe.

Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass ein Drittstaatsangehöriger, dessen Antrag auf Familienzusammenführung abgelehnt wurde, weiterhin, auch nachdem er volljährig geworden ist, ein Interesse daran hat, dass das mit dem Rechtsbehelf gegen diese Ablehnung befasste Gericht eine Sachentscheidung trifft, da in einigen Mitgliedstaaten eine solche gerichtliche Entscheidung erforderlich ist, damit der Antragsteller eine Schadensersatzklage gegen den betreffenden Mitgliedstaat erheben kann."

Eine solche Schadenersatzklage, auf die der EuGH hier Bezug nimmt, begründet vorliegend allerdings ebenfalls kein Feststellungsinteresse. Die Klägervertreterin hat in der mündlichen Verhandlung vom 08.03.2024 im Rahmen des Rechtsgesprächs Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG erhoben. Der nach § 198 GVG für die unangemessene Dauer eines Gerichtsverfahrens gewährte Schadenersatz knüpft nicht an den voraussichtlichen oder festgestellten Erfolg der Rechtsverfolgung an, sondern an die Verfahrensdauer.