Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 28.03.2024, Az.: 4 B 59/24
Bestimmtheit; Fahreignung; Fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge; Gutachten; Kraftfahrzeuge; Anordnung eines Gutachtens nach § 14 FeV
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 28.03.2024
- Aktenzeichen
- 4 B 59/24
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2024, 12922
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGGOETT:2024:0328.4B59.24.00
Rechtsgrundlagen
- FeV § 3
- FeV § 14
Amtlicher Leitsatz
Eine nach § 3 Abs. 2 i.V.m. §§ 11 ff. FeV erfolgte Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens muss insbesondere auch dem Bestimmtheitsgrundsatz genügen und eindeutig erkennen lassen, ob die Eignung des Betroffenen ausschließlich hinsichtlich des Führens von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen i.S.v. § 3 Abs. 1 FeV überprüft werden soll.
Beschluss
hat das Verwaltungsgericht Göttingen - 4. Kammer - am 28. März 2024 beschlossen:
Tenor:
Die aufschiebende Wirkung der Klage 4 A 58/24 gegen die im Bescheid des Antragsgegners vom 22.01.2024 in den Ziffern 1. und 2. getroffenen Anordnungen wird wiederhergestellt; hinsichtlich der in Ziffer 4. erfolgten Zwangsgeldandrohung wird die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Am 20.05.2023 führte der damals 16-jährige Antragsteller einen E-Scooter im öffentlichen Straßenverkehr, obwohl er unter der Wirkung von Betäubungsmitteln stand. Die Untersuchung (Bestätigungsanalyse) einer ihm am selben Tag abgenommenen Blutprobe ergab u.a. Werte von 13,1 ng/ml Tetrahydrocannabinol (THC) und 49,1 ng/ml THC-Carbonsäure (THC-COOH).
Aufgrund dieses Sachverhalts forderte der Antragsgegner den Antragsteller mit Schreiben vom 16.10.2023 auf, innerhalb von 28 Tagen ein ärztliches Gutachten über seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen beizubringen. Sollte der Antragsteller sich keiner Begutachtung unterziehen oder das Gutachten nicht fristgerecht vorlegen, werde der Antragsgegner aus diesem Verhalten auf seine Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen und ihm die Fahrerlaubnis entziehen.
Nachdem der Antragsteller weder innerhalb der gesetzten Frist noch nach einer Erinnerung des Antragsgegners vom 22.12.2023 ein Gutachten vorlegt hatte, untersagte der Antragsgegner ihm mit Bescheid vom 22.01.2024 mit sofortiger Wirkung das Führen von Mofas und anderen fahrerlaubnisfreien Kraftfahrzeugen und Fahrzeugen (1.), forderte ihn für den Fall, dass er im Besitz einer Mofaprüfbescheinigung sei, auf, diese bis zum 02.02.2024 beim Antragsgegner abzugeben (2.), ordnete die sofortige Vollziehung der Untersagung und der Aufforderung zur Abgabe der Mofaprüfbescheinigung an (3.), drohte für den Fall, dass dem Antragsgegner die Prüfbescheinigung nicht am 02.02.2024 vorliege, ein Zwangsgeld in Höhe von 160 € an (4.) und legte dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens auf (5.). Zur Begründung führte er aus, die Fahrerlaubnisbehörde müsse die Fahrerlaubnis entziehen oder das Recht aberkennen, fahrerlaubnisfreie Kraftfahrzeuge oder Fahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr zu führen, wenn sich jemand zum Führen von Kraftfahrzeugen als ungeeignet erweise. Dies sei u.a. der Fall, wenn gelegentlicher Cannabiskonsum und fehlendes Trennungsvermögen zwischen dem Drogenkonsum und dem Führen von Kraftfahrzeugen vorliege (§ 3 Abs. 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 3 und Nr. 9.2.2. der Anlage 4 zur FeV). Der beim Antragsteller festgestellte THC- Wert von 13,1 ng/ml liege über dem Grenzwert von 1 ng/ml und weise damit fehlendes Trennungsvermögen zwischen einem Drogenkonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs nach; anhand des festgestellten THC-COOH-Wertes von 49,1 ng/ml könne aber noch kein gelegentlicher Cannabiskonsum angenommen werden. Der Antragsteller habe innerhalb der gesetzten Fristen das mit Schreiben vom 16.10.2023 geforderte ärztliche Gutachten nicht vorgelegt. Ebenso wenig habe er von der ihm eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, freiwillig auf sein Recht zu verzichten, fahrerlaubnisfreie Kraftfahrzeuge oder Fahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr zu führen. Ihm sei somit das Führen von Mofas und anderen fahrerlaubnisfreien Kraftfahrzeugen und Fahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr zu untersagen.
Der Antragsteller hat am 08.02.2024 Klage erhoben und einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt.
Er ist der Ansicht, für die erfolgte Untersagung des Führens von Mofas und anderen fahrerlaubnisfreien Kraftfahrzeugen und Fahrzeugen fehle es an einer Rechtsgrundlage. Insoweit bezieht er sich auf einen Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH München) vom 15.03.2023 (11 CS 23.59).
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung der Klage 4 A 58/24 gegen die im Bescheid des Antragsgegners vom 22.01.2024 in den Ziffern 1. und 2. getroffenen Anordnungen wiederherzustellen und hinsichtlich der in Ziffer 4. erfolgten Zwangsgeldandrohung anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung verweist er auf den streitgegenständlichen Bescheid. Rechtsgrundlage der Anordnung sei § 3 FeV. Dem vom Antragsteller angeführten Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs werde der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom 23.08.2023 - 12 ME 93/23 - entgegengehalten. Danach seien die Vorgaben der FeV auch auf Verkehrsteilnehmer anzuwenden, die mit fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen im Straßenverkehr auffällig geworden seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat Erfolg.
Er ist hinsichtlich der in den Ziffern 1. und 2 getroffenen Anordnungen nach § 80 Abs. 5 Satz 1, Alt. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 VwGO und hinsichtlich der in Ziffer 4. erfolgten Zwangsgeldandrohung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO statthaft. Denn der Klage kommt insoweit gemäß § 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO bereits aufgrund der Regelungen der §§ 70 Abs. 1 NVwVG und 64 Abs. 4 NPOG keine aufschiebende Wirkung zu.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1. bis 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Bei der Entscheidung hat das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen, bei der das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung abzuwägen ist. Dabei sind auch die überschaubaren Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen. Das Gericht prüft im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO auch, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind. Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat der vorliegende Antrag Erfolg. Die Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners von 22.01.2024 hat bei summarischer Prüfung Aussicht auf Erfolg, da der Bescheid rechtswidrig ist.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung hinsichtlich der Anordnungen zu den Ziffern 1. und 2. genügt in formeller Hinsicht den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, wonach das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung der Untersagungsverfügung und der angeordneten Vorlage der Mofaprüfbescheinigung schriftlich zu begründen ist.
Bei einer Fahrerlaubnisentziehung reicht es aus, die für den Fall typische Interessenlage aufzuzeigen. Die Darlegung besonderer zusätzlicher Gründe für die Erforderlichkeit der sofortigen Vollziehung ist nicht geboten. Die Behörde kann sich bei der Abwägung zwischen den beteiligten Interessen im Wesentlichen auf die Prüfung beschränken, ob nicht ausnahmsweise in Ansehung der besonderen Umstände des Falls die sofortige Vollziehung der Entziehung weniger dringlich als im Normalfall ist. Dies gilt auch für die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge. Denn es liegt in der Regel auf der Hand, dass die Teilnahme eines für ungeeignet erachteten Fahrzeugführers am Straßenverkehr zu erheblichen Gefahren für Leben, Gesundheit und Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer führt, und dass ein solcher Fahrzeugführer zur Vermeidung der von ihm ausgehenden akuten Gefahr durch die Anordnung des Sofortvollzugs des Untersagungsbescheids schnellstmöglich von der weiteren Teilnahme am Straßenverkehr auszuschließen ist. Deshalb sind in solchen Fällen an den Inhalt der Begründung ebenfalls keine zu hohen Anforderungen zu stellen (VG Bayreuth, Beschluss vom 21.12.2022 (B 1 S 22.1112, juris Rn. 72)). Nach diesem Maßstab hat der Antragsgegner ordnungsgemäß begründet, weshalb die Belange der öffentlichen Sicherheit des Straßenverkehrs das private Interesse des Antragstellers, bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung über die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge verschont zu bleiben, überwiegen. Der Antragsgegner hat ausgeführt, dass der Antragsteller in der Vergangenheit gezeigt habe, dass er nicht zwischen dem Konsum von Drogen und dem Führen eines Fahrzeugs oder Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr trennen könne. Es bestehe auch ein besonderes öffentliches Interesse daran, dass der Antragsteller innerhalb der gesetzten Frist eine eventuell vorhandene Prüfbescheinigung für ein Mofa abgebe, um einen eventuellen Missbrauch dieser Bescheinigung bei möglichen Verkehrskontrollen zu verhindern.
Als Rechtsgrundlage für die angegriffene Untersagung und die angeordnete Vorlage einer Mofaprüfbescheinigung kommt § 3 Abs. 1 Satz 1 FeV in Betracht. Erweist sich jemand als ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet zum Führen von Fahrzeugen oder Tieren, so hat nach dieser Vorschrift die Fahrerlaubnisbehörde ihm das Führen zu untersagen, zu beschränken oder die erforderlichen Auflagen anzuordnen. Auch wenn der Wortlaut missverständlich von Fahrzeugen allgemein spricht, gilt die Norm nicht für Personen, die fahrerlaubnispflichtige Kraftfahrzeuge führen, denn die Zulassung zum Führen von erlaubnispflichtigen Kraftfahrzeugen unterliegt speziellen Regelungen. So ist die Entziehung der Fahrerlaubnis in der Fahrerlaubnisverordnung in § 46 FeV geregelt. Von § 3 FeV erfasst ist das Führen von nicht motorisierten Fahrzeugen (z.B. Fahrräder, Fuhrwerke) und der Verkehr mit erlaubnisfreien Kraftfahrzeugen (z.B. Mofas, Elektrokleinstfahrzeuge i.S.v. § 1 Abs. 1 eKFV, Fahrräder mit elektromotorischer Tretunterstützung i.S.v. § 1 Abs. 3 StVG, s. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Auflage, Rn. 10 mit Rechtsprechungshinweisen).
Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 FeV ist nach der Untersagung, auf öffentlichen Straßen ein Mofa zu führen, die Mofaprüfbescheinigung (§ 5 Abs. 4 Satz 1) unverzüglich der entscheidenden Behörde abzuliefern. Nach Satz 3 besteht die Verpflichtung zur Ablieferung auch, wenn die Entscheidung angefochten worden ist, die zuständige Behörde jedoch die sofortige Vollziehung ihrer Verfügung angeordnet hat. Nach § 3 Abs. 2 FeV finden die Vorschriften der §§ 11 bis 14 entsprechend Anwendung, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Führer eines Fahrzeugs oder Tieres zum Führen ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet ist. Wird - wie im vorliegenden Fall - eine nach § 14 FeV beizubringende ärztliche Bescheinigung nicht vorgelegt, so darf nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen.
Die vorgenannten Regelungen beruhen auf der Ermächtigungsgrundlage des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 y) StVG a. F. In der Rechtsprechung ist nicht unumstritten, ob diese Norm grundgesetzkonform ist und den Anforderungen nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG für den Erlass von Rechtsverordnungen genügt. Danach müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden. In seinem Urteil vom 04.12.2020 (3 C 5/20, juris) hat das Bundesverwaltungsgericht diese Frage offengelassen, aber gravierende Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung deutlich gemacht (s. BVerwG, a.a.O., Rn. 36 ff). Das Gleiche gilt für den Verwaltungsgerichtshof München in seiner Entscheidung vom 20.01.2022 (11 CS 21.2856, juris). Dort hat der VGH München in seinem Orientierungssatz erklärt, dass er trotz erheblicher Zweifel noch nicht mit der für eine Vorlage gebotenen Gewissheit davon überzeugt sei, dass § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. y StVG a. F. mit dem Grundgesetz nicht vereinbar gewesen sei. Dagegen haben das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (Nds. OVG) in seinem Beschluss vom 01.04.2008 (12 ME 35/08, juris Rn. 5 ff.) und das Verwaltungsgericht Lüneburg in seinem ausführlichen Beschluss vom 19.07.2023 (n.v., Vorentscheidung zu dem vom Antragsgegner angeführten Beschluss des Nds. OVG vom 23.08.2023 (12 ME 93/23, juris) und auch das OVG Münster in seinem Beschluss vom 23.04.2015 (16 E 208/15, juris Rn. 4 ff.) § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 y) StVG a. F. als verfassungsgemäß bewertet und einen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot in Art. 80 Abs. 1 Satz GG verneint.
In vorliegenden Fall kann die Kammer die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Ermächtigungsgrundlage für die vom Antragsgegner angewandten Vorschriften der FeV jedoch offenlassen. Denn die Tatbestandsvoraussetzungen für die gegenüber dem Antragsteller nach § 3 Abs. 1 Satz 1 FeV i.V.m. § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV erfolgte Untersagung liegen ohnehin nicht vor. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, da es sich bei der Untersagung um einen Dauerverwaltungsakt handelt.
Der Antragsgegner stützt die Annahme der Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen von erlaubnisfreien Fahrzeugen auf § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV. Danach darf die Fahrerlaubnisbehörde auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn dieser sich weigert, sich untersuchen zu lassen, oder er das geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Der Antragsteller hat das von ihm nach § 14 FeV geforderte ärztliche Gutachten nicht innerhalb der gesetzten Fristen vorgelegt. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Schluss auf die fehlende Eignung aber nur gerechtfertigt, wenn die Anforderung des Gutachtens formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war (BVerwG, a.a.O., juris Rn.18).
Nach § 3 Abs. 2 FeV finden die Vorschriften der §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Führer eines Fahrzeugs oder Tieres zum Führen ungeeignet oder nur bedingt geeignet ist. Solche Tatsachen liegen hier für den Antragsteller vor. Denn er befuhr am 25.05.2023 öffentliche Straßen mit einem E-Scooter, obwohl er unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln stand und trennte somit nicht zwischen dem Drogenkonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs (s.o.). Nach dem im Verwaltungsvorgang des Antragsgegners enthaltenen Einsatzbericht der Polizeistation Herzberg vom 21.05.2023 wies der Antragsteller darüber hinaus körperliche Beeinträchtigungen auf, die durchaus im Zusammenhang mit einem Drogenkonsum zu sehen sind (Bl. 2 Rückseite Vg.).
Die Gutachtenanordnung vom 16.10.2023 genügt jedoch nicht vollständig den formellen Anforderungen nach § 11 Abs. 6 FeV. Nach § 11 Abs. 6 FeV legt die Fahrerlaubnisbehörde unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls und unter Beachtung der Anlagen 4 und 5 in der Anordnung zur Beibringung des Gutachtens fest, welche Fragen im Hinblick auf die Eignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen zu klären sind. Die Behörde teilt dem Betroffenen unter Darlegung der Gründe für die Zweifel an seiner Eignung und unter Angabe der für die Untersuchung in Betracht kommenden Stelle oder Stellen mit, dass er sich innerhalb einer von ihr festgelegten Frist auf seine Kosten der Untersuchung zu unterziehen und das Gutachten beizubringen hat; sie teilt ihm außerdem mit, dass er die zu übersendenden Unterlagen einsehen kann.
Diesen Anforderungen genügt die Gutachtensanordnung insoweit, als dem Antragsteller dort mitgeteilt wird, aus welchen Gründen der Antragsgegner Zweifel an seiner Eignung hat. Es werden auch Fragen genannt, die vom Gutachter beantwortet werden sollen. Es fehlt allerdings an dem Hinweis, dass der Antragsteller die von ihm zu übersendenden Unterlagen, also das Gutachten, einsehen kann.
Die Anordnung genügt insbesondere auch nicht dem Bestimmtheitsgrundsatz. Aus ihr geht nicht eindeutig hervor, dass - was aber die ausgesprochene Untersagung nahelegt - der Antragsteller sich lediglich auf seine Eignung zum Führen erlaubnisfreier Fahrzeuge untersuchen lassen sollte. In der Anordnung heißt es zunächst, dass unter Berücksichtigung des Vorfalls vom 20.05.2023 zu befürchten sei, dass der Antragsteller auch zukünftig den Konsum von Cannabis sowie die Verkehrsteilnahme nicht trennen könne. Anschließend heißt es wörtlich:
"Zur Ausräumung dieser Zweifel fordere ich von Ihnen gemäß § 46 Abs. 3 FeV i.V.m. § 14 Abs. 1 FeV die Vorlage eines ärztlichen Gutachtens über ihre Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen. Es soll folgende Frage beantworten:
"Liegt bei Herrn A. Cannabiskonsum vor, der die Fahreignung infrage stellen kann? Gibt es Hinweise auf gelegentlichen oder regelmäßigen Cannabiskonsum?"
Hieraus ergibt sich nicht, dass der Antragsteller sich ausschließlich auf seine Eignung zum Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen (motorisiert oder nicht motorisiert) untersuchen lassen soll. Dies gilt auch mit Blick darauf, dass er über keine Fahrerlaubnis verfügt. Insbesondere die Bezugnahme auf § 46 Abs. 3 FeV, welche Vorschrift die Entziehung, Beschränkung und Auflagen der Fahrerlaubnis betrifft, spricht eher dafür, dass der Antragsteller sich auf seine Kraftfahrzeugeignung für erlaubnispflichtige Kraftfahrzeuge überprüfen lassen soll. Auch die Formulierung, der Antragsteller solle ein ärztliches Gutachten über seine "Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen" vorlegen, lässt nicht erkennen, dass die Eignung ausschließlich hinsichtlich fahrerlaubnisfreier und damit auch hinsichtlich nicht motorisierter Fahrzeuge, überprüft werden soll, wenn nur von "Kraft" fahrzeugen die Rede ist. Der Begriff "erlaubnisfrei" wird in der Anordnung zudem überhaupt nicht erwähnt. Demnach ist weder für den Antragsteller selbst noch für den Gutachter ausreichend erkennbar, unter welchen Gesichtspunkten der Antragsteller ärztlich begutachtet werden soll.
Aus der Anordnung der Beibringung eines Gutachtens muss sich aber eindeutig ergeben, ob die Fahrerlaubnisbehörde nur die Eignung des Betroffenen für zweifelhaft hält, fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge oder Tiere im Straßenverkehr zu führen, oder auch die Kraftfahreignung. Ist die Fragestellung insoweit unklar, ist die Beibringungsanordnung fehlerhaft, sodass bei Nichtvorlage des Gutachtens der Schluss auf die Nichteignung gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV ausscheidet (Hentschel/König/Dauer, a.a.O., § 3 Rn.13). Ein solcher Fall liegt hier vor.
Da die gegenüber dem Antragsteller ausgesprochene Untersagung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 FeV rechtswidrig ist, sind in Folge auch die nach § 3 Abs. 1 Satz 2 FeV angeordnete Vorlage der Mofaprüfbescheinigung und die Androhung eines Zwangsgeldes rechtswidrig.
Nach alledem kommt es auf die vom Antragsteller unter Hinweis auf den Beschluss des VGH München vom 15.03.2023 (11 CS 23.59, beck-online) aufgeworfene Frage, ob jedenfalls die ihm gegenüber erfolgte Untersagung des Führens von erlaubnisfreien, nicht motorisierten Fahrzeugen wie Fahrrädern deshalb einer Rechtsgrundlage entbehre, weil er mit seiner Fahrt mit einem E-Scooter unter der Wirkung von Cannabis (lediglich) den Bußgeldtatbestand des § 24a Abs. 2, 3 StVG verwirklicht habe, dieser Bußgeldtatbestand aber ausdrücklich auf Kraftfahrzeuge beschränkt sei und daher nicht sonstige fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge erfasse, ebenfalls nicht mehr an. Die Kammer weist allerdings darauf hin, dass es hier nicht darauf ankommt, wie das Straf- oder Ordnungswidrigkeitenrecht den Konsum von Betäubungsmitteln oder Alkohol bewertet, denn die vom Antragsgegner angeführte Rechtsgrundlage dient der Gefahrenabwehr.
Dem Antragsgegner sind die Kosten des Verfahrens gem. § 154 Abs. 1 VwGO aufzuerlegen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG. Die Höhe des Streitwertes folgt aus § 53 Abs. 2 GKG i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG und entspricht Nr. 1.5 Satz 1 Alt. 1 und 46.14 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. NordÖR 2014, 11).