Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 26.01.1994, Az.: 3 U 126/93

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
26.01.1994
Aktenzeichen
3 U 126/93
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1994, 25356
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1994:0126.3U126.93.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 01.04.1993 - AZ: 19 O 454/92

In dem Rechtsstreit

wegen Verletzung eines Anwaltsvertrages

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 12. Januar 1994 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Schmidt, den Richter am Oberlandesgericht Biermann sowie den Richter am Landgericht Schimpf für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung seines weitergehenden Rechtsmittels das am 1. April 1993 verkündete Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Hannover teilweise geändert und wie folgt neu gefaßt:

    Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.525,13 DM nebst 4% Zinsen auf 610,58 DM seit dem 1. Juli 1992 und 4% Zinsen auf 3.914,55 DM seit dem 12. Januar 1994 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

    Die Kosten der ersten Instanz hat der Kläger zu tragen; die Kosten des Berufungsverfahrens fallen zu 92% dem Kläger und zu 8% dem Beklagten zur Last.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Der Wert der Beschwer beträgt

    1. a

      für den Kläger 44.141,05 DM

    2. b

      für den Beklagten 3.914,55 DM.

Tatbestand:

1

I.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen

Gründe

2

II.

Die Berufung hat nur zu einem geringen Teil Erfolg.

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Aufgrund der Klagerweiterung mit Schriftsatz vom 6. Januar 1994 in Verbindung mit der dazu in der mündlichen Verhandlung vom 12. Januar 1994 vorgetragenen Hilfsbegründung ist der Beklagte verpflichtet, dem Kläger über den schon vom Landgericht ausgeurteilten Betrag in Höhe von 610,58 DM von den beim Arbeitsgericht Hannover entstandenen Kosten weitere 3.914,55 DM als Schadensersatz zu zahlen. Das weitergehende Rechtsmittel hat dagegen keinen Erfolg.

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1. Seine Klage stützt der Kläger im Hauptvorbringen darauf, daß der Beklagte eine zwischen dem Kläger und seiner früheren Arbeitgeberin geltende Ausschlußfrist übersehen habe. Wenn die Frist gewahrt worden wäre, hätte der Kläger vor dem Arbeitsgericht Ansprüche aufgrund seines Verbesserungsvorschlags durchsetzen können und zumindest eine Prämie in Höhe des dem früheren Arbeitskollegen B. gezahlten Betrages von 37. 532 DM erhalten. Dieser Schaden zuzüglich der im Wege der Klagerweiterung geltend gemachten Kosten des Arbeitsgerichtsprozesses in beiden Instanzen habe ihm der Beklagten folglich zu ersetzen.

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Dieses Hauptvorbringen des Klägers hat keinen Erfolg.

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a) Allerdings ist dem Beklagten eine Pflichtverletzung unterlaufen. Er hätte, als ihn der Kläger am 14. September 1989 zur Beratung aufsuchte, die in Ziffer 22 der Betriebsvereinbarung durch Bezugnahme auf § 12 des Manteltarifvertrages für den Prämienanspruch des Klägers geltende Ausschlußfrist von 3 Monaten erkennen müssen. Denn unstreitig lagen dem Beklagten schon am 14. September 1989 sowohl der endgültige, dem Kläger am 7. September 1989 zugegangene Ablehnungsbescheid der Volkswagen AG als auch die seit 1. Februar 1980 gültige Betriebsvereinbarung (Bl. 20 ff. d. A.) vor. Aufgrund dieser Unterlagen war es die Pflicht des Beklagten, sich über den Inhalt des in der Betriebsvereinbarung in Bezug genommenen § 12 Manteltarifvertrag zu vergewissern und den Kläger über den Lauf der dreimonatigen Ausschlußfrist zu informieren, gegebenenfalls eine rechtzeitige Klagerhebung zu veranlassen.

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Dies gehörte auch zum Umfang des dem Beklagten erteilten Beratungsauftrags. Dieser galt zumindest auch der Prüfung der Durchsetzbarkeit etwaiger Prämienansprüche des Klägers und nicht nur der Vertretung seiner Interessen in dem parallel laufenden staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren. Das ist im Berufungsrechtszug unstreitig und angesichts des Inhalts der Schreiben des Beklagten vom 20. September 1989 (Bl. 48 d. A.) sowie 2. April 1990 (Bl. 50 d. A.) auch nicht bezweifelbar.

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b) Für die in Rede stehenden Ansprüche des Klägers bezüglich Auszahlung einer Prämie für seinen Verbesserungsvorschlag galt auch die mit Zustellung des Ablehnungsbescheids am 7. September 1989 in Lauf gesetzte dreimonatige Ausschlußfrist zur gerichtlichen Geltendmachung.

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Daß die Betriebsvereinbarung vom 01.02.1980 nicht der Schriftform genüge, kann nicht festgestellt werden. Das zu Bl. 20 ff der Gerichtsakten gereichte Exemplar führt auf S. 16 sowohl die Namen der Gesamtbetriebsratsmitglieder als auch Vertreter der VW-AG auf. Offenbar handelt es sich bei dem vorgelegten Exemplar nur um eine zu Verteilerzwecken gefertigte Abschrift des unterschriebenen Originalexemplars. Die Betriebsvereinbarung wurde auch unstreitig jahrelang im Betrieb der VW-AG praktiziert. Demgegenüber sind die vom Beklagten gegenüber der Einhaltung der Schriftform geäußerten Zweifel unbeachtlich.

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Die Betriebsvereinbarung mit ihrer Ausschlußfrist galt auch für den Kläger obwohl dieser bei der VW-AG bereits zum Oktober 1987 ausgeschieden war. Denn bei dem Prämienanspruch, den der Kläger für sich geltend macht, handelt es sich um eine Forderung, die ihre Grundlage aus tatsächlichen Vorgängen (Verbesserungsvorschlägen) zu einer Zeit ableitet, zu der der Kläger noch bei der VW-AG beschäftigt war. Es handelt sich mit anderen Worten um einen Anspruch des Klägers aus seinem früheren Arbeitsverhältnis. Daß der Kläger diese -; nach seinem Vortrag -; während der Zeit seines Arbeitsverhältnisses begründeten Forderungen auch jetzt noch ungeachtet seines zwischenzeitlichen Ausscheidens bei der VW-AG (Eintritt in den Ruhestand) geltend machen kann, ist nicht zweifelhaft.

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Die Ausschlußfrist der Ziffer 22 Abs. 3 der Betriebsvereinbarung galt auch unabhängig davon für den Kläger, ob er entsprechend seinem Vortrag Mitglied der IG-Metall war oder nicht. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob und in welchem Umfang der Manteltarifvertrag für den Kläger galt. Vielmehr ist entscheidend, daß die entsprechende Ausschlußfrist in der jedenfalls für den Kläger geltenden Betriebsvereinbarung selbst, wenn auch nur durch Bezugnahme, vereinbart ist. Die Frist ist damit unmittelbarer Bestandteil auch für den Kläger geltenden Betriebsvereinbarung. Eine solche Vereinbarung von Ausschlußfristen auch in Betriebsvereinbarungen ist auch rechtlich wirksam. Das Problem des Vorrangs bzw. einer Kollision mit dem Manteltarifvertrag stellt sich nicht, weil die Betriebsvereinbarung hinsichtlich der Ausschlußfrist weder weitergehende noch beschränkende Regelungen enthält, sondern die nach dem Manteltarifvertrag geltende Ausschlußfrist unverändert übernimmt. Darauf hat schon das Arbeitsgericht unter Hinweis auf die §§ 77 Abs. 4, 87 Abs. 1 BetrVG zu Recht abgestellt.

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2. Hätte der Beklagte -; pflichtgemäß -; auf die seit 7. September 1989 laufende Ausschlußfrist hingewiesen und der Kläger seine Ansprüche fristgerecht gerichtlich geltend gemacht, hätte er den Arbeitsgerichtsprozeß nicht mit der Begründung der Fristversäumnis verloren. Gleichwohl hat die Regreßklage mit ihrem Hauptvorbringen keinen Erfolg. Denn der Kläger hat nicht bewiesen, daß er bei Einhaltung der Ausschlußfrist vor dem Arbeitsgericht obsiegt hätte.

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a) Die Pflichtverletzung des Beklagten hat nur dann zu einem kausalen Schaden des Klägers geführt, wenn es diesem im arbeitsgerichtlichen Prozeß gelungen wäre, entgegen der im Ablehnungsbescheid der Zentralkommission von September 1989 geäußerten Auffassung die Priorität seines Verbesserungsvorschlags gegenüber dem Vorschlag des Arbeitskollegen B. zu beweisen. Insoweit vermag sich der Senat der in der Berufungsbegründung des Klägers eingehend dargelegten Rechtsauffassung, daß in analoger Anwendung der Regelungen des Arbeitnehmererfindergesetzes die Beweislast dafür, daß der Kläger nicht der wahre Urheber der verbessernden Idee gewesen sei, im arbeitsgerichtlichen Prozeß das VW-Werk und im anwaltlichen Regreßprozeß den Beklagten treffe, nicht anzuschließen. Denn bei dem hier in Rede stehenden Verbesserungsvorschlag handelt es sich um einen sogenannten einfachen technischen Verbesserungsvorschlag im Sinne des § 20 Abs. 2 Arbeitnehmererfindungsgesetz. Derartige Verbesserungsvorschläge sind nach der genannten Vorschrift ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich dieses Gesetzes herausgenommen und der Regelung durch Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag zugewiesen. Das hat darin seinen Grund, daß Verbesserungsvorschläge der hier in Rede stehenden Art. mit den im übrigen durch das Arbeitnehmererfindungsgesetz und auch durch das Patentgesetz geschützten Ideen nicht vergleichbar sind. Im Gegensatz zu den durch das Patentgesetz und Arbeitnehmererfindungsgesetz geschützten Gütern geht es bei den einfachen Verbesserungsvorschlagen nicht um den Schutz der Urheberschaft geistigen Eigentums. Es geht vielmehr um Leistungen des Arbeitnehmers, die er im Rahmen seines Arbeitsvertrages dem Arbeitgeber ohnehin schuldet, und zwar grundsätzlich unentgeltlich. Die nach dem betrieblichen Vorschlagswesen vorgesehene Prämienregelung gewährt deshalb zwar unter anderen aus Gründen betriebsinterner Motivationssteigerung bei den Arbeitnehmern im Einzelfall einer Rechtsanspruch auf Prämierung auch des einfachen technischen Verbesserungsvorschlags. Es handelt sich aber um einen Anspruch, der nach dem Gesetz und ohne die Betriebsvereinbarung dem Kläger nicht zustünde. Deshalb verbietet sich auch eine analoge Anwendung der Vorschriften des Arbeitnehmererfindungsgesetzes und Patentgesetzes in bezug auf die Beweislastverteilung.

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Nach Auffassung des Senats liegt der -; soweit ersichtlich auch in Rechtsprechung und Schrifttum bisher nirgends vertretene -; Gedanke einer Analogie auch so fern, daß die vom Kläger angeregte Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht in Betracht kommt.

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b) Den hiernach ihm obliegenden Beweis, daß der Kläger bei Wahrung der Ausschlußfrist und sachlich zutreffender Entscheidung im Arbeitsgerichtsprozeß obsiegt hätte, kann er nicht führen.

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Nach Ziffer 8 Abs. 1 der Betriebsvereinbarung ist bei Verbesserungsvorschlägen mit gleichem Inhalt grundsätzlich das Eingangsdatum beim Vorschlagwesen für den Prioritätsanspruch entscheidend. Nach diesem Grundsatz für den Nachweis der Urheberschaft war unstreitig der Verbesserungsvorschlag des Vizemeisters B. am 7. November 1984 der frühere. Denn der Kläger hat seinen Verbesserungsvorschlag erst am 14. November 1985 eingereicht und der sogenannte Herstellungskostenreduzierungsantrag vom 16. Oktober 1984 war jedenfalls kein Verbesserungsvorschlag im Sinne der Definition der Ziffer 2.2 der Betriebsvereinbarung, weil er unstreitig auch in den beigefügten Anlagen vom 20./27. September 1984 keinen Lösungsvorschlag enthielt.

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Allerdings schließt die nur im Grundsatz an das Eingangsdatum des formellen Verbesserungsvorschlags anknüpfende Regelung es im Einzelfall nicht aus, daß der Arbeitnehmer trotz zeitlich später eingegangenen Verbesserungsvorschlags seine frühere bzw. alleinige Urheberschaft nachweisen kann. Die Möglichkeit des Beweises, daß der Kläger trotz zeitlich später eingereichten Verbesserungsvorschlags die Vorschlagsidee allein hatte, ist dem Kläger also, nicht abgeschnitten. Der Kläger müßte dann jedoch Umstände darlegen und beweisen, aus denen sich ergibt, daß er unabhängig vom formell späteren Eingang seines Verbesserungsvorschlags der alleinige oder erste Urheber der Verbesserungsidee war, so daß das Arbeitsgericht ihm Priorität hätte zuerkennen müssen. Auch hierzu reicht der Vortrag des Klägers im Zusammenhang mit den übrigen Gesamtumständen nicht aus.

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So hat unstreitig der Zeuge B. im Jahre 1971 bereits einmal eine ähnliche, wenngleich damals als Verbesserungsvorschlag abgelehnte Idee gehabt. Auch wenn die Schutzfrist für diese Idee im Jahre 1984 abgelaufen war handelt es sich doch unstreitig um einen sehr ähnlichen Vorschlag, der objektiv 1984 wieder aufgegriffen wurde. Das ist allein kein die vom Kläger behauptete alleinige Urheberschaft ausschließender Umstand, im Rahmen der erforderlichen Gesamtbetrachtung der Vorgänge aber sowohl von der Zentralkommission als auch bei der Prüfung des vom Kläger erhobenen Prioritätsanspruchs im Arbeitsgerichtsprozeß mitzuberücksichtigen. In gleicher Weise zu berücksichtigen ist, daß der Herstellungskostenreduzierungsantrag am 16.10.1984 -; unstreitig mit Willen des Klägers -; auch den Namen des Arbeitskollegen B. enthielt. Hierbei kann offenbleiben, ob die Aufnahme des Namens des Zeugen B. in den Herstellungskostenreduzierungsantrag entsprechend der Behauptung des VW-Werks im arbeitsgerichtlichen Prozeß darauf zurückzuführen war, daß eine Anweisung der Abteilungsleiter gegenüber den Meistern, darunter dem Kläger, bestand, auf Rationalisierungsmaßnahmen hinzuwirken oder ob entsprechend der Behauptung des Klägers er unabhängig von B. den Gedanken zur Zusammenlegung von zwei Produktionsabläufen hatte und Briest in den sogenannten HKR nur deshalb mit aufgenommen hat, um Briest als seinen Untergebenen zu motivieren. Seine alleinige Urheberschaft kann der Kläger jedenfalls mit dem Herstellungskostenreduzierungsantrag und den dazu von ihm gefertigten zwei Anlagen nicht beweisen.

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Zum gleichen Ergebnis gelangt man, wenn man die weitere Entwicklung im VW-Werk nach Einreichung des Herstellungskostenreduzierungsantrags am 16.10.1984 betrachtet. Der Kläger hat zwar noch im Oktober 1984 die beiden Aufrisse für Fertigungsbereich in Ist- und Soll-Zustand (Bl. 18/19) gefertigt. B. dagegen hat schon Anfang November 1984 seinen förmlichen Verbesserungsvorschlag, der Kläger dagegen erst am 14.11.1985 eingereicht. Warum das so spät geschehen ist, läßt sich dem Vortrag des Klägers nicht klar entnehmen. An den von ihm behaupteten Manipulationen in bezug auf seinen Namen kann die relativ späte Einreichung eines eigenen Verbesserungsvorschlags nicht liegen. Denn davon will er nach eigenem Vortrag erst im Dezember 1988 erfahren haben. Das kann jedoch auch auf sich beruhen. Rein vom äußeren Ablauf her war jedenfalls der hier in Rede stehende Vorschlag nach Aktenlage vom Jahre 1971, über den Herstellungskostenreduzierungsantrag von Oktober 1984 bis schließlich zum Verbesserungsvorschlag des Briest vom 7. November 1984 hin stets zumindest auch mit den Namen Briest verbunden. Der Kläger ist in diesem Zeitraum vom äußeren Ablauf her praktisch nur einmal mit Unterzeichnung des Herstellungsreduzierungskostenantrags vom 16. Oktober 1984 hinzugetreten. Diese eher gegen als für eine Urheberschaft des Klägers sprechenden äußeren Umstände dürfte und müßte auch die Zentralkommission bei ihrer Entscheidung berücksichtigen. Die Zentralkommission muß gerade dann, wenn wie hier der Prämienanspruch des Arbeitnehmers kein gesetzlich verankerter und gleichsam voll justitiabler Rechtsanspruch sondern eine freiwillig vom Werk gewährte Vergünstigung darstellt, bei der Prioritätsentscheidung auch einen Prüfungsspielraum haben. Deshalb war es nicht zu beanstanden, wenn die Zentralkommission mangels anderer zwingend die Priorität des Klägers ergebender Beweismittel gemäß Ziffer 8 der Betriebsvereinbarung von der Urheberschaft des Vizemeisters Briest ausgegangen ist.

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Auch der Vortrag des Klägers in seinem Schriftsatz vom 22. Dezember 1993 vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern. Selbst wenn entsprechend der jetzt auszugsweise vorgelegten Betriebsvereinbarung Nr. 1/93 schon im hier in Rede stehenden Zeitraum Mitte der 80iger Jahre als betriebliche Übung im VW-Werk gegolten hätte, daß für Verbesserungsvorschläge, die aus dem KVG bzw. HKR resultieren, das schriftliche Aufzeigen der Anregung beim Vorgesetzten/bei der Vorgesetzten gelte, bedeutet das nicht, daß der Kläger im Arbeitsprozeß einen Prämienanspruch hätte durchsetzen können. Das ist schon deshalb nicht anzunehmen, weil der im Schriftsatz des Klägers vom 22.12.1993 gehaltene Sachvortrag auf Informationen des Klägers zurückgehen soll, die er sich erst im Jahre 1993 überhaupt verschafft haben will. Das aber wiederum bedeutet, daß der Kläger das entsprechende Wissen im in den Jahren 1990 bis 1992 geführten arbeitsgerichtlichen Prozeß noch gar nicht hatte. Dann konnte er derartiges im Arbeitsgerichtsprozeß aber auch nicht vortragen, das Arbeitsgericht die behauptete betriebliche Übung nicht berücksichtigen und der Kläger den Prozeß nicht mit dieser Begründung führen.

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Hiervon abgesehen ergibt auch der neue Vortrag des Klägers zur betrieblichen Übung schon in den 80iger Jahren nicht schlüssig, daß ihm der Nachweis der Priorität und damit die Durchsetzung seines Prämienanspruchs gelungen wäre. Denn auch die jetzt vorgelegte Betriebsvereinbarung hätte den Kläger nicht des konkreten Nachweises seiner (alleinigen) Urheberschaft entbunden, weil auch der früher eingegangene Verbesserungsvorschlag des Vizemeisters Briest nach eigenem Vortrag des Klägers aus dem HKR von Oktober 1984 entwickelt und dessen Name dort mit aufgeführt ist. Mit dem neuen Vortrag des Klägers ist deshalb nicht dargelegt, daß -; die entsprechende betriebliche Übung unterstellt -; der Kläger seine Priorität hätte beweisen und den Prämienanspruch beim Arbeitsgericht hätte durchsetzen können. Die vom Kläger vorgelegten drei Erklärungen früherer Arbeitskollegen ändern hieran nichts. Vor allem in den Erklärungen der Herren Lampe und Woltmann wird auch nur deutlich, daß es ständiger betrieblicher Praxis entsprochen haben soll, zur Feststellung der Urheberschaft Herstellungskostenreduzierungsvorschläge und andere Unterlagen "zu berücksichtigen". Berücksichtigt im Sinne der Einbeziehung in ihre Prioritätsprüfung hat die Zentralkommission aber auch den HKR. Sie hat nur aus den schon dargelegten Gründen daraus nicht die Priorität des Klägers mit der erforderlichen Sicherheit feststellen können. Daß das unter Anwendung auch des Textes der neuen Betriebsvereinbarung schon in den 80iger Jahren anders gewesen wäre, ist mithin nicht dargelegt.

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Damit ist auch nicht festzustellen, daß der Kläger bei Einhaltung der Ausschlußfrist vor dem Arbeitsgericht mit seiner Klage Erfolg gehabt hätte. Die Klage mit ihrem Hauptvorbringen war deshalb unbegründet, und zwar auch in bezug auf die mit der Klageerweiterung vom 6. Januar 1994 rechtshängig gemachten Prozeßkosten.

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3. Teilweisen Erfolg hat die Klage, soweit sie in der mündlichen Berufungsverhandlung vom 12. Januar 1994 hilfsweise hinsichtlich der Prozeßkosten vor dem Arbeitsgericht auf die Begründung gestützt worden ist, für den Fall fehlender Erfolgsaussichten einer Klage vor dem Arbeitsgericht habe der Beklagte hiervon abraten müssen, so daß die entsprechenden, dem Kläger auferlegten Prozeßkosten vermieden worden wären.

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a) Entgegen der Ansicht des Beklagten ist die mit Schriftsatz des Klägers vom 6. Januar 1994 vorgenommene Klageerweiterung nicht unzulässig. Denn Klageerweiterung und Klageänderung in zweiter Instanz sind keine Anfechtung des Urteils. Für das Vorbringen dazu gelten folglich nicht § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO, sondern die §§ 523, 263 ff. ZPO (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 16. Aufl., § 519 Anm. 3 b).

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Soweit die Klagerweiterung auf das Hilfsvorbringen gestützt ist, der Beklagte habe mangels bestehender Erfolgsaussichten in der Sache von der Führung des arbeitsgerichtlichen Prozesses abraten müssen, liegt allerdings nach den §§ 523, 263 ZPO eine Klagänderung vor, weil der Klagegrund geändert ist. Diese Klagänderung ist jedoch sachdienlich im Sinne des § 263 ZPO. Denn die Entscheidung hierüber betrifft im wesentlichen den gleichen Streitkomplex und führt zu keiner Verzögerung des Rechtsstreits, weil die neu eingeführten Kostenpositionen als solche unstreitig und zudem urkundlich belegt sind. Die hinsichtlich der Prozeßkosten mit Hilfsbegründung geänderte Klage hat auch Erfolg, soweit die Kosten des arbeitsgerichtlichen Prozesses erster Instanz, und zwar hiervon die auf S. 2 zu Ziffer 2 bis einschließlich 4 aufgeführten Kostenrechnungen zum Gesamtbetrag in Höhe von 3.914,55 DM erstattet verlangt werden.

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Dem Grunde nach ist die Klage insoweit begründet, weil der Beklagte im Rahmen seines Beratungsvertrages die Erfolgsaussichten der Klage prüfen und nach dem vorstehend Gesagten hiervon hätte abraten müssen. Infolge dieser Pflichtverletzung sind dem Kläger kausal die Gerichtskosten sowie Anwaltskosten vor dem Arbeitsgericht Hannover als Schaden entstanden und zu ersetzen.

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Nicht verlangen kann der Kläger allerdings Erstattung der Kostenrechnung des Beklagten vom 16.05.1990 über 878,71 DM gemäß Ziffer 1 seines Schriftsatzes vom 6. Januar 1994. Denn diese Kostenrechnung hat er bereits nach Maßgabe seiner Klageschrift vom 09.11.1992 auf S. 11 f. (Bl. 11 f. d. A.) geltend gemacht und nach Abzug seiner unstreitig dem Beklagten zustehenden Gegenforderung in Höhe eines Teilbetrages von 610,58 DM mit landgerichtlichem Urteil zugesprochen erhalten. Er kann sie deshalb nicht noch einmal ersetzt verlangen.

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Unbegründet ist die Klage auch in der geänderten Form schließlich insoweit, als Erstattung der Kosten des vor dem Landesarbeitsgericht Miedersachsen geführten Berufungsrechtsstreits verlangt wird. Mit den Kosten zweiter Instanz war der Beklagte nicht zu belasten, weil sich seine Pflichtverletzung insoweit nicht mehr kausal ausgewirkt hat. Denn der Kläger war vor dem Arbeitsgericht Hannover bereits in erster Instanz seinerseits anwaltlich vertreten. Es wäre allenfalls Aufgabe dieser Anwälte bzw. der Berufungsanwälte, jedenfalls aber nicht mehr Pflicht des Beklagten gewesen, die Erfolgsaussichten des Berufungsrechtsstreits eigenständig zu prüfen.

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Zinsen auf den zugesprochenen Betrag in Höhe von 3.914,55 DM waren dem Kläger gemäß § 291 BGB nur seit dem 12. Januar 1994 zuzusprechen weil er die Prozeßkosten erstmals mit der an diesem Tage erklärten Hilfsbegründung geltend gemacht hat.

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IV.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92, 708 Nr. 10, 713, 546 Abs. 2 ZPO.