Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 20.01.1994, Az.: 18 W 35/93
Wahl des Vornamens eines Kindes; Eintragung in das Geburtenbuch; Änderung des Vornamens; Fremdländische Schreibweise eines Vornamens
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 20.01.1994
- Aktenzeichen
- 18 W 35/93
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1994, 15826
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1994:0120.18W35.93.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hildesheim - 30.07.1993 - AZ: 10 III 49/93
- LG Hildesheim - 28.09.1993 - AZ: 5 T 510/93
Rechtsgrundlagen
- § 94 BVFG
- Art. 116 Abs. 1 GG
- § 15e PStG
- § 45 Abs. 2 PStG
Fundstellen
- FamRZ 1994, 1322 (amtl. Leitsatz)
- StAZ 1994, 220
Verfahrensgegenstand
Kind F. Z., geboren am in H. (Geburtenbuch Nr. ...)
Redaktioneller Leitsatz
Nach wirksamer Wahl des Vornamens eines Kindes und Eintragung des Vornamens in das Geburtenbuch in fremdländischer Schreibweise, kann der Vorname nach § 94 BVFG nicht dahingehend geändert werden, daß das Kind den Vornamen in deutscher Schreibweise führt.
Der 18. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle hat
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. K.,
die Richterin am Oberlandesgericht K. und
den Richter am Oberlandesgericht B.
am 20. Januar 1994
beschlossen:
Tenor:
Auf die weitere sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 3 werden der Beschluß der 5. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim vom 28. September 1993 und der Beschluß des Amtsgerichts Hildesheim vom 30. Juli 1993 aufgehoben.
Es wird festgestellt, daß das Kind weiterhin den Vornamen "F." trägt.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Beschwerdewert: 5.000,00 DM
Gründe
I.
Die Beteiligten zu 1 haben am 28. April 1984 vor dem Standesbeamten in C. in Polen die Ehe miteinander geschlossen. Sie waren vor ihrer Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland polnische Staatsangehörige mit deutscher Volkszugehörigkeit. Nach ihrer Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland wurde am 4. Juni 1990 ein Sohn geboren. Die Kindesmutter erteilte ihm den Vornamen "F.", der auch in dieser Schreibweise in das Geburtenbuch des Standesamts H. eingetragen wurde. Seit dem 18. Dezember 1992 sind die Beteiligten zu 1 durch Einbürgerung deutsche Staatsangehörige. Bei der Anlegung des Familienbuches am 18. März 1993 wurde in Spalte 9 vom Standesbeamten des Standesamtes in Sarstedt der Vorname "P." eingetragen, in einer Mitteilung über eine Namenänderung gemäß § 94 BVFG vom 18. März 1993 teilte der Standesbeamte in S. dem Standesamt in H. mit, daß mit Wirkung vom 8. Februar 1993 die Schreibweise des Vornamens infolge einer Namensänderung gemäß § 94 BVFG in "P." geändert worden sei.
Der Beteiligte zu 2 hat eine Entscheidung des Amtsgerichts nach § 45 Abs. 2 PStG zu der Frage beantragt, ob die Entgegennahme einer Namenserklärung gemäß § 94 BVFG rechtmäßig gewesen sei.
Das Amtsgericht hat durch Beschluß vom 30. Juli 1993 angeordnet, daß der Vorname des Kindes in der Schreibweise "P." in das Geburtenbuch einzutragen ist. Gegen diesen Beschluß hat der Beteiligte zu 2 sofortige Beschwerde eingelegt. Im Beschwerdeverfahren ist der Kindesvater am 13. September 1993 im Landgericht Hildesheim erschienen und hat erklärt, daß er damit einverstanden ist, daß sein Sohn weiterhin die Schreibweise "F." behält. Das Landgericht hat in der Erklärung des Kindesvaters eine Rücknahme des Antrages auf Änderung der Schreibweise des Vornamens gesehen und dann durch Beschluß vom 28. November 1993 ausgesprochen, daß der Beschluß des Amtsgerichts Hildesheim vom 30. Juli 1993 nach der Rücknahme des Antrages gegenstandslos geworden ist.
II.
Dagegen richtet sich die weitere sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 3, die statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden ist. Dasselbe gilt für die Erstbeschwerde.
In der Sache selbst hält die angefochtene Entscheidung einer rechtlichen Nachprüfung (§ 27 ff FGG, 550 ZPO) nicht stand. Im einzelnen gilt folgendes:
1.
Es kann dahinstehen, ob das Landgericht angesichts der Unwiderruflichkeit einer nach § 94 BVFG abgegebenen Erklärung und der Tatsache, daß nur ein Elternteil, nämlich der Kindesvater, gegenüber der Geschäftsstelle der 5. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim erklärt hatte, er sei damit einverstanden, daß sein Sohn weiterhin die Schreibweise "F." behält, überhaupt von einer wirksamen Rücknahme ausgehen dürfte. Zwar ist grundsätzlich in allen Antragsverfahren - auch noch in der Beschwerdeinstanz - die Rücknahme eines Antrages möglich (Hepting/Gaaz, PStG, § 48 Rdnr. 8; Bumiller/Winkler, FGG, 5. Auflg., § 12 Anm. 2b). Vorliegend aber handelt es sich um ein Verfahren nach § 45 Abs. 2 PStG, welches vom Standesbeamten eingeleitet worden ist und deshalb durch die Rücknahme eines Antrages eines Beteiligten nicht beendet werden kann.
2.
Der angefochtene Beschluß des Landgerichts ist deshalb aufzuheben. Der Senat ist jedoch, da weitere Ermittlungen (§ 12 FGG) nicht erforderlich sind, selbst zu einer abschließenden Entscheidung in der Lage.
a)
Der vorliegende Sachverhalt wird - entgegen der Auffassung des Amtsgerichts - nicht von § 94 BVFG erfaßt.
aa)
Die Beteiligten zu 1 sind zwar Vertriebene im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG (vgl. dazu Hepting/Gaaz, a.a.O., § 15 e PStG Rdn. 23 ff) und Deutsche im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG; sie haben zwischenzeitlich auch die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten. Solchen Personen ist nach § 94 Abs. 1 Nr. 3 BVFG die Möglichkeit eingeräumt, eine deutschsprachige Form ihres Familiennamens oder Vornamens anzunehmen.
bb)
Für die Stellung eines derartigen Antrages sieht weder § 94 BVFG noch § 15 e PStG noch die Dienstanweisung für die Standesbeamten und ihre Aufsichtsbehörden eine Frist vor (Hepting/Gaaz, a.a.O., § 15 e Rdn. 48; StAZ 1993, 101 ff).
cc)
Bei der von den Kindeseltern bei Anlegung des Familienbuches gewünschten Schreibweise des Vornamens "P." handelt es sich um die deutschsprachige Form der polnischen Schreibweise "F." (vgl. dazu die Übersicht in StAZ 1966, 212 f; vgl. grundsätzlich auch Hepting/Gaaz, a.a.O., § 15 e Rdn. 66-79).
dd)
Der Senat teilt indes die Auffassung der weiteren sofortigen Beschwerde, daß im vorliegenden Fall die gewünschte Namensänderung nicht nach § 94 BVFG, sondern allenfalls durch eine Namensänderung nach dem Gesetz über Namensänderungen (NÄG) möglich ist. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
Die Aufnahme von Vertriebenen mit deutscher Volkszugehörigkeit aus den Staaten Ost- und Südosteuropas machte es erforderlich, Regeln über die Namensführung im deutschen Rechtsbereich festzulegen. Diese fanden ihren Niederschlag in den sogenannten Friedlandrichtlinien (FrRL) vom 28.07.1976 (abgedruckt in StAZ 1979, 256) und deren Neufassung im Jahre 1990 (abgedruckt in StAZ 1990, 348). Bereits bei der Neufassung wurde erwogen, durch die gesetzliche Regelung einer Erklärungsmöglichkeit der Aussiedler zur Namensführung eine befriedigende Lösung zu erreichen, um die von den Vertriebenen, deren Ehegatten und Abkömmlingen gewünschte namensmäßige Integration in den neuen Sprach- und Kulturkreis zu ermöglichen. Dem trägt der durch das Gesetz zur Bereinigung von Kriegsfolgengesetzen (KfbG) vom 21.12.1992 geänderte § 94 BVFG mit seinen umfangreichen Gestaltungsmöglichkeiten des Namens Rechnung.
Dieses Integrationsinteresse ist jedoch dann nicht berührt, wenn - wie hier - ein Kind in der Bundesrepublik geboren wurde, die Namensführung sich nach deutschem Recht richtet und die Eltern ihr Namenswahlrecht dahin gehend ausgeübt haben, daß sie dem Kind einen Vornamen in der fremdländischen Schreibweise "F."gegeben haben. Denn insoweit hätte von Anfang an die Möglichkeit bestanden, dem Kind einen deutschsprachigen Vornamen zu geben, eine fremdländische Vornamensführung also zu vermeiden. Nach Auffassung des Senats ist § 94 BVFG in solchen Fällen nicht anwendbar. Dem Wortlaut nach ist die Erklärungsmöglichkeit nach § 94 Abs. 1 Nr. 3 BVFG zwar sehr weit gefaßt worden. Auch haben Abkömmlinge von Vertriebenen oder Spätaussiedlern ein eigenes Erklärungsrecht, das sie auch dann ausüben können, wenn ihre Eltern von ihrem Erklärungsrecht keinen Gebrauch gemacht haben. Demgemäß verweist Gaaz (vgl. Hepting/Gaaz, § 15 e PSZG Rdn. 111) mit Recht auch darauf, daß die Erklärung auch von einer Person abgegeben werden kann, deren Geburt im Geltungsbereich des PStG beurkundet worden ist. Eine solche Person kann sicher anstelle der fremdländischen Form ihres Familiennamens eine deutschsprachige Form wählen oder fremdländische Bestandteile ihres Namens ablegen. Anders ist die Situation jedoch in Bezug auf einen Vornamen, den die Eltern ihrem Kind unter der Geltung des deutschen Namensrechts gegeben haben. Mag dieser Name auch noch - wie anscheinend im vorliegenden Fall - von den Vorstellungen und Gewohnheiten geprägt worden sein, die in dem früheren Aufenthaltsland galten, so würde eine Vornamensänderung nach § 94 BVFG doch weder vom Sinn und Zweck dieser Vorschrift getragen noch wäre sie mit den Grundprinzipien des deutschen Personenstands- und Namensrechts vereinbar. Ein in wirksamer Weise gewählter und in das Geburtenbuch eingetragener Vorname kann - abgesehen vom Fall einer evtl. Berichtigung - grundsätzlich nur nach den Vorschriften des Namensänderungsgesetzes geändert werden. Die Ausnahmeregelung des § 94 BVFG muß daher auf die Fälle beschränkt bleiben, in denen der Name unter der Geltung fremdländischen Namensrechts eine fremdländische Form erhalten hat.
3.
Danach war auch der Beschluß des Amtsgerichts aufzuheben. Es war festzustellen, daß das Kind weiterhin den Vornamen "F." trägt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 131 Abs. 1 Satz 2 KostO.