Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 11.01.1994, Az.: 18 UF 122/93

Zustimmung zur Zusammenveranlagung der Einkommensteuer; Verletzung von Vermögensinteressen; Verpflichtungen der Ehegatten untereinander

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
11.01.1994
Aktenzeichen
18 UF 122/93
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1994, 15817
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1994:0111.18UF122.93.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Zeven - 10.05.1993 - AZ: 4 F 129/92

Fundstelle

  • FamRZ 1994, 1324-1326 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Trennungsunterhalt

Redaktioneller Leitsatz

Dem Wesen der Ehe entspricht die Verpflichtung der Ehegatten untereinander, die finanziellen Lasten des anderen nach Möglichkeit zu verringern.

Daher besteht die familienrechtliche Pflicht der Ehegatten zur Zustimmung der Zusammenveranlagung der Einkommensteuer nach § 26 EStG.

Der 18. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle
hat auf die mündliche Verhandlung
vom 30. November 1993
durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. K.,
die Richterin am Oberlandesgericht K. und
den Richter am Oberlandesgericht B.
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. I.

    Auf die Berufung des Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das am 10.05.1993 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Zeven - 4 F 129/92 - teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefaßt:

    Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin folgenden Trennungsunterhalt zu zahlen:

    1. 1.

      Für die Zeit vom 23.10.1992 bis zum 30.11.1992 insgesamt 727,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 17.11.1992,

    2. 2.

      für Dezember 1992 565,00 DM,

    3. 3.

      für die Zeit vom 01.01. bis zum 16.04.1993 monatlich je 314,00 DM,

    4. 4.

      für die Zeit vom 17.04. bis 30.06.1993 monatlich je 281,00 DM,

    5. 5.

      für die Zeit vom 01.07. bis 31.12.1993 monatlich je 251,00 DM,

    6. 6.

      für die Zeit ab 01.01.1994 monatlich je 374,00 DM.

    Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

  2. II.

    Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin 2/3 und der Beklagte 1/3. Von den Kosten des Berufungsrechtszuges tragen die Klägerin 63 % und der Beklagte 37 %.

  3. III.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

1

I.

Die im Jahre 19... geborene Klägerin und der im Jahre 19... geborene Beklagte sind verheiratet. Aus der Ehe sind fünf Kinder hervorgegangen, von denen noch drei im ehelichen Hause leben, nämlich der am 09.03.1974 geborene Sohn M. sowie die am 17.04.1975 geborenen Töchter C. und C. Alle drei sind Schüler. Die Parteien haben sich am 25.06.1992 getrennt, am 16.10.1992 ist die Klägerin aus der Ehewohnung ausgezogen. Seither lebt sie bei dem Zeugen H. Die Klägerin, die nie eine Ausbildung absolviert hat, ist seit 1972 bei der Samtgemeinde ... als Reinigungskraft angestellt. Der Beklagte ist bei der Firma M. in W. als Arbeiter beschäftigt. Mit Schreiben vom 20.10.1992 hat die Klägerin den Beklagten zur Zahlung von monatlich 720,29 DM aufgefordert und dann mit der Klage Zahlung eines monatlichen Trennungsunterhalts von 890,14 DM ab Dezember 1992 sowie rückständigen Unterhalt für Oktober 1992 in Höhe von 290,10 DM und für November 1992 von 774,14 DM geltend gemacht. Durch Urteil vom 10.05.1993 ist der Beklagte zur Zahlung eines laufenden Trennungsunterhalts von 890,14 DM ab 17.04.1993 verurteilt worden, darüber hinaus zur Zahlung rückständigen Unterhalts für Oktober 1992 in Höhe von 162,00 DM sowie von monatlich 692,00 DM für November 1992 und für die Zeit vom 01.12.1992 bis 16.04.1993. Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der er eine vollständige Abweisung der Klage erstrebt.

2

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten ist zulässig. Sie hat in der Sache jedoch nur teilweise Erfolg. Der Beklagte schuldet der Klägerin gemäß § 1361 BGB den aus dem Tenor ersichtlichen Unterhalt. Im einzelnen gilt folgendes:

3

1.

Der Unterhaltsanspruch der Klägerin ist nicht gemäß den §§ 1361 Abs. 3, 1579 Nr. 4, Nr. 6 oder Nr. 7 BGB ausgeschlossen.

4

a)

Die Tatsache, daß die Klägerin trotz der bestehenden Möglichkeit der steuerlichen Zusammenveranlagung (§ 26 EStG) für 1991 und 1992 die getrennte Veranlagung nach § 26 a EStG gewählt hat, und daß der Beklagte deshalb für 1991 3.697,26 DM - (Bescheid vom 17.03.1993) und für 1992 4.574,59 DM (Bescheid ebenfalls aus dem Jahre 1993) nachzahlen muß, führt nicht dazu, daß die Klägerin ihren Unterhaltsanspruch verwirkt hat (§§ 1361 Abs. 3, 1579 Nr. 4 BGB).

5

aa)

Aus der allgemeinen, dem Wesen der Ehe entsprechenden Verpflichtung von Ehegatten untereinander, die finanziellen Lasten des anderen Teils nach Möglichkeit zu verringern, soweit dies ohne Verletzung eigener Interessen möglich ist, folgt zwar grundsätzlich eine familienrechtliche Pflicht, der Zusammenveranlagung zuzustimmen (BGH FamRZ 1977, 38, 40 = NJW 1977, 378; FamRZ 1983, 576 = NJW 1983, 1545). Die Verletzung der Pflicht zur steuerlichen Zusammenveranlagung nach § 26 EStG kann unter bestimmten Voraussetzungen sogar Schadensersatzansprüche begründen (BGH FamRZ 1977, a.a.O.; 1988, 145 ff.; 1988, 820 f.).

6

bb)

Sie stellt sich - zumindest im vorliegenden Fall - jedoch nicht als Verletzung schwerwiegender Vermögensinteressen im Sinne des § 1579 Nr. 4 BGB dar. Diese durch das Unterhaltsrechtsänderungsgesetz (UÄndG) vom 20.02.1986 (BGBl. I, S. 301) eingeführte Vorschrift sollte u.a. - allerdings nicht nur - den Fall des Anschwärzens beim Arbeitgeber und eine damit verbundene Gefährdung des Arbeitsplatzes erfassen (Lohmann, Neue Rechtsprechung des BGH zum Familienrecht, 6. Aufl., Rdn. 61; BT-Drucks. 10/2888, S. 20). Eine ähnlich gravierende Pflichtverletzung liegt hier jedoch nicht vor.

7

Die Parteien hatten ihre Lohnsteuerklasse so gewählt, daß der Beklagte nach der Lohnsteuerklasse III und die Klägerin nach der Lohnsteuerklasse V versteuert wurde. Das begünstigte den Beklagten und führte insgesamt zu einer erheblichen Vergünstigung, weil der Beklagte das weitaus höhere Einkommen erzielte. Im Jahr 1991, in dem die Parteien noch zusammenlebten, hat die Klägerin von diesem Vorteil profitiert, weil das höhere Familieneinkommen allen Familienmitgliedern zugute kam. Deshalb hätte es von der Klägerin auf jeden Fall erwartet werden müssen, daß sie zumindest für das Jahr 1991 auf die nachträgliche Wahl der getrennten Veranlagung verzichtete.

8

Etwas anderes ist die Situation allerdings für das Jahr 1992, in dem es zur Trennung der Parteien kam. Der Beklagte konnte von der Klägerin nicht erwarten, daß sie ihm weiterhin den durch die Wahl der Steuerklassen III und V erzielten Steuervorteil beließ, wenn er seinerseits Unterhaltsleistungen ablehnte und ihr nicht einmal die Steuermehrbelastung erstattete, die ihr durch die Steuerklasse V im Vergleich zur Steuerklasse I bzw. IV entstand. Da offenbar nicht einmal eine Einigung der Parteien über eine Beteiligung der Klägerin an einer erwarteten Steuererstattung für das Jahr 1992 möglich war, hat jedenfalls auch der Beklagte dazu beigetragen, daß es letztlich zu der wirtschaftlich sehr ungünstigen Steuerregelung kam.

9

Unter Berücksichtigung dieser Umstände läßt sich objektiv eine besondere Intensität der Verletzung von Vermögensinteressen des Beklagten nicht feststellen, so daß ein Ausschluß des Unterhalts der Klägerin nicht der Billigkeit entspräche. Zum einen liegt im übrigen auch der Schaden des Beklagten nicht in dem gesamten Nachzahlungsbetrag von 8.271,86 DM. Er ist vielmehr geringer. Zum anderen ist es dem Beklagten gelungen, mit dem Finanzamt Z. feine Ratenzahlungsvereinbarung von monatlich 100,00 DM zu treffen, nachdem das Finanzamt eine Sicherungshypothek auf dem dem Beklagten gehörenden ideellen Grundstücksanteil hat eintragen lassen. In jedem Falle aber fehlt es an der groben Unbilligkeit im Sinne des § 1579 Nr. 4 BGB. Die Berücksichtigung der Tatsachen, daß die Ehe der Parteien weit über 20 Jahre gedauert hat, daß die Klägerin fünf zwischenzeitlich volljährige Kinder großgezogen und den Haushalt versorgt hat und daß sie jetzt angesichts ihres Gesundheitszustandes nur zu einer eingeschränkten Erwerbstätigkeit in der Lage ist, führt dazu, die weitere Unterhaltspflicht des Beklagten nicht als grob unbillig anzusehen. Es kann nicht festgestellt werden, daß die weitere Inanspruchnahme des Beklagten durch die Klägerin dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widerspricht (vgl. dazu: BGH. FamRZ 1982, 582). Die inzwischen durch die ergangenen Steuerbescheide erfolgte Regelung der Steuerlasten wird bei der Frage der Leistungsfähigkeit und der Frage der Bedürftigkeit berücksichtigt. Damit ist den Vermögensinteressen beider Beteiligter hinreichend Rechnung getragen. So wird die durch die getrennte Veranlagung zugunsten der Klägerin erfolgte Steuererstattung - auf das Jahr umgelegt - dem Einkommen der Klägerin hinzugerechnet; die tatsächlichen Zahlungen auf die angeordnete Steuernachzahlung sind auf Seiten des Beklagten einkommensmindernd zu berücksichtigen.

10

b)

Der Beklagte hat auch die Voraussetzungen des § 1579 Nr. 6 BGB nicht bewiesen (vgl. zur Beweislast: BGH FamRZ 1982, 463, 464). Zwar kann ein schwerwiegendes Fehlverhalten darin liegen, daß ein Unterhalt begehrender Ehegatte sich gegen den Willen des anderen von der Ehe abwendet und sich einem neuen Partner zuwendet (BGH FamRZ 1981, 752, 753), insbesondere bei Aufnahme eines nachhaltigen, auf längere Dauer angelegten intimen Verhältnisses mit einem anderen Partner (BGH FamRZ 1982, a.a.O.; 1989, 1279, 1280). Nach der von der Samtgemeinde T. protokollierten schriftlichen Aussage des Zeugen M. mit deren Verwertung sich die Parteien einverstanden erklärt haben, läßt sich aber ein intimes Verhältnis der Klägerin zu dem Zeugen nicht feststellen. Gründe, die Richtigkeit der Aussage in Zweifel zu ziehen, sind nicht erkennbar. Einwendungen dagegen sind auch von den Parteien nicht vorgebracht worden. Deshalb kommt es nicht mehr darauf an, ob es sich um ein einseitiges Fehlverhalten der Klägerin gehandelt hat (vgl. dazu: BGH FamRZ 1981, 439, 440) und ob die von der Klägerin - teilweise erstmals im Termin vor dem Senat - erhobenen Gegenvorwürfe geeignet gewesen wären, das Verhalten der Klägerin in einem milderen Licht erscheinen zu lassen (vgl. dazu auch: BGH FamRZ 1985, 267, 268).

11

c)

Die Tatsache, daß die Klägerin seit ihrem Auszug aus der ehelichen Wohnung am 16.10.1992 bei dem Zeugen H. wohnt, führt nicht dazu, den Unterhalt nach den §§ 1361 Abs. 3, 1579 Nr. 7 BGB auszuschließen.

12

aa)

Angesichts des geringen Renteneinkommens des Zeugen H. von etwa 1.300,00 DM monatlich kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Klägerin durch das Zusammenleben ein den ehelichen Lebensverhältnissen der Parteien entsprechendes Auskommen finden wird (vgl. dazu: BGH FamRZ 1989, 487 ff.).

13

bb)

Allerdings kann auch - unabhängig von der wirtschaftlichen Lage des Partners - ein Verhältnis zu einem neuen Partner nach dem Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit als auf Dauer angelegt erscheinen, so daß die Fortdauer der Unterhaltsbelastung und des damit verbundenen Eingriffs in die Handlungsfreiheit und Lebensgestaltung für den Unterhaltspflichtigen unzumutbar wird (BGH FamRZ 1983, 569, 572; FamRZ 1984, 986, 987; FamRZ 1989, a.a.O.). Angesichts der Kürze des Zusammenlebens der Klägerin mit dem Zeugen H. kann allerdings nicht festgestellt werden, daß eine feste soziale Verbindung zwischen beiden besteht, die sich so verfestigt hat, daß gleichsam ein nichteheliches Zusammenleben an die Stelle einer Ehe getreten ist. Insoweit ist eine Mindestdauer der Beziehung von 2 bis 3 Jahren. Voraussetzung.

14

2.

Das Maß des der Klägerin zustehenden Unterhalts richtet sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen, und zwar nach dem jeweiligen Stand der wirtschaftlichen Verhältnisse, an deren Entwicklung bis zur Scheidung die Ehegatten gemeinschaftlich teilhaben (BGH FamRZ 1986, 244 ff.; FamRZ 1988, 256 ff.; FamRZ 1990, 283 ff.). Sie waren geprägt durch das beiderseitige Erwerbseinkommen der Parteien, auf seiten der Klägerin allerdings nur aus einer - ihr grundsätzlich auch nur noch zumutbaren - Teilzeittätigkeit stammend. Außer Betracht zu bleiben hat der wirtschaftliche Wert der Leistungen, die die Klägerin durch die Erziehung und Betreuung von fünf zwischenzeitlich volljährigen Kindern erbracht hat (BGH FamRZ 1985, 161, 163).

15

Die ehelichen Lebensverhältnisse der Parteien sind weiter geprägt worden durch den Vorteil des mietfreien Wohnens im eigenen Hause. Der Wert dieser Gebrauchsvorteile (§ 100 BGB) ist hinzuzurechnen, soweit er die Belastungen übersteigt, die durch allgemeine Grundstückskosten und Grundstückslasten sowie ggf. durch Zins- und Tilgungsverpflichtungen entstehen (BGH FamRZ 1986, 434 ff.; FamRZ 1986, 437; FamRZ 1989, 1160 ff.; FamRZ 1990, a.a.O.). Dabei kommt es allerdings nicht auf den objektiven Mietwert des Hauses an, vielmehr ist der Gebrauchsvorteil in Höhe einer angemessenen ersparten eigenen Miete (für eine kleinere Wohnung) zu berücksichtigen.

16

3.

a)

Die Klägerin hat im Jahre 1992 unter Inanspruchnahme der Steuerklasse V und bereinigt um 5 % für berufsbedingte Aufwendungen ein Einkommen von (gerundet) monatlich 592,00 DM erzielt (11.311,15 DM ./. 1.811,79 DM Lohnsteuer ./. 163,61 DM. Kirchensteuer ./. 59,57 DM Solidaritätszuschlag ./. 1.751,91 DM Sozialversicherung = 7.525,00 DM: 12 = 627,00 DM ./. Beitrag des Arbeitgebers zur Vermögensbildung, 3,52 DM, ./. 5 % für berufsbedingte Kosten).

17

b)

Für 1993 hat sie ihr Einkommen nur unvollständig belegt. Ob die Klägerin zwischenzeitlich nach einem Oberschenkelhalsbruch ein geringeres Krankengeld bezogen hat, vermag der Senat nicht festzustellen. Er legt deshalb weiterhin ein Bruttoeinkommen der Klägerin wie im Jahre 1992 zugrunde, d.h. einen Betrag von 11.311,15 DM. Da die Klägerin aber im Jahre 1993 die Steuerklasse I/1,5 in Anspruch genommen hat, hat sie darauf keine Lohnsteuer zu zahlen. Nach Abzug der Sozialabgaben (Rentenversicherung 17,7 %; Arbeitslosenversicherung 6,3 %; Krankenversicherung 12,6 %) verbleibt ein Nettoeinkommen von 9.241,00 DM, d.h. monatlich ein Betrag von 770,00 DM.

18

Hinzuzurechnen ist die infolge der getrennten Veranlagung nach § 26 a EStG im Jahre 1993 für die Jahre 1991 und 1992 erhaltene Steuererstattung. Aus der Lohnsteuerkarte für 1992 ergeben sich Abzugsbeträge für Lohn- und Kirchensteuer sowie Solidarzuschlag in Höhe von zusammen 2.034,37 DM. Diese Beträge sind der Klägerin unstreitig erstattet worden. Die Klägerin hat für 1991 einen Erstattungsbetrag in etwa der gleichen Höhe bestätigt. Insgesamt kann daher ein Erstattungsbetrag von 4.000,00 DM zugrunde gelegt werden, so daß pro Monat 333,00 DM dem Einkommen hinzuzurechnen sind.

19

c)

Somit ist für 1993 unter Berücksichtigung von 5 % für berufsbedingte Unkosten auf Seiten der Klägerin in die Unterhaltsdifferenz ein Betrag von (770,00 DM + 333,00 DM - 5 % für berufsbedingte Unkosten =) 1.048,00 DM einzustellen.

20

Für 1994 ist auf Seiten der Beklagten mangels näherer Darlegung des genauen Einkommens im Jahre 1993 und der Berücksichtigung zwischenzeitlich eingetretener Lohnsteigerungen mindestens ein durchschnittliches Nettoeinkommen von 800,00 DM zugrunde zu legen. Steuererstattungen sind allerdings nicht zu erwarten, da die Klägerin 1993 keine Lohnsteuer gezahlt haben dürfte. Nach Abzug von 5 % für berufsbedingte-Unkosten sind in die Unterhaltsdifferenz 760,00 DM einzustellen.

21

d)

Weder für 1992 noch für 1993 oder 1994 muß sich die Klägerin ein fiktives Entgelt aus der Betreuung des Zeugen H. zurechnen lassen. Zwar wird grundsätzlich dann, wenn in einem eheähnlichen Verhältnis ein Lebensgefährte seinem neuen Lebensgefährten durch Haushaltsführung oder sonstige Versorgung Dienstleistungen erbringt, diesem ein Entgelt zuzurechnen sein (so schon BGH FamRZ 1980, 40, 42; FamRZ 1987, 689). Deren Höhe hängt davon ab, in welchem Umfang die Leistungen erbracht werden und nach den wirtschaftlichen Verhältnissen ein Entgelt erwartet werden kann (BGH FamRZ 1980, 879, 880; FamRZ 1989, 490). Nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme kann aufgrund der glaubhaften Aussage des Zeugen ... davon ausgegangen werden, daß seitens der Klägerin nennenswerte Haushaltsleistungen für ihn erbracht werden. Der Zeuge hat dem Senat plastisch und nachvollziehbar das Zusammenleben mit der Klägerin geschildert. In jedem Falle aber scheitert die Zurechnung eines fiktiven Entgeltes daran, daß der Zeuge H. angesichts der von ihm bezogenen Rente von monatlich etwa 1.300,00 DM gar nicht in der Lage wäre, ihm erbrachte Leistungen zu vergüten (vgl. dazu BGH FamRZ 1987, 1011 ff.).

22

Schon gar nicht kann nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon ausgegangen werden, daß der Zeuge H. der Klägerin finanzielle Mittel für die gemeinsame Lebenshaltung zur Verfügung stellt. Vielmehr ist davon auszugehen, daß sich beide die Wohnkosten teilen.

23

5.

Auf seiten des Beklagten stellt sich die Situation wie folgt dar:

24

a)

Aus der Lohnsteuerkarte für das Jahr 1992 ergibt sich berechnet nach Steuerklasse III/3 und nach Abzug der vom Arbeitgeber gezahlten vermögenswirksamen Leistungen - ein durchschnittliches Nettoeinkommen von 3.260,00 DM. Berufsbedingte Unkosten sind nicht pauschal mit 5 %, sondern in Höhe der tatsächlich entstandenen Kosten abzuziehen. Der Beklagte ist darauf angewiesen, zur Erreichung des Arbeitsplatzes seinen Pkw zu benutzen. Er hat glaubhaft gemacht, daß die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel insoweit nicht zumutbar ist. Bei 48 km täglicher Fahrtstrecke und einer durchschnittlichen Jahresarbeitsleistung von 220 Tagen und einem Kilometersatz von 0,40 DM ergibt sich ein Monatsbetrag für berufsbedingte Unkosten von 352,00 DM. Hinzuzurechnen ist der Vorteil des mietfreien Wohnens, den die Parteien übereinstimmend - wie im übrigen auch das Amtsgericht - mit 700,00 DM in Ansatz bringen.

25

Hinsichtlich der monatlichen Zins- und Tilgungsleistungen ist der Vortrag des Beklagten widersprüchlich. Die vorgelegten Darlehens Jahreskontoauszüge für 1992 für bei der Kreis Sparkasse B. in Anspruch genommene Darlehen ergeben Zins- und Tilgungsleistungen nur in Höhe von etwa 780,00 DM. Nach dem Schreiben der Kreissparkasse B. vom 27.01.1993 soll die Jahresleistung 12.514,70 DM, d.h. die monatliche Rate 1.042,89 DM betragen haben. Aus einer Belastungsaufstellung der Kreissparkasse B. vom 14.10.1993 ergibt sich hingegen eine Jahresleistung von 11.876,70 DM, mithin ein monatlicher Betrag von gerundet 990,00 DM. Diesen Betrag legt der Senat seiner Berechnung zugrunde. Abzuziehen sind weiter die Grundsteuer und die Feuerversicherung mit monatlich gerundet 43,00 DM.

26

Als anrechenbares. Einkommen des Beklagten anzusehen ist auch die von der Berufsgenossenschaft der Chemischen Industrie gezahlte Unfallrente, die sich ab 10.07.1992 auf monatlich (gerundet) 568,00 DM belaufen hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (FamRZ 1982, 252 ff.) ist eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung dem Einkommen zuzurechnen, soweit sie nicht durch den tatsächlichen unfallbedingten Mehrbedarf aufgezehrt wird. Die gesetzliche Neuregelung des § 1610 a BGB (vgl. dazu nur Kunkel, FamRZ 1991, 1131 ff.) hat den unterhaltsrechtlichen Einkommensbegriff unangetastet gelassen, so daß die Rente weiterhin zum unterhaltsrelevanten Einkommen des Beklagten zu rechnen ist. Geändert hat sich durch Einführung des § 1610 a BGB nur die Darlegungs- und Beweislast. Es wird, vermutet, daß die erhöhten Aufwendungen infolge des gesundheitlichen Schadens nicht geringer sind als die Höhe der genannten Sozialleistungen. Zwischen den Parteien ist jedoch unstreitig geworden, daß der Beklagte, der die Rente für die Erblindung auf einem Auge erhält, keiner Mehraufwendungen durch seine unfallbedingte Behinderung hat, so daß der monatliche Betrag von 568,00 DM als Einkommen anzusehen ist.

27

Abzuziehen ist weiter der Unterhalt für die im Jahre 1992 noch minderjährigen Töchter C. und C. (geboren 17.07.1975), aber auch der Unterhalt für den am 09.03.1974 geborenen Sohn M.. Da es sich vorliegend nicht um einen Mangelfall handelt, entspricht der Vorwegabzug des Kindesunterhaltes dem Gesetz, und zwar auch nach, Eintritt der Volljährigkeit des Kindes. Denn die ehelichen Lebensverhältnisse der Eltern waren auch vor der Trennung dadurch geprägt, daß minderjährige oder volljährige Kinder vorhanden waren und unterhalten werden mußten. Die hierfür benötigten Mittel standen den Ehegatten nicht zur Verfügung, weshalb es gerechtfertigt ist, bei der Bestimmung des angemessenen Unterhalts vorab den Kindesunterhalt vom Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen abzuziehen (BGH FamRZ 1985, 912, 916; FamRZ 1986, 553, 556; FamRZ 1990, 979, 980; Johannsen/Henrich/Graba, a.a.O., § 1609 Rdn. 4; Griesche, a.a.O., § 1609 Rdn. 8).

28

Abzuziehen ist zunächst der Tabellenunterhalt der Düsseldorfer Tabelle für die minderjährigen Kinder C. und C, und zwar hier, da der Beklagte vier Personen unterhaltspflichtig ist, der Unterhalt der Gruppe 3, d.h. für jedes Kind ein Betrag von monatlich 480,00 DM.

29

Für den am 09.03.1992 volljährig gewordenen Sohn M. (diese Ausführungen gelten ab 17.04.1993 auch für die dann volljährig gewordenen Zwillinge C. und C.) gilt folgendes:

30

Grundsätzlich beträgt nach den Unterhaltsrechtlichen Leitlinien des Oberlandesgerichts Celle der Bedarf eines volljährigen, im Haus eines Elternteils lebenden Kindes 800,00 DM. Hierbei handelt es sich um einen Erfahrungswert für durchschnittliche Fälle, der nicht ausschließt, daß der Bedarf je nach der konkreten Situation höher oder niedriger sein kann, denn der Unterhalt eines Kindes bemißt sich gemäß § 1610 Abs. 1 BGB nach seiner Lebensstellung. Diese aber ist auch nach Erlangung der Volljährigkeit zunächst von derjenigen der Eltern abgeleitet, jedenfalls solange das Kind kein zur wirtschaftlichen Selbständigkeit erforderliches eigenes Einkommen oder Vermögen besitzt (BGH FamRZ 1986, 155). Im vorliegenden Fall würde der Ansatz eines Bedarfs von monatlich 800,00 DM für das volljährige Kind (die volljährigen Kinder) zu einer zu starken Reduzierung des für die Bemessung des Unterhalts der Klägerin verbleibenden Einkommens des Beklagten führen. Ein solches Ergebnis wäre mit der Rangfolgeregelung des § 1609 Abs. 2 BGB nicht mehr vereinbar. Daher kann in einem Fall wie dem vorliegenden der Kindesunterhalt ab Volljährigkeit nur in Höhe des Mindestbedarfs nach der untersten Stufe der Düsseldorfer Tabelle mit einem Zuschlag in Höhe der Differenz zwischen der zweiten und dritten Altersstufe, hier also in Höhe eines Betrages von (418,00 DM + 65,00 DM =) 483,00 DM angesetzt werden.

31

Zieht man von dem Gesamtbetrag des Kindesunterhalts das auf den Barunterhalt entfallende anteilige Kindergeld von 210,00 DM ab, so ergibt sich ein für die Kinder anzurechnender Unterhaltsbetrag von 1.233,00 DM.

32

Somit stellt sich das anrechenbare Einkommen des Beklagten im Jahre 1992 mit 1.910,00 DM dar.

33

b)

Für 1993 hat der Beklagte sein Einkommen nur unzureichend belegt. Es fehlen die Lohnzettel für den Monat Juli und für November und Dezember 1993. Angesichts des schwankenden Einkommens infolge unterschiedlicher Stundenzahlen in den einzelnen Monaten läßt sich eine verläßliche Berechnung nicht vornehmen. Der Senat legt deshalb - ebenso wie auf Seiten der Klägerin - das im Jahre 1992 erzielte Bruttoeinkommen von 54.403,59 DM auch für 1993 zugrunde. Bei Anwendung der Lohnsteuerklasse II/1,5 muß der Beklagte 7.124,00 DM Lohnsteuer und 600,66 DM Kirchensteuer zahlen. Nach Abzug der Rentenversicherung (17,7 %), der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung (6,3 %) und zur Krankenkasse (12,6 %) ergibt sich ein Nettoeinkommen von gerundet 36.724,00 DM, d.h. ein monatliches Einkommen von etwa 3.060,00 DM. Nach Abzug der Fahrtkosten von 352,00 DM, der Darlehenszins- und Tilgungsleistungen auf die Hausverbindlichkeiten von 990,00 DM, der Kosten für Grundsteuer und Versicherung von 43,00 DM sowie die Hinzurechnung des Wohnvorteiles mit 700,00 DM und der Unfallrente mit 568,00 DM ergibt sich ein Nettoeinkommen von 2.943,00 DM.

34

Zieht man davon den Kindesunterhalt (Herabstufung in Gruppe 2) mit 2 × 445,00 DM und den Unterhalt für das volljährige Kind mit 483,00 DM abzüglich des Kindergeldanteiles von 210,00 DM ab, so verbleibt ein anrechenbares Nettoeinkommen von 1.780,00 DM.

35

Ab 17.04.1993 sind alle drei Kinder volljährig, so daß der Kindesunterhalt mit insgesamt 3 × 483,00 DM abzüglich 210,00 DM Kindergeldanteil, also mit 1.239,00 DM zu berücksichtigen ist, so daß sich das anrechenbare Einkommen auf 1.704,00 DM ermäßigt.

36

Ab 01.07.1993 ist insofern eine Änderung eingetragen, als sich die Leistungsfähigkeit des Beklagten vermindert durch die Zahlung von monatlich 100,00 DM auf die Steuerverbindlichkeiten. Allerdings hat sich ab 01.07.1993 die Unfallrente nach dem glaubhaften Vorbringen des Beklagten auf monatlich 597,00 DM erhöht, so daß sich das anrechenbare Einkommen des Beklagten ab 01.07.1993 mit 1.633,00 DM darstellt.

37

6.

Konkrete Unterhaltsberechnung

38

Für die Monate Oktober bis Dezember 1992 ergibt sich eine Unterhaltsdifferenz von (1.910,00 DM ./. 592,00 DM =) 1.318,00 DM. 3/7 davon ergeben Deinen Betrag von 565,00 DM, den die Klägerin grundsätzlich verlangen könnte. Nach dem insoweit nicht angegriffenen Urteil des Amtsgerichts ist Verzug jedoch erst ab 23.10.1992 eingetreten, so daß die Klägerin für diesen Monat anteilig nur einen Betrag von (565,00 DM: 31 × 9 =) 164,00 DM verlangen könnte. Da das Amtsgericht einen Betrag von 162,00 DM zugesprochen hat, ist dieser zugrunde zu legen.

39

Für die Zeit vom 01.01. bis 16.04.1993 ergibt sich eine Unterhaltsdifferenz von (1.780,00 DM ./. 1.048,00 DM =) 732,00 DM, mithin ein Unterhaltsanspruch der Klägerin von 314,00 DM. Für die Zeit vom 17.04.1993 bis 30.06.1993 ergibt sich ein Unterhaltsanspruch der Klägerin von (1.704,00 DM ./. 1.048,00 DM = 656,00 DM × 3/7 =) 281,00 DM, für die Zeit vom 01.07.1993 bis 31.12.1993 ein Unterhaltsanspruch von (1.633,00 DM ./. 1.048,00 DM = 585,00 DM × 3/7 =) 251,00 DM. Für die Zeit ab 01.01.1994 errechnet sich ein Unterhaltsanspruch der Klägerin von (1.633,00 DM ./. 760,00 DM = 873,00 DM × 3/7 =) 374,00 DM.

40

Soweit bei Zahlung der ausgeurteilten Unterhaltsbeträge der Selbstbehalt des Beklagten tangiert ist, ist auch der bei der bisherigen Berechnung nicht berücksichtigte Teil des Kindergeldes von monatlich 210,00 DM bei der Bewertung seiner Leistungsfähigkeit bis hin zur Deckung der Mindestunterhaltsbedarfssätze aller Unterhaltsberechtigten mit einzubeziehen (BGH FamRZ 1988, 604, 606). Danach aber ist der Beklagte in der Lage, die ausgeurteilten Unterhaltsbeträge ohne Gefährdung des ihm zustehenden Selbstbehalts von 1.450,00 DM zu zahlen. Das zeigt die folgende Berechnung für die Zeit ab 01.01.1994: Einkommen des Beklagten 1.633,00 DM + Kindergeldanteil 210,00 DM = 1.843,00 DM abzüglich Unterhalt der Klägerin 374,00 DM = 1.469,00 DM.

41

7.

Nicht zu beanstanden ist es, daß das Amtsgericht 4 % Zinsen auf die im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit (17.11.1992) aufgelaufenen Unterhaltsrückstände zugesprochen hat (vgl. dazu: BGH FamRZ 1987, 352).

42

8.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.