Verwaltungsgericht Osnabrück
v. 15.12.2017, Az.: 3 A 110/15

Amtsangemessene Alimentation; Niedersachsen; R1-Besoldung; Verfassungswidrigkeit

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
15.12.2017
Aktenzeichen
3 A 110/15
Entscheidungsform
Vorlagebeschluss
Referenz
WKRS 2017, 54060
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Es ist für die Vermutung der Verfassungswidrigkeit ausreichend, wenn lediglich zwei der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten fünf Parameter auf der 1. Prüfungsstufe erfüllt sind, sofern die ermittelten Werte die 5-Prozent-Grenze deutlich überschreiten.

2. Auch eine lediglich geringfügige Überschreitung des 5-Prozent-Wertes reicht grundsätzlich aus, um als Indiz für eine evident unzureichende Alimentation herangezogen zu werden.

3. Die 2. Prüfungsstufe ist auch dann zu prüfen, wenn sich nach der 1. Prüfungsstufe noch keine Vermutung für eine verfassungswidrige Unteralimentation ergibt.

4. Die niedersächsische R1-Besoldung ist nicht ausreichend, um das Richteramt für überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte hinreichend attraktiv zu machen.

5. Die in der Vergangenheit vorgenommene massive Kürzung im Bereich der Beihilfe und Versorgung ist ein wesentlicher Bestandteil der Gesamtschau auf der 2. Prüfungsstufe, welcher die Vermutung der Verfassungswidrigkeit erhärtet.

6. Im europäischen Vergleich des Mindesteinkommens eines Richters im Vergleich zum Durchschnitteinkommen aller abhängig Beschäftigten liegt Deutschland gemeinsam mit Österreich an der vorletzten Stelle.

7. Die in der jüngeren Vergangenheit vorgenommenen Besoldungsanhebungen vermögen die Vermutung der Verfassungswidrigkeit nicht zu entkräften. Die zuvor unterbliebenen Besoldungserhöhungen sowie die Streichung der Sonderzahlung wirken als reale Besoldungsabsenkungen fort.

Tenor:

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Es wird die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber eingeholt, ob die in den Zeiträumen 1. März bis 31. Dezember 2009, 1. Januar bis 31. Dezember 2010, 1. Januar bis 31. Dezember 2011, 1. Januar bis 31. Dezember 2012, 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2013 und 1. Januar bis 31. Dezember 2016 auf § 1 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3, § 2 i.V.m. § 12 Abs. 1 nebst Anlage 2 Nr. 4, § 4 des Niedersächsischen Besoldungsgesetzes i.V.m. § 39 Abs. 1 und Abs. 2 Bundesbesoldungsgesetz nebst Anlage 5 des Niedersächsischen Besoldungsgesetzes in den für die Jahre 2009, 2010, 2011, 2012, 2013 sowie 2016 maßgebenden Fassungen – auch unter Berücksichtigung der Kürzungen der Beihilfe und Versorgungsleistungen – beruhende Alimentation der Klägerin in den Jahren 2009, 2010, 2011, 2012, 2013 und 2016 –bezogen auf die Besoldungsgruppe R 1 – mit Art. 33 Abs. 5 GG in seiner ab dem 1. September 2006 geltenden Fassung (BGBl. I 2034) vereinbar gewesen ist.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass ihre Alimentation in den Jahren 2009 bis 2016 zu niedrig gewesen ist.

Der im Jahr 1968 geborenen Klägerin wurde mit Wirkung vom 16. April 2007 [Bl. 129 BA A] die Eigenschaft einer Richterin auf Lebenszeit verliehen (Besoldungsgruppe R 1).

Am 01. Mai 1999 und am 01. Februar 2003 wurden die Kinder der Klägerin geboren. In den Jahren 2000 bis 2009 war die Klägerin - zeitweilig unterbrochen durch Mutterschutz- und Elternzeit - in Teilzeit beschäftigt (20 Std. bzw. 30 Std.). Seit dem Jahr 2009 arbeitet die Klägerin in Vollzeit.

Mit Schreiben vom 19. Dezember 2008, dem Niedersächsischen Landesamt für Bezüge und Versorgung per Fax am 26. Dezember 2008 zugegangen, erhob die Klägerin Widerspruch gegen die Höhe der Dienstbezüge ab Januar 2008. Die Höhe der Besoldung verletze das durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistete Prinzip der amtsangemessenen Alimentation.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Februar 2010 [Bl. 3 ff. GA Band 1], der Klägerin am 22. Februar 2010 zugestellt, wies die seinerzeit zuständige Oberfinanzdirektion Niedersachsen - Landesweite Bezüge- und Versorgungsstelle - den Widerspruch zurück. Als die die Normen ausführende Behörde sei sie an Gesetz und Recht gebunden. Über die bestehenden Regelungen der Tabellenwerke als Bestandteil der besoldungsrechtlichen Vorschriften könne sie nicht hinausgehen. Die Bezügezahlungen an die Klägerin seien im Einklang mit den besoldungsrechtlichen Vorschriften erfolgt.

Die Klägerin hat am 08. März 2010 Klage erhoben.

Sie trägt vor, der niedersächsische Gesetzgeber habe bei den seit dem Jahr 2009 vorgenommenen Gesetzesänderungen zur Beamten- und Richterbesoldung die aus Art. 33 Abs. 5 GG folgenden prozeduralen Anforderungen missachtet. Nach den vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 05. Mai 2015 (- 2 BvL 17/09 -) entwickelten Kriterien sei die Besoldung zu niedrig bemessen. Die vom Bundesverfassungsgericht auf der ersten Prüfungsstufe festgelegte Grenze von 5 % sei im Betrachtungszeitraum von 1999 - 2013 hinsichtlich der Parameter 1 (Entwicklung der Tarifergebnisse der Angestellten im öffentlichen Dienst), 2 (Vergleich zur Nominallohnentwicklung) sowie 3 (Entwicklung des Verbraucherpreisindexes) überschritten. Auch wenn der ermittelte Wert bei Parameter 2 den Grenzwert von 5 % um 0,36 %-Punkte überschreite, könne dies nicht als „statistischer Ausreißer“ gewertet und damit außer Acht gelassen werden. Dies sei nach den insoweit eindeutigen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht möglich. Der Wert von 5 % sei der maximal verfassungsrechtlich noch hinnehmbare Abweichungswert. Für die Annahme eines statistischen Ausreißers müsse man Sondereffekte nachweisen, welche sich derart verzerrend auf die Statistik ausgewirkt hätten, dass diese für sich genommen nicht mehr aussagekräftig sei. Bei der Annahme eines statistischen Ausreißers müsse man in konsequenter Weise auch die geringfügige Unterschreitung der 5%-Schwelle als statistischen Ausreißer nach unten ansehen, welcher die Verfassungswidrigkeit indiziere.

Auch in den Zeiträumen 1996 bis 2010, 1997 bis 2011 und 1998 bis 2012 sei die

Verfassungswidrigkeit der Besoldung indiziert. Zwar bleibe die Entwicklung der Besoldung in Parameter 2 (Entwicklung des Nominallohnindexes) nicht (1996 - 2010) bzw. nur um 2,85 % (1997 - 2011) bzw. 3,76 % (1998 - 2012) hinter dem Vergleichsparameter zurück. Dies werde jedoch ausgeglichen durch die Überstrahlungswirkung der deutlich höheren Überschreitung im Rahmen der Parameter 1 und 3 in den genannten Zeiträumen. Bei Mittelung der Über- bzw. Unterschreitungen in den Parametern 1 bis 3 gelange man jeweils zu einer durchschnittlichen Überschreitung der ersten drei Parameter um mehr als 5 %. Die Annahme einer Überstrahlungswirkung sei auch gerechtfertigt, um der Intention der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und den diese Entscheidung tragenden Gründen gerecht zu werden.

Die zweite Prüfungsstufe sei, anders als der Beklagte meine, auch dann zu prüfen, wenn eine Vermutung für die verfassungswidrige Unteralimentation auf der ersten Stufe nicht gegeben sei. Eine der Auffassung des Beklagten entsprechende Formulierung finde sich nicht in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Dort habe es für die rheinland-pfälzische Besoldung die evidente Unangemessenheit der Bezüge geprüft, obwohl nur einer der fünf Parameter erfüllt gewesen sei. Die zweite Prüfungsstufe enthalte eigenständige, die Angemessenheit der Höhe der R-Besoldung bestimmende Parameter. Sie sei stets zu prüfen, auch wenn das Durchlaufen der ersten Prüfungsstufe keine Indizierung der Verfassungswidrigkeit ergeben habe. Dies folge auch aus der Pressemitteilung zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus September 2017. Die dortigen Annahmen seien auf den vorliegenden Sachverhalt übertragbar. Die bezüglich der zweiten Stufe gemachten Ausführungen des Beklagten seien substanzlos. Nach dem Bundesverfassungsgericht werde die richterliche Unabhängigkeit auch durch die Besoldung der Richter gewährleistet, wobei die Art und Weise der Regelung der Besoldung und Versorgung des Richters von ganz erheblicher Bedeutung für das innere Verhältnis des Richters zu seinem Amt und für die Unbefangenheit, mit der er sich seine richterliche Unabhängigkeit bewahre, sei. Durch die Festlegung der Besoldung in amtsangemessener Höhe werde gewährleistet, dass der Richter unabhängig nach Gesetz und Gewissen entscheiden könne. Bei den für die Besetzung der Richterstellen geforderten Qualifikationen von grundsätzlich zwei Prädikatsexamina sei es immer schwieriger, Bewerber mit diesen Voraussetzungen zu gewinnen. Immer mehr hochqualifizierte Absolventen zögen eine Tätigkeit in großen Anwaltskanzleien vor, in denen die Einkommenserwartung ungleich höher sei als im Richterberuf. Dies zeige eine vom Deutschen Richterbund in Auftrag gegebene Studie der Kienbaum Management Consultants GmbH vom 03. Juli 2008 zur Gehaltsentwicklung in der Privatwirtschaft und in Anwaltskanzleien. Parallel zu den Besoldungsanpassungen, insbesondere durch den Fortfall der Sonderzahlungen, seien weitere Belastungen und Einschränkungen durch Änderungen im Beihilferecht und bei der Versorgung bewirkt worden. Die Aufwendungen für eine aus der Besoldung zu finanzierende beihilfekonforme Krankenversicherung seien zwischen 1993 und 2003 im Schnitt um nahezu 70 % gestiegen. Die anteiligen Beihilfeleistungen seien gekürzt worden. Insbesondere sei den Richtern eine nicht versicherbare Selbstbeteiligung im Krankheitsfall auferlegt worden. Derartige Änderungen des Beihilferechts seien bei der Bewertung der Amtsangemessenheit der Alimentation zu berücksichtigen. Besonderes Gewicht bei der Gesamtabwägung komme der Entwicklung der Versorgung seit 1999 zu. Kürzungen im Bereich des Versorgungsrechts hätten unmittelbare Auswirkungen auf die Besoldung während der aktiven Dienstzeit, weil der Amtsträger einen größeren Teil der Bezüge zum Zweck der privaten Altersvorsorge aufwenden müsse, um nicht übermäßige Einbußen seines Lebensstandards bei Eintritt in den Ruhestand hinnehmen zu müssen. Nach einer Studie des Europarates sei Deutschland neben Armenien das einzige Land Europas, in dem Richtern zu Beginn ihrer Laufbahn 90 % des nationalen Durchschnitteinkommens gezahlt werde. In den anderen Ländern Europas werde den Richtern ein Gehalt in Höhe von 230 % des nationalen Durchschnitteinkommens gezahlt („Report on European judical systems“). Den Beklagten treffe die Obliegenheit, darzustellen, wie er bei seiner Entscheidung über die Höhe der den Richtern gewährten Besoldung das Berufsbild des Richters und die besondere Qualität und Verantwortung im Amt berücksichtigt habe. Dazu habe der Beklagte nichts vorgetragen. Jedoch sei der fehlende Sachvortrag folgerichtig, denn der Besoldungsgesetzgeber habe diese Kriterien bei seiner Entscheidung über die Höhe der Besoldung in verfassungswidriger Weise nicht berücksichtigt. Nach dem Bundesverfassungsgericht müsse die Amtsangemessenheit der Alimentation, um ihre qualitätssichernde Funktion zu erfüllen, auch durch ihr Verhältnis zu den Einkommen bestimmt werden, die für vergleichbare oder auf der Grundlage vergleichbarer Ausbildung erbrachte Tätigkeiten außerhalb des öffentlichen Dienstes erzielt werden. Das von dem Beklagten vorgelegte statistische Datenmaterial sei hierzu nicht geeignet. Durch die Einbeziehung unterschiedlicher Beschäftigter, auch geringfügig und kurzfristig Beschäftigter, komme es zu einer Verzerrung des Ergebnisses der Statistik. Auch die Zuordnung des Richteramtes nach der Besoldungsgruppe R1 zur Leistungsgruppe 2 in der Statistik zur Vierteljährlichen Verdiensterhebung des Landesamtes für Statistik erscheine fraglich. Die von dem Beklagten vorgelegten Definitionen seien nicht mit der Wertigkeit des Richteramtes in Einklang zu bringen. Es sei eher angemessen, in Anbetracht der Einstellungsvoraussetzungen in den Justizdienst einen Vergleich mit Juristinnen und Juristen vorzunehmen, welche über vergleichbare Staatsexamina und ggf. Promotion verfügten und die in Anwaltskanzleien tätig seien. Dort dürfe sich die Betrachtung aber nicht auf im Angestelltenverhältnis tätige Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte beschränken, da in solchen Kanzleien nach einer bestimmten Anzahl an Tätigkeitsjahren in der Regel ein Aufstieg zum Partner erfolge. Die dort gezahlten Vergütungen bewegten sich weit jenseits und zahlenmäßig oberhalb des Datenmaterials, welches der Beklagte als Vergleichsmaterial vorgelegt habe. Daher sei davon auszugehen, dass sich die Vermutung einer verfassungswidrigen Unteralimentation weiter erhärte.

Nach dem Bundesverfassungsgericht werde die Festlegung der Besoldungshöhe durch den Gesetzgeber an die Einhaltung prozeduraler Anforderungen geknüpft. Den Gesetzgeber träfen insbesondere Begründungspflichten. Er müsse bereits im Gesetzgebungsverfahren die Fortschreibung der Besoldungshöhe begründen. Die Ermittlung und Abwägung der berücksichtigten und berücksichtigungsfähigen Bestimmungsfaktoren für den verfassungsrechtlich gebotenen Umfang der Anpassung der Besoldung müssten sich in einer entsprechenden Darlegung und Begründung des Gesetzgebers im Gesetzgebungsverfahren niederschlagen. Zur Einhaltung der prozeduralen Pflichten des Besoldungsgesetzgebers äußere sich der Beklagte gar nicht. Die Besoldungsentscheidungen enthielt tatsächlich keine bzw. fast keine Ausführungen dazu, auf welchem Wege der Gesetzgeber zu seiner jeweiligen Entscheidung gelangt sei und welche Faktoren er hierbei berücksichtigt habe. Die Begründung der Fortschreibung der Besoldungshöhe müsse vor der Entscheidung zur Besoldungshöhe erfolgen; eine bloße nachträgliche Begründbarkeit genüge nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen der Prozeduralisierung. Die Nichteinhaltung der prozeduralen Anforderungen könne nicht dadurch geheilt werden, dass eine Begründung nachgeschoben werde. Da dieser Mangel nicht heilbar sei, müsse allein die Verletzung der prozeduralen Pflichten des Gesetzgebers dazu führen, dass die Festsetzung der Besoldungshöhe als verfassungswidrig erachtet werde. Darüber hinaus dürften besondere Begründungsanforderungen gelten, wenn die Entwicklung der Besoldung hinter dem jeweils in Bezug genommenen Vergleichsmaßstab die vom Bundesverfassungsgericht vorgegebene Schwelle von 5% um mehr als 50 % überschreite. Dies sei im Zeitraum von 1998 bis 2012 hinsichtlich des Parameter 3 sowie im Zeitraum von 1999 bis 2013 hinsichtlich des gleichen Parameters gegeben. Gleiches gelte für den Parameter 1 in den Betrachtungszeiträumen 1996 bis 2010, 1997 bis 2011, 1998 bis 2012 und 1999 bis 2013. Eine inhaltliche Auseinandersetzung des Gesetzgebers damit sei nicht vorhanden.

Die Unterschreitung der verfassungsrechtlich gebotenen Mindestalimentation sei auch nicht gerechtfertigt. Dass sich der Landesgesetzgeber bei der Aufstellung des Haushaltes 2005 in einer verfassungsrechtlichen Ausnahmesituation befunden habe, führe nicht dazu, dass Richter und Beamte aufgrund des besonderen Treueverhältnisses stärker als andere zur Haushaltskonsolidierung beizutragen hätten. Darüber hinaus werde das Vorliegen einer verfassungsrechtlichen Ausnahmesituation ausdrücklich bestritten. Es fehle an einem diesbezüglichen substantiellen Vortrag des Beklagten. Die von der Landesregierung vorgetragenen Gründe für die Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung, die Sparnotwendigkeiten und Sparziele, reichten darüber hinaus nicht als Rechtfertigung für Einschnitte in die den Richtern und Beamten gewährte Besoldung aus. Zudem habe der Besoldungsgesetzgeber bei seinen Entscheidungen, eine nicht verfassungsgemäße Besoldung zu gewähren, den Grundsatz des Vorrangs der Erfüllung der Kernaufgaben des Staates außer Acht gelassen. Bei Knappheit finanzieller Mittel seien zunächst die absoluten Kernaufgaben des Staates, wozu die Ausstattung der Legislative sowie weitere essentielle Kernbereiche wie die Justiz gehörten, zu erfüllen. Daraus folge, dass der Ausstattung der Justiz eine Notwendigkeit der Konsolidierung des Landeshaushaltes und hieraus sich ergebende Einsparnotwendigkeiten nicht im selben Maße entgegengehalten werden könnten als Bereichen, die nicht zu den Kernbereichen der Landesverwaltung und Judikative gehörten.

Die Klägerin beantragt,

festzustellen, dass sich für sie bei Anwendung der besoldungsrechtlich relevanten Gesetze ab dem 01. März 2009 bis zum 31. Dezember 2016 in ihrer Gesamtheit eine zu niedrige Besoldung ergibt.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, zwar weiche die Besoldungsentwicklung in Relation zur Entwicklung des Verbraucherpreisindexes und der Tarifergebnisse in der Regel um mehr als fünf Prozent des Indexwertes der erhöhten Besoldung ab, nicht jedoch in Relation zum Nominallohnindex. Lediglich in dem Zeitraum von 1999 bis 2013 sei eine geringfügige Überschreitung der zulässigen Abweichung um 0,36 % gegeben. Bei dem Besoldungsvergleich als 4. Parameter, bei dem zu prüfen sei, ob der Abstand zwischen verschiedenen Besoldungsgruppen dauerhaft eingeebnet worden sei, seien keine Anhaltspunkte für Zweifel erkennbar. Auch der Quervergleich mit der Besoldung des Bundes und der anderen Länder (5. Parameter) ergebe nur geringe Abweichungen der niedersächsischen Besoldung und halte sich damit im zulässigen Rahmen. Damit sei zwischen der Besoldungsentwicklung und dreien der fünf Vergleichsparameter ein zulässiges Verhältnis gewahrt, sodass keine Vermutung einer verfassungswidrigen Unteralimentation bestehe.

Eine Prüfung auf der zweiten Prüfungsstufe finde nur statt, wenn die erste Prüfungsstufe eine Vermutung für eine verfassungswidrige Unteralimentation ergeben habe. Die Ausführungen dazu erfolgten daher lediglich hilfsweise. Bezüglich der besonderen Qualität und Verantwortung des Amtsträgers, auch im Hinblick auf das Ansehen des Amtes in den Augen der Gesellschaft und der von den Amtsträgern geforderten Ausbildung und Beanspruchung wie auch der Qualität und Verantwortung ihres Berufs seien keine Auswertungen, gutachterliche Gesichtspunkte oder ähnliches vorhanden, welche nicht bereits in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigt worden wären. Daher seien keine Gesichtspunkte erkennbar, die in diesem Zusammenhang für eine verfassungswidrige Unteralimentation sprechen könnten. Auch bei der Entwicklung der Beihilfe und Versorgung seien keine Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen das Gebot der amtsangemessenen Alimentation gegeben. Bei dem Vergleich der Besoldung mit den durchschnittlichen Bruttoverdiensten sozialversicherungspflichtig Beschäftigter mit vergleichbaren Qualifikationen und Verantwortung in der Privatwirtschaft sei den Besonderheiten des Status und des beamtenrechtlichen Besoldungs- und Versorgungssystems Rechnung zu tragen. Dabei seien die individuelle Sicherheit des Dienstverhältnisses sowie die „Krisenfestigkeit“ des Dienstherrn, die in vergleichbarer Weise in der Privatwirtschaft grundsätzlich nicht gegeben seien, als ausschlaggebende Faktoren mit zu berücksichtigen.

Der Auszug aus der Vierteljährlichen Verdiensterhebung des Landesamtes für Statistik Niedersachsen (LSN) nebst Erläuterungsbericht weise für den Zeitraum von 2007 bis 2015 die durchschnittlichen Bruttojahresverdienste von Vollzeitbeschäftigten im Wirtschaftszweig „Erbringung von freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen“ sowie auf der nächst tieferen Gliederungsebene „Rechts- und Steuerberatung, Wirtschaftsprüfung“ und „Architektur- und Ingenieurbüros; technische, physikalische und chemische Untersuchung“ aus. Dieser Wirtschaftszweig sei am ehesten für einen Vergleich mit der Tätigkeit der Klägerin einschlägig. Die Erhebung erfasse unter anderem auch geringfügig und kurzfristig Beschäftigte. Bei der von der Erhebung vorgenommenen Differenzierung nach fünf Leistungsgruppen sei das Richteramt der Besoldungsgruppe R1 der Leistungsgruppe 2 zuzuordnen, welche Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer mit sehr schwierigen bis komplexen oder vielgestaltigen Tätigkeiten erfasse, für die in der Regel nicht nur eine abgeschlossene Berufsausbildung, sondern auch eine mehrjährige Berufserfahrung und spezielle Fachkenntnisse erforderlich seien, und die überwiegend selbstständig ausgeführt würden. Dazu gehörten auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in kleinen Verantwortungsbereichen gegenüber anderen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen Dispositions- oder Führungsaufgaben wahrnähmen (z.B. Vorarbeiter/-innen, Meister/-innen). Der Leistungsgruppe 1, welche die höchste Leistungsgruppe darstelle, seien Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zugeordnet, die in leitender Stellung mit Aufsichts- und Dispositionsbefugnis tätig seien, z.B. angestellte Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in größeren Führungsbereichen Dispositions- und Führungsaufgaben wahrnähmen sowie diejenigen mit Tätigkeiten, welche umfassende kaufmännische oder technische Fachkenntnisse erforderten. Die Fachkenntnisse würden in der Regel durch ein Hochschulstudium erworben. Die Tätigkeiten würden selbstständig ausgeführt. Richter mit der Besoldungsgruppe R1 könnten nicht der Leistungsgruppe 1 zugeordnet werden, da dann kein Spielraum für die Besoldungsgruppen aus den Leitungsebenen der Behörden verbleibe. Dies habe das Verwaltungsgericht Halle in seinem Vorlagebeschluss vom 28. September 2011 (5 A 206/09 HAL) ebenfalls so gesehen. Zwischen der Leistungsgruppe 2 und dem Bruttojahresverdienst nach der Besoldungsgruppe R1 bestehe kein Missverhältnis.

Im Hinblick auf die dritte Stufe, welche ebenfalls nur zu prüfen sei, wenn nach den ersten beiden Prüfungsstufen von einer verfassungswidrigen Unteralimentation auszugehen sei, ergäben sich vorrangig wirtschaftliche Gründe als sachliche Gründe für den weitgehenden Fortfall der Sonderzahlung, um auch im Besoldungsbereich Einsparungen zur Sanierung des Landeshaushaltes zu generieren. Der Landesgesetzgeber habe sich bei der Aufstellung des Landeshaushalts 2005 in einer verfassungsrechtlichen Ausnahmesituation befunden. Im Haushaltsjahr 2005 sei trotz Ausschöpfung aller Einnahmequellen eine Nettokreditaufnahme oberhalb der Summe der eigenfinanzierten Investitionen erforderlich gewesen (wird weiter ausgeführt). In der haushaltsrechtlichen Ausnahmesituation hätten Besoldungskomponenten, sofern sie keinen verfassungsrechtlichen Schutz genossen hätten, nicht von dem Haushaltskonsolidierungsprogramm ausgenommen werden können.

II.

Das Verfahren wird ausgesetzt. Dem Bundesverfassungsgericht wird gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1, 2 GG in Verbindung mit §§ 13 Nr. 11, 80 Abs. 1 BVerfGG die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob die für die Alimentation der Klägerin in den Jahren 2009, 2010, 2011, 2012, 2013 sowie 2016 maßgeblichen Besoldungsgesetze mit Art. 33 Abs. 5 GG unvereinbar sind. Auf diese Frage kommt es im Sinne von Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG, § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG für die Entscheidung der Kammer über die Klage der Klägerin an. Die Kammer ist auch davon überzeugt, dass die Alimentation der Klägerin in den Jahren 2009, 2010, 2011, 2012, 2013 sowie 2016 mit Art. 33 Abs. 5 GG unvereinbar ist.

Die erhobene Feststellungsklage ist zulässig, insbesondere ist sie statthaft. Die vom Gesetz in § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO vorgesehene grundsätzliche Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage steht der Zulässigkeit der vorliegenden Klage nicht entgegen. Es bedarf für die Besoldung der Richter und Beamten aufgrund des Vorbehaltes des Gesetzes einer gesetzlichen Grundlage. In einem Verfahren, in dem die Verfassungsmäßigkeit der Alimentation in Frage steht, ist es dem Gericht aufgrund des strengen Gesetzesvorbehalts aus Art. 33 Abs.5 GG (BVerwG, U.v. 26. Nov. 1992,- BVerwG 2 C 11.92-, DVBL. 1993, 558) verwehrt, Beamten und Richtern im Wege der Leistungsklage gesetzlich nicht vorgesehene Besoldungsleistungen zuzusprechen. Der Anspruch auf Alimentation ist mit einer Klage geltend zu machen, gerichtet auf die Feststellung, dass die Alimentation verfassungswidrig ist (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 14. Oktober 2009 - 2 BvL 13/08 -, juris, Rn. 12 m.w.N.).

Die verfassungsrechtliche Beurteilung des Vorlagegegenstandes ist für die Klage entscheidungserheblich. Verstoßen die in Rede stehenden Besoldungsvorschriften in den Jahren 2009 bis 2013 sowie 2016 gegen Art. 33 Abs. 5 GG und sind daher ungültig, hat die Klage Erfolg. Liegt kein Verstoß vor, ist die Klage insgesamt abzuweisen. Die Begründetheit hängt allein von der verfassungsrechtlichen Beurteilung des Vorlagegegenstandes ab. Andere Gründe für den Erfolg der Klage sind nicht gegeben. Die der Klägerin gewährte Besoldung entspricht der in dem maßgeblichen Gesetz genau bezifferten Besoldungshöhe.

Die für die Besoldung der Klägerin in den Jahren 2009 bis 2013 sowie im Jahr 2016 maßgeblichen Vorschriften verstoßen gegen Art. 33 Abs. 5 GG.

Das Recht des öffentlichen Dienstes ist nach Art. 33 Abs. 5 GG unter Berücksichtigung und Beachtung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln. Zu diesen hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums zählt das für die Besoldung der Richter und Beamten maßgebliche Alimentationsprinzip. Das Alimentationsprinzip verpflichtet zur lebenslangen angemessenen Alimentation der Beamten und Richter sowie ihrer Familien. Gleichzeitig folgt aus dem Alimentationsprinzip die Verpflichtung, Beamten und Richtern nach dem innegehabten Dienstrang, nach der mit dem Amt verbundenen Verantwortung und nach der Bedeutung der rechtsprechenden Gewalt und des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards einen angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren. Dabei hat der Gesetzgeber auch die Attraktivität des Dienstverhältnisses für überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte, das Ansehen des Amtes in den Augen der Gesellschaft, die vom Amtsinhaber geforderte Ausbildung sowie seine Beanspruchung zu berücksichtigen. Um die Angemessenheit der Alimentation beurteilen zu können, ist die Gesamthöhe der Alimentation in den Blick zu nehmen. Die Gesamthöhe wird aus dem Grundgehalt sowie weiteren Besoldungsbestandteilen, wie Sonderzahlungen oder Stellenzulagen, gebildet. Dies gilt auch, wenn die weiteren Besoldungsbestandteile für sich betrachtet nicht dem Schutz von Art. 33 Abs. 5 GG unterfallen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 05. Mai 2015 - 2 BvL 17/09 u.a. -, juris, Rn. 92 f.).

Dem Gesetzgeber steht bei der Umsetzung der aus Art. 33 Abs. 5 GG folgenden Pflicht zur amtsangemessenen Alimentation ein weiter Entscheidungsspielraum zu. Korrespondierend zu dem weiten Entscheidungsspielraum ist die gerichtliche Kontrolle der einfachgesetzlichen Regelung auf den Maßstab evidenter Sachwidrigkeit beschränkt. Die materielle Kontrolle beschränkt sich im Ergebnis auf die Frage, ob die Höhe der Bezüge evident unzureichend ist (vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 05. Mai 2015, a.a.O., Rn. 96).

Die Kammer ist von einer evident unzureichenden Höhe der Bezüge überzeugt.

Die vom Bundesverfassungsgericht bezüglich der Frage der Amtsangemessenheit der Besoldung entwickelten Kriterien ergeben in einer Gesamtschau, dass die Besoldung der Klägerin in den Jahren 2009 bis 2013 sowie im Jahr 2016 evident unzureichend war. Dieser Verstoß gegen Art. 33 Abs. 5 GG ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt.

1.

Prüfungsstufe 1

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besteht die Vermutung für eine evident unzureichende Alimentation, wenn die Mehrheit der hierfür als maßgeblich angesehenen fünf Parameter für eine zu niedrige Besoldung spricht. Diese fünf Parameter sind: die Differenz zwischen der Besoldungsentwicklung und den Tarifergebnissen der Angestellten im öffentlichen Dienst mit vergleichbarer Ausbildung und Tätigkeit im Land Niedersachsen (1.), die Differenz zwischen der Besoldungsentwicklung und der Entwicklung des Nominallohnindexes im Land Niedersachsen (2.), die Differenz zwischen der Besoldungsentwicklung und der Entwicklung des Verbraucherpreisindexes im Land Niedersachsen (3.), der Vergleich zwischen den Besoldungsordnungen im Land Niedersachsen (4.) sowie der Vergleich mit der Besoldung des Bundes und der Länder (5.) (vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 05. Mai 2015, a.a.O., Rn. 99 ff.).

In den anzustellenden Vergleich ist nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (a.a.O., Rn. 102) die Entwicklung über einen Zeitraum von 15 Jahren einzubeziehen. Zu betrachten sind demnach die folgenden Zeiträume:

für das Jahr 2009:

1995 bis 2009

für das Jahr 2010:

1996 bis 2010

für das Jahr 2011:

1997 bis 2011

für das Jahr 2012:

1998 bis 2012

für das Jahr 2013:

1999 bis 2013

für das Jahr 2014:

2000 bis 2014 (zur Vervollständigung)

für das Jahr 2015:

2001 bis 2015 (zur Vervollständigung)

für das Jahr 2016:

2002 bis 2016

Das Vorliegen einer Differenz von mehr als fünf Prozentpunkten ist dabei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in der Regel ein Indiz für eine unzureichende Alimentation.

Darüber hinaus ist gegebenenfalls ergänzend für den fünf Jahre vor dem Beginn des Betrachtungszeitraums liegenden gleichlangen Zeitraum eine Vergleichsberechnung durchzuführen, um sicherzustellen, dass etwaige statistische Ausreißer das Ergebnis nicht beeinflussen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 05. Mai 2015, a.a.O., Rn. 101). Diese zusätzliche Betrachtung hat die Kammer aus Gründen der Vollständigkeit vorgenommen. Auch wenn sich im vorliegenden Verfahren der streitgegenständliche Zeitraum über sechs Jahre erstreckt, sodass aus diesem Grund bereits sichergestellt sein könnte, dass etwaige statistische Ausreißer bereinigt wurden (vgl. insoweit Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 25. April 2017 - 5 LC 228/15 -, juris, Rn. 75), verzichtet die Kammer nicht auf deren Betrachtung, da der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht eindeutig entnommen werden kann, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen von einer entsprechenden Staffelprüfung abgesehen werden kann.

Die Staffelprüfung umfasst den Zeitraum:

für das Jahr 2009:

1990 bis 2004

für das Jahr 2010:

1991 bis 2005

für das Jahr 2011:

1992 bis 2006

für das Jahr 2012:

1993 bis 2007

für das Jahr 2013:

1994 bis 2008

Für die Jahre 2014 bis 2016 ist der Zeitraum bereits in dem obenstehenden 15-Jahreszeitraum ohne Staffelprüfung dargestellt.

Die Prüfung der fünf Parameter auf der ersten Prüfungsstufe ergibt, dass hinsichtlich der Besoldungsgruppe R1 in dem Jahr 2013 drei der fünf Parameter, in den Jahren 2009, 2010, 2011, 2012 und 2016 zwei Parameter gegeben waren und in den Jahren 2014 und 2015 ein Parameter erfüllt war.

Zur Überprüfung der ersten drei Parameter auf der ersten Stufe bedarf es zunächst der Aufzeichnung der Entwicklung der Besoldung in Niedersachsen in den Jahren 1990 bis 2016. Diesbezüglich legt die Kammer die von dem Beklagten mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2016 vorgelegte Anlage 1, Stand: 14. September 2016, [Bl. 281 ff. GA Band II] und damit folgende gesetzliche Grundlagen zugrunde:

· Gesetz über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1988 (Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz – BBVAnpG 88) vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I S. 2363):

Erhöhung der Grundgehälter, Grundvergütungen und Ortszuschlagsbeträge um 1,7 Prozent ab 01. Januar 1990

· BBVAnpG 91 vom 21. Februar 1992 (BGBl. I S. 266):

Erhöhung der Grundgehälter, Grundvergütungen, Ortszuschlagsbeträge und dynamischen Zulagen um 6,0 Prozent ab 01. März 1991

· BBVAnpG 92 vom 23. März 1993 (BGBl. I S. 342):

Erhöhung der Grundgehälter, Grundvergütungen, Ortszuschlagsbeträge und dynamischen Zulagen um 5,4 Prozent ab 01. Mai 1992 für die Besoldungsgruppen A 1 bis A12, ab 01. Juni 1992 für die Besoldungsgruppen A 13 bis A 16, B, C, R

· BBVAnpG 93 vom 20. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2139):

Erhöhung der Grundgehälter, Grundvergütungen, Ortszuschlagsbeträge und dynamischen Zulagen um 3,0 Prozent ab 01. Mai 1993

· BBVAnpG 94 vom 24. August 1994 (BGBl. I S. 2229):

Erhöhung der Grundgehälter, Grundvergütungen, Ortszuschlagsbeträge und dynamischen Zulagen um 2 Prozent für die Besoldungsgruppen A 1 bis A 8 ab 01. Oktober 1994, für die Besoldungsgruppen A 9 bis A 16, B, C, R ab 01. Januar 1995;

Sonderzuwendung für 1994, 1995 und 1996 in Höhe der Bezüge des Monats Dezember 1993 (d. h. für 1994: die Erhöhung des Jahres 1994 um 2 Prozent soll dafür nicht wirksam werden – gegenüber dem erhöhten Monatsbezug in 1994 beträgt der Monatsbezug in 1993 98,04 Prozent, somit beträgt auch die Sonderzuwendung 98,04 Prozent)

· BBVAnpG 95 vom 18. Dezember 1995 (BGBl. I S. 1942), Art. 4 BBVAnpG 94:

Erhöhung der Grundgehälter, Grundvergütungen, Ortszuschlagsbeträge und dynamischen Zulagen um 3,2 Prozent ab 01. Mai 1995;

Sonderzuwendung für 1995 in Höhe der Bezüge des Monats Dezember 1993 (d. h. für 1995: die Erhöhungen der Jahre 1994 und 1995 um 2 Prozent und 3,2 Prozent sollen dafür nicht wirksam werden – gegenüber dem erhöhten Monatsbezug in 1995 beträgt der Monatsbezug in 1993 95 Prozent, somit beträgt auch die Sonderzuwendung 95 Prozent);

Sonderzuwendung für 1996 beträgt auf dieser Grundlage ebenfalls 95 Prozent, da in 1996 keine Besoldungserhöhung stattgefunden hat

· BBVAnpG 96/97 vom 24. März 1997 (BGBl. I S. 590), Bek. d. BMI vom 04. April 1997 (GMBl. S. 266):

Erhöhung der Grundgehälter, Grundvergütungen, Ortszuschlagsbeträge, dynamischen Zulagen um 1,3 Prozent für die Besoldungsgruppen A 1 bis A 16, C 1 bis C 3, R 1 und R 2 ab 01. März 1997, für B, ab R 3 und für C 4 ab 01. Juli 1997;

Sonderzuwendung für 1997 in Höhe von 93,78 Prozent (Höhe des Monatsbezuges für Dezember 1993 im Verhältnis zum Monatsbezug für Dezember 1997)

· BBVAnpG 98 vom 06. August 1998 (BGBl. I S. 2026), Art. 4 BBVAnpG 96/97, Bek. d. BMI v. 17. August 1998 (GMBl. S. 559):

Erhöhung der Grundgehälter, Grundvergütungen, Familienzuschlagsbeträge, dynamischen Zulagen um 1,5 Prozent ab 01. Januar 1998;

Sonderzuwendung für 1998 in Höhe von 92,39 Prozent (Höhe des Monatsbezuges für Dezember 1993 im Verhältnis zum Monatsbezug für Dezember 1998)

· BBVAnpG 99 vom 19. November 1999 (BGBl. I S. 2198), Art. 4 BBVAnpG 96/97, RdSchr. d. BMI vom 22. Dezember 1999 (Nds. MBl. 2000 S. 74):

Erhöhung der Grundgehälter, Grundvergütungen, Familienzuschlagsbeträge, dynamischen Zulagen um 2,9 Prozent für alle Besoldungsgruppen außer für die Besoldungsordnung B, Besoldungsgruppen C 4 und R 3 bis R 10 ab 01. Juni 1999, für die ausgenommenen Besoldungsgruppen ab 01. Januar 2000;

Sonderzuwendung für 1999 für alle Besoldungsgruppen außer für die Besoldungsordnung B, Besoldungsgruppen C 4 und R 3 bis R 10 in Höhe von 89,79 Prozent, für die ausgenommenen Besoldungsgruppen in Höhe von 92,39 Prozent (jeweils Höhe des Monatsbezuges für Dezember 1993 im Verhältnis zum Monatsbezug für Dezember 1999);

Sonderzuwendung für 2000 beträgt für alle Besoldungsgruppen 89,79 Prozent, da die Besoldungserhöhung um 2,9 Prozent für die Besoldungsordnung B, Besoldungsgruppen C 4 und R 3 bis R 10 zum 01. Januar 2000 wirksam geworden ist und für die übrigen Besoldungsgruppen in 2000 keine Besoldungserhöhung stattgefunden hat

· BBVAnpG 2000 vom 19. April 2001 (BGBl. I S. 618), Art. 4 BBVAnpG 96/97, RdSchr. d. BMI vom 02. Mai 2001 (Nds. MBl. S. 442):

Erhöhung der Grundgehälter, Grundvergütungen, Familienzuschlagsbeträge, dynamischen Zulagen um 1,8 Prozent ab 01. Januar 2001 und um 2,2 Prozent ab 01. Januar 2002;

Sonderzuwendung für 2001 in Höhe von 88,21 Prozent (Höhe des Monatsbezuges für Dezember 1993 im Verhältnis zum Monatsbezug für Dezember 2001);

Sonderzuwendung für 2002 in Höhe von 86,31 Prozent (Höhe des Monatsbezuges für Dezember 1993 im Verhältnis zum Monatsbezug für Dezember 2002)

· BBVAnpG 2003/2004 vom 10. September 2003 (BGBl. I S. 1798), Gesetz zur Änderung besoldungs- und anderer dienstrechtlicher Vorschriften und des Ministergesetzes vom 31. Oktober 2003 (Nds. GVBl. S. 372):

Erhöhung der Grundgehälter, Grundvergütungen, Familienzuschlagsbeträge, dynamischen Zulagen um 2,4 Prozent für die Besoldungsgruppen A 2 bis A 11 ab 01. April 2003, für die übrigen Besoldungsgruppen außer B 9 bis B 11 ab 01. Juli 2003;

Erhöhung der Grundgehälter, Grundvergütungen, Familienzuschlagsbeträge, dynamischen Zulagen für alle Besoldungsgruppen außer B 9 bis B11 um 1,0 Prozent ab 01. April 2004 sowie um 1,0 Prozent ab 01. August 2004;

Erhöhung der Grundgehälter, Familienzuschlagsbeträge, dynamischen Zulagen für die Besoldungsgruppen B 9 bis B 11 um ca. 3,4 Prozent ab 01. Januar 2005;

Sonderzahlung für 2003 in Höhe von 65 Prozent;

2004 monatliche Sonderzahlung in Höhe von 4,17 Prozent (entspricht einem Jahresanteil von 50,04 Prozent)

· Keine Besoldungserhöhungen in den Jahren 2005 bis 2007

· § 8 Abs. 1, 2 Niedersächsisches Besoldungsgesetz (NBesG) in der Fassung vom 11. Februar 2004 (Nds. GVBl. S. 44), geändert durch das Haushaltsbegleitgesetz 2005 vom 17. Dezember 2004 (Nds. GVBl. S. 664):

Jährliche Sonderzahlung im Monat Dezember in Höhe von 420 EUR für die Besoldungsgruppen A 2 bis A 8 sowie zusätzlich bzw. für alle Besoldungsgruppen in Höhe von 25,56 EUR pro Kind

· Haushaltsbegleitgesetz 2007 vom 15. Dezember 2006 (Nds. GVBl. S. 597):

Erhöhung der Grundgehälter, Familienzuschlagsbeträge, dynamischen Zulagen um 3,0 Prozent ab 01. Januar 2008;

Änderung des § 8 Abs. 3 NBesG: Einmalzahlung im Monat Dezember in Höhe von 860 EUR für alle Besoldungsgruppen

· § 8 Abs. 1, 2 NBesG in der Fassung vom 07. November 2008 (Nds. GVBl. S. 334):

Jährliche Sonderzahlung im Monat Dezember in Höhe von 420 EUR für die Besoldungsgruppen A 2 bis A 8 sowie zusätzlich bzw. für alle Besoldungsgruppen in Höhe von 120 EUR pro Kind

· Niedersächsisches Besoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetz 2009/2010 (NBVAnpG 2009/2010) vom 14. Mai 2009 (Nds. GVBl. S. 203):

Erhöhung der Grundgehälter, Familienzuschläge, dynamischen Zulagen um 3,0 Prozent ab 1. März 2009 und um 1,2 Prozent ab 01. März 2010

· NBVAnpG 2011/2012 vom 26. Mai 2011 (Nds. GVBl. S. 141):

Erhöhung der Grundgehälter, Familienzuschlagsbeträge, dynamischen Zulagen um1,5 Prozent ab 01. April 2011 und um 1,9 Prozent ab 01. Januar 2012;

§ 2: Einmalzahlung im Monat April in Höhe von 360 EUR für alle Besoldungsgruppen

· NBVAnpG 2013 vom 03. Juni 2013 (Nds. GVBl. S. 124):

Erhöhung der Grundgehälter, Familienzuschlagsbeträge, dynamischen Zulagen um 2,65 Prozent ab 01. Januar 2013

· NBVAnpG 2014 vom 16. Dezember 2013 (Nds. GVBl. S. 310):

Erhöhung der Grundgehälter, Familienzuschlagsbeträge, dynamischen Zulagen um 2,95 Prozent ab 01. Juni 2014

· NBVAnpG 2015/2016 vom 18. Dezember 2014 (Nds. GVBl. S. 477):

Erhöhung der Grundgehälter, Familienzuschlagsbeträge, dynamischen Zulagen um 2,5 Prozent ab 01. Juni 2015 und um 2 Prozent ab 01. Juni 2016

Die prozentuale Entwicklung der Besoldung der Besoldungsgruppe R1 in den Jahren 1990 bis 2016 sowie der anteiligen Sonderzahlungen finden sich in der von dem Beklagten dargelegten Tabelle, Stand: 08. Dezember 2017 [Anlage 2 zum Schriftsatz vom 08. Dezember 2017, Bl. 392 GA Band II]. Diese Werte sind zwischen den Beteiligten unstreitig und werden von der Kammer zugrunde gelegt. Dabei hat der Beklagte zutreffend die Besoldung zu Beginn des zu betrachtenden 15-Jahreszeitraums auf 100 Prozent gesetzt, da die Besoldungsentwicklung für jedes streitige Kalenderjahr gesondert zu betrachten ist.

Die zugrunde gelegte Darstellung der prozentualen Entwicklung der Besoldung einschließlich der Sonderzahlungen ist nicht zu beanstanden. Es ist der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht zu entnehmen, dass es im Zuge der Ermittlung der Parameter stets einer Berechnung mit konkreten Zahlen bedarf und eine abstrakte Berechnungsweise - wie vorliegend durchgeführt - hingegen nicht zulässig sei (vgl. dazu Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 25. April 2017, a.a.O., Rn. 146).

Für die R 1-Besoldung ergeben sich in den hier maßgeblichen Zeiträumen folgende Anstiege:

1995 bis 2009:

16,71 Prozent

1996 bis 2010:

14,70 Prozent

1997 bis 2011:

15,04 Prozent

1998 bis 2012:

15,61 Prozent

1999 bis 2013:

15,56 Prozent

2000 bis 2014:

18,96 Prozent (zur Vervollständigung)

2001 bis 2015:

19,93 Prozent (zur Vervollständigung)

2002 bis 2016:

19,86 Prozent

Im Rahmen der Staffelprüfung ergeben sich folgende Anstiege der R 1-Besoldung:

1990 bis 2004:

34,09 Prozent

1991 bis 2005:

21,63 Prozent

1992 bis 2006:

15,40 Prozent

1993 bis 2007:

12,04 Prozent

1994 bis 2008:

15,57 Prozent

Auch wenn sich die Zuordnung der Richter der Besoldungsordnung R zu einer Stufe nach dem zum 01. Januar 2017 in Kraft getretenen Niedersächsischen Besoldungsgesetz vom 20. Dezember 2016 (Nds. GVBl. S. 308) nach der dienstlichen Erfahrung (§ 33 Satz 1 NBesG unter Verweis auf § 25 Abs. 1 NBesG) und nicht mehr nach dem Lebensalter richtet, ändern sich diese Zahlen nicht. Die Besoldungshöhe der einzelnen Stufen sowie das Tabellensystem sind unverändert geblieben. Für die am 31. August 2011 vorhandenen Beamten und Richter, wie die Klägerin, bemisst sich das Grundgehalt nach der bisher erreichten Stufe und die Stufensteigerungen erfolgen wie nach dem bisherigen Steigerungsrythmus (vgl. § 72 Abs. 1 NBesG) (vgl. dazu Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 25. April 2017, a.a.O., Rn. 173).

a)

Tarifergebnisse und Besoldungsentwicklung (Parameter 1)

Aus dem Vergleich der Entwicklung der Tariflöhne für den öffentlichen Dienst mit der Besoldungsentwicklung folgt für die Jahre 2009 bis 2014 sowie im Jahr 2016 ein Indiz für eine evident unzureichende Alimentation.

Der Beklagte hat die Darstellung der Entwicklung der Tariflöhne auf die Werte der „Tabelle 1: Tariferhöhungen und Entwicklung der Tarifverdienste für den öffentlichen Dienst in Deutschland“, Stand: 17. Dezember 2014 des Statistischen Bundesamtes [Anlage 6 zum Schriftsatz vom 17. Oktober 2016, Bl. 294 GA Band II] sowie der Tarifeinigung in den Tarifverhandlungen für die Beschäftigten der Länder vom 28. März 2015, Stand: 28. März 2015 [Anlage 6 zum Schriftsatz vom 17. Oktober 2016, Bl. 295 GA Band II] gegründet. Hierbei wurde wiederum zutreffend zu Beginn des gesondert zu betrachtenden 15-Jahreszeitraums der Ausgangswert auf 100 Prozent gesetzt. Nach den so von dem Beklagten ermittelten Zahlen stellt sich die Erhöhung und Entwicklung der Tariflöhne wie folgt dar (vgl. Tabelle Tariflöhne zum Schriftsatz vom 08. Dezember 2017, Stand: 07. April 2017, Bl. 398 GA Band II):

1995 bis 2009:

22,57 Prozent

1996 bis 2010:

24,04 Prozent

1997 bis 2011:

24,29 Prozent

1998 bis 2012:

24,78 Prozent

1999 bis 2013:

24,23 Prozent

2000 bis 2014:

25,39 Prozent (zur Vervollständigung)

2001 bis 2015:

25,02 Prozent (zur Vervollständigung)

2002 bis 2016:

27,90 Prozent

Im Rahmen der Staffelprüfung ergeben sich folgende Anstiege der Erhöhung und Entwicklung der Tariflöhne:

1990 bis 2004:

40,09 Prozent

1991 bis 2005:

32,16 Prozent

1992 bis 2006:

25,39 Prozent

1993 bis 2007:

21,73 Prozent

1994 bis 2008:

22,81 Prozent

Unter Anwendung der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Formel [(100 + x) - (100 + y)] : (100 + y) x 100, wobei die Entwicklung der R1-Besoldung mit „y“ und die Entwicklung der einzelnen Vergleichsparameter mit „x“ dargestellt werden, ergeben sich folgende maßgebliche Verhältniswerte der Besoldungsentwicklung zur Tariflohnentwicklung:

1995 bis 2009, für das Jahr 2009:

5,02 Prozent

1996 bis 2010, für das Jahr 2010:

8,14 Prozent

1997 bis 2011, für das Jahr 2011:

8,04 Prozent

1998 bis 2012, für das Jahr 2012:

7,93 Prozent

1999 bis 2013, für das Jahr 2013:

7,50 Prozent

2000 bis 2014, für das Jahr 2014:

5,41 Prozent (zur Vervollständigung)

2001 bis 2015, für das Jahr 2015:

4,24 Prozent (zur Vervollständigung)

2002 bis 2016, für das Jahr 2016:

6,71 Prozent

Im Rahmen der Staffelprüfung ergeben sich folgende Werte:

1990 bis 2004, für das Jahr 2004:

4,47 Prozent

1991 bis 2005, für das Jahr 2005:

8,66 Prozent

1992 bis 2006, für das Jahr 2006:

8,66 Prozent

1993 bis 2007, für das Jahr 2007:

8,65 Prozent

1994 bis 2008, für das Jahr 2008:

6,26 Prozent

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird bei dem Vergleich der Besoldungsentwicklung mit der Entwicklung der Tarifergebnisse im öffentlichen Dienst eine Abkoppelung der Amtsträgerbezüge hinreichend deutlich, wenn sich die Differenz zwischen den Tarifergebnissen und der Besoldungsanpassung auf mindestens fünf Prozent des Indexwertes der erhöhten Besoldung beläuft (vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 05. Mai 2015, a.a.O., Rn. 101).

Nach den oben dargelegten Zahlen übersteigt die Differenz zwischen den Tarifergebnissen und der Besoldung in den Jahren 2009 bis 2014 sowie im Jahr 2016 die vom Bundesverfassungsgericht als maßgeblich angesehenen fünf Prozent. In diesen Jahren ist der erste Parameter erfüllt. Auch im Rahmen der Staffelprüfung übersteigt die Differenz in den Jahren 2005 bis 2008 die fünf Prozent-Grenze. Dass es sich bei den Überschreitungen der vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Grenze von fünf Prozent um statistische Ausreißer handelt, erscheint angesichts der nahezu durchgängigen Kontinuität der Überschreitungen fernliegend. Darüber hinaus hat der niedersächsische Gesetzgeber für das Jahr 2017 bereits festgestellt sowie für das Jahr 2018 im Hinblick auf diesen Parameter prognostiziert, dass er nicht eingehalten wird (LT-Drucksache 17/7081 S. 110, 116). Das sehende Inkaufnehmen der Nichteinhaltung schließt das Vorliegen eines statistischen Ausreißers aus.

b)

Nominallohnindex und Besoldungsentwicklung (Parameter 2)

Bei dem Vergleich der Entwicklung des Nominallohnindexes mit der Besoldungsentwicklung ergibt sich ein Indiz für eine evident unzureichende Alimentation in den Jahren 2013 und 2016.

Zur Darstellung der Entwicklung des Nominallohnindexes hat der Beklagte die „Tabelle 3: Nominallohnindex Niedersachsen“, Stand: 17. Dezember 2014 des Statistischen Bundesamtes (Anlage 5 zum Schriftsatz vom 17. Oktober 2016, Bl. 291 GA Band II), eine Tabelle des Niedersächsischen Landesamtes für Statistik, Stand: 24. Juni 2015 (Anlage 4 zum Schriftsatz vom 17. Oktober 2016, Bl. 289 GA Band II) sowie eine Mitteilung des Niedersächsischen Landesamtes für Statistik vom 20. März 2017 (Bl. 395 GA Band II) herangezogen. Wiederum wurde zutreffend jeweils zu Beginn des gesondert zu betrachtenden 15-Jahreszeitraums der Ausgangswert auf 100 Prozent gesetzt. Die Entwicklung des Nominallohnindexes in Niedersachsen stellt sich nach den von dem Beklagten vorgelegten unstreitigen Prozentwerten (vgl. Tabelle Nominallohnindex, Stand: 07. April 2017, Bl. 397 GA Band II) wie folgt dar:

1995 bis 2009:

13,31 Prozent

1996 bis 2010:

14,54 Prozent

1997 bis 2011:

18,32 Prozent

1998 bis 2012:

19,96 Prozent

1999 bis 2013:

21,75 Prozent

2000 bis 2014:

22,84 Prozent (zur Vervollständigung)

2001 bis 2015:

24,53 Prozent (zur Vervollständigung)

2002 bis 2016:

26,14 Prozent

Im Rahmen der Staffelprüfung ergeben sich folgende Werte im Hinblick auf den Nominallohnindex:

1990 bis 2004:

25,57 Prozent

1991 bis 2005:

18,44 Prozent

1992 bis 2006:

13,20 Prozent

1993 bis 2007:

11,32 Prozent

1994 bis 2008:

14,65 Prozent

Unter Anwendung der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Formel [(100 + x) - (100 + y)] : (100 + y) x 100 ergeben sich folgende Verhältniswerte der Besoldungsentwicklung zur Entwicklung des Nominallohnindexes (vgl. Tabelle des Beklagten, Stand: 08. Dezember 2017, Bl. 394 GA Band II):

1995 bis 2009, für das Jahr 2009:

- 2,91 Prozent

1996 bis 2010, für das Jahr 2010:

- 0,14 Prozent

1997 bis 2011, für das Jahr 2011:

2,85 Prozent

1998 bis 2012, für das Jahr 2012:

3,76 Prozent

1999 bis 2013, für das Jahr 2013:

5,36 Prozent

2000 bis 2014, für das Jahr 2014:

3,26 Prozent (zur Vervollständigung)

2001 bis 2015, für das Jahr 2015:

3,84 Prozent (zur Vervollständigung)

2002 bis 2016, für das Jahr 2016:

5,24 Prozent

Im Rahmen der Staffelprüfung ergeben sich folgende Werte:

1990 bis 2004, für das Jahr 2004:

- 6,35 Prozent

1991 bis 2005, für das Jahr 2005:

- 2,62 Prozent

1992 bis 2006, für das Jahr 2006:

- 1,91 Prozent

1993 bis 2007, für das Jahr 2007:

- 0,64 Prozent

1994 bis 2008, für das Jahr 2008:

- 0,80 Prozent

Im Fall der Differenz zwischen der Besoldungsentwicklung und der Entwicklung des Nominallohnindexes unter Zugrundelegung der 15-Jahreszeitraums sowie in dem überlappenden gleichlangen Zeitraum von in der Regel mindestens fünf Prozent ist ein weiteres Indiz für die evidente Unangemessenheit der Alimentation gegeben (vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 05. Mai 2015, a.a.O., Rn. 103 ff.). Nach den von dem Beklagten ermittelten oben dargestellten Zahlen beträgt die Differenz zwischen der Besoldungsentwicklung und der Entwicklung des Nominallohnindexes im Jahr 2013 sowie im Jahr 2016 mehr als fünf Prozent des Indexwertes der erhöhten Besoldung. Bei der Überschreitung des 5-Prozent-Wertes im Jahr 2016 kann man nicht annehmen, dass es sich um einen statistischen Ausreißer gehandelt hat. Der niedersächsische Gesetzgeber hat für das Jahr 2017 bereits festgestellt sowie für das Jahr 2018 auch im Hinblick auf diesen Parameter prognostiziert, dass er nicht eingehalten wird (LT-Drucksache 17/7081 S. 110, 116). Insoweit ist die Annahme eines statistischen Ausreißers nicht möglich.

Gleiches gilt für die Überschreitung des 5-Prozent-Wertes für das Jahr 2013. Auch eine lediglich geringfügige Überschreitung stellt eine Überschreitung dar. Das Bundesverfassungsgericht nimmt in seiner Entscheidung eine deutliche Differenz zwischen den Besoldungsentwicklungen und den einzelnen Parametern, welche zu einem Indiz für die evidente Unangemessenheit der Alimentation führt, in der Regel dann an, wenn die Differenz mindestens fünf Prozent beträgt (vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 05. Mai 2015, a.a.O., Rn. 100 f.). Aus der Formulierung „mindestens fünf Prozent“ folgt, dass bei Vorliegen einer Differenz von in der Regel fünf Prozent und mehr von einem Indiz für die evident unzureichende Alimentation auszugehen ist. Dass geringfügige Überschreitungen der Grenze von fünf Prozent vom Bundesverfassungsgericht nicht als ausreichend angesehen werden, um ein Indiz für eine evidente Unangemessenheit der Alimentation darzustellen, ist der Entscheidung nicht zu entnehmen. Darüber hinaus würde eine Differenzierung nach der Größe der Überschreitung zu weiteren Anwendungsschwierigkeiten führen, da man bestimmen müsste, ab wann eine Überschreitung lediglich geringfügig und damit unbeachtlich wäre. Dass dies der Entscheidung zu entnehmen sein soll, ist nicht anzunehmen. Unabhängig davon hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 25. April 2017 (a.a.O., Rn. 255, 257) bei einer Überschreitung des 5-Prozent-Wertes um 0,24 % nicht angenommen, dass dies als Indiz für die Annahme einer evident unzureichenden Besoldung nicht ausreichend sei.

Soweit die Klägerin für die Jahre 2010, 2011 sowie 2012 durch eine Mittelung der Über- bzw. Unterschreitungen der drei ersten Kriterien die Überschreitung des 5-Prozent-Wertes im Hinblick auf den Vergleich Besoldungsentwicklung und Nominallohnindex begründen möchte, ist dem entgegenzutreten. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts beruht auf einer detaillierten Überprüfung der einzelnen Parameter. Eine Mittelung der sich ergebenden Werte ist gerade nicht vorgenommen worden und scheinbar auch nicht gewollt. So hat das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf die Besoldung in Rheinland-Pfalz lediglich die Überschreitung des 5-Prozent-Wertes bei einem Kriterium (Tarifentwicklung im öffentlichen Dienst) angenommen, obwohl bei einer entsprechenden Mittelung der drei Kriterien der 5-Prozent-Wert hinsichtlich aller drei Kriterien im Jahr 2013 überschritten worden wäre (vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 05. Mai 2015, a.a.O., Rn. 187). Dass das Bundesverfassungsgericht dies nicht angenommen hat, spricht dafür, dass eine Einzelbetrachtung gewollt ist.

Infolge der Überschreitung der Differenz zwischen der Besoldungsentwicklung und der Entwicklung des Nominallohnindexes um mehr als fünf Prozent in den Jahren 2013 und 2016 ist bei der Betrachtung des Parameters 2 ein weiterer Hinweis auf eine Verfassungswidrigkeit der Alimentation gegeben.

c)

Verbraucherpreisindex und Besoldungsentwicklung (Parameter 3)

Aus dem Vergleich der Entwicklung des Verbraucherpreisindexes mit der Besoldungsentwicklung folgt in den Jahren 2009 bis 2014 sowie im Jahr 2016 ein Indiz für eine evident unzureichende Alimentation.

Der Beklagte hat seiner Berechnung die „Tabelle 2: Entwicklung der Verbraucherpreise in Deutschland“, Stand 12. Dezember 2014, des Statistischen Bundesamtes (Anlage 4 zum Schriftsatz vom 17. Oktober 2016, Bl. 287 GA Band II), eine Tabelle des Niedersächsischen Landesamtes für Statistik, Stand: 24. Juni 2015 (Anlage 4 zum Schriftsatz des Beklagten vom 17. Oktober 2016, Bl. 289 GA Band II) sowie die Mitteilung des Niedersächsischen Landesamtes für Statistik vom 20. März 2017 (Anlage 4 zum Schriftsatz vom 08. Dezember 2017, Bl. 395 GA Band II) zugrunde gelegt. Ebenfalls wurde zutreffend jeweils zu Beginn des gesondert zu betrachtenden 15-Jahreszeitraums der Ausgangswert auf 100 Prozent gesetzt. Die Entwicklung der Verbraucherpreise stellt sich ausweislich der Tabelle des Beklagten Stand: 07. April 2017 [Bl. 396 GA Band II] wie folgt dar:

1995 bis 2009:

23,99 Prozent

1996 bis 2010:

23,14 Prozent

1997 bis 2011:

23,62 Prozent

1998 bis 2012:

24,60 Prozent

1999 bis 2013:

25,59 Prozent

2000 bis 2014:

24,12 Prozent (zur Vervollständigung)

2001 bis 2015:

21,57 Prozent (zur Vervollständigung)

2002 bis 2016:

20,60 Prozent

Im Rahmen der Staffelprüfung ergeben sich folgende Anstiege des Verbraucherpreisindexes:

1990 bis 2004:

33,42 Prozent

1991 bis 2005:

30,33 Prozent

1992 bis 2006:

27,20 Prozent

1993 bis 2007:

25,60 Prozent

1994 bis 2008:

25,60 Prozent

Unter Anwendung der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Formel [(100 + x) - (100 + y)] : (100 + y) x 100 ergeben sich folgende Verhältniswerte der Besoldungsentwicklung zur Entwicklung des Verbraucherpreisindexes (vgl. Tabelle des Beklagten Anlage 3 Stand: 08. Dezember 2017):

1995 bis 2009, für das Jahr 2009:

6,24 Prozent

1996 bis 2010, für das Jahr 2010:

7,36 Prozent

1997 bis 2011, für das Jahr 2011:

7,46 Prozent

1998 bis 2012, für das Jahr 2012:

7,78 Prozent

1999 bis 2013, für das Jahr 2013:

8,68 Prozent

2000 bis 2014, für das Jahr 2014:

4,34 Prozent (zur Vervollständigung)

2001 bis 2015, für das Jahr 2015:

1,37 Prozent (zur Vervollständigung)

2002 bis 2016, für das Jahr 2016:

0,62 Prozent

Im Rahmen der Staffelprüfung ergeben sich folgende Verhältniswerte:

1990 bis 2004, für das Jahr 2004:

- 0,50 Prozent

1991 bis 2005, für das Jahr 2005:

7,15 Prozent

1992 bis 2006, für das Jahr 2006:

10,23 Prozent

1993 bis 2007, für das Jahr 2007:

12,10 Prozent

1994 bis 2008, für das Jahr 2008:

8,68 Prozent

Auch für diese Verhältniswerte führt das Zurückbleiben der Besoldungsentwicklung im streitgegenständlichen Zeitraum hinter der Entwicklung des Verbraucherpreisindexes um in der Regel mindestens 5 Prozent zu der Annahme eines weiteren Indizes für eine evidente Unangemessenheit der Alimentation.

Dies ist in den Jahren 2009 bis 2013 sowie im Überlappungszeitraum in den Jahren 2005 bis 2008 gegeben. In diesen Jahren blieb die Entwicklung der Besoldung um mindestens 5 Prozent hinter der Entwicklung des Verbraucherpreisindexes zurück. Dass der niedersächsische Gesetzgeber für das Jahr 2017 festgestellt und für das Jahr 2018 prognostiziert hat, dass dieser Parameter eingehalten wurde bzw. wird (LT-Drucksache 17/7081, S. 111, 116), ändert nichts an der Tatsache, dass in den vorliegend streitgegenständlichen Jahren 2009 bis 2013 sowie dem Überlappungszeitraum 2005 bis 2008 die 5-Prozent-Grenze überschritten wurde. Angesichts der Anzahl der die 5-Prozent-Grenze überschreitenden Jahre kann von statistischen Ausreißern nicht gesprochen werden.

d)

Systeminterner Besoldungsvergleich (Abstandsgebot)

Aus dem systeminternen Besoldungsvergleich folgt kein Indiz für eine verfassungswidrige Unteralimentation.

Bei dem vom Bundesverfassungsgericht als Parameter 4 genommenen systeminternen Besoldungsvergleich sind Vergleiche innerhalb einer Besoldungsordnung sowie auch zwischen den verschiedenen Besoldungsordnungen geboten (vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 05. Mai 2015, a.a.O., Rn. 110). Dabei ist die alimentationsbezogene Schlechterstellung höherer Besoldungsgruppen durch eine zeitversetzte und/oder abgestufte Inkraftsetzung der Besoldungserhöhung für Angehörige dieser Besoldungsgruppen als Ausdruck einer sozialen Staffelung verfassungsrechtlich bedenklich im Lichte des Abstandsgebotes. Ein Verstoß gegen das Abstandsgebot wird bei der deutlichen Verringerung der Abstände der Bruttogehälter in den Besoldungsgruppen infolge unterschiedlich hoher linearer Anpassungen bei einzelnen Besoldungsgruppen oder zeitlich verzögerter Besoldungsanpassungen indiziert. Schmilzt der Abstand zwischen zwei vergleichbaren Besoldungsgruppen um mindestens zehn Prozent in den zurückliegenden fünf Jahren, liegt in der Regel ein Verstoß gegen das Abstandsgebot vor (vgl. dazu Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 25. April 2017, a.a.O., Rn. 304 m.w.N.).

Nach dem systeminternen Besoldungsvergleich lässt sich ein Abschmelzen der Abstände zwischen Besoldungsgruppen und -ordnungen, welcher die unangemessene Alimentation der Richter der Besoldungsgruppe R 1 indizieren könnte, nicht feststellen.

In den Jahren 2005 bis 2016 hat sich der Abstand zwischen dem Grundgehaltssatz der Besoldungsgruppe R1 und den Grundgehaltssätzen der damit verglichenen Besoldungsgruppen A 5, A 8, A 13 sowie R 2 (jeweils Endstufe) kaum verändert. In dem Zeitraum wurden die Bezüge gleichmäßig und gleichzeitig angepasst. Die lediglich eingeführten Sockelbeträge von 20 € zum 01. März 2009 sowie 17 € zum 01. Januar 2012 dürften keinen ausschlaggebenden Einfluss auf eine Abschmelzung der Abstände zwischen den Besoldungsordnungen gehabt haben.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist im Hinblick auf den Parameter 4 ebenfalls zu berücksichtigen, ob die Bemessung der Besoldung einen Mindestabstand zur Grundsicherung für Arbeitsuchende einhält. Es ist zu prüfen, ob der Mindestabstand zum sozialhilferechtlichen Existenzminimum unterschritten wäre, wenn die Besoldung um weniger als 15 Prozent über dem sozialhilferechtlichen Bedarf läge (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 17. November 2015, a.a.O., Rn. 93 f.).

Vorliegend sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass ein derartiger Mindestabstand zum sozialhilferechtlichen Existenzminimum nicht eingehalten wäre.

e)

Quervergleich mit der Besoldung des Bundes und/oder anderer Länder

Der als Parameter 5 vorgesehene Quervergleich mit der Besoldung des Bundes und/oder anderer Länder führt ebenfalls nicht zu einem weiteren Indiz für eine verfassungswidrige Unteralimentation.

Die vom Grundgesetz infolge der Neuordnung der Kompetenzverteilung eröffnete Befugnis zum Erlass jeweils eigener Besoldungssysteme deckt nicht eine unbegrenzte Auseinanderentwicklung der Bezüge im Bund und in den Ländern. Dem Gesetzgeber werden insoweit Grenzen durch Art. 33 Abs. 5 GG gesetzt. Daher stellt der Quervergleich mit der Besoldung des Bundes und anderer Länder ein weiteres Indiz für die Bestimmung des Kerngehalts der Alimentation dar. Ein weiteres Indiz für eine verfassungswidrige Unteralimentation ist gegeben, wenn das jährliche Bruttoeinkommen einschließlich etwaiger Sonderzahlungen zehn Prozent unter dem Durchschnitt der übrigen Länder im gleichen Zeitraum, was gemessen an der streitgegenständlichen Besoldung regelmäßig einem Besoldungsunterschied von mehr als einem Monatsgehalt entsprechen dürfte, liegt (vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 05. Mai 2015, a.a.O., Rn. 113, 115).

Ob sich aus den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ergibt, dass man einen Quervergleich mit der Besoldung des Bundes und anderer Länder vorzunehmen hat, kann dahinstehen. Aus dem Quervergleich mit der Besoldung des Bundes und/oder anderer Länder ergibt sich für den vorliegend streitgegenständlichen Zeitraum kein Indiz für eine evident unzureichende Alimentation im Hinblick auf die Besoldungsgruppe R1.

Nach der Aufstellung und der unstreitigen Berechnung des Beklagten in Anlage 7 zum Schriftsatz vom 08. Dezember 2017 [Bl. 399 GA Band II] liegt das jährliche Bruttoeinkommen der R 1-besoldeten Richter in Niedersachsen nicht 10 Prozent unter dem Durchschnitt der übrigen Länder im gleichen Zeitraum. In Niedersachsen liegt das Jahresgrundgehalt R 1 bei 99,45 % (2009), bei 98,24 % (2010), 98,78 % (2011), 99,10 % (2012), 100,00 % (2013), 99,17 % (2014), 99,59 % (2015), 100,48 % (2016) im Vergleich zum Bund und den anderen Bundesländern. Dass bei einem Vergleich lediglich mit den anderen Bundesländern bzw. lediglich mit der Besoldung im Bund ein Abstand von zehn Prozent gegeben ist, ist ebenfalls nicht erkennbar.

Ergebnis Prüfungsstufe 1

Für das Jahr 2013 sind drei der fünf vom Bundesverfassungsgericht genannten Parameter erfüllt. Das Verhältnis der Besoldungsentwicklung zur Entwicklung der Tariflöhne, des Nominallohnindexes sowie des Verbraucherpreisindexes überschreitet die vom Bundesverfassungsgericht vorgegebene Grenze von in der Regel mindestens fünf Prozent. Diesbezüglich besteht nach der ersten Prüfungsstufe die Vermutung einer verfassungswidrigen Unteralimentation.

Darüber hinaus besteht in den Jahren 2009, 2010, 2011, 2012 sowie 2016 nach der ersten Prüfungsstufe die Vermutung für eine verfassungswidrige Unteralimentation. Zwar sind in diesen Jahren lediglich zwei der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten fünf Parameter erfüllt und damit nicht die Mehrheit der Parameter. Jedoch sind die die 5-Prozent-Grenze überschreitenden Werte in den Parametern Entwicklung Tariflöhne (Parameter 1) und Entwicklung Verbraucherpreisindex (Parameter 3) so deutlich erhöht, dass auch dies für die Vermutung der Verfassungswidrigkeit auf der ersten Prüfungsstufe ausreicht. Die 5-Prozent-Grenze wurde in vielen Jahren bei dem Verhältnis der Besoldungsentwicklung zur Entwicklung des Verbraucherpreisindexes um das 1,5-fache überschritten. Dies stellt eine Abkopplung der Besoldung von den genannten Parametern dar. Dass es sich bei diesen Werten nicht um statistische Ausreißer handelt, zeigt bereits die Anzahl der Jahre, in denen eine so deutliche Überschreitung vorlag. Dies gilt auch für den Überlappungszeitraum, in dem teilweise das Doppelte der vom Bundesverfassungsgericht als Grenze angesehenen fünf Prozent-Marke vorlag. Entsprechend deutlich überschritten ist der Grenzwert ebenfalls bei der Betrachtung der Entwicklung der Besoldung im Vergleich zur Entwicklung der Tariflöhne. Auch bei diesem Parameter ist der Grenzwert mit Werten von teilweise über sieben bzw. acht Prozent deutlich überschritten. Im Jahr 2016 wurde zwar die vom Bundesverfassungsgericht vorgegebene Grenze von fünf Prozent beim Parameter 3 (Entwicklung Verbraucherpreisindex) nicht erfüllt, jedoch im Hinblick auf den Parameter 1 (Tariflohnentwicklung) sowie den Parameter 2 (Nominallohnindex). Dies sieht die Kammer ebenfalls als ausreichend für die Vermutung einer verfassungswidrigen Unteralimentation an.

Es ist der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auch nicht zu entnehmen, dass stets und ausnahmslos die Erfüllung der Mehrheit der fünf Parameter auf der ersten Prüfungsstufe gefordert wird. Das Bundesverfassungsgericht führt in seiner Entscheidung selbst an, dass die regelmäßig heranzuziehenden Schwellenwerte, ab denen eine erkennbare Differenz zwischen der Besoldungsentwicklung und -höhe und der heranzuziehenden Vergleichsgröße vorliegt, lediglich Orientierungscharakter haben (Urteil vom 05. Mai 2015, a.a.O., Rn. 98; Hervorhebung durch die Kammer). Im Hinblick auf die einzelnen Parameter führt das Bundesverfassungsgericht darüber hinaus explizit aus, dass deutliche Differenz in der Regel (Hervorhebung durch die Kammer) vorliegt, wenn die Differenz mindestens fünf Prozent beträgt (Urteil vom 05. Mai 2015, a.a.O., Rn. 101, 105, 108). Die Kammer geht angesichts des Wortlauts der Formulierungen davon aus, dass unter gewissen Umständen auch in dem Fall, dass die Mehrheit der Parameter nicht erfüllt ist, die Vermutung einer verfassungswidrigen Unteralimentation gegeben sein kann. Dies ist im vorliegenden Fall durch die deutliche Überschreitung von zwei Parametern in den Jahren 2009, 2010, 2011, 2012 sowie 2016 gegeben.

Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stellt die besonders deutliche Überschreitung des Schwellenwertes bei zwei Parametern ein ausreichendes Indiz dar, das eine umfassende Betrachtung und Gesamtabwägung der Verfassungsmäßigkeit der Alimentation erforderlich macht. Ausweislich der zum Zeitpunkt der Entscheidung des erkennenden Gerichts vorliegenden Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts Nr. 65/2017 vom 22. September 2017 - 2 C 56.16. u.a. - zur Frage der Amtsangemessenheit der Berliner Besoldung unter anderem in der Besoldungsgruppe R1 geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass insoweit ausreichende Indizien vorliegen. „Denn jedenfalls für zwei wesentliche Parameter (Vergleich der Besoldungsentwicklung zu den Tarifergebnissen der Angestellten im öffentlichen Dienst und zum Verbraucherpreisindex) sind die Schwellenwerte in besonders deutlicher Weise überschritten.“ Im vorliegenden Verfahren sind ebenfalls für die gleichen zwei wesentlichen Parameter, namentlich den Vergleich der Besoldungsentwicklung zur Entwicklung der Tariflöhne im öffentlichen Dienst sowie zum Verbraucherpreisindex, die Schwellenwerte in besonders deutlicher Weise überschritten.

Im Hinblick auf das Jahr 2015 ist keiner der Parameter erfüllt. Insoweit besteht keine Vermutung für eine verfassungswidrige Unteralimentation.

Im Jahr 2014 ist zwar ein Parameter (Entwicklung der Besoldung im Vergleich zur Entwicklung des Nominallohnindexes) erfüllt, jedoch wird in Bezug auf die Parameter 3 (Verbraucherpreisindexentwicklung) sowie 1 (Tariflohnentwicklung) in dem Jahr die vom Bundesverfassungsgericht gesetzte Grenze von in der Regel fünf Prozent nicht überschritten. Angesichts der Tatsache, dass die im Jahr 2014 gegebenen Werte die vom Bundesverfassungsgericht vorgegebene Grenze von in der Regel fünf Prozent nicht lediglich minimal unterschreiten, bedarf es keiner Erörterung, ob auch bei einer entsprechenden geringfügigen Abweichung nach unten ein Indiz für eine verfassungswidrige Unteralimentation in Betracht kommt. In diesem Jahr besteht demnach keine Vermutung für eine verfassungswidrige Unteralimentation.

2.

Prüfungsstufe 2

Nach der ersten Prüfungsstufe besteht hinsichtlich der Jahre 2009, 2010, 2011, 2012, 2013 sowie 2016 die Vermutung einer verfassungswidrigen Unteralimentation. Die auf der zweiten Prüfungsstufe vorzunehmende Gesamtabwägung durch Berücksichtigung weiterer alimentationsrelevanter Kriterien erhärtet die auf der ersten Prüfungsstufe gefundene Vermutung der verfassungswidrigen Unteralimentation.

Unabhängig davon ist die zweite Prüfungsstufe nach Ansicht der Kammer auch dann zu prüfen, wenn sich nach der ersten Prüfungsstufe noch keine Vermutung für eine verfassungswidrige Unteralimentation ergibt. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinen Entscheidungen vom 05. Mai 2015 sowie 17. November 2015 Ausführungen zur zweiten Prüfungsstufe gemacht, obwohl auf der ersten Prüfungsstufe nicht die Mehrheit der fünf Kriterien erfüllt war. Dies spricht dafür, dass das Bundesverfassungsgericht nicht für die Prüfung auf der zweiten Stufe verlangt, dass die erste Stufe erfüllt sein muss. Anders als das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 25. April 2017 (5 LC 228/15) geht die Kammer nicht davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht die Ausführungen zur zweiten Prüfungsstufe als nicht entscheidungstragende Ausführungen in Form eines obiter dictum gemacht hat. Sowohl in den Verfahren vom 05. Mai 2015 als auch in den Verfahren vom 17. November 2015 hat das Bundesverfassungsgericht nicht eingeschränkt auf den Fall, dass nach der ersten Prüfungsstufe die Vermutung der verfassungswidrigen Unteralimentation gegeben war, die zweite Stufe geprüft, sondern hat unabhängig von dem Ergebnis der ersten Prüfungsstufe die zweite Prüfungsstufe geprüft. Soweit das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht dies als obiter dictum versteht, wäre dies selbst im Hinblick auf die Entscheidung vom 05. Mai 2015 nicht nachvollziehbar. Das Bundesverfassungsgericht hatte in dem Verfahren, in dem es die Rechtsprechung zur amtsangemessenen Alimentation entwickelte, im Hinblick auf die Besoldung des Landes Sachsen-Anhalt die Möglichkeit, alle drei Stufen am konkreten Einzelfall darzustellen, da dort nach der ersten Stufe die Vermutung für eine verfassungswidrige Unteralimentation gegeben war. Dies wurde vom Bundesverfassungsgericht auch vorgenommen. Damit hat es die Anwendung der entwickelten 3-Stufen-Prüfung am Fall der Besoldung des Landes Sachsen-Anhalt dargestellt. Zusätzlich hat es aber auch die zweite Prüfungsstufe bezüglich der Besoldung der Länder Nordrhein-Westfalen sowie Rheinland-Pfalz geprüft, obwohl dort bereits jeweils die erste Prüfungsstufe nicht erfüllt war. Gleiches gilt für die Verfahren vom 17. November 2015. Angesichts dieser Konsequenz der Prüfung auf allen drei Stufen geht die Kammer nicht davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht die Prüfung auf der zweiten Stufe lediglich dann vornimmt, sofern nach der ersten Stufe die Vermutung der verfassungswidrigen Unteralimentation besteht.

Auf der zweiten Prüfungsstufe hat zur Widerlegung oder weiteren Erhärtung der Vermutung eine Berücksichtigung weiterer alimentationsrelevanter Kriterien im Rahmen einer Gesamtabwägung stattzufinden. Diese sind namentlich: Die Attraktivität des Beamtenverhältnisses für überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte, das Ansehen des Amtes in den Augen der Gesellschaft sowie die vom Amtsinhaber geforderte Ausbildung und Beanspruchung, die besondere Qualität der Tätigkeit und Verantwortung eines Beamten, Entwicklungen im Bereich der Versorgung und Beihilfe sowie der Vergleich mit den durchschnittlichen Bruttoverdiensten sozialversicherungspflichtig Beschäftigter mit vergleichbarer Qualifikation und Verantwortung (vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 05. Mai 2015, a.a.O., Rn. 117 ff.).

Die Berücksichtigung weiterer alimentationsrelevanter Kriterien erhärtet die Vermutung der verfassungswidrigen Unteralimentation in der Besoldungsgruppe R1.

a)

Attraktivität des Richteramtes für überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stellt das Amt eines Richters oder Staatsanwaltes in der Besoldungsgruppe R1 hohe Anforderungen an den akademischen Werdegang und die Qualifikation der Inhaber (Urteil vom 05. Mai 2015, a.a.O., Rn. 151 ff.).

Die Befähigung zum Richteramt erwirbt, wer ein rechtswissenschaftliches Studium an einer Universität mit der ersten Prüfung und einen anschließenden Vorbereitungsdienst mit der zweiten Staatsprüfung abschließt (§ 5 Abs. 1, 1. Hs. DRiG). Für die Befähigung zum Amt des Staatsanwaltes gelten die gleichen Anforderungen (vgl. § 122 Abs. 1 DRiG). Die reguläre Studienzeit beträgt vier Jahre (§ 5a Abs. 1, 1. Hs. DRiG). Der Vorbereitungsdienst dauert zwei Jahre (§ 5b Abs. 1 DRiG). Gemäß § 10 Abs. 1 DRiG kann zum Richter auf Lebenszeit ernannt werden, wer nach Erwerb der Befähigung zum Richteramt mindestens drei Jahre im richterlichen Dienst tätig gewesen ist. Dem richterlichen Dienst steht die staatsanwaltschaftliche Tätigkeit gleich (§ 122 Abs. 2 DRiG).

Die Erfüllung der qualitätssichernden Funktion durch die gewährte Alimentation zeigt sich auch daran, ob es dem jeweiligen Land gelingt, überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte für den höheren Justizdienst anzuwerben. Für die Beurteilung der fachlichen Qualifikation wird vorrangig auf die Ergebnisse in der Ersten Prüfung sowie der Zweiten juristischen Staatsprüfung abgestellt. In der Regel wird man davon ausgehen, dass die gewährte Besoldung nicht ausreicht, um die Attraktivität des Dienstes eines Richters oder Staatsanwalts zu gewährleisten, wenn das Notenniveau über einen Zeitraum von fünf Jahren erheblich sinkt und/oder die Voraussetzungen für die Einstellung in den höheren Justizdienst spürbar herabgesetzt werden (Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 05. Mai 2015, a.a.O., Rn. 117).

Ihre qualitätssichernde Funktion erfüllt die in Niedersachsen gewährte Alimentation nicht mehr.

Für die Einstellung in die ordentliche Gerichtsbarkeit in Niedersachsen wurden die Einstellungsvoraussetzungen auf ein Ergebnis von mindestens 8 Punkten in der Zweiten juristischen Staatsprüfung festgesetzt. In der Fachgerichtsbarkeit werden hingegen zwei Staatsexamina mit mindestens 9,0 Punkten bzw. mindestens 9,0 Punkte in der Zweiten juristischen Staatsprüfung verlangt. Ausweislich des Merkblattes für die Einstellung als Richterin oder Richter auf Probe in der Arbeits-, Finanz-, Sozial- und Verwaltungsgerichtsbarkeit des Landes Niedersachsen, herausgegeben durch das Niedersächsische Justizministerium (Stand: 01. Juni 2009), wurden im Jahr 2009 beispielsweise in der Verwaltungsgerichtsbarkeit noch mindestens zwei „vollbefriedigend“ bestandene Staatsexamina gefordert.

In den Jahren 2009 bis 2013 sowie 2016 stellten sich in Niedersachsen die Prozentzahlen der Absolventen der Ersten Prüfung mit mindestens 9,0 Punkten (vollbefriedigend) ausweislich des jeweiligen Jahresberichts des Präsidenten des Landesjustizprüfungsamts im Niedersächsischen Justizministerium wie folgt dar:

2009: 

18,17 %

2010: 

20,63 %

2011: 

22,21 %

2012: 

19,15 %

2013: 

24,25 %

2014: 

24,6 % (zur Vervollständigung)

2015: 

22,87 % (zur Vervollständigung)

2016: 

23,74 %

In den gleichen Jahren stellten sich die Prozentzahlen der Kandidaten mit mindestens 9,0 Punkten (vollbefriedigend) in der Zweiten juristischen Staatsprüfung ausweislich der gleichen Quelle wie folgt dar:

2009: 

16,52 %

2010: 

16,74 %

2011: 

16,69 %

2012: 

18,6 %

2013: 

11,93 %

[2014:

11,48 %: zur Vervollständigung]

[2015:

13,36 %: zur Vervollständigung]

2016: 

13,34 %

Die Anzahl der Kandidaten, welche die Zweite juristische Staatsprüfung mit mindestens 8,0 Punkten, wie derzeit für eine Einstellung in der ordentlichen Gerichtsbarkeit gefordert wird, abgeschlossen haben, ist den statistischen Erhebungen nicht zu entnehmen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass der prozentuale Anteil dieser Kandidaten bei ungefähr 30 % liegt.

Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass die dargestellten Zahlen lediglich Aufschluss über die Kandidaten geben, die in den einzelnen Prüfungen die Note „vollbefriedigend“ erreicht haben und dagegen nicht abbilden, ob Kandidaten beide Examina mit mindestens 9,0 Punkten (vollbefriedigend) bestanden haben. Daher ist von den dargestellten Zahlen noch ein entsprechender Abschlag zu machen. Allein der prozentuale Anteil der Kandidaten, welche in der Zweiten juristischen Staatsprüfung mindestens 9,0 Punkte und damit ein „überdurchschnittliches“ Ergebnis erreicht haben, zeigt, dass regelmäßig deutlich weniger als 20 % der Absolventen überhaupt als „überdurchschnittlich“ anzusehen sind und damit die ursprünglich bestehenden Einstellungsvoraussetzungen erfüllen würden. Jedoch bewirbt sich von dieser geringen Zahl der Absolventen, die die ursprünglichen Einstellungsvoraussetzungen von grundsätzlich zwei Prädikatsexamina erfüllen, wiederum nur ein Bruchteil für den höheren Justizdienst. Dies hängt auch mit den in der Privatwirtschaft gezahlten Vergütungen zusammen. Um zu verhindern, dass die Absolventen, welche die Einstellungsvoraussetzungen für die Einstellung in den höheren Justizdienst erfüllen, in der Privatwirtschaft arbeiten, muss die Besoldung so ausgestaltet sein, dass sie in der Regel auch für diese relativ kleine Gruppe besonders qualifizierter Absolventen hinreichend attraktiv ist.

Dies lässt sich auch anhand der vergangenen Einstellungen von Proberichtern bestätigen. Aus der Gesamtstatistik 2009 bis 2016 über die Einstellung von Proberichterinnen und -richtern in die niedersächsische Justiz des Niedersächsischen Justizministeriums ergibt sich, dass seit dem Jahr 2013 die Durchschnittsnoten der eingestellten Proberichter gesunken sind.

b)

Verantwortung des Richters und Staatsanwalts

Die besondere Verantwortung des Richters oder Staatsanwalts hat sich im Vergleich zu den herabgesetzten Einstellungsvoraussetzungen nicht verändert. Diese Verantwortung muss sich auch in der Höhe der Alimentation widerspiegeln.

Nach Art. 92 1. Hs. GG ist den Richtern die rechtsprechende Gewalt anvertraut. Im rechtsstaatlichen Gefüge des Grundgesetzes soll durch die Rechtsprechung vor allem ein wirkungsvoller Rechtsschutz gewährleistet und so zur Verwirklichung materieller Gerechtigkeit beigetragen werden. Es bedarf einer umfassenden tatsächlichen und rechtlichen Prüfung des Streitgegenstandes in einem geregelten Verfahren und einer sich daran anschließenden verbindlichen Entscheidung durch eine unparteiische Instanz, um das Recht durchzusetzen und Rechtsfrieden wiederherzustellen. Darüber hinaus werden den Gerichten durch das Grundgesetz spezielle Aufgaben zugewiesen, welche die Bedeutung der rechtsprechenden Gewalt im Verfassungsgefüge unterstreichen. So überträgt eine Vielzahl von Rechtsweggarantien für besondere Fälle ausdrücklich den Gerichten die Gewährung - in der Regel nachträglichen - Rechtsschutzes (vgl. Art. 13 Abs. 4 Satz 2 2.Hs. GG, Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG, Art. 19 Abs. 4 GG, Art. 41 Abs. 2 GG und Art. 93 Abs. 1 und 2 GG). Zudem sieht das Grundgesetz präventive Richtervorbehalte in Art. 13 Abs. 2 bis 5 GG und Art. 104 Abs. 2 bis 4 GG vor. Diese bezwecken vor dem Hintergrund des Grundrechtsschutzes eine vorbeugende Kontrolle dieser eingriffsintensiven Maßnahmen durch eine unabhängige und neutrale Instanz. Den Richtern wird vom Grundgesetz in Art. 97 Abs. 1 und 2 GG zur Erfüllung der Rechtsprechungsaufgaben die sachliche und persönliche Unabhängigkeit garantiert. Diese Unabhängigkeit gehört zum Wesen der richterlichen Tätigkeit. Da das Grundgesetz den Richtern zentrale Aufgaben innerhalb der rechtsstaatlichen Ordnung verbunden mit dem einzigartigen, durch Art. 97 GG gewährleisteten Maß an Eigenverantwortung zuweist, muss sich die Wertigkeit des Amtes auch innerhalb des besoldungsrechtlichen Gefüges niederschlagen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 05. Mai 2015, a.a.O., Rn. 153 f.).

Staatsanwälte, welche zum einen Teil der Beamtenschaft und gleichzeitig ein notwendiges Organ der Strafrechtspflege sind, sind nach § 160 Abs. 2 StPO zur Objektivität verpflichtet und garantieren daher die Rechtsstaatlichkeit und gesetzmäßige Verfahrensabläufe. Als Vertreter der Anklage gewährleisten sie eine effektive Strafrechtspflege. Als „Wächter des Gesetzes“ obliegt ihnen die Wahrung der verfassungsrechtlichen Vorgaben an den Strafprozess. Die besondere Stellung der Staatsanwaltschaft im Verfassungsgefüge ist ebenfalls bei der Bemessung der Besoldung zu berücksichtigen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 05. Mai 2015, a.a.O., Rn. 157).

Die Höhe der Alimentation muss so bemessen sein, dass sich der Richter oder Staatsanwalt ganz dem öffentlichen Dienst als Lebensberuf widmen und in sachlicher und wirtschaftlicher Unabhängigkeit arbeiten kann. Es ist daher von erheblicher Bedeutung für das innere Verhältnis des Richters zu seinem Amt und für die Unbefangenheit, mit der er sich seine richterliche Unabhängigkeit bewahrt, dass die Besoldung und Versorgung in angemessener Höhe gewährleistet wird (Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 05. Mai 2015, a.a.O., Rn. 118 ff.).

Die Kammer sieht ein Besoldungsniveau, das vom Besoldungsgesetzgeber –wie aus LT-Ds. 17/7081 ersichtlich- bewusst wenigstens zum Teil vom Verbraucherpreisindex abgekoppelt wird, und bei den Einsparbemühungen –anders als es etwa der Besoldungsgesetzgeber selbst für seine Abgeordnetenentschädigung im Niedersächsischen Abgeordnetengesetz mit einer automatischen Anpassung zum 1. Juli eines jeden Jahres nach Bestätigung durch das Plenum normiert hat- das Besoldungsniveau mitbestimmen, als nicht der Bedeutung des Amtes gerecht werdend an.

c)

Entwicklung im Bereich der Versorgung und der Beihilfe

Bei Einbeziehung der Entwicklung im Bereich des niedersächsischen Versorgungs- und Beihilferechts erhärtet sich die Vermutung der evident unangemessenen Besoldung in Bezug auf die Besoldungsgruppe R1 in Niedersachsen in den Jahren 2009 bis 2013 sowie 2016 (vgl. dazu Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 25. April 2017 - 5 LC 76/17 - juris, Rn. 336).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind spürbare Einschnitte im Bereich des Versorgungs- sowie des Beihilferechts in die Gesamtschau zur Beurteilung der Amtsangemessenheit der Alimentation einzubeziehen (vgl. Urteil vom 05. Mai 2015, a.a.O., Rn. 158).

Neben der Kürzung der Besoldungs- und Versorgungsanpassungen gemäß § 14a Abs. 1 Satz 2 BBesG um jährlich 0,2 % mit Wirkung zum 01. Januar 1999 zur Bildung einer Versorgungsrücklage (durch das Versorgungsreformgesetz 1998 vom 29. Juni 1998 [BGBl. I S. 1666]) fällt die Kürzung des Ruhegehalts von 75 % auf höchstens 71,75 % der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge durch das Versorgungsänderungsgesetz 2001 vom 20. Dezember 2001 [BGBl. I S. 3926] ins Gewicht. Auch wenn diese Einschnitte in der Vergangenheit isoliert betrachtet vom Bundesverfassungsgericht als verfassungsrechtlich unbedenklich eingestuft wurden (vgl. Nichtannahmebeschluss vom 24. September 2007 - 2 BvR 1673/03 u.a. -, juris, Rn. 37 ff. sowie Urteil vom 27. September 2005 - 2 BvR 1387/02 -, juris, Rn. 105 ff.), führt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts insbesondere die Absenkung des Pensionsniveaus und die daraus resultierende Notwendigkeit eines erhöhten Eigenanteils an der Altersvorsorge - gerade vor dem Hintergrund einer steigenden Lebenserwartung - zu einer weiteren Aufzehrung der Bezüge. Dadurch kann ein an den allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnissen angemessener Lebensunterhalt eines Richters und Staatsanwaltes nicht mehr zweifelsfrei sichergestellt werden (vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 05. Mai 2015, a.a.O., Rn. 158).

Im Bereich der Beihilfe wurden ebenfalls wesentliche Kürzungen vorgenommen. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat hierzu in seinem Beschluss vom 25. April 2017 (- 5 LC 76/17 -, juris, Rn. 340 ff.) ausgeführt:

Nach Wegfall der Kostendämpfungspauschale sind in Niedersachsen mit Art. 4 Nr. 4 des Haushaltsbegleitgesetzes 2002 wieder die Selbstbehalte eingeführt worden (siehe die von dem Beklagten mit Schriftsatz vom 14.9.2016 als Anlage 15 vorgelegte Chronik des Beihilferechts, BA 002, Bl. 48 ff.), die mit der 27. Allgemeinen Verwaltungsvorschrift vom 18. Dezember 2003 (GMBl. 2004 S. 227) - Allg. VV - zu § 12 Beihilfeverordnung (BhV) mit Wirkung vom 1. Januar 2004 in Form von Eigenbehalten und in Anlehnung an die Regelungen der gesetzlichen Krankenversicherung neu geregelt worden sind.

In den darauffolgenden Jahren ist zudem die Beihilfe für Hilfsmittel eingeschränkt worden. Mit dem BMI-Rundschreiben vom 18. Dezember 2002 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV Anlage 3 (Hilfsmittel) ist mit Wirkung vom 1. Januar 2003 der beihilfefähige Betrag für Hörgeräte auf den Höchstbetrag in Höhe von 1.025 EUR je Ohr begrenzt worden. Mit der Allg. VV vom 18. Dezember 2003 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV Anlage 3 (Hilfsmittel) sind mit Wirkung vom 1. Januar 2004 bis zum hier zu prüfenden Zeitpunkt des 31. Dezember 2013 Aufwendungen für Sehhilfen nur noch in besonderen Fällen beihilfefähig.

Mit der Allg. VV vom 18. Dezember 2003 und dem RdErl. MF vom 21. Juli 2004 zu § 6 Abs. 1 Nr. 2 BhV ist mit Wirkung vom 1. September 2004 die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Arzneimittel auf Grundlage der Vorschriften für den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung angeglichen worden. Nicht mehr beihilfefähig sind seitdem - mit Ausnahmen - nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, verschreibungspflichtige Arzneimittel zur Behandlung von Erkältungskrankheiten, Mund- und Rachentherapeutika, Abführmittel, Arzneimittel gegen Reisekrankheiten und Arzneimittel, die nach der Arzneimittel-Richtlinie zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nicht verordnungsfähig sind (z. B. Lifestylepräparate).

Gemäß § 87c Abs. 2 NBG in der Fassung ab 1. Januar 2005 ist mit Wirkung vom 1. Januar 2005 die Beihilfefähigkeit vom Wahlleistungen vollständig weggefallen.

Mit der Allg. VV vom 18. Dezember 2003 zu Anlage 2 Nr. 1 zu § 6 Abs. 1 BhV sind mit Wirkung ab dem 1. Januar 2005 Aufwendungen für Material- und Laborkosten bei Zahnersatz nur noch zu 40 Prozent beihilfefähig (vorher 60 Prozent).

Zu ähnlichen Kürzungen im sächsischen Beihilferecht (jährlicher Selbstbehalt von 80 EUR für beihilfefähige Aufwendungen und ebenfalls Kürzung des Erstattungssatzes für zahntechnisch Leistungen von 60 Prozent auf 40 Prozent) hat das Bundesverfassungsgericht betreffend die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Besoldungsgruppe A 10 in Sachsen im Jahr 2011 festgestellt, dass dies gerade in den unteren Besoldungsgruppen (der sächsischen Beamten) eine mehr als nur geringfügige finanzielle Belastung darstellt (Beschluss vom 17.11.2015, a. a. O., Rn. 133).

Das traf auch in Niedersachsen im Jahr 2013 zu. Dabei ist unbeachtlich, dass die aufgezählten Einschränkungen in der Beihilfe bereits in den Jahren 2004/2005 vorgenommen worden waren. Zum einen war das bei der vom Bundesverfassungsgericht überprüften Besoldung der sächsischen Beamten im Jahr 2011 ebenfalls der Fall (siehe BVerfG, Beschluss vom 17.11.2015, a. a. O., Rn. 133). Zum anderen wirken die früheren Einschnitte auf die hier zu prüfende Alimentation im Jahr 2013 fort. Denn die weggefallenen Leistungen hatten die niedersächsischen Beamten auch noch im Jahr 2013 aus ihrer Alimentation zu bestreiten.

Nichts anderes gilt, soweit Festbeträge erhöht worden sind, wie gemäß § 20 Abs. 1 NBhVO Anlage 7 [Hilfsmittel] seit dem 1. Januar 2012 für Hörgeräte auf höchstens 1.500 EUR je Ohr. Denn gleichzeitig dürften die Anschaffungspreise für diese hochtechnischen Geräte gestiegen sein.

Allerdings sehen die in Niedersachsen geltenden Beihilfevorschriften Härtefallregelungen vor. Nach § 12 Abs. 2 BhV in der ab dem 1. Januar 2004 bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Fassung sind Eigenbehalte auf Antrag nicht mehr abzuziehen, soweit sie für den Beihilfeberechtigten und seine berücksichtigungsfähigen Angehörigen zusammen die Belastungsgrenze von 2 Prozent des jährlichen Einkommens (bei chronisch Kranken 1 Prozent) überschreiten. Außerdem wurde mit Erlass des MF vom 3. November 2008 zu § 12 Abs. 2 BhV in Umsetzung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juni 2008 (- BVerwG 2 C 2.07 -, juris Rn. 22) die Härtefallreglung für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel eingeführt, wonach nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel beihilfefähig sind, sobald sie zusammen mit Eigenbehalten die Belastungsgrenze (1 Prozent bzw. 2 Prozent des Vorjahres-Einkommens) übersteigen. Dies galt allerdings nur, wenn es keine verschreibungspflichtige Alternativmedikation gab oder diese nicht verträglich waren. Diese Voraussetzung ist zwar mit der Härtefallregelung in § 46 Abs. 3 NBhVO mit Wirkung vom 1. Januar 2012 entfallen. Allerdings sind wiederum einige Arzneimittel (z. B. zur Anwendung bei Erkältungskrankheiten und grippalen Infekten einschließlich der bei diesen Krankheiten anzuwendenden Schnupfenmittel, Schmerzmittel, hustendämpfenden und hustenlösenden Mittel) von dieser Härtefallregelung gemäß § 46 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 NBhVO ausgenommen worden. Außerdem werden diese Härtefallregelungen in der Regel überwiegend bei unteren Besoldungsgruppen zum Tragen kommen. Der Senat geht deshalb davon aus, dass die weggefallenen Beihilfeleistungen von dem überwiegenden Teil der niedersächsischen Beamten aus der Alimentation finanziert werden.

Soweit § 4 Abs. 2 NBhVO in der seit dem 1. Januar 2012 geltenden Fassung im Hinblick auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn nach § 45 BeamtStG eine abstrakt-generelle Regelung zur Vermeidung unzumutbarer Härten im Einzelfall enthält, ist diese Regelung nur Ausnahmefällen vorbehalten.

Zu keiner anderen Einschätzung führt nach Überzeugung des Senats der Umstand, dass die aufgeführten beihilferechtlichen Einschränkungen auf einer Angleichung an die gesetzliche Krankenversicherung beruhen und es sich hierbei um Veränderungen handelt, die alle abhängig Beschäftigten betrafen (so aber OVG Berl.-Bbg., Beschluss vom 2.6.2016, a. a. O., Rn. 181). Zum einen sind Beihilfe und Privatversicherung einerseits und gesetzliche Krankenversicherung andererseits unterschiedliche Versorgungssysteme (vgl. im Einzelnen BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 - BVerwG 2 C 35.04 -, juris Rn. 33 f.). Zum anderen bedeutet der Umstand, dass die gesetzlich Krankenversicherten ebenfalls von Kürzungen betroffen sind und sich ggf. auch auf eigene Kosten privat krankenversichern müssen, nicht, dass deshalb Beamte die spürbaren Einschnitte gleichfalls hinnehmen müssten. Vielmehr hat der Gesetzgeber sicherzustellen, dass das jährliche Nettoeinkommen der Beamten dem Alimentationsprinzip entspricht. Stellen Absenkungen des Beihilfestandards im Zusammenwirken mit anderen Besoldungseinschnitten die Amtsangemessenheit der Alimentation in Frage, so ist verfassungsrechtlich nicht die Anpassung der Beihilfen, sondern eine entsprechende Korrektur der Besoldungsgesetze geboten, die das Alimentationsprinzip konkretisieren (BVerwG, Urteil vom 30.4.2009 - BVerwG 2 C 127.07 -, juris Rn. 10).

Die dargelegten Kürzungen in der Beihilfe waren demnach im Jahr 2013 für alle niedersächsischen Beamten spürbar.“

Das erkennende Gericht übersieht nicht, dass in den Jahren 2013 bis 2016 der Beihilfeanspruch in bestimmten Bereichen erhöht worden ist (vgl. Chronik des Beihilferechts, Anlage 15 zum Schriftsatz des Beklagten vom 17. Oktober 2016, Bl. 298 - 306 GA Band II). Angesichts der in den vorherigen Jahren vorgenommenen zahlreichen Kürzungen des Beihilfeanspruchs führt dies jedoch nicht dazu, dass sich die Vermutung der verfassungswidrigen Unteralimentation deswegen nicht weiter erhärtet. Die Erhöhungen vermögen die vorher vorgenommenen massiven Kürzungen nicht zu kompensieren.

d)

Vergleich mit den durchschnittlichen Bruttoverdiensten sozialversicherungspflichtiger Beschäftigter mit vergleichbarer Qualifikation und Verantwortung

Der Vergleich mit den außerhalb des öffentlichen Dienstes Beschäftigen erhärtet ebenfalls die Vermutung einer evidenten Unangemessenheit der Alimentation.

Das Landesamt für Statistik Niedersachsen hat Daten aus der vierteljährlichen Verdiensterhebung für die Jahre 2007 bis 2015 vorgelegt, die es ermöglichen, die R 1-Besoldung in Niedersachsen mit dem Verdienst von ausgewählten, nach Beruf, Universitätsabschluss, Berufserfahrung und Anforderungsniveau verwandten Beschäftigtengruppen in der Privatwirtschaft zu vergleichen (Anlage 17 zum Schriftsatz vom 17. Oktober 2016, Bl. 317 ff. GA Band II). Auf dieser Grundlage ist ein Vergleich der R 1-Besoldung in Niedersachsen mit den Verdiensten (ohne Sonderzahlung) der Gruppe aller Vollzeitbeschäftigten der Leistungsgruppe 1 (Arbeitnehmer in leitender Stellung), die über einen Universitätsabschluss verfügen, angezeigt. Anders als der Beklagte meint, ist die Besoldungsgruppe R 1 nicht mit der Leistungsgruppe 2 zu vergleichen. In der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 05. Mai 2015, welche dieser Entscheidung zugrunde gelegt wird, wurde die Besoldung der Besoldungsgruppe R 1 ebenfalls mit der Leistungsgruppe 1 der Verdienststrukturerhebung des Statistischen Bundesamtes verglichen. In der Verdienststrukturerhebung des Statistischen Bundesamtes unterfielen der Leistungsgruppe 1 Arbeitnehmer in leitender Stellung, welche über einen Universitätsabschluss verfügen. Nach der vierteljährlichen Verdiensterhebung des Landesamtes für Statistik Niedersachsen fallen unter Leistungsgruppe 1 Arbeitnehmer /-innen in leitender Stellung mit Aufsichts- und Dispositionsbefugnis, welche die Fachkenntnisse in der Regel durch ein Hochschulstudium erworben haben. Anhaltspunkte für eine vom Bundesverfassungsgericht abweichende Einordnung der Besoldungsgruppe R 1 durch einen Vergleich mit Leistungsgruppe 2 sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Eine solche Einordnung ist vielmehr sogar ausgeschlossen, da nur in der Leistungsgruppe 1 das vergleichbare Ausbildungsniveau als zwingende Zuordnungsvoraussetzung besteht.

Für das Jahr 2016 liegt dem Gericht keine Verdiensterhebung des Landesamtes für Statistik Niedersachsen vor. Im Jahr 2015 lag der durchschnittliche Bruttojahresverdienst von R 1-besoldeten Richtern und Staatsanwälten (Endgrundgehalt einschließlich etwaiger Sonderzahlungen) in Niedersachsen ausweislich der Aufstellung des Beklagten in der Anlage 7 zum Schriftsatz vom 08. Dezember 2017 bei 72.547,19 €, wohingegen nach der vierteljährlichen Verdiensterhebung des Landesamtes für Statistik Niedersachsen im gleichen Zeitraum der durchschnittliche Bruttojahresverdienst aller Untergruppen der Leistungsgruppe 1 im Durchschnitt 88.616 € betrug. Im Jahr 2014 lag der durchschnittliche Verdienst aller Untergruppen der Leistungsgruppe 1 bei 86.339,20 €. Demgegenüber betrug die R 1-Besoldung im Jahr 2014 insgesamt 70.650,70 €. Der durchschnittliche Verdienst der Leistungsgruppe 1 betrug im Jahr 2013 85.060,20 € und die R 1-Besoldung belief sich auf 69.455,52 €. Im Jahr 2012 stellte sich der Vergleich wie folgt dar: Leistungsgruppe 1 erhielt im Durchschnitt 83.296,80 € und die R 1-Besoldung 67,662,48 €. Im Jahr 2011 betrug der durchschnittliche Verdienst der Leistungsgruppe 1 83.102,80 €, wohingegen die R 1-Besoldung bei 65.956,05 € lag. Für das Jahr 2010 ergeben sich folgende Werte: der durchschnittliche Verdienst der Leistungsgruppe 1 betrug 78.292 € und die R 1-Besoldung betrug durchschnittlich 65.093,38 €. Im Jahr 2009 lag der durchschnittliche Bruttoverdienst der Leistungsgruppe 1 bei 76.861 € und die R 1-Besoldung lag bei 64.096,02 €.

Aus diesem Vergleich wird deutlich, dass sich die in den Jahren 2009 und 2010 bereits bestehende Differenz von ungefähr 12.000 € im Jahr 2011 auf circa 17.000 € erhöht hat. Seit dem Jahr 2012 liegt die Differenz der Besoldung der R 1-besoldeten Richter und Staatsanwälte im Vergleich zur Leistungsgruppe 1 im Durchschnitt bei circa 16.000 € im Jahr. Dies bekräftigt die Vermutung, dass eine evident unzureichende Alimentation der R 1-Besoldung in Niedersachsen in den streitgegenständlichen Jahren vorlag. Abweichungen in einer Größenordnung von über 20 vom Hundert sprechen für eine Unteralimentation.

Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass die in der vierteljährlichen Verdiensterhebung des Landesamtes für Statistik Niedersachsen für die in Leistungsgruppe 1 fallende Untergruppe „Rechts- und Steuerberatung, Wirtschaftsprüfung“, welche Tätigkeiten ausüben, welche mit der Tätigkeit eines Richters und Staatsanwalts vergleichbar sind, ausgewiesenen durchschnittlichen Bruttojahresbeträge sich in den streitgegenständlichen Jahren zwischen 106.604 € im Jahr 2013 und 88.172 € im Jahr 2009 bewegen. Dies verdeutlicht die enorme Differenz zwischen der niedersächsischen Besoldung in der Besoldungsgruppe R 1 und entsprechenden Tätigkeiten in der Privatwirtschaft. Dies ist vor allem auch im Zusammenhang mit der anzustrebenden Attraktivität des Richteramtes zu sehen. Bei diesen enormen Differenzen zwischen der Besoldungsentwicklung und den in der Privatwirtschaft gezahlten Gehältern, insbesondere im Bereich der Rechtsberatung, wird es schwer, hochqualifizierte Juristen, welche die Einstellungskriterien für den höheren Dienst erfüllen, für das Richteramt zu werben.

„Dieser Einschätzung steht nicht entgegen, dass einem Amtsträger der Besoldungsgruppe A 8 das Lebenszeitprinzip, ein ohne Fristen fortbestehender Anspruch auf ungekürzte Besoldung im Krankheitsfall und ein Anspruch auf Beihilfe zu Gute kommt. Denn auch ein Arbeitnehmer ist nicht rechtlich ungeschützt, sondern unterliegt grundsätzlich dem Kündigungsschutzrecht, hat ein Recht auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle; der Arbeitgeber entrichtet die Hälfte der Beiträge zur Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sowie zur Arbeitslosenversicherung. Schließlich ist von besonderer Bedeutung, dass die Alimentation der Beamten als Hoheitsträger sicherstellen soll, dass sie wirtschaftlich unabhängig und somit vor negativen Einflüssen wie Bestechung und Korruption geschützt sind.“ (Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 24. April 2017 - 5 LC 228/15 -, juris, Rn. 449)

Diese vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht angestellten Überlegungen zum Lebenszeitprinzip sind entsprechend auf Amtsträger der Besoldungsgruppe R 1 anwendbar.

e)

Im europäischen Vergleich stellt sich das Richtereinkommen ebenfalls als unterdurchschnittlich da. Dies ist nach der Auffassung der Kammer ebenfalls im Rahmen der Prüfung der Amtsangemessenheit zu prüfen und verstärkt die Vermutung einer verfassungswidrigen Unteralimentation.

Ausweislich der Zusammenfassung des Deutschen Richterbundes einer Umfrage der Europäischen Richtervereinigung zum Richtereinkommen aus den Jahren 2001 und 2004 (vgl. Bl. 163 - 182 GA Band I) lag das Mindesteinkommen eines Richters in Deutschland nur unwesentlich über dem Durchschnittseinkommen aller abhängig Beschäftigten. Im europäischen Vergleich liegt Deutschland gemeinsam mit Österreich an der vorletzten Stelle, wo das niedrigste Bruttoeinkommen eines Richters jeweils nur das 1,4-fache des Durchschnittseinkommens aller abhängig Beschäftigten beträgt. Darüber hinaus wird deutlich, dass in Deutschland zwischen den Jahren 2000 und 2004 nicht einmal die jährliche Inflation durch Erhöhungen der Besoldung ausgeglichen worden ist. Auch hat alleine Deutschland von den „alten“ Mitgliedstaaten der Europäischen Union Kürzungen beim Richtergehalt durch Kürzung oder vollständige Streichung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes vorgenommen. Bei einem Vergleich des Mindesteinkommens eines Richters mit einem Bundestagsabgeordneten wird zudem deutlich, dass das Richtereinkommen nicht einmal halb so hoch ist wie das eines Abgeordneten.

Ergebnis Prüfungsstufe 2

Nach der Gesamtschau weiterer alimentationsrelevanter Kriterien auf der zweiten Prüfungsstufe erhärtet sich aus den oben dargestellten Gründen die Vermutung, dass die Besoldung der Richter und Staatsanwälte der Besoldungsgruppe R1 in den Jahren 2009, 2010, 2011, 2012, 2013 sowie 2016 verfassungsrechtlich nicht angemessen war.

Es sind keine gegenläufigen Aspekte, welche die Vermutung entkräften könnten, ersichtlich. Das Gericht verkennt insoweit nicht, dass seit dem Jahr 2008 in Niedersachsen die Besoldung regelmäßig angehoben wurde. Diese Besoldungserhöhungen haben aber - wie oben im Rahmen der ersten Prüfungsstufe bei den ersten drei Parametern dargestellt - nicht ausgereicht, die Besoldung niedersächsischer Richter der Besoldungsgruppe R 1 an die Tariflohnentwicklung, die Entwicklung des Nominallohnindexes sowie des Verbraucherpreisindexes anzupassen. Vielmehr hat sich die Streichung der Sonderzahlung zwischen den Jahren 2003 und 2005 in Verbindung mit dem Ausbleiben von Erhöhungen der Besoldung in den Jahren 2005 bis 2007 als reale Besoldungsabsenkung in den nachfolgenden Jahren durchgängig bemerkbar gemacht. Dass die Parameter auf der ersten Prüfungsstufe, wie oben ermittelt, erfüllt sind, hat seine Ursache in den früheren Jahren, wo diese einschneidenden Maßnahmen festgelegt wurden (vgl. Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 25. April 2017 - 5 LC 76/17 -, juris, Rn. 360 ff.).

3.

Prüfungsstufe 3

Auf der dritten Prüfungsstufe ist zu überprüfen, ob die nach den ersten beiden Prüfungsstufen feststehende Einstufung der Alimentation als verfassungswidrig in den Jahren 2009 bis 2013 sowie 2016 im Ausnahmefall verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein kann. Als Teil der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums nach Art. 33 Abs. 5 GG ist der Grundsatz der amtsangemessenen Alimentation, soweit er mit anderen verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen oder Instituten kollidiert, entsprechend dem Grundsatz der praktischen Konkordanz im Wege der Abwägung zu einem schonenden Ausgleich zu bringen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 05. Mai 2015, a.a.O., Rn. 126 f.).

Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts das Verbot der Neuverschuldung in Art. 109 Abs. 3 Satz 1 GG ein solcher Wert von Verfassungsrang sein, welcher mit dem Grundsatz der amtsangemessenen Alimentation in einen schonenden Ausgleich zu bringen ist. Jedoch hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 05. Mai 2015 auch klargestellt, dass allein die Finanzlage der öffentlichen Haushalte oder das Ziel der Haushaltskonsolidierung den Grundsatz der amtsangemessenen Alimentation nicht einzuschränken vermögen, da andernfalls die Schutzfunktion von Art. 33 Abs. 5 GG leerliefe. Auch aus dem besonderen Treueverhältnis seien Richter und Beamte nicht verpflichtet, stärker als andere zur Konsolidierung öffentlicher Haushalte beizutragen. Der Grundsatz der amtsangemessenen Alimentation könne aus rein finanziellen Gründen eingeschränkt werden, um eine der in Art. 109 Abs. 3 Satz 2 GG in der Fassung des Gesetzes vom 29. Juli 2009 genannten Ausnahmesituationen (eine von der Normallage abweichende konjunkturelle Entwicklung sowie Naturkatastrophen oder außergewöhnliche Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen) zu bewältigen, wenn die betreffende gesetzgeberische Maßnahme Teil eines schlüssigen und umfassenden Konzepts der Haushaltskonsolidierung sei, was sich aus einer aussagekräftigen Begründung in den Gesetzgebungsmaterialen ergebe (Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 05. Mai 2015, a.a.O., Rn. 127).

Zwar darf der Gesetzgeber Kürzungen oder andere Einschnitte in die Bezüge der Beamten vornehmen, wenn dies aus sachlichen Gründen - beispielsweise solche, die im Bereich des Systems der Besoldung liegen - gerechtfertigt ist. Dazu können zwar auch finanzielle Erwägungen hinzutreten, jedoch kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht allein das Bemühen, Ausgaben zu sparen, als ausreichende Legitimation für eine Kürzung der Besoldung angesehen werden, soweit sie nicht als Teil eines schlüssigen Gesamtkonzepts dem Ziel der Haushaltskonsolidierung dient (vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 05. Mai 2015, a.a.O., Rn. 128 m.w.N.).

In den Jahren 2009 und 2010 unterlag der niedersächsische Gesetzgeber noch keinem in der Verfassung verankerten Ziel der Haushaltskonsolidierung. Aus Art. 143d Abs. 1 Satz 2 GG folgt, dass Art. 109 GG in der ab dem 01. August 2009 geltenden Fassung erstmals für das Haushaltsjahr 2011, welches mit dem Kalenderjahr 2011 identisch ist, anzuwenden ist, weshalb das Ziel der Haushaltskonsolidierung nicht für die verfahrensgegenständlichen Jahre 2009 und 2010 galt. In der bis zum 31. Juli 2009 geltenden Fassung des Art. 109 GG, welcher nach Art. 143d Abs. 1 Satz 1 GG letztmals auf das Haushaltsjahr 2010 anzuwenden war, war das Ziel der Haushaltskonsolidierung noch nicht verankert. Aus diesem Grund konnte, unabhängig von der Frage, ob es eine aussagekräftige Begründung in den Gesetzgebungsmaterialen gibt, der Grundsatz der amtsangemessenen Alimentation in diesen Jahren keine Einschränkung erfahren.

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat diesbezüglich zum Jahr 2013 folgendes ausgeführt (Beschluss vom 25. April 2017 - 5 LC 76/17 -, juris, Rn. 369 ff.):

„Es ist auch nicht ersichtlich, dass eine Einschränkung des Grundsatzes der amtsangemessenen Alimentierung Teil eines schlüssigen Konzepts der Haushaltskonsolidierung gewesen wäre (vgl. zum Ganzen: BVerfG, Beschluss vom 17.11.2015, a. a. O., Rn. 108 ff.).

Auch ist nicht erkennbar, dass die verfassungsrechtlich unzureichende Erhöhung der Besoldung durch Gründe sachlich gerechtfertigt gewesen wäre, die im Bereich des Systems der Beamtenbesoldung liegen.

Ziel des niedersächsischen Gesetzgebers war es allerdings, entsprechend dem Ergebnis der Tarifeinigung in den Tarifverhandlungen für die Beschäftigten der Länder vom 9. März 2013 für Beamte, Richter und Versorgungsempfänger die Übertragung der ersten Stufe des Tarifabschlusses für das Jahr 2013 vorzusehen (LT-Drucksache 17/75 S. 9). Damit sollten auch Dienst- und Versorgungsbezüge an die Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse angepasst und daneben die verfassungsrechtlich gebotenen Vorgaben hinsichtlich der Unteralimentation kinderreicher Beamtenfamilien sowie zur gesetzlichen Gleichstellung Eingetragener Lebenspartnerschaften umgesetzt werden (LT-Drucksache 17/75 S. 9). Dem niedersächsischen Gesetzgeber war auch bewusst, dass Beamte, Richter und Versorgungsempfänger nicht von der allgemeinen Lohnentwicklung abgekoppelt werden dürfen (vgl. LT-Drucksache 17/204 S. 1).

Der niedersächsische Gesetzgeber hat aber keine ausreichende Überprüfung vorgenommen, ob die von ihm festgelegte Besoldungshöhe verfassungsrechtlich geboten gewesen ist.“

Gleiches gilt für die Jahre 2011 und 2012. In diesen Jahren galt zwar das Ziel der Haushaltskonsolidierung des Art. 109 Abs. 3 GG gemäß Art. 143d Abs. 1 Satz 1 GG. Dieses ist jedoch ausweislich der Begründung des Entwurfes des Niedersächsischen Gesetzes über die Anpassung der Besoldung und der Versorgungsbezüge in den Jahren 2011 und 2012 (LT-Drucksache 16/3600 neu S. 34 f.) der gesetzgeberischen Entscheidung nicht zugrunde gelegt worden. In der Begründung wurde angeführt, dass angesichts des Ergebnisses der Tarifverhandlungen für die Länder eine zeit- und inhaltsgleiche Anpassung an die Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse durch eine entsprechende Erhöhung der Dienst- und Versorgungsbezüge vorgesehen ist. Dass das Verbot der Neuverschuldung auf den Gesetzesentwurf Einfluss genommen hat, ist der Begründung nicht zu entnehmen. Entsprechendes gilt für die Begründung des Entwurfs des Haushaltsbegleitgesetzes für das Jahr 2015 (LT-Drucksache 17/1982 S. 33 f.). Die dort vorgesehenen Anhebungen der Bezüge um 2,5 Prozent zum 01. Juni 2015 sowie um 2,0 Prozent zum 01. Juni 2016 sollten unter Berücksichtigung der niedrigen Inflation, aktueller Tarifabschlüsse und der durchschnittlichen Einkommensentwicklung dem Alimentationsprinzip Rechnung tragen. Mangels Ausführungen zum Verbot der Neuverschuldung in der Begründung des Gesetzesentwurfs wird dieses keinen Einfluss auf die gesetzgeberischen Entscheidungen genommen haben.

Den Gesetzgeber treffen im Hinblick auf die Festlegung der Besoldungshöhe prozedurale Anforderungen, welche dieser einzuhalten hat. Zu den prozeduralen Anforderungen zählen insbesondere Begründungspflichten. Hierzu führt das Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 05. Mai 2015, a.a.O., Rn. 130) aus:

„Der Gesetzgeber ist gehalten, bereits im Gesetzgebungsverfahren die Fortschreibung der Besoldungshöhe zu begründen. Die Ermittlung und Abwägung der berücksichtigten und berücksichtigungsfähigen Bestimmungsfaktoren für den verfassungsrechtlich gebotenen Umfang der Anpassung der Besoldung müssen sich in einer entsprechenden Darlegung und Begründung des Gesetzgebers im Gesetzgebungsverfahren niederschlagen. Eine bloße Begründbarkeit genügt nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen der Prozeduralisierung. Der mit der Ausgleichsfunktion der Prozeduralisierung angestrebte Rationalisierungsgewinn kann − auch mit Blick auf die Ermöglichung von Rechtsschutz − effektiv nur erreicht werden, wenn die erforderlichen Sachverhaltsermittlungen vorab erfolgen und dann in der Gesetzesbegründung dokumentiert werden. Die Prozeduralisierung zielt auf die Herstellung von Entscheidungen und nicht auf ihre Darstellung, das heißt nachträgliche Begründung (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, 2. Aufl. 2012, § 27 Rn. 61).“

Zur Frage der Einhaltung der prozeduralen Anforderungen im Jahr 2013 hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht im Beschluss vom 25. April 2017 (- 5 LC 76/17 -, juris, Rn. 373) Folgendes ausgeführt:

„Diesen prozeduralen Anforderungen genügt die Begründung zum Niedersächsischen Gesetz über die Anpassung der Besoldung und der Versorgungsbezüge im Jahr 2013 (Niedersächsisches Besoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetz 2013 - NBVAnpG 2013, LT-Drucksache 17/75) nicht. Zwar trafen den Landesgesetzgeber in der Phase der Teilföderalisierung zwischen den Jahren 2003 und 2006 wegen der zwischen Bund und Ländern geteilten Alimentationsverantwortung nur eingeschränkte Begründungspflichten, weil er für die Bemessung des zentralen Gehaltsbestandteils, die Grundgehaltssätze, nicht zuständig war (BVerfG, Beschluss vom 17.11.2015, a. a. O., Rn. 154). Diese Phase war allerdings im Jahr 2013 beendet. Der niedersächsische Gesetzgeber war im Jahr 2013 für die Bemessung der Besoldungshöhe verantwortlich. Er hat aber für das Jahr 2013 keine umfassenden Berechnungen und Vergleiche mit sämtlichen Parametern einer amtsangemessenen Besoldung angestellt und solche auch nicht dokumentiert. Erstmals zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Besoldungsrechts, in Kraft getreten am 1. Januar 2017, hat er entsprechende Berechnungen vorgenommen (LT-Drucksache 17/7081). Er vertritt darin weiter die Auffassung, es sei eine besondere Begründung des Gesetzes nicht erforderlich, weil die im Gesetzentwurf ausgewiesenen Beträge im Wesentlichen den bereits durch Artikel 3 ff. des Gesetzes vom 18. Dezember 2014 (Nds. GVBl. 2014 S. 477, 2015 S. 9, 79) getroffenen Regelungen entsprächen und eine „Anpassung“ der Besoldung im Sinne der - neuen - Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts daher nicht vorliege, vielmehr würden lediglich die bereits normierten Beträge übernommen, dies löse keine besondere Begründungspflicht aus, zumal das Gesetz, durch das die betreffenden Beträge festgesetzt worden seien, zu einem Zeitpunkt in Kraft getreten sei, in dem die besondere Begründungspflicht des Gesetzgebers vom Bundesverfassungsgericht noch nicht festgestellt worden sei (LT-Drucksache 17/7081 S. 25). Ist aber die Besoldungshöhe in der Vergangenheit nicht umfassend berechnet und geprüft worden, kann sich der Gesetzgeber nicht darauf berufen, er sei von Begründungspflichten befreit, weil die früheren Beträge gesetzlich normiert seien. Vielmehr obliegt es ihm, die bei der Anpassung der Besoldung jeweils zu berücksichtigenden Bestimmungsfaktoren für den verfassungsrechtlich gebotenen Umfang zu ermitteln und abzuwägen. Diese Pflicht bestand auch schon im Jahr 2013. Dem steht nicht entgegen, dass der niedersächsische Gesetzgeber die erst im Jahr 2015 ergangenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2013 nicht kennen konnte. Dem niedersächsischen Gesetzgeber war schon im Jahr 2013 bewusst, dass die Alimentation amtsangemessen zu gewähren ist und die Alimentation der niedersächsischen Beamten und der Beamten anderer Bundesländer auf dem Prüfstand stand. Seit dem Jahr 2005 sind in Niedersachsen diverse Widersprüche gegen die Höhe der Alimentation eingelegt worden und die hier zu entscheidenden Musterklagen anhängig, seit 2009 lagen dem Bundesverfassungsgericht Vorlagebeschlüsse mehrerer Verwaltungsgerichte vor. Gleichwohl sind in den Gesetzesmaterialien zu den Anpassungsgesetzen in den vergangenen Jahren keine konkreten Erwägungen oder Berechnungen zur Frage der Angemessenheit der Alimentation einer Musterbeamtenfamilie enthalten.“

Diese zum Jahr 2013 gemachten Ausführungen sind auf die übrigen streitgegenständlichen Jahre 2009 bis 2012 sowie 2016 zu übertragen. Da der niedersächsische Gesetzgeber nach den oben dargestellten Ausführungen des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts „erstmals zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Besoldungsrechts, in Kraft getreten am 1. Januar 2017, […] entsprechende Berechnungen vorgenommen [hat]“, folgt daraus im Umkehrschluss, dass er vor diesem Zeitpunkt die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten prozeduralen Anforderungen nicht eingehalten hat. Dies umfasst alle vorliegend streitgegenständlichen Jahre.

Nach alledem hält die Kammer die tenorierten Besoldungsregelungen für mit Art. 33 Abs. 5 GG unvereinbar und nichtig und legt diese Frage dem für die Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit nach Art. 100 Abs. 1 GG allein berufenen Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vor.

Ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss sieht das geltende Recht nicht vor.