Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 09.12.2020, Az.: L 3 U 96/20

Erledigung eines Rechtsstreits durch fiktive Klagerücknahme; Anforderungen an eine Betreibensaufforderung; Aufforderung zur Vorlage einer Vollmacht

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
09.12.2020
Aktenzeichen
L 3 U 96/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 60491
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:failure

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hannover - 11.06.2020 - AZ: S 22 U 266/19

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hannover vom 11. Juni 2020 aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit S 22 U 266/19 weiterhin vor dem Sozialgericht Hannover anhängig ist.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob der von der Klägerin vor dem Sozialgericht (SG) Hannover betriebene Rechtsstreit durch fiktive Klagerücknahme erledigt ist.

2

Die Klägerin ist als Zustellerin bei der F. beschäftigt. Am 3. November 2017 befand sie sich auf dem Rückweg von der Arbeit, als ein Reifen des von ihr gelenkten Pkw platzte, sie die Kontrolle über das Fahrzeug verlor und dieses nacheinander mit der rechten und linken Leitplanke der befahrenen Autobahnabfahrt kollidierte. Der im Anschluss aufgesuchte Durchgangsarzt diagnostizierte ein Schädel-Hirn-Trauma I. Grades sowie eine Distorsion der Halswirbelsäule (HWS) und veranlasste eine stationäre Aufnahme der Klägerin zur Überwachung in der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie des G. H. (Bericht Prof. Dr. I. vom Unfalltag). Im Entlassungsbericht der Klinik (vom 8. November 2017) ist ferner eine Prellung der linken Schulter aufgeführt.

3

Die Beklagte erkannte das Ereignis vom 3. November 2017 als Arbeitsunfall an und stellte fest, dass das Ereignis zu einer Prellung der linken Schulter und einer Schädelprellung geführt habe, die ohne wesentliche Folgen ausgeheilt seien. Demgegenüber lehnte sie es ab, die Verschleißumformung der HWS, die Verschleißumformung des linken Schultereckgelenks mit SLAP-Läsion Grad I (Verletzung der Knorpellippe am oberen Rand der Schultereckgelenkpfanne), eine Pulley-Läsion Grad IV (Schädigung der langen Bizepssehne im Schultergelenk), einen Teilriss der Supraspinatussehne sowie einen komplexen Kniebinnenschaden rechts als Folgen des Arbeitsunfalls anzuerkennen (Bescheid vom 27. November 2018). Der hiergegen von der Klägerin eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 21. Januar 2019).

4

Am 30. Januar 2019 hat die Klägerin beim SG Hannover Klage erhoben und dort geltend gemacht, dass dauerhafte Schmerzen und Funktionseinschränkungen der HWS, eine SLAP-Läsion I. Grades mit dauerhaften Bewegungseinschränkungen, eine Pulley-Läsion IV. Grades, ein Teilriss der Supraspinatussehne und ein komplexer Kniebinnenschaden rechts mit dauerhafter Funktionseinschränkung und Schmerzen des rechten Knies sowie Beeinträchtigung des Gehvermögens durch den Arbeitsunfall vom 3. November 2017 verursacht worden seien.

5

Die Klageschrift vom 30. Januar 2019 enthält einen Antrag auf Akteneinsicht in die Verwaltungsakten sowie Ausführungen zur Begründung der Klage. In dem ursprünglich unter dem Aktenzeichen S 22 U 21/19 geführten Verfahren hat das SG unter Bezugnahme auf das Akteneinsichtsgesuch um Übersendung einer Originalvollmacht gebeten und hierzu eine Frist von zwei Wochen gesetzt (Verfügung vom 16. Mai 2019). Mit Schreiben vom 18. Juni 2019 hat es die Prozessbevollmächtigten der Klägerin - wiederum unter Fristsetzung von zwei Wochen - erinnert und darauf hingewiesen, dass ohne Vorlage der Originalvollmacht Akteneinsicht nicht gewährt werden könne.

6

Zeitgleich mit dieser Klage hat die Klägerin eine weitere Klage erhoben, die das SG Hannover unter dem Aktenzeichen S 22 U 22/19 geführt hat. In jenem Verfahren hat das SG um Vorlage eines von der Klägerin auszufüllenden Fragebogens und einer Schweigepflichtentbindungserklärung gebeten (Verfügung vom 16. Mai 2019). Mit Schriftsatz vom 8. Juli 2019 haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin in dem Verfahren S 22 U 22/19 ua eine Vollmacht und den erbetenen Fragebogen vorgelegt.

7

Im Verfahren S 22 U 21/19 hat das SG Hannover mit Verfügung vom 6. August 2019 an die richterlichen Verfügungen vom 16. Mai 2019 und 18. Juni 2019 erinnert und nunmehr um Erledigung bis zum 30. August 2019 gebeten. Gleichzeitig hat das Gericht die Prozessbevollmächtigten der Klägerin aufgefordert, das Verfahren zu betreiben, verbunden mit dem Hinweis, dass die Klage nach § 102 Abs 2 S 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als zurückgenommen gelte, wenn die Klägerin das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt. Eine Abschrift dieser Verfügung ist den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 8. August 2019 zugestellt worden.

8

Am 19. November 2019 hat das SG den Rechtsstreit S 22 U 21/19 als erledigt angesehen und die Beteiligten hierüber informiert. Aufgrund der dagegen von der Klägerin eingelegten „Beschwerde“ hat das SG den Rechtsstreit unter dem Aktenzeichen S 22 U 266/19 wieder aufgenommen und mit Gerichtsbescheid vom 11. Juni 2020 festgestellt, dass die Klage zurückgenommen sei. Die Kammer sei der Auffassung, dass die Klagerücknahmefiktion am 11. November 2019 eingetreten sei; damit sei die Hauptsache erledigt. Die gerichtliche Betreibensaufforderung vom 6. August 2019 genüge den formellen Anforderungen. Der Verfügung sei ferner eindeutig zu entnehmen, dass aufgrund des Nichtbetreibens des Verfahrens davon ausgegangen werde, dass seitens der Klägerin kein Interesse mehr an der Fortführung des Verfahrens besteht. Zum Zeitpunkt der Betreibensaufforderung hätten eindeutige Anhaltspunkte für einen Wegfall des Rechtsschutzinteresses der Klägerin bestanden. Der Klageschrift sei der Antrag zu entnehmen, der Klägerin die Verwaltungsakten zu übermitteln. Mit Verfügung vom 16. Mai 2019 sei ihr aufgegeben worden, zu ihrem Akteneinsichtsgesuch die Originalvollmacht zu übersenden; an die Erledigung dieser Verfügung sei sie mit weiterer Verfügung vom 18. Juni 2019 erinnert und darauf hingewiesen worden, dass ohne Vorlage der Originalvollmacht Akteneinsicht nicht gewährt werden könne. Dazu sei keinerlei Stellungnahme seitens der Klägerin erfolgt, auch nicht nach der Betreibensaufforderung vom 6. August 2019. Schließlich habe die Klägerin innerhalb der Dreimonatsfrist nicht substantiiert dargetan, dass und warum das Rechtsschutzbedürfnis trotz des Zweifels an seinem Fortbestehen, aus dem sich die Betreibensaufforderung ergeben habe, nicht entfallen sei. Damit habe sie das Verfahren nicht mehr betrieben.

9

Gegen den ihren Prozessbevollmächtigten am 23. Juni 2020 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 30. Juni 2020 Berufung bei dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingelegt. Sie ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen einer fiktiven Klagerücknahme nicht vorlägen. Die Vorlage der Vollmacht sei für das Betreiben des Verfahrens nicht erforderlich. Mit der Klage vom 30. Januar 2019 sei der Klageanspruch unter Angabe der bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsschäden detailliert begründet worden. Überdies habe das SG Hannover bei der Korrespondenz sowohl im Verfahren S 22 U 21/19 als auch im Verfahren S 22 U 22/19 jeweils das Aktenzeichen 376/18MR der Prozessbevollmächtigten der Klägerin angegeben. Damit habe das SG im Verfahren S 22 U 21/19 nicht zu dem richtigen Aktenzeichen der Prozessbevollmächtigten korrespondiert, das 314/18 MR laute. Zum Aktenzeichen 376/18MR seien sämtliche Aufforderungen des Gerichts zur Vorlage von Vollmacht und Fragebogen vollumfänglich erledigt worden. Danach sei noch einmal gezielt nachgefragt worden, ob Vollmacht und Fragebogen bei Gericht eingegangen sind; das habe das SG mit Schreiben vom 14. August 2019 im Ergebnis bestätigt, woraufhin die Dreimonatsfrist im Fristenkalender gestrichen worden sei.

10

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

11

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hannover vom 11. Juni 2020 aufzuheben und festzustellen, dass der Rechtsstreit S 22 U 266/19 weiterhin vor dem Sozialgericht Hannover anhängig ist.

12

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

13

die Berufung zurückzuweisen.

14

Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakte, der beigezogenen Prozessakte des SG Hannover zum Verfahren S 22 U 22/19 sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

16

Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet. Das SG hat zu Unrecht angenommen, dass der dortige Rechtsstreit S 22 U 266/19 infolge einer fiktiven Klagerücknahme erledigt ist.

17

1. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist allein die Frage, ob die am 30. Januar 2019 beim SG Hannover erhobene und dort ursprünglich unter dem Aktenzeichen S 22 U 21/19 (jetzt: S 22 U 266/19) geführte Klage als zurückgenommen gilt und der Rechtsstreit damit in der Hauptsache erledigt ist. Ein Kläger, der dies bestreitet, kann sein auf Fortsetzung des Verfahrens gerichtetes Begehren mit dem Antrag verfolgen festzustellen, dass der Rechtsstreit vor dem SG weiterhin anhängig ist (vgl Senatsurteil vom 14. März 2018 - L 3 U 92/17; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23. Februar 2017 - L 25 AS 931/16, juris; differenzierend: B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 102 Rn 13) .

18

2. Dieser Antrag hat auch in der Sache Erfolg; denn die Voraussetzungen einer sogenannten fiktiven Klagerücknahme liegen nicht vor.

19

a) Gemäß § 102 Abs 2 S 1 SGG gilt die Klage als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt. Dabei muss es sich um eine konkrete und klare Aufforderung handeln, die dem Kläger deutlich macht, was von ihm erwartet wird (vgl B. Schmidt aaO, Rn 8c mwN; Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 4. April 2017 - B 4 AS 2/16 R, SozR 4-1500 § 102 Nr 3) . Weitere Voraussetzung für den Eintritt der Rücknahmefiktion ist, dass der Kläger gemäß § 102 Abs 2 S 3 SGG in der Betreibensaufforderung auf diese Rechtsfolge hingewiesen wird. In formeller Hinsicht ist nach der stRspr des BSG außerdem erforderlich, dass die Betreibensaufforderung vom zuständigen Richter verfügt und unterschrieben ist, die entsprechende Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift den Betroffenen zugestellt wird und durch Wiedergabe des vollen Namens des Richters ausweist, dass die Betreibensaufforderung von ihm stammt (BSG, Urteil vom 1. Juli 2010 - B 13 R 58/09 R, SozR 4-1500 § 102 Nr 1; Beschluss vom 19. Oktober 2016 - B 14 AS 105/16 B, SozR 4-1500 § 156 Nr 1; Urteil vom 4. April 2017 aaO) . Neben den formellen Voraussetzungen müssen außerdem schon zum Zeitpunkt des Erlasses der Betreibensaufforderung sachlich begründete Anhaltspunkte für einen Wegfall des Rechtsschutzinteresses vorliegen (BSG, Urteil vom 4. April 2017 aaO mwN) . Dies ergibt sich aus der gemäß Art 19 Abs 4 S 1 Grundgesetz (GG) erforderlichen Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes.

20

b) In formeller Hinsicht ist die Verfügung vom 6. August 2019 nicht zu beanstanden. Insbesondere ist die Verfügung von der zuständigen Kammervorsitzenden des SG mit vollem Namenszug unterschrieben worden; zudem ist auch der erforderliche Hinweis auf die Rechtsfolge des § 102 Abs 2 S 1 SGG aufgenommen worden.

21

c) Inhaltlich kann der Verfügung vom 6. August 2019 noch hinreichend deutlich entnommen werden, welche Mitwirkungshandlung das SG von der Klägerin erwartete. Zwar benennt die Verfügung selbst überhaupt keine konkrete Mitwirkungshandlung. Aufgrund der gleichzeitigen Erinnerung an die richterlichen Verfügungen vom 16. Mai 2019 und 18. Juni 2019 war aber noch ausreichend klar zu erkennen, dass es sich bei der in jenen Verfügungen erbetenen Vorlage einer Originalvollmacht um das nunmehr erwartete Betreiben des Verfahrens handelt (zur Möglichkeit einer Bezugnahme auf vorangegangene Verfügungen vgl BSG, Beschluss vom 19. Oktober 2016 aaO) .

22

d) Bei der hier gegebenen Sachlage war die Vorlage einer Vollmacht aber keine Mitwirkungshandlung, die Gegenstand einer Betreibensaufforderung sein konnte.

23

Für eine Betreibensaufforderung nach § 102 Abs 2 S 1 SGG genügt nicht jegliche Verletzung einer Mitwirkungspflicht. Vielmehr ist nur das Unterlassen solcher prozessualen Mitwirkungshandlungen erheblich, die für die Feststellung von entscheidungserheblichen Tatsachen bedeutsam sind, die also für das Gericht - nach seiner Rechtsansicht - notwendig sind, um den Sachverhalt zu klären und eine Sachentscheidung zu treffen (vgl BSG, Urteil vom 1. Juli 2010 - B 13 R 74/09 R, juris) . Verlangt werden kann mithin nur eine näher zu bestimmende Mitwirkungshandlung, auf die das Gericht für den Fortgang des Verfahrens angewiesen ist (vgl B. Schmidt aaO) .

24

Um eine solche Mitwirkungshandlung handelte es sich bei der Vorlage der Vollmacht jedoch erkennbar nicht. Gemäß § 73 Abs 6 S 5 SGG hat das Gericht den Mangel der Vollmacht von Amts wegen nur dann zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Das schließt die Überprüfung der Vollmacht eines Rechtsanwalts von Amts wegen zwar nicht generell aus; die Prüfung der Vollmacht eines Rechtsanwalts ohne Rüge der Gegenseite setzt aber voraus, dass das Verhalten des Rechtsanwalts ernstliche Zweifel daran aufkommen lässt, dass er über die notwendige Vollmacht verfügt (BSG, Beschluss vom 17. März 2016 - B 4 AS 684/15 B mwN) .

25

Vorliegend hat die Beklagte das Fehlen der Vollmacht nicht gerügt. Zugleich bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass das SG Zweifel an der Bevollmächtigung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin hatte. Für derartige Zweifel wären auch gar keine Gründe ersichtlich, insbesondere nicht solche, die sich aus dem Verhalten der Prozessbevollmächtigten der Klägerin ergeben. Dementsprechend durfte die Gewährung der beantragten Akteneinsicht schon nicht von der Vorlage einer Prozessvollmacht abhängig gemacht werden.

26

Überdies ist nicht ersichtlich, dass die Vorlage der Prozessvollmacht und die Gewährung von Akteneinsicht für die Feststellung von entscheidungserheblichen Tatsachen bedeutsam und damit nach der Rechtsansicht des SG notwendig gewesen wären, um den Sachverhalt zu klären und eine Sachentscheidung zu treffen.

27

e) Unabhängig hiervon ergeben sich aus der Nichtvorlage der vom SG erbetenen Vollmacht für sich genommen auch keine Anhaltspunkte für einen Wegfall des Rechtsschutzinteresses. Da die Vorlage der Vollmacht - wie ausgeführt - aus prozessualen Gründen nicht erforderlich war, hätte aus ihrer Nichtvorlage allenfalls geschlossen werden können, dass kein Interesse mehr an der Gewährung von Akteneinsicht besteht. Auch ansonsten sind tatsächliche Anknüpfungspunkte für einen Wegfall des Rechtsschutzinteresses der Klägerin weder im Gerichtsbescheid vom 11. Juni 2020 benannt worden noch erkennbar.

28

f) Es kommt damit im Ergebnis nicht darauf an, dass die Prozessbevollmächtigten der Klägerin bereits am 9. Juli 2019 (und damit noch vor der „Betreibensaufforderung“ vom 6. August 2019) im Rechtsstreit S 22 U 22/19 eine Vollmacht vorgelegt hatten, die sich nach ihrem Inhalt („…in Sachen J. / BG <Besch. 27.11.2018>) tatsächlich auf das Verfahren S 22 U 21/19 - dessen Gegenstand der Bescheid vom 27. November 2018 ist - bezog. Ebenso wenig ist entscheidend, dass das SG bei der Eintragung der Verfahren S 22 U 21/19 und S 22 U 22/19 in das Prozessregister am 31. Januar 2019 jeweils für beide Verfahren das Aktenzeichen „376/18 MR“ als Zeichen der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vermerkt hat, obwohl deren Zeichen im Rechtsstreit S 22 U 22/19 ausweislich der Angabe in der Klageschrift „314/18MR“ lautet. Für die Frage, auf welches Verfahren sich gerichtliche Anordnungen, Entscheidungen oder sonstige Maßnahmen beziehen, ist allerdings regelmäßig das gerichtliche Aktenzeichen maßgebend. Davon unabhängig hätte den Prozessbevollmächtigten der Klägerin der Fehler bei der Eintragung der Verfahren auch auffallen müssen, nachdem diese am selben Tag zwei Klagen erhoben hatten, deren Eingang unter den genannten (verschiedenen) gerichtlichen Aktenzeichen jeweils am 4. Februar 2019 bestätigt worden war.

29

3. Nach alledem gilt die Klage nicht gemäß § 102 Abs 2 S 1 SGG als zurückgenommen, sondern ist weiterhin bei dem SG Hannover anhängig, was antragsgemäß festzustellen war. Da das Klageverfahren nie beim LSG anhängig gewesen ist und der Senat demzufolge weder die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Klage noch deren Begründetheit zu prüfen hatte, war über eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an das SG gemäß § 159 Abs 1 SGG dagegen nicht zu entscheiden (Senatsurteil vom 14. März 2018 - L 3 U 92/17 mwN) .

30

Über die Kosten des Verfahrens wird das SG Hannover abschließend zu entscheiden haben.

31

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs 2 SGG), liegen nicht vor.