Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 22.08.2022, Az.: VgK-15/2022

Ausschreibung der Beschaffung von neuen Stadtbahnfahrzeugen zum Einsatz der Fahrzeuge im Stadtbahnsystem im Verhandlungsverfahren mit vorherigem Aufruf

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
22.08.2022
Aktenzeichen
VgK-15/2022
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 37369
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Der Einwand der unzureichenden Bieterinformation nach § 134 GWB kann zwar den Zugang zum Nachprüfungsverfahren eröffnen, nicht aber eine Maßnahme nach § 168 GWB rechtfertigen, weil der Zweck des § 134 GWB regelmäßig mit einem fristgerechten Nachprüfungsantrag vor Zuschlagserteilung erschöpft ist. Das Argument der angeblich unzureichenden Bieterinformation erscheint daher zumindest im vorliegenden Fall überbewertet.

Es ist eine überflüssige Förmelei, dass der öffentliche Auftraggeber den Verfahrensschritt nach § 134 GWB wiederholt. Eine Anordnung der Vergabekammer zur Wiederholung der Bieterinformation mit inzwischen bekanntem Inhalt aber neu anlaufenden Fristen verstieße gegen das Beschleunigungsgebot aus § 163 Abs. 1 Satz 4 GWB.

Die Antragsgegnerin hat nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus § 97 Abs. 2 GWB verstoßen. Die Wertung ergibt keinen belastbaren Grund für einen Ausschluss des Angebots der Beigeladenen. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch darauf, dass die Auftraggeberin ein Leistungsversprechen nach Angebotsabgabe durch ein Sachverständigengutachten prüfen lässt. Referenzen werden als Eigenerklärung abgegeben. Abfragen des Auftraggebers beim Referenzgeber dienen der Referenzprüfung, nicht der Erstellung der Referenz.

In dem Nachprüfungsverfahren
der xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Antragstellerin -
gegen
die xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Antragsgegnerin -
beigeladen:
xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Beigeladene -
wegen
Vergabeverfahren "Beschaffung Stadtbahnfahrzeuge xxxxxx"
hat die Vergabekammer durch den Vorsitzenden RD Gaus, die hauptamtliche Beisitzerin ORR'in von dem Knesebeck und den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Biologe Sameluck auf die mündliche Verhandlung vom 16.08.2022 beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten werden auf xxxxxx € festgesetzt.

  3. 3.

    Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens (Gebühren und Auslagen der Vergabekammer) zu tragen.

  4. 4.

    Die Antragstellerin hat der Antragsgegnerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war für die Antragsgegnerin erforderlich.

  5. 5.

    Die Antragstellerin hat der Beigeladenen die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war für die Beigeladene erforderlich.

Begründung

I.

Die Antragsgegnerin hat mit EU-Auftragsbekanntmachung vom xxxxxx.2021 die Beschaffung von neuen Stadtbahnfahrzeugen unter der Bezeichnung "xxxxxx" zum Einsatz der Fahrzeuge im Stadtbahnsystem der xxxxxx im Verhandlungsverfahren mit vorherigem Aufruf zum

vk_lu_neburg_20220822_vgk152022_beschluss_as1
vk_lu_neburg_20220822_vgk152022_beschluss_as2
Bekanntmachung auf dem EU-Serverxxxxxx.2021
Abgabefrist für den Teilnahmeantragxxxxxx.2021
Aufforderung zur Angebotsabgabe12.07.2021
Frist zur Abgabe des 1. Angebotes26.10.2021
1. Verhandlungsrunde25.11. bis 08.12.2021
Aufforderung zur 2. Angebotsabgabe18.01.2022
Frist zur Abgabe des 2. Angebotes21.03.2022
2. Verhandlungsrunde26. und 27.04.2022
Aufforderung zur finalen Angebotsabgabe16.05.2022
Frist zur Abgabe des finalen Angebotes21.06.2022

Mit Schreiben vom 24.06.2022 wurden durch die Antragsgegnerin sowohl die Antragstellerin als auch die Beigeladene um Aufklärung zu Teilbereichen im LCC-Bereich gebeten. Insbesondere wurde jeweils um Erläuterung bzw. Nennung von Referenzunternehmen zur Plausibilisierung der Fehlerraten A, B, C, D sowie der Personenstunden bei dem Teilbereich der Tauschteile gebeten. Zu den aufzuklärenden Punkten nahm die Antragstellerin mit Schreiben vom 30.06.2022 Stellung, die Beigeladene mit Schreiben vom 01.07.2022 und verwies dabei auch auf Referenzen. Unter Bezugnahme auf die vorgenannten Schreiben der Bieter, hat die Antragsgegnerin jeweils mit Schreiben vom 04.07.2022 um weitere Aufklärung gebeten. Dazu nahm die Antragstellerin mit Schreiben vom 07.07.2022 Stellung, die Beigeladene mit Schreiben vom 05.07.2022.

Mit Informationsschreiben nach § 134 GWB vom 11.07.2022 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass der Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen erteilt werden solle. Die Auswertung der Angebote habe ergeben, dass das Angebot der Antragstellerin 836,89 von 1.000 Punkten erhalten habe (dabei für Preis: 400 von 400 Punkten; für Technik: 286,86 von 300 Punkten; für LCC: 150,03 von 300 Punkten), das Angebot der Beigeladenen hingegen 960,04 Punkte.

Daraufhin rügte die Antragstellerin mit Schreiben vom 14.07.2022,

- dass die Zuschlagprätendentin offenkundig ungeeignet sei;

- die Wertung nicht erfolgter Präsentationen;

- den ausgebliebenen Ausschluss des Angebotes der Beigeladenen wegen unrealistischer Angaben zu den LCC-Werten;

- die Wertung entgegen der bekanntgemachten Wertungsmethodik und

- hilfsweise die Wertung unvergleichbarer Angebote.

Mit Schreiben vom 18.07.2022 teilte die Antragsgegnerin mit, dass sie den Rügen nicht abhelfe.

Aufgrund der Nichtabhilfe der Rügen beantragte die Antragstellerin mit anwaltlichem Schriftsatz vom 21.08.2022 die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens gemäß §§ 160 ff. GWB bei der Vergabekammer.

Die Antragstellerin begründet ihren Nachprüfungsantrag unter Wiederholung und Vertiefung ihrer Ausführungen in dem o.g. Rügeschreiben.

Der Nachprüfungsantrag sei zulässig und begründet.

Wenn die Beigeladene trotz Nichterfüllung des bekannt gemachten Eignungsnachweises der Abwicklung des Geschäftsverkehrs in deutscher Sprache nicht ausgeschlossen werde, verstoße dies gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Für die Beigeladene - eine xxxxxx Herstellerin von Schienenfahrzeugen - sei es abwegig anzunehmen, dass sie ihren gesamten Geschäftsverkehr in deutscher Sprache abwickele. Dass alle Unterlagen in deutscher Sprache vorgelegt und die Verhandlungen in deutscher Sprache geführt worden sein sollen, sei kein Indiz dafür, dass die Beigeladene ihren Geschäftsverkehr in deutscher Sprache abwickele.

Weiter verstoße es gegen den Transparenzgrundsatz und die Pflicht zur Versendung von fehlerfreien Vorabinformationsschreiben gemäß § 134 GWB, wenn entgegen der Ankündigung keine weiteren Präsentationstermine durchgeführt würden. Diese Ankündigung sei, unter Berücksichtigung der im kompletten Verfahren durchgängigen Hinweise, dass die Angaben im LCC-Kriterium durch die Bieter zu plausibilisieren sein würden, höchst naheliegend gewesen. Die Antragsgegnerin habe sich durch die Ankündigung von Präsentationen in der Aufforderung zur finalen Angebotsabgabe selbst gebunden und willkürlich gegen das festgelegte Prozedere verstoßen. Nicht stattgefundene Präsentationen seien, entgegen dem klaren Wortlaut des Vorabinformationsschreibens, nicht gewertet worden. Dem Verstoß hätte die Antragsgegnerin abhelfen müssen, indem ein neues, korrigiertes Vorabinformationsschreiben übermittelt werde.

Zudem sei das Angebot der Beigeladenen mangels plausibler LCC-Werte in den Unterkriterien 3 und 4 zum LCC-Kriterium auszuschließen. Diese könne keine realistischen Werte angegeben haben. Nach obergerichtlicher Rechtsprechung sei das Leistungsversprechen der Bieter effektiv zu verifizieren, wenn konkrete Tatsachen das Leistungsversprechen eines Bieters als nicht plausibel erscheinen lassen. Die Antragsgegnerin habe die LCC-Werte der Beigeladenen keiner ordnungsgemäßen Überprüfung unterzogen. Sie habe nicht von realisierbaren Werten ausgehen dürfen, die offenkundig nicht effektiv verifiziert worden seien. Es sei ausgeschlossen, dass die Beigeladene in den vorgenannten Unterkriterien um mindestens 50 % bessere Werte erreichen und angeben könne als die Antragstellerin, weshalb die Werte nicht gleichermaßen plausibel seien. Eine Plausibilisierung anhand von Referenzen setze eine Bestätigung konkreter von den Bietern benannter Werte durch die Referenzgeber voraus. Die Referenzen der Beigeladenen hätten jedoch nur allgemeine Ausführungen zur Wartungsfreundlichkeit und Störungsfreiheit von Fahrzeugen der Beigeladenen und keine Bestätigung konkreter Werte enthalten. Die Angaben der Referenzgeber seien für die Plausibilisierungsprüfung der Antragsgegnerin damit nicht geeignet. Die Beigeladene habe zudem mit Stellungnahme vom 10.08.2022 selbst zugegeben, dass sie auch keine Referenzen liefern könne, welche die angebotenen Werte (wie gefordert) belegen. Auf etwaige andere Angaben der Beigeladenen komme es nicht mehr an, wenn Basis der angebotenen LCC-Werte die Erfahrung von Referenzgebern sein solle und diese die Erfahrungen nicht gemacht hätten.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin müsse die Realisierbarkeit der von der Beigeladenen angebotenen LCC-Werte nicht erst in der Ausführungsphase des Auftrags, sondern während des Vergabeverfahrens verifiziert werden. Anders könne die Wienstrom-Entscheidung des EuGH nicht verstanden werden. Sofern der Antragsgegnerin eine selbstständige Überprüfung der Plausibilität der LCC-Werte nicht möglich sei, könne sie durch die Beauftragung von Sachverständigen weitere Aufklärung betreiben. Obergerichtliche Rechtsprechung würde dem nicht entgegenstehen.

Es sei auch entgegen der bekannt gemachten Wertungsmethodik gewertet worden, denn anders ließe sich nicht erklären, wie die Beigeladene fast 150 Punkte mehr im LCC-Kriterium habe erhalten können. An welcher Stelle im Rahmen der Wertung ein Fehler unterlaufen sei, werde die Akteneinsicht zeigen.

Hilfsweise trägt die Antragstellerin vor, die Antragsgegnerin habe - unterstellt, die Werte der Beigeladene seien plausibel und es sei kein Fehler im Rahmen der Wertung unterlaufen - betreffend das LCC-Kriterium ein Wertungsprozedere angewandt, welches nicht vergleichbare Angebote zuließ. Es werde Ungleiches gleichbehandelt, denn es sei technisch unmöglich LCC-Werte zu erreichen, welche die Beigeladene angeboten haben müsse. Daher wäre das Verfahren mit einem korrigierten Wertungsprozedere zu wiederholen.

Darüber hinaus müsse die Beigeladene mangels formgemäßem Erst- und Zweitangebot sowie vollständigem finalen Angebot von der Wertung ausgeschlossen werden.

Die Antragstellerin beantragt,

  1. 1.

    die Antragsgegnerin zu verpflichten, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht das Vergabeverfahren in einen in das Ermessen der Vergabekammer gestellten Zeitpunkt zurückzuversetzen und unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen;

  2. 2.

    die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gemäß § 182 Abs. 4 GWB für notwendig zu erklären;

  3. 3.

    der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin aufzuerlegen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

  1. 1.

    den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen,

  2. 2.

    der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin aufzuerlegen sowie

  3. 3.

    die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin für notwendig zu erklären.

Der Nachprüfungsantrag sei unzulässig und soweit er zulässig sein sollte, in jedem Fall unbegründet.

Die Anforderung, dass die gesamte Unternehmenskorrespondenz in deutscher Sprache abzuwickeln sei, beziehe sich nur auf den Geschäftsverkehr mit der Auftraggeberin. Eine andere Auslegung der Vergabeunterlagen sei abwegig und würde gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen. Eine Mehrdeutigkeit der geforderten Eignungsanforderung würde die Auftraggeberin im Übrigen auch nicht zum Ausschluss berechtigen.

Der Verfahrensablauf und die Zeitplanung seien in jeder Phase des Verfahrens transparent kommuniziert worden. Es seien keine Präsentationen nach Eingang der finalen Angebote vorgesehen gewesen. In dem Vorabinformationsschreiben gemäß § 134 GWB sei versehentlich auf Präsentationen hingewiesen worden, da eine allgemeine Vorlage verwandt worden sei. Weder aus der Verfahrensbeschreibung noch aus dem Zeitplan würde sich ergeben, dass im Anschluss an die Abgabe der finalen Angebote nochmals eine Präsentation erfolge. Auch in den Bewertungskriterien sei keine Präsentation vorgesehen. Der Passus "Das gesamte Angebot nebst allen Anlagen ist im Original im Präsentationstermin oder auf gesondertes Verlangen vorzulegen" sei jeweils nur unter dem Punkt Angebotsabgabe zu finden, in denen die elektronische Angebotsabgabe geregelt sei. Daraus könne lediglich abgeleitet werden, dass ein Angebot auch im Original in einem Präsentationstermin vorzulegen sei, wenn dieser im Verfahrensablauf vorgesehen sei oder stattfinde. Für die Auftraggeberin sei nicht klar, was die Antragstellerin in einer Präsentation hätte vorstellen wollen, denn die vorgelegten Unterlagen zur Plausibilisierung der LCC-Werte würden durch die Auftraggeberin nicht angezweifelt. Die Rechtsposition der Antragstellerin habe sich somit weder verschlechtert noch verbessert. Die Antragsbefugnis sei mithin nicht dargelegt, da die Antragstellerin nicht vorgetragen habe, wie sie in ihren Rechten durch die nicht durchgeführte Präsentation verletzt sein solle.

Ob eine Korrektur der Vorabinformation hätte erfolgen müssen, könne letztlich dahinstehen, da die Antragstellerin vor Zuschlagserteilung einen Nachprüfungsantrag eingereicht habe.

Eine Plausibilisierung der LCC-Werte durch die Auftraggeberin sei nach dem von ihr festgelegten Vorgehen erfolgt. Zu den gerügten unplausiblen LCC-Werten der Beigeladenen trage die Antragstellerin lediglich vor, dass kein Unternehmen auf der Welt bessere LCC-Werte haben könne, als die von ihr angegebenen LCC-Werte. Es sei dazu festzuhalten, dass sich die Auftraggeberin auch bei der Auswertung der finalen Angebote an das festgelegte Verfahren gehalten habe. Eine Überprüfung der angebotenen LCC-Werte sei bereits in der ersten Verhandlungsrunde allen Bietern gegenüber kommuniziert worden und die Auftraggeberin habe in dem Aufklärungsschreiben vom 24.06.2022 unter Bezugnahme auf das Protokoll der ersten Verhandlungsrunde die Antragstellerin wie auch die Beigeladene zur Aufklärung der finalen Angebote aufgefordert. Dieses im Rahmen der ersten Verhandlungsrunde festgelegte Verfahren sei weder nach der ersten Verhandlungsrunde noch nach Eingang des Aufklärungsschreibens vom 24.06.2022 oder in dem Rügeschreiben vom 14.07.2022 oder im Nachprüfungsantrag gerügt worden.

Vorliegend sei die Auftraggeberin bereit und in der Lage gewesen, die Richtigkeit der LCC-Werte der Bieter zu prüfen und auch eine effektive Kontrolle der Richtigkeit der Angaben der Bieter im Rahmen der Angebotsprüfung und der Garantien nach Vertragsschluss zu ermöglichen. Unter Berücksichtigung der vorgesehenen Vertragsregelungen (§ 16 Selbständiges Garantieversprechen) bleibe somit im Ergebnis festzuhalten, dass die Auftraggeberin im Rahmen der Angebotswertung die durch die Bieter angegebenen Werte entsprechend den Anforderungen der Rechtsprechung plausibilisiert habe, und ausreichende Instrumente geschaffen habe, um die Einhaltung der angebotenen LCC-Werte zu verifizieren.

Der Vortrag der Antragstellerin, die Wertung sei nicht nach den bekannt gegebenen Wertungskriterien bzw. nicht auf Basis der tatsächlich angebotenen Werte erfolgt, entbehre jeglicher Grundlage. Ein Bieter müsse zumindest tatsächliche Anknüpfungspunkte oder Indizien vortragen, die den hinreichenden Verdacht auf einen bestimmten Vergaberechtsverstoß begründen würden.

Es sei festzuhalten, dass die Angebote vergleichbar seien. Insofern fehle auch weiterer Vortrag bzw. eine nachvollziehbare Rüge, warum die Angebote nicht vergleichbar sein sollen. Es würden seitens der Antragstellerin keine Aspekte genannt, auf die man vorliegend näher inhaltlich oder rechtlich eingehen könnte. Sollte der Vortrag so zu lesen sein, dass die Abfrage von LCC-Werten im Rahmen eines Vergabeverfahrens ein ungeeignetes Kriterium wäre, wäre eine derartige Rüge als präkludiert zurückzuweisen, denn die Plausibilität der angebotenen LCC-Werte sei bereits Thema vor Abgabe des finalen Angebotes gewesen. Zudem hätte sich jeder Bieter mit der Bewertungsmatrix auseinanderzusetzen. Eine vermeintlich intransparente Bewertungsmatrix wäre dann erkennbar.

Die Beigeladene beantragt,

  1. 1.

    den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen,

  2. 2.

    der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Beigeladenen,

  3. 3.

    die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Beigeladenen für notwendig zu erklären.

Der Nachprüfungsantrag sei unzulässig, offensichtlich unbegründet und daher vollumfänglich zurückzuweisen.

Bezüglich der Rüge der fehlenden Eignung der Beigeladenen ist der Nachprüfungsantrag offensichtlich unbegründet. Dass der Geschäftsverkehr in deutscher Sprache in Wort und Schrift abgewickelt werde, könne sich nur auf den Geschäftsverkehr mit der Auftraggeberin beziehen und verstehe sich von selbst. Zudem komme nach der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf selbst bei Vorliegen dieses vermeintlichen Eignungsmangels ein Wertungsausschluss des Angebots der Beigeladenen nicht mehr in Betracht, wenn die Eignung im Teilnahmewettbewerb festgestellt worden sei.

Im Hinblick auf die Rüge der fehlenden Durchführung von Präsentationen nach Abgabe der finalen Angebote werde eine mögliche Rechtsverletzung weder benannt noch sei diese ersichtlich. Die LCC-Werte im Angebot der Antragstellerin seien von der Antragsgegnerin als plausibel bewertet worden, so dass es einer Präsentation hierfür nicht bedurfte.

Der vermeintliche Fehler des Vorabinformationsschreibens sei offensichtlich geheilt worden.

Der ins Blaue hinein erhobene Vorwurf, die Beigeladene habe unplausible LCC-Werte angegeben und hätte aus dem Verfahren ausgeschlossen werden müssen, entbehre jeglicher tatsächlicher Grundlage, es fehle insoweit an hinreichender Substantiierung. Die Plausibilisierung der LCC-Werte in den Angeboten sowohl der Antragstellerin als auch der Beigeladenen sei durch die Antragsgegnerin nach den von ihr festgelegten Vorgehen erfolgt. Die Beigeladene habe im Rahmen der schriftlichen Aufklärung der LCC-Werte minutiös dargelegt, wie die LCC-Werte zustande kommen und auch durch Referenzen belegt. Die Antragsgegnerin habe die Plausibilisierung der LCC-Werte nach den festgelegten Vorgaben diskriminierungsfrei und transparent vorgenommen und sei durch das selbständige Garantieversprechen und die Pönalisierung in die Lage versetzt worden, die Einhaltung der angebotenen LCC-Werte zu prüfen und diese bei Nichteinhaltung auch effizient durchzusetzen. Zudem seien die Werte plausibel und durch Referenzen belegt. Die dem Schriftsatz der Beigeladenen vom 10.08.2022 anliegenden Referenzen, die zwar nicht dem vorliegenden Angebot entsprechen, würden ergänzend belegen, dass die Beigeladene regelmäßig ihre angebotenen LCC-Werte erfülle. Auch eine Ungleichbehandlung der Antragstellerin sei nicht erkennbar, da sowohl für die Beigeladene als auch die Antragstellerin im Anschluss an die Aufklärung festgestellt worden sei, dass die LCC-Werte ausreichend plausibilisiert worden seien.

Die Beigeladene liefere nicht nur Fahrzeuge, sondern schließe auch weltweit langjährige Wartungsverträge ab und könne so auf einen breiten eigenen Erfahrungsschatz betreffend LCC-Werte zurückgreifen. Die von der Beigeladenen im Angebot angeführten LCC-Werte seien plausibel und von der Beigeladenen leistbar. Zudem habe sie an der Erfüllbarkeit dieser Werte ein ureigenes Interesse; sie habe hierfür ein selbstständiges Garantieversprechen abgegeben und die Nichteinhaltung der Werte sei pönalisiert.

Die Rüge der Wertung entgegen der bekannt gemachten Wertungsmethodik entbehre jeglicher Grundlage und sei gänzlich unsubstantiiert.

Da die Antragstellerin ein Angebot abgegeben habe, ohne die vermeintlich ungeeignete Wertungsmethodik zu rügen, sei sie mit diesem Vortrag bereits präkludiert.

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.08.2022 Bezug genommen.

II.

Der Nachprüfungsantrag ist überwiegend zulässig, aber unbegründet.

Der Einwand der unzureichenden Bieterinformation nach § 134 GWB kann zwar den Zugang zum Nachprüfungsverfahren eröffnen, nicht aber eine Maßnahme nach § 168 GWB rechtfertigen, weil der Zweck des § 134 GWB regelmäßig mit einem fristgerechten Nachprüfungsantrag vor Zuschlagserteilung erschöpft ist. Das Argument der angeblich unzureichenden Bieterinformation erscheint daher zumindest im vorliegenden Fall überbewertet (im Folgenden 1).

Die Antragsgegnerin hat nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus § 97 Abs. 2 GWB verstoßen. Die Wertung ergibt keinen belastbaren Grund für einen Ausschluss des Angebots der Beigeladenen. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch darauf, dass die Auftraggeberin ein Leistungsversprechen nach Angebotsabgabe durch ein Sachverständigengutachten prüfen lässt. Referenzen werden als Eigenerklärung abgegeben. Abfragen des Auftraggebers beim Referenzgeber dienen der Referenzprüfung, nicht der Erstellung der Referenz (im Folgenden 2 a, b).

1. Der Nachprüfungsantrag ist überwiegend zulässig. Die Antragsgegnerin ist Sektorenauftraggeberin gemäß § 100 Abs. 1 Nr.1 GWB und übt hier mit der Bestellung von Stadtbahnfahrzeugen eine Sektorentätigkeit gemäß § 102 Abs. 4 GWB aus. Bei der Antragsgegnerin handelt es sich ebenso um eine öffentliche Auftraggeberin i. S. d. § 99 Nr. 2 GWB. Nach § 99 Nr. 2 GWB sind auch andere juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen, öffentliche Auftraggeber, wenn Stellen, die unter Nr. 1 fallen, sie einzeln oder gemeinsam durch Beteiligung oder auf sonstige Weise überwiegend finanzieren oder über ihre Leitung die Aufsicht ausüben oder mehr als die Hälfte der Mitglieder eines ihre zur Geschäftsführung oder zur Aufsicht berufenen Organe bestimmen. Die Antragsgegnerin ist als xxxxxx zu dem besonderen Zweck gegründet worden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben, nämlich den ÖPNV im und um das Stadtgebiet der xxxxxx durchzuführen. Da dieser Zweck regelmäßig nicht eigenwirtschaftlich erfüllt werden kann, also öffentlicher Zuschüsse bedarf, handelt es sich nicht um eine Aufgabe gewerblicher Art. Die Antragsgegnerin steht unmittelbar zu xxxxxx % im Eigentum der xxxxxx. Diese wiederum steht im Verhältnis 80/20 im Eigentum der xxxxxx, also Gebietskörperschaften nach § 2, § 3 Abs. 1 NKomVG. An der Steuerung der Antragsgegnerin durch beide Gebietskörperschaften bestehen keine Zweifel.

Der streitbefangene Auftrag übersteigt den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 106 Abs. 1 GWB. Der 4. Teil des GWB gilt nur für Aufträge, deren geschätzter Auftrags- oder Vertragswert ohne Umsatzsteuer die Schwellenwerte erreicht oder überschreitet, welche aufgrund der EU-Richtlinien festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Sektoren-Dienstleistungsauftrag i. S. d. § 103 Abs. 4 GWB. Vergabebeginn war wegen der Bekanntmachung vom xxxxxx.2021 das Jahr 2021. Für Sektorenaufträge i. S. d. § 102 GWB galt seinerzeit gemäß § 106 Abs. 2 Nr. 2 GWB i. V. m. Art. 4 der Richtlinie 2014/25/EU in der seit 01.01.2018 geltenden Fassung (DELEGIERTE VERORDNUNG (EU) 2015/2171 DER KOMMISSION vom 18.12.2017 zur Änderung der Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Schwellenwerte für Auftragsvergabeverfahren) ein Schwellenwert von 428.000 €. Dieser wird laut "Vergabevermerk Teilnahmewettbewerb Ziffer 4"deutlich überschritten.

Die Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 GWB erfordert, dass der Antragsteller einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Er muss diejenigen Umstände aufzeigen, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt. An diese Voraussetzungen ist zwar ein großzügiger Maßstab anzulegen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15.01.2021, 15 Verg 11/20). Die Rüge muss keine detaillierte rechtliche Würdigung enthalten. Andererseits erfordert sie einen erheblichen Sachvortrag. Die Rüge muss zumindest Anknüpfungstatsachen oder Indizien enthalten, die einen hinreichenden Verdacht auf einen bestimmten Vergaberechtsverstoß begründen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.03.2021, Verg 9/21). Es genügt für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags, wenn der Bieter ein ernstzunehmendes Angebot abgegeben hat und schlüssig einen durch die behauptete Rechtsverletzung drohenden oder eingetretenen Schaden behauptet, also darlegt, dass durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß seine Chancen auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein können (BVerfG, Urteil vom 29.07.2004 - 2 BvR 2248/04; Schäfer in: Röwekamp/Kus/Portz, GWB-Vergaberecht, § 160, Rn. 43 ff.). Ob tatsächlich der vom Bieter behauptete Schaden droht, ist eine Frage der Begründetheit (vgl. BGH, Beschluss vom 29.06.2006 - X ZB 14/06, zitiert nach VERIS).

Die Antragstellerin qualifizierte sich für die finale Vergabeentscheidung. Ihr Angebot erzielte nur 124 Punkte weniger als das der Beigeladenen. Wenn ihr Angebot in den Unterkriterien 3 und 4 des Zuschlagskriteriums LCC, in denen es bisher 0 Punkte erhielt, nahe an der Beigeladenen bewertet würde, könnte sie den Zuschlag erhalten. Daher hat sie eine mögliche Beeinträchtigung ihrer Chancen auf den Zuschlag und damit einen möglichen Schaden mit der unter I. genannten Argumentation überwiegend schlüssig dargelegt.

Nachdem die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung ihren Vortrag zu der angeblich auftragsübergreifend verbindlichen Anordnung einer Geschäftssprache und zum unrechtmäßigen Wegfall einer geforderten Präsentation zurückgezogen hat, ist auf der Zulässigkeitsebene nur noch über die Annahme der Antragstellerin zu entscheiden, eine unzureichende Bieterinformation nach § 134 GWB und das zweifache Hochladen eines Angebots in der zweiten Verhandlungsrunde begründeten eine Beschwer.

Durch die unzureichende Bieterinformation ist eine mögliche Beschwer zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht mehr erkennbar. Das Argument kann daher keine Maßnahme nach § 168 GWB rechtfertigen.

Auf die angeblich unzureichende Bieterinformation erteilte die Antragsgegnerin mit Rügezurückweisung am 18.07.2022 unter Ziffer 6 eine ergänzende Information zur Bewertung. Damit hat sie die Antragstellerin hinreichend in die Lage versetzt, die eigene Bewertung zu verstehen und insoweit die Erfolgsaussichten des Nachprüfungsantrags realistisch einschätzen zu können. Die inhaltliche Nachbesserung des Informationsschreibens heilt einen ursprünglich vorhandenen Mangel. Es ist nicht erforderlich, vielmehr eine überflüssige Förmelei, dass der öffentliche Auftraggeber den Verfahrensschritt nach § 134 GWB wiederholt (a.A. wohl Gnittke/Hattig in: Müller-Wrede, GWB-Kommentar, 2016, § 135, Rn. 33). Eine Anordnung der Vergabekammer zur Wiederholung der Bieterinformation mit inzwischen bekanntem Inhalt aber neu anlaufenden Fristen verstieße gegen das Beschleunigungsgebot aus § 163 Abs. 1 Satz 4 GWB. In den achtziger Jahren haben Verwaltungsgerichte so entschieden, bis der Gesetzgeber das mit den §§ 45 ff. VwVfG unterband.

Ein Nachprüfungsantrag kann zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht mehr auf die angeblich ursprünglich unzureichende Information gestützt werden (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.10.2019, Verg 6/19; OLG Celle, Beschluss vom 12.05.2016, 13 Verg 10/15). Der Einwand eines möglicherweise unzureichenden Informationsschreibens nach § 134 GWB erledigt sich regelmäßig durch die Einreichung des Nachprüfungsantrags, spätestens aber mit Antragserwiderung. Zweck der Regelung ist die Gewährleistung eines effektiven Primärrechtsschutzes für Bieter gegen eine sie benachteiligende Vergabeentscheidung (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14.08.2019, 15 Verg 10/19; OLG München, Beschluss vom 12.05.2011 - Verg 26/10 = NZBau 2011, Seite 630 ff., 634). Eine Antragstellerin macht mit Einreichung des Nachprüfungsantrags umfassend die Verletzung ihrer subjektiven Rechte geltend. Was ihr weder aufgrund der Bieterinformation bekannt war noch aufgrund der Vergabeunterlagen erkennbar war, ist von der Rügepräklusion nicht betroffen. Der Zweck des § 134 GWB ist daher regelmäßig mit einem fristgerechten Nachprüfungsantrag vor Zuschlagserteilung erschöpft. Ein ausschließlich aufgrund einer angeblich unzureichenden Bieterinformation erhobener Nachprüfungsantrag wäre spätestens nach einer inhaltlich aussagekräftigen Antragserwiderung für erledigt zu erklären, um eine Kostenentscheidung zu Lasten des Antragstellers (vgl. Schriftsatz ASt, vom 12.08.2022, Blatt 15) zu verhindern. Daher erscheint der Vergabekammer das neuerdings in etlichen Nachprüfungsverfahren immer wieder hervorgehobene Argument der angeblich unzureichenden Bieterinformation jedenfalls im vorliegenden Fall überbewertet.

Die Antragsgegnerin hat ein Wertungssystem aufgestellt, welches sich durch eine sehr steile Abstufung auszeichnet. Die Festlegung in der Aufforderung zur Angebotsabgabe Ziffer XII. von 0 Punkten bei einem Angebot, welches das 1,25-fache des niedrigsten Angebotspreises übersteigt, ist eher selten anzutreffen. Gleiches gilt nicht nur für die hier streitige Bewertung der Ausfallraten und Austauschteile. Eine steile Abstufung der Kriterien führt bei geringfügigen Abweichungen zu erheblichen Abzügen. Darauf hat sich die Antragstellerin rügelos eingelassen. Unter diesen sehr harten Wettbewerbsbedingungen hat sie sich im Vergabeverfahren gegen erhebliche Konkurrenz erfolgreich in die Endausscheidung vorgearbeitet. Die in der mündlichen Verhandlung von der Antragstellerin geäußerte Wahrnehmung, man habe 0: 12 gegen die Beigeladene verloren, erscheint daher unzutreffend. Die Situation entspricht eher einer K.-o.-Runde in einem Turnier, bei der auch sehr knappe Vorteile spielentscheidend sein müssen.

Die Argumentation der Antragstellerin zur Nachbesserung eines Angebotes in der zweiten Verhandlungsrunde ist hier nicht entscheidungsrelevant. Die Antragstellerin konnte aufgrund der eingeschränkten Akteneinsicht nicht wissen, dass die eingegangenen beiden Angebote eines Bieters in der zweiten Verhandlungsrunde weder von der Antragstellerin, noch von der Beigeladenen stammen, sondern von einem dritten Bieter, der inzwischen ausgeschieden ist. Durch das doppelte Hochladen eines Angebotes in der zweiten Verhandlungsrunde ist daher eine Gefährdung der Rechte der Antragstellerin auf ihre faire Chance zum Zuschlag ausgeschlossen.

Die Antragstellerin hat die geltend gemachten Verstöße bezüglich der Wertung gegen die Vergaberechtsvorschriften gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB vor Einreichen des Nachprüfungsantrags rechtzeitig gerügt. Gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB muss der Bieter geltend gemachte Verstöße gegen Vergabevorschriften vor Einreichen des Nachprüfungsantrags gegenüber dem Auftraggeber rügen. Dazu setzt ihm § 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB eine Frist von 10 Tagen, nachdem er den Verstoß gegen Vergabevorschriften erkannt hat.

Die Antragsgegnerin informierte die Antragstellerin am 11.07.2022 darüber, dass die Beigeladene den Auftrag erhalten sollte. Erst ab diesem Tag konnte die Antragstellerin Kenntnis von den Wertungsgründen erhalten. Daraufhin rügte die Antragstellerin am 14.07.2022, also vor Ablauf von 10 Tagen, die Wertungsentscheidung. Sie erhob ihre Rüge damit rechtzeitig i. S. d. § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB. Die Sachverhalte zum mehrfachen Hochladen von Angeboten waren nicht zu rügen, weil sie für die Antragstellerin erst nach Erhebung des Nachprüfungsantrags durch die Akteneinsicht erkennbar waren. Eine erstmals im laufenden Nachprüfungsverfahren mögliche Rüge verfehlt ihre Befriedungsfunktion, ist daher nicht erforderlich.

Die Antragstellerin erhob ihren Nachprüfungsantrag innerhalb der Frist des § 160 Abs. 3 Nr. 4 GWB. Die Rügezurückweisung folgte am 18.07.2022. Der Nachprüfungsantrag vom 21.07.2022 blieb innerhalb der Frist des § 160 Abs. 3 Nr. 4 GWB von 15 Tagen nach Rügezurückweisung. Der Nachprüfungsantrag ist somit überwiegend zulässig.

Die Vergabekammer hat bis zum Schluss der Verhandlung im Konsens der Verfahrensbeteiligten analog zu § 128a ZPO, § 102a VwGO die mündliche Verhandlung gemäß § 166 GWB in digitaler oder hybrider Form durchgeführt (vgl. Ahlers, NZBau 2020, 628, Kieselmann, Vergabeblog 28/5/2020). Nachträglich erhobene Einwände an diesem Verfahren können nicht mehr berücksichtigt werden.

2. Soweit der Nachprüfungsantrag zulässig ist, erweist er sich als unbegründet. Die Antragsgegnerin hat nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus § 97 Abs. 2 GWB verstoßen, indem sie das Angebot der Beigeladenen wertete, obwohl es sehr niedrige Werte für die nach § 53 SektVO geforderten Angaben zu den Lebenszykluskosten aufwies. Die hier streitigen Angaben zu den Ausfallraten und zu den Personenstunden für die Austauschteile gehören zu den Wartungskosten gemäß § 53 Abs. 2 Nr. 3 SektVO. Die genaue Betrachtung der Wertung ergibt aus der Sicht der branchenfremden Vergabekammer keinen belastbaren Grund für einen Ausschluss des Angebots der Beigeladenen.

Der Prüfungsmaßstab der Vergabekammer beschränkt sich gemäß § 168 Abs. 1 GWB auf eine reine Rechtskontrolle. Die Vergabekammer ist nicht die Fachaufsicht der Vergabestelle. Sie hat nicht die Aufgabe, das Handeln der Vergabestelle vollumfänglich auf Rechtmäßigkeit oder Zweckmäßigkeit zu überprüfen. Vielmehr hat die Vergabekammer darauf zu achten, nicht in die Entscheidungsspielräume (Beurteilungs- bzw. Ermessensspielräume) des Auftraggebers einzugreifen. Das Ermessen des Auftraggebers ist von den Vergabenachprüfungsinstanzen nur eingeschränkt dahin überprüfbar, ob er es überhaupt ausgeübt hat, ob er das vorgeschriebene Verfahren eingehalten hat, von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist und keine sachwidrigen Erwägungen in die Wertung hat einfließen lassen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.02.2021 - Verg 22/20). Die Vergabeentscheidung soll unvoreingenommen und transparent erfolgen, also unter Anwendung der vom Auftraggeber transparent gesetzten Anforderungen in einer nachträglich aus der Dokumentation nachvollziehbaren Art und Weise. Hier ist kein Verstoß gegen diese Grundsätze erkennbar.

Die Antragstellerin stand verfahrenstechnisch vor einer besonders schweren Herausforderung. Der übliche Weg, eine bessere Bewertung des eigenen Angebotes einzufordern, ist ihr versperrt, weil die Antragsgegnerin alle Angaben ihres Angebots zu ihren Gunsten berücksichtigt hat. Dabei handelt es sich ausschließlich um die quantitative Zuordnung von Leistungsdaten, die üblichen Unsicherheiten bei der Bewertung qualitativer Zuschlagskriterien mit subjektiven Noten bestehen hier nicht.

Der einzige Weg der Antragstellerin, eine bessere Bewertung ihres Angebots einzufordern, besteht daher in einer Kritik an der Bewertung des Angebots der Beigeladenen, konkret an der Verifizierung oder Glaubwürdigkeit der von jener angegebenen Leistungsdaten. Die Antragstellerin hat bedachtsam vermieden, ungeprüfte Vermutungen abzugeben, die sich als fehlerhaft herausstellen können.

Sie hat keinen Zugriff auf die Inhalte der Vergabedokumentation erhalten, die sich mit der Wertung des Angebots der Beigeladenen befassen. Den Umfang der zu gewährenden Akteneinsicht hat die Vergabekammer früh und klar mit Verfügung vom 29.07.2022 beschrieben. "Die Vergabekammer nimmt vorläufig an, dass die Angaben im Angebot der Beigeladenen oder an anderen Stellen in der Vergabeakte, die den LCC-Wert darstellen, erläutern und verifizieren, Kalkulations- oder Fabrikationsgeheimnisse (BGH, Beschluss vom 31.01.2017, X ZB 10/16, Rn. 39, 40) der Beizuladenden sind. Jeder Verfahrensbeteiligte erhält daher Einsicht in den Vergabevermerk und in die eigene Wertung, nicht aber in andere Angebote und deren Wertung."

Die später beigebrachten Vertraulichkeitserklärungen der Verfahrensbeteiligten, so der Beigeladenen vom 02.08.2022, haben keinen größeren Umfang der Akteneinsicht nahegelegt. Die von der Antragstellerin erbetene Zwischenentscheidung zur Akteneinsicht ist nur erforderlich, wenn die Vergabekammer mehr Einsicht gewähren will, als vom Auftraggeber unter Berücksichtigung der Belange der Beigeladenen eingeräumt. Eine versagte Akteneinsicht kann gemäß § 165 Abs. 4 GWB nur mit einer Beschwerde in der Hauptsache angegriffen werden.

Der jüngste Beschluss des KG Berlin (Beschluss vom 18.05.2022, Verg 7/21) zur Akteneinsicht bzw. Aktenauswertung wird hier nicht angewandt. Es geht nicht nur einseitig um die mögliche Verletzung rechtlichen Gehörs, sondern um einen komplexen Widerstreit von Geheimschutz nach Art. 12 GG, §§ 164, 165 Abs. 2 GWB und dem Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 19 Abs. 4, Art. 103 Abs. 1 GG, §§ 162, 166 Abs. 1 Satz 2 GWB. Die Antragstellerin verweist zutreffend auf die umfassende Darstellung des BGH (Beschluss vom 31.01.2017, X ZB 10/16).

Damit reduzierte sich die Diskussion in der mündlichen Verhandlung auf Formalien der Referenzplausibilisierung. Eine Gelegenheit, die von allen Verfahrensbeteiligten zugeschalteten technischen Sachverständigen den Schwerpunkt der Diskussion setzen zu lassen, ergab sich somit nicht.

Die Antragstellerin weist zutreffend darauf hin, dass der öffentliche Auftraggeber ungewöhnlich weit reichende Leistungsversprechen daraufhin überprüfen muss, ob sie tatsächlich einhaltbar sind. Das gilt insbesondere, wenn konkrete Tatsachen das Leistungsversprechen eines Bieters als nicht mehr plausibel erscheinen lassen. Die Antragstellerin beruft sich zu Recht auf das OLG Düsseldorf (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.01.2020, Verg 20/19).

Die von der Antragsgegnerin dokumentierte Überprüfung des in die Zukunft gerichteten Leistungsversprechens der Beigeladenen lässt keinen Verstoß gegen diese Plausibilisierungspflicht erkennen. Ein in die Zukunft gerichtetes Leistungsversprechen kann auch dann plausibel abgegeben werden, wenn dessen vielfältige Leistungswerte in der Vergangenheit noch nicht vollständig an einem Projekt erfüllt wurden. Wenn die künftige Erfüllung nur mit neu zusammengesetzten Modulen und erst aufgrund laufender Entwicklungsarbeit plausibel erscheint, erwächst daraus kein Zuschlagsverbot. Anders wird Fortschritt nicht möglich.

Die Antragstellerin hat keinen Anspruch darauf, dass der Auftraggeber ein Leistungsversprechen durch ein Sachverständigengutachten prüfen lässt. Der Auftraggeber muss die Vergabeentscheidung selbst treffen (vgl. § 56 SektVO, "seine Entscheidung"; Wiedemann in: Röwekamp/Kus/Marx/Portz/Prieß, Kommentar VgV, 2. Auflage, § 58 VgV, Rn. 89; VK Niedersachsen, Beschluss vom 02.03.2021, VgK-01/2021, Ziffer 2.d). Nur in der vorbereitenden Phase vor Bekanntmachung ist es denkbar, dass schwierige Einzelfragen sachverständig geklärt werden. Das betrifft aber dann noch nicht das mit Bekanntmachung beginnende Vergabeverfahren, sondern dessen Vorbereitung in der Projektierung. Die Antragsgegnerin hat nach der mündlichen Verhandlung auf ein von ihr zu diesem Zweck vorbereitend im Jahr 2020 europaweit bekannt gegebenes Industrieforum hingewiesen, in dem sie technische Lösungen mit den Herstellern erörterte. Die Vergabekammer kann das nicht inhaltlich bewerten. Aber der breite Dialog mit allen Herstellern ist strukturell geeignet, bessere Ergebnisse zu erzielen, als die Meinung eines Sachverständigen. Die Delegation der unmittelbaren Entscheidungsvorbereitung auf Beschaffungsdienstleister (vgl. LG Magdeburg, Urteil vom 15.09.2021, 7 O 1109/21; Goldbrunner, VergabeR 2021, 651; Stoye/Kopco, NZBau 2022, 64; Noch, Vergabe-Navigator 2022, 25; VK Bund, Beschluss vom 02.06.2021 - VK 2-47/21;) hat die Vergabepraxis bei EU-weiten Vergaben verändert. Eine weitere Teildelegation auf Sachverständige wäre dem Vergaberecht jedenfalls in der Phase nach Eingang der Angebote wesensfremd. Es genügt die Überzeugung des Auftraggebers.

Eine delegierte sachverständige Prüfung im Nachprüfungsverfahren würde den gesetzlich für die Nachprüfung vor der Vergabekammer gesetzten Zeitrahmen von 5 Wochen deutlich übersteigen. Die Vergabekammer hat zum Schutz des Auftraggebers vor unangemessener Verzögerung gemäß § 167 Abs. 1 GWB binnen 5 Wochen zu entscheiden. Es gab in Niedersachsen nur einen Fall, in dem eine Sachverhaltsklärung durch Gutachter versucht wurde. Seinerzeit hatte das Gericht Gutachten angefordert (VK Niedersachsen, VgK48/2009; OLG Celle, 13 Verg 19/09). Die Erörterung der Sachverständigen verzögerte die Vergabe um Jahre. Das Verfahren endete mit einer gütlichen Einigung, ohne die Gutachter.

Die weitere Diskussion wird anhand der von der Antragsgegnerin gesetzten Unterkriterien gegliedert.

a. Das Unterkriterium 3 der Lebenszykluskosten bewertet die Ausfallraten. Diese beziehen sich auf Fehlerereignisse mit Auswirkungen auf den Betrieb. Die Antragsgegnerin gliederte diese im Lastenheft Teil C Ziffer 4.3.1 in Fehler der Kategorie A, schwerstes Fehlerereignis, Fehler der Kategorie B/C gravierendes Fehlerereignis und Fehler der Kategorie D, unkritisches Fehlerereignis.

Die Antragsgegnerin stellte im laufenden Vergabeverfahren fest, dass sie ihre ursprünglich vorgesehene Plausibilisierung anhand ihrer bisherigen Erfahrungswerte mit den bereits eingesetzten Stadtbahnwagen verschiedener Modelle nicht als Maßstab zugrunde legen kann. Beide Angebote unterbieten die bisher festgestellten Fehlerraten deutlich.

Daher klärte die Antragsgegnerin die Angaben zu den Lebenszykluskosten auf. Sie klärte mit zwei sehr ähnlichen Aufklärungsschreiben vom 24.06.2022 sowohl das Angebot der Antragstellerin als auch das der Beigeladenen auf. In den Schreiben eröffnete die Antragsgegnerin auch die Möglichkeit eine Plausibilisierung der Fehlerraten A, B, C, D durch die Nennung von Referenzunternehmen vorzunehmen. Beide Bieter erläuterten fristgemäß ihre geringen Fehlerraten.

Die Antragstellerin leitete ihre Angebotswerte entgegen den Vorgaben aus der ersten Verhandlungsrunde bzw. dem Aufklärungsschreiben ausschließlich aus Konstruktionsprozessen ab. Dennoch überzeugte sie die Antragsgegnerin.

Die Beigeladene lieferte Datenblätter zu ihren RAM-Werten und gab ergänzend Referenzen an. Referenzen werden in der SektVO nicht erwähnt. Das bedeutet allerdings nicht, dass Referenzen im Anwendungsbereich der SektVO unzulässig wären, sondern, dass die Beschränkungen aus § 46 Abs. 3 Nr. 1 VGV nicht gelten bzw. auch ohne ausdrückliche Formulierung einer Ausnahme in weiterem Umfang zugrunde gelegt werden dürfen als nach § 46 VgV zulässig.

Die Angabe von Referenzen wird in der Regel als unternehmensbezogenes Kriterium zum Nachweis der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit vom Auftraggeber gefordert. Sie hat in dieser Funktion nur einen allgemeinen Aussagewert. So hat die Antragsgegnerin gemäß Ziffer XII. 3.5 der Vergabeunterlagen zum Teilnahmewettbewerb die in den Referenzblättern anzugebenden Referenzen verstanden. In der finalen Aufforderung zur Angebotsabgabe wurde unter IX. auf die obigen Bedingungen des Teilnahmewettbewerbs verwiesen.

Der Auftraggeber ist berechtigt, die Benennung von Referenzen als Werkzeug zur Bestätigung der Einhaltung bestimmter Leistungswerte im LCC zu fordern, wie dies hier zum Ende der ersten Verhandlungsrunde sowie in den Aufklärungsschreiben vom 24.06.2022 als Reaktion auf die bei allen Bietern günstigen LCC-Werte geschehen ist. Das ergibt sich aus den Protokollen von Beigeladener und Antragstellerin der ersten Verhandlungsrunde sowie den Aufklärungsschreiben. Referenzen werden als Eigenerklärung abgegeben (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.11.2018, Verg 39/18), nicht als Fremdbestätigung.

Im Teilnahmewettbewerb hat die Beigeladene mit ihrem Teilnahmeantrag zum Nachweis ihrer Eignung unter anderem Referenzen eingereicht und dabei die Klarnamen der Referenzgeber und die bei diesen eingesetzte "Plattform"benannt. Sie hat in der finalen Verhandlungsrunde im Rahmen der Aufklärung mit den Dateien "RAM Werte" und "Anhang RAM" auf Referenzen verwiesen, die die benannten Subsysteme/Plattformen einsetzen.

Die Beigeladene nannte im Rahmen der Angebotsaufklärung in der Datei "Anhang RAM Werte" für bestimmte Subsysteme etwa "Bremswiderstand"Zuverlässigkeitswerte und in derselben Zeile die Plattform bzw. Referenz, in der diese Werte erreicht werden. Auch durch den Rückgriff auf das beim Teilnahmeantrag abgegebene Referenzblatt, das unter anderem die vom jeweiligen Referenzgeber genutzte "Plattform"offenlegt, war der Antragsgegnerin in allen Fällen eine Zuordnung der Subsysteme/Plattformen zu den Referenzgebern, sowie welche bzw. welcher Referenzgeber für ein dort benanntes Subsystem die im Angebot abgegebene Fehlerzahl bestätigen kann, möglich. In der Datei "RAM Werte"nannte sie ebenfalls auf Blatt 3 der Darstellung "Plattform", Zulieferer und Projekte, in welchen jeweils bestimmte thematisch benannte RAM-Werte aus dem Angebot bereits eingehalten werden. Aus der Zusammenschau der Anlage zum Preisblatt (Lastenheft_Teil C_Datenblatt_Anbieter) und den auf Blatt 3 der Datei RAM-Werte genannten Anwendungen ergeben sich konkrete Leistungsdaten. Aus der ergänzenden Zusammenschau von Blatt 3 der Datei "RAM-Werte"und den Referenzen lässt sich erkennen, welche Werte die Referenzgeber belegen können.

Der Einwand der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung, aus funktionierenden Einzelbauteilen könne nicht auf geringe RAM-Werte des Produkts geschlossen werden, überzeugt nicht bei der hier vorliegenden fachlichen Begleitung durch einen leistungsfähigen Hersteller. Träfe das Argument zu, könnte beispielsweise VW den modularen Querbaukasten nicht erfolgreich nutzen.

Die Antragsgegnerin überprüfte die eigenen Fehlerraten und stellte fest, dass die seit 2015 in Betrieb genommenen Fahrzeugen deutlich bessere Fehlerraten aufwiesen, als die Fahrzeuge, die deutlich vorher in Betrieb gegangen waren. Sie leitete daraus ab, dass die von der Beigeladenen und von der Antragstellerin jeweils versprochene Verbesserung der Fehlerraten möglich sei.

Die Antragstellerin irrt mit ihrer Annahme, ein Referenzgeber müsse die detaillierten Leistungsdaten der aktuellen Vergabe bestätigen. Sie vermengt die Abgabe der Referenzerklärung mit deren Kontrolle durch den Auftraggeber. Über die Kontrolltiefe entscheidet der Auftraggeber. Dabei steht es ihm frei, im schriftlichen Verfahren die Einhaltung einzelner Leistungswerte zu prüfen. Dann erhält er Datensätze. Es besteht die Möglichkeit, dass diese Werte entweder beim Referenzgeber nicht erfasst wurden, oder der Referenzgeber die Herausgabe verweigert. Er kann stattdessen eine telefonische Abfrage durchführen wie hier unter Ziffer XIII. 2 der Vergabeunterlagen zum Teilnahmewettbewerb angekündigt und auch geschehen. Dann erhält er möglicherweise eine persönliche menschliche Rückmeldung vom Auftreten der Bieterin beim Referenzgeber. Für die Erbringung der Referenz ist nicht der überprüfende Anruf entscheidend, sondern der Inhalt der Eigenerklärung, sofern die Überprüfung in der vom Auftraggeber gewählten Form und Tiefe die Leistungsangaben bestätigt.

Die Antragsgegnerin prüfte die Inhalte der Referenzen, indem sie am 08.07.2022 Telefonate mit den aus Datenblatt und Teilnahmeantrag ersichtlichen Referenzgebern führte.

Die Protokolle der Telefonate geben Auskunft, wer wann mit wem telefonierte und geben als Inhalt des Telefonats wieder, dass die jeweiligen telefonischen Ansprechpartner auf der Seite des Referenzgebers zwar nicht im Detail in der Lage waren, die Ausfallraten der dort jeweils eingesetzten Stadtbahnwagen der Beigeladenen bestimmten Werten zuzuordnen, dass sie aber ihre Erfahrungen mit den Stadtbahnwagen der Beigeladenen als gut bewerteten, und dass es sich hier um geringe Fehler- und Ausfallraten handele. Damit durfte sich die Antragsgegnerin zufriedengeben.

Der Vergabekammer liegen aus den Referenzblättern des Teilnahmewettbewerbs Angaben dazu vor, wie alt alle Referenzen sind. Die abgefragten Referenzen sind wie fast alle anderen Referenzen bis zur jeweiligen vollständigen Auslieferung der Fahrzeuge hinreichend jung, um eine angenommene Verbesserung der Fehlerraten seit 2015 abzubilden, überwiegend hinreichend alt um schon Erfahrungswerte abzubilden. Die Gegenstände der Referenzen und der im RAM-Blatt vom 01.07.2022 gelieferten Funktionen jener Aufträge oder Projekte weichen weder in der Art der konkreten Funktion noch in der Zahl der Fahrzeuge so vom aktuellen Auftrag ab, dass eine Vergleichbarkeit der geprüften Referenzen mit dem streitigen Auftrag in Zweifel zu ziehen wäre. In dem einen Fall, in dem es sich um andere Schienenfahrzeuge handelt, ist die Funktion auch für Laien erkennbar nicht an Stadtbahnwagen gebunden, sondern universeller einsetzbar.

Die Vorgehensweise der Antragsgegnerin ist systematisch nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin hat zunächst im Lastenheft Teil C die Bieter aufgefordert, ohne zeitliche Begrenzung des Leistungsversprechens Werte für die LCC-Kosten anzugeben. Sie hat dem Missbrauch durch unrealistische hohe Leistungsversprechen vorgebeugt, indem sie ursprünglich im Lastenheft Teil C Ziffer 5.3 (Angebotsrunde 1 Anlage 1a) später in § 16 des Vertrags vorab verbürgte Ausgleichszahlungen (Vertragsstrafen) im Volumen von ursprünglich 10 % des Lospreises vorgesehen hat. Ziffer 5.4 sieht in allen Fassungen des Lastenhefts ein Qualitätsmanagement für 10 Jahre nach Auslieferung eines Fahrzeugs vor.

Die Vertragsstrafe wanderte in der finalen Angebotsrunde aus dem Lastenheft in § 16 des Vertrags als selbständige Garantieverpflichtung mit Haftungsbegrenzungen zwischen xxxxxx % des Netto-Fahrzeugreises und xxxxxx % des Netto-Auftragswerts. § 16 des Vertrags enthält eine Verknüpfung mit § 7, welche die Garantie auf Zeiträume zwischen drei und 10 Jahren begrenzt.

Ausweislich der Verhandlungsprotokolle vom 26./27.04.2022 mit der Beigeladenen und der Antragstellerin in der zweiten Verhandlungsrunde (2. Verhandlungsrunde Anlage 11) ist erkennbar, dass die Antragstellerin wie auch die Beigeladene diesen Prozess aktiv mitbegleiteten und mitgestalteten.

Den Einwand der Antragstellerin, die Beigeladene habe ein Leistungsversprechen abgegeben, das Maluszahlungen einkalkuliere, hat die Vergabekammer erwogen. Antragstellerin und Beigeladene haben in den Gesprächen Ende April gleichermaßen für eine Absenkung der Vertragsstrafen votiert. Die Verhandlungspositionen lassen keinen signifikanten Unterschied und damit keine singulär geplante kalkulatorische Besonderheit erkennen (vgl. Blatt 5 Protokoll xxxxxx; Blatt 8 Protokoll xxxxxx).

Die Antragsgegnerin hat sich mit dem für sie überraschend hohen Leistungsniveau der Angebote inhaltlich auseinandergesetzt. Sie hat geprüft, ob die Bieter für ihre Leistungswerte Referenzen benannt haben. Weil es sich um eine Neuentwicklung handelt, ist es nachvollziehbar, dass kein Referenzgeber alle Leistungswerte bestätigen kann. Die Verteilung der Referenzen auf verschiedene Produkte und daher auf verschiedene Referenzgeber ist daher nachvollziehbar. Die Antragsgegnerin hat die Angebote erfolgreich auf vorteilhafte Missverständnisse geprüft und sich jeweils erläutern lassen, wie die hohen Leistungswerte zustande kommen. Damit hat die Antragsgegnerin die Leistungsdaten ausreichend plausibilisiert.

Sie hat zwei der Referenzen ergänzend durch Telefonate in ausreichender Tiefe geprüft. Das ist nicht zu beanstanden. Insbesondere im Verhältnis zum Angebot der Antragstellerin ohne Referenzen fehlt es an der benachteiligenden Ungleichbehandlung.

b) Das Unterkriterium 4 der Lebenszykluskosten bewertet die Personenstunden für Wartungsarbeiten an vorgegebenen regelmäßig auszutauschenden Fahrzeugbestandteilen binnen 30 Jahren. Auch hinsichtlich der Bewertung der Austauschzeiten ist die Wertung der Antragsgegnerin weder intransparent, noch sachwidrig. Gefordert war im Lastenheft Teil C Ziffer 4.4 Tabelle 4-8 die Angabe einer Summe der Einbau- und Ausbauzeiten einschließlich des jeweiligen Funktionstestes zu den jeweiligen benannten Baugruppen des Fahrzeugs. Ebenso sollte die Häufigkeit der Wechsel pro Fahrzeuge innerhalb eines Betrachtungszeitraumes von 30 Jahren angegeben werden. Daraus ergaben sich Stundenmengen, welche wiederum in Bewertungspunkte umgerechnet wurden. Gewertet wurden die geprüften Angaben der Bieter.

Auch hier ergaben sich ungewöhnlich niedrige Werte. Darüber hinaus stellte die Antragsgegnerin fest, dass Antragstellerin und Beigeladene ihre Angebotswerte in den Verhandlungsrunden teils erheblich nachgebessert hatten. Die Annahme der Antragstellerin, dass die Beigeladene im finalen Angebot ihr Leistungsversprechen erhöht hat, trifft zu.

Auch hier erfolgte eine Angebotsaufklärung beider Angebote mit Schreiben vom 24.06.2022 und 04.07.2022. Die Darstellung der Antragstellerin wurde auf die angebotene Stundenzahl auf die Einheit Radreifenwechsel am Laufdrehgestell komplett und am Triebdrehgestell komplett umgerechnet. Beide Bieter hinterlegten einen detaillierten Ablauf des Ein- und Ausbaus mit Einzelzeiten. Die Beigeladene bezog sich auch hier ergänzend auf ihre Referenzprojekte, benannte das jeweils einschlägige Referenzprojekt für die Tauschzeiten jeweils oben rechts auf der Seite der Datei. Die telefonische Referenzprüfung vom 08.07.2022 ging an dort benannte Referenzgeber. Sie bezog sich auch auf den Wechsel von Tauschteilen und bestätigte im oben beschriebenen Umfang die Angaben der Beigeladenen. Die Antragsgegnerin kam daher zu der Bewertung, dass die Angaben der Beigeladenen plausibel seien.

Weder der Datenabgleich, noch die Referenzabfragen führten zu Anhaltspunkten, die einen Ausschluss eines Angebots rechtfertigen könnten. Damit wurde die Wertung mit einer Genauigkeit durchgeführt, die den Umfang der für die Vergabekammer möglichen Prüfung ausfüllt. Für die Annahme der Antragstellerin, es liege eine ungeeignete Wertungsmethodik vor, die dazu führe, Gleiches könne ungleich bewertet werden, gibt es keine Anhaltspunkte.

Die Vergabekammer ist als branchenfremde Institution nicht hinreichend fachkundig, um aus eigener Anschauung besser als die erfahrenen Verfahrensbeteiligten zu wissen, welche Leistungen im Bereich Austauschteile und Ausfallsicherheit möglich sind. Es kann zum Zeitpunkt des Vergabeverfahrens, also im Stadium der Leistungsversprechen vor Auftragsvergabe, nie völlig sicher sein, ob sich die Leistungsversprechen im Nachhinein als tatsächlich tragfähig erweisen werden.

Die Antragsgegnerin hat sich dagegen mit Angebotsprüfungen und Vertragsstrafen so ausreichend geschützt, dass die Vergabekammer ihren Entscheidungsspielraum überschreiten würde, wenn sie dem Auftraggeber verbieten wollte, das verbleibende Wagnis eingehen zu dürfen.

c) Soweit die Antragstellerin sich dagegen wendet, dass die Antragsgegnerin in der ersten Verhandlungsrunde ein doppeltes Angebot gewertet habe, ist dieser Einwand sachlich unbegründet. Da in der ersten Angebotsrunde die Beigeladene ein doppeltes Angebot hochgeladen hat, besteht die konkrete Möglichkeit einer Beschwer. Allerdings kann die Vergabekammer keine Rechtsverletzung erkennen.

In der Aufforderung zur Angebotsabgabe zur ersten Verhandlungsrunde hat die Antragsgegnerin unter Ziffer II festgestellt, dass mehrere Hauptangebote zugelassen sind. Selbst wenn also die Beigeladene unter Inkaufnahme einer möglichen Wettbewerbsverzerrung zwei Angebote mit unterschiedlichen Inhalten hochgeladen hat, so wäre dies nach den Vorgaben dieser Vergabe zulässig. Die Antragsgegnerin hat nur eines der beiden Angebote gewertet, nämlich das zeitlich später abgegebene Angebot. Zur Begründung hat sie sich auf eine Entscheidung des BGH (Beschluss vom 29.11.2016, X ZR 122/14, Rn. 27) berufen. Der BGH nimmt an, dass eine Absicht, mehrere Angebote zur getrennten Wertung abzugeben, nur dann vorläge, wenn diese Angebote gemeinsam hochgeladen würden. Würde der Bieter nacheinander in zwei Vorgängen zwei Angebote hochladen, solle das zweite Angebot das erste abgebebene Angebot jeweils ersetzen. Aus den Dateien ist erkennbar, dass die Angebote hier zeitversetzt abgegeben wurden. Es bestehen daher keine Einwände gegen die Vorgehensweise der Antragsgegnerin, nur das später abgegebene Angebot zu werten. Eine Rechtsverletzung der Antragstellerin ist dabei ausgeschlossen.

Der Nachprüfungsantrag war daher zurückzuweisen.

III. Kosten

Die Kostenentscheidung folgt aus § 182 GWB.

Die in Ziffer 2 des Tenors festgesetzte Gebühr ergibt sich aus einer Interpolation des Auftragswertes innerhalb des Gebührenrahmens nach § 182 Abs. 2 GWB. Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt 2.500 €, die Höchstgebühr 50.000 € und die Höchstgebühr in schwierigen Ausnahmefällen 100.000 €.

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung vom Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 € (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 € zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 € (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. € (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 - 1998) gegenübergestellt. Dazwischen wird interpoliert.

Der zugrunde zu legende Auftragswert beträgt nach dem Angebot der Antragstellerin, in der Gesamtsumme verbindlicher und optionaler Leistungen xxxxxx € brutto. Dabei wurden die optionalen Leistungen nur zu 50 % berechnet. Dieser Betrag entspricht dem Interesse der Antragstellerin am Auftrag.

Bei einer Ausschreibungssumme von xxxxxx € brutto ergibt sich eine Gebühr in Höhe von xxxxxx €. Es greift daher zugunsten der Verfahrensbeteiligten die oben geschilderte Kappung auf xxxxxx € als Höchstgebühr. Das OLG Celle hat in einem anderen Fall bei etwa gleicher Komplexität (und gleicher Verhandlungsdauer) diese Gebührenhöhe als angemessen angesehen (OLG Celle, Kostenbeschluss vom 19.11.2018, 13 Verg 6/18; vorhergehend VK Niedersachsen, Beschluss vom 07.08.2018; VgK-19/2018). Aufwand und wirtschaftliche Bedeutung des Falles sind außergewöhnlich hoch. Die Antragsgegnerin vergibt einen sehr komplexen und sehr umfangreichen Liefer- und Dienstleistungsvertrag. Sie entwickelt im Dialog mit den Bietern ein völlig neues Fahrzeug und setzt damit vergaberechtlich Meilensteine bei der dringend notwendigen Entwicklung von Lebenszykluskosten. Die gekappte Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten oder Kosten durch Zeugenvernehmungen in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.

Die in Ziffer 3 des Tenors verfügte Kostenlast folgt aus § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Nachprüfungsverfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Der Begriff der Kosten umfasst die Gebühren und Auslagen der Vergabekammer. Für die Ermittlung des Unterliegens ist nicht auf einen etwaigen Antrag abzustellen. Gemäß § 168 GWB ist die Vergabekammer an Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken. Da die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren unterlegen ist, hat sie die Kosten zu tragen.

Gemäß Ziffer 4 des Tenors hat die Antragstellerin der Auftraggeberin als Antragsgegnerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen gemäß § 182 Abs. 4 GWB zu erstatten.

Die anwaltliche Vertretung der Auftraggeberin im Nachprüfungsverfahren gehört nicht grundsätzlich zu den notwendigen Aufwendungen der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung. Grundsätzlich ist der Auftraggeber gehalten, im Rahmen seiner Möglichkeiten vorhandenes juristisch geschultes Personal auch im Nachprüfungsverfahren einzusetzen. Auftragsbezogene Rechtsfragen aus dem Bereich der VgV oder EU-VOB/A wird regelmäßig das mit der Vergabe betraute Personal sachkundig beantworten können. Daher wird die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes regelmäßig nicht notwendig sein, wenn der öffentliche Auftraggeber in einer ex ante zu Beginn eines Nachprüfungsverfahrens (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 30.07.2013 - 11 Verg 7/13) zu erstellenden Prognose zu dem Ergebnis gelangt, dass auftragsbezogene Fragen Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens sein werden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.01.2011, Verg 60/10; OLG Celle, Beschluss vom 09.02.2011, 13 Verg 17/10; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.06.2010, 15 Verg 4/10; OLG München, Beschluss vom 11.06.2008, Verg 6/08, und vom 28.02.2011, Verg 23/10; OLG Dresden, Beschluss vom 14.11.2012 - Verg 8/11). Andererseits ist das Vergaberecht eine komplexe Rechtsmaterie mit Vorschriften aus sowohl nationalem Recht als auch dem Europarecht, die nicht immer im Gleichklang stehen. Soweit der Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens daher hauptsächlich rechtliche Probleme des GWB umfasst, ist im Einzelfall die anwaltliche Vertretung des Antragsgegners durchaus angemessen.

Hier ist die Antragsgegnerin eine öffentliche Auftraggeberin aus dem Verkehrssektor. Es ist daher nicht zu erwarten, dass sie routinemäßig Fachkenntnisse im Vergaberecht vorhält. Die anwaltliche Vertretung der Antragsgegnerin war daher in diesem Fall zur Waffengleichheit geboten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war daher für die Auftraggeberin als notwendig anzuerkennen.

Gemäß Ziffer 5 des Tenors sind die Kosten der Beigeladenen erstattungsfähig. Nach § 182 Abs. 4 Satz 2 GWB sind Aufwendungen des Beigeladenen nur erstattungsfähig, wenn die Vergabekammer sie aus Billigkeitsgründen der unterlegenen Partei auferlegt. Dabei setzt die Erstattungsfähigkeit voraus, dass der Beigeladene sich mit demselben Rechtsschutzziel wie der obsiegende Verfahrensbeteiligte aktiv am Nachprüfungsverfahren beteiligt hat (OLG Brandenburg, Beschluss vom 09.02.2010 - Verg W 10/09, zitiert nach juris Tz. 46; OLG Celle, Beschluss vom 29.06.2010, 13 Verg 47/10, zit. nach ibr-online) Die aktive Beteiligung sah die Rechtsprechung (BGH NZBau 2001, 151 [BGH 19.12.2000 - X ZB 14/00]) ursprünglich erst dann als gegeben an, wenn der Beigeladene sich - entsprechend § 154 Abs. 3 VwGO - umgekehrt auch selbst einem Kostenrisiko ausgesetzt hatte, indem er selbst eigene Sachanträge gestellt hatte. Inzwischen muss lediglich eine dem Beitritt eines Streithelfers der ZPO vergleichbare Unterstützungshandlung erkennbar sein, anhand derer festzustellen ist, welches (Rechtsschutz-)Ziel eine Beigeladene in der Sache verfolgt (OLG Celle, Beschluss vom 27.08.2008 - 13 Verg 2/08). Ist eine solche nicht ersichtlich, handelt es sich bei den entstandenen Aufwendungen der Beigeladenen nicht um solche zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung (OLG Celle, Beschluss vom 29.06.2010, 13 Verg 4/10, zit. nach ibr-online). Hat sich die Beigeladene in einen bewussten Interessengegensatz zu der unterlegenen Partei gestellt und sich dadurch aktiv am Verfahren beteiligt, dass sie eigene Anträge gestellt und diese begründet oder das Verfahren sonst wesentlich gefördert hat, entspricht die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen billigem Ermessen (vgl. Wiese in: Röwekamp//Kus/Portz/Prieß, GWB, 5. Auflage, § 182, Rn. 45; OLG Celle Beschluss vom 12.01.2012, 13 Verg 9/11).

Die Beigeladene förderte das Verfahren mit Schriftsätzen und indem sie zur mündlichen Verhandlung ihre Fachleute beizog. Außerdem hat sie in der mündlichen Verhandlung einen Antrag gestellt. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts im Nachprüfungsverfahren war gemäß § 182 Abs. 4 Satz 4 GWB i.V. m. § 80 Abs. 2 VwVfG für die Beigeladene antragsgemäß als notwendig anzuerkennen. Obwohl das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, ist wegen der Komplexität des Vergaberechts, des Verfahrensrechts im Nachprüfungsverfahren sowie der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltliche Beratung und Begleitung für die Beigeladene erforderlich.

Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den Betrag von xxxxxx unter Angabe des Kassenzeichens

auf folgendes Konto zu überweisen:

x x x x x x

xxxxxx

IV. Rechtsbehelf

...

Gaus
von dem Knesebeck
Sameluck
Herr Sameluck ist krankheitsbedingt an der Unterzeichnung verhindert, so dass seine Unterschrift vom Vorsitzenden ersetzt wird.
Gaus