Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 14.07.2022, Az.: VgK-12/2022

Ausschreibung eines Lieferauftrags über die Erstellung eines Gesamtsystems zur mobilen Datenerfassung für den Rettungsdienst europaweit im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
14.07.2022
Aktenzeichen
VgK-12/2022
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 37368
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

In dem Nachprüfungsverfahren
der xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Antragstellerin -
gegen
den xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Antragsgegner -
beigeladen:
xxxxxx,
- Beigeladene -
wegen
Beschaffung eines Gesamtsystems zur mobilen Datenerfassung für den Rettungsdienst des xxxxxx
hat die Vergabekammer durch den Vorsitzenden MR Gause, die hauptamtliche Beisitzerin ORR'in von dem Knesebeck und den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Kaufmann Bühne auf die mündliche Verhandlung vom 08.07.2022 beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin durch die Zuschlagsentscheidung in ihren Rechten verletzt ist. Der Antragsgegner wird verpflichtet, erneut in die Angebotswertung einzutreten, diese ab dem Stadium der Ermittlung der insgesamt von den Mitgliedern der Bewertungskommission für die Produktpräsentation vergebenen Punkte zu wiederholen und dabei die aus den Gründen ersichtliche Auffassung der Vergabekammer zu beachten.

  2. 2.

    Die Kosten werden auf xxxxxx € festgesetzt.

  3. 3.

    Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen. Der Antragsgegner ist jedoch von der Entrichtung der Kosten befreit.

  4. 4.

    Der Antragsgegner hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten war für die Antragstellerin notwendig.

Begründung

I.

Der Antragsgegner hat mit Auftragsbekanntmachung vom xxxxxx.2022 einen Lieferauftrag über die Erstellung eines Gesamtsystems zur mobilen Datenerfassung für den Rettungsdienst europaweit im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb ausgeschrieben.

Im Rahmen des Teilnahmewettbewerbs wurde den Interessenten eine Aufgabenstellung vorab zur Info mit den Bewerbungsunterlagen zur Verfügung gestellt und einheitlich vorgegeben, um bei der späteren Produktpräsentation einen Vergleich zwischen den Bietern herstellen zu können. Die Aufgabenstellung lautete unter Ziffer 2 wie folgt:

"Am Beispiel eines Verkehrsunfalls mit zwei Verletzten (persönliche und medizinische Daten frei wählbar) soll der Bieter anhand

1. eines qualifizierten Krankentransportes (Einsatz eines Krankentransportwagens der Rettungswache xxxxxx, Beauftragter: xxxxxx) und

2. eines Notfalleinsatzes (Einsatz eines Rettungswagens der Rettungswache xxxxxx, Beauftragter: xxxxxx) mit zeitgleicher Alarmierung eines Notarztes (Einsatz des Notarzteinsatzfahrzeuges vom Standort xxxxxx) im sogenannten Rendezvous-Verfahren

folgende Funktionen/Anwendungen präsentieren und Nachfragen hierzu beantworten:

a. Bedienung der Mobilgeräte anhand der Eingabe aller notwendigen Daten

b. Zusammenführung der Protokolle bei Einsätzen im Rendezvous-Verfahren auf den Mobilgeräten

c. Verhalten bei Einsätzen mit Wartezeiten

d. Übergabe des Protokolls an die Einsatzabrechnung

e. Auswertungsmöglichkeiten und Grafiken

f. Informationsmöglichkeiten an das Rettungsdienstpersonal über die Mobilgeräte

g. Einsatz der "Roten Liste" und anderer Checklisten auf den Mobilgeräten

h. Darstellung der Schnittstellenübergabe an das Einsatzabrechnungsprogramm und das Finanzbuchhaltungsprogramm "xxxxxx" "

Sowohl die Antragstellerin als auch die Beigeladene absolvierten erfolgreich den Teilnahmewettbewerb und wurden zur Abgabe eines indikativen Angebots aufgefordert. Mit dem Angebot waren unter anderem Unterlagen zu den angebotenen Produkten, ein Schulungskonzept, ein Projektplan, ein Datenschutz- und Datensicherheitskonzept, ein Berechtigungskonzept, sowie ein Anforderungskatalog einzureichen.

Laut Abschnitt II. 2.5) der Auftragsbekanntmachung sowie Ziffer 3. der Verfahrensinformation galt für die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots Folgendes:

- Punkte aus Wertung überarbeiteter Angebotspreis: Gewichtung 60 %

- Punkte aus Wertung der Produktpräsentation: Gewichtung 40 %

Nach Abgabe des indikativen Angebots fand gemäß Ziffer 2.3 der Verfahrensinformation eine Produktpräsentation und Verhandlungsrunde statt. Die Bieter hatten dabei die Umsetzung der im Vergabeportal hinterlegten Aufgabenstellung anschaulich zu erläutern, vgl. 1. Absatz Ziffer 2.3.2 der Verfahrensinformation.

Unter Ziffer 2.3.4 der Verfahrensinformation legte der Antragsgegner zur Wertung der Produktpräsentation fest:

"Die Bieter werden anhand drei festgelegter Kriterien während der Präsentation und Fragerunde mit einem Bewertungsbogen bewertet. Grundsätzlich erhält der Bieter von jedem stimmberechtigten Mitglied der Bewertungskommission (sieben Personen) für jedes Bewertungskriterium drei Punkte, mithin insgesamt 63 Punkte.

Sofern bei der Produktpräsentation und der Fragerunde die geforderten Anforderungen nicht oder nicht ausreichend vorgestellt wurden, können Punktabzüge erfolgen.

Die Bieter werden anhand der folgenden Kriterien (und Unterkriterien) bewertet:

1. Geforderte Funktionen wurden anhand der Aufgabenstellung dargestellt

2. Funktionalität und Bedienbarkeit

Die Kriterien Funktionalität und Bedienbarkeit der Mobilgeräte sowie der angebotenen Software (z.B. Einsatzabrechnungssoftware, Einsatznachbearbeitungssystem, Auswertungsmöglichkeiten) werden anhand folgender Unterkriterien bewertet:

- Intuitive Bedienung

(z.B. leicht verständliche Benutzeroberfläche, klare Symbolik, Navigation durch Wischgesten etc.)

- Haptik des Mobilgerätes

(z.B. Tragemöglichkeiten, einfaches und sicheres Einrasten in Halterung, Gewicht, Robustheit bzw. Schutzmöglichkeiten)

- Erkennbarkeit des Praxisbezugs

(z.B. sinnvoller Aufbau und Reihenfolge der Eingabefelder, Verwendung gängiger medizinischer Begriffe, Erleichterung der Anwendung durch Zusatzfunktionen bzw. direkte Verlinkung, sofortige Änderungsmöglichkeiten durch Administratoren gem. Berechtigungskonzept, z.B. Entgelte, Pflichtfelder)

3. Erkennbarkeit eines schlüssigen Gesamtkonzeptes

Das Kriterium wird anhand folgender Unterkriterien bewertet:

- Datenfluss

(Der Datenfluss von der Eingabe in das Mobilgerät bis zur Übergabe an das Finanzbuchhaltungsprogramm erfolgt in einfachen Schritten und funktioniert reibungslos)

- Berücksichtigung der Strukturen des Auftraggebers

(Die dem Bieter bekannten Strukturen des Rettungsdienstes und Anforderungen des Auftraggebers wurden bei der Präsentation berücksichtigt, sodass zu erwarten ist, dass diese auch bei einer Zuschlagserteilung berücksichtigt werden)

- Anpassungsmöglichkeiten

(Nachfragen in Bezug auf die Präsentation und spätere Anpassungsmöglichkeiten können sofort adäquat beantwortet werden)

Die sich aus der Bewertung der Produktpräsentation und Fragerunde ergebenen Punktzahlen werden als prozentualer Anteil an der maximal zu erreichenden Punktzahl (63) ermittelt. Dieser prozentuale Anteil wird für die abschließend zu vergebenen Bewertungspunkte (0 bis 10) wie folgt berechnet:

ErfüllungsgradErreichte Bewertungspunkte
96 bis 100 % der max. zu erreichenden Punktzahl10 Punkte
91 bis 95 % der max. zu erreichenden Punktzahl9 Punkte
86 bis 90 % der max. zu erreichenden Punktzahl8 Punkte
81 bis 85 % der max. zu erreichenden Punktzahl7 Punkte
76 bis 80 % der max. zu erreichenden Punktzahl6 Punkte
71 bis 75 % der max. zu erreichenden Punktzahl5 Punkte
66 bis 70 % der max. zu erreichenden Punktzahl4 Punkte
61 bis 65 % der max. zu erreichenden Punktzahl3 Punkte
56 bis 60 % der max. zu erreichenden Punktzahl2 Punkte
51 bis 55 % der max. zu erreichenden Punktzahl1 Punkt
50 bis 0 % der max. zu erreichenden Punktzahl0 Punkte

Die abschließend ermittelten Bewertungspunkte werden für die Zuschlagserteilung zu Grunde gelegt werden."

Aus der eingereichten Präsentation der Antragstellerin war nicht ersichtlich, dass sie die Aufgabenstellung berücksichtigt hat, die Beigeladene hat hingegen die Aufgabenstellung in ihrer eingereichten Präsentation berücksichtigt.

Nach Durchführung der Verhandlungsgespräche forderte der Antragsgegner die Antragstellerin und die Beigeladene zur Abgabe eines finalen Angebots auf.

Die abschließende Prüfung und Wertung der Angebote durch den Antragsgegner ergab, dass die Beigeladene das wirtschaftlichste Angebot eingereicht hatte.

Der Antragsgegner versandte am 01.06.2022 entsprechende Informationsschreiben nach § 134 GWB an die Bieter.

Nach vorangegangener Korrespondenz rügte die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 07.06.2022 schließlich die Vergabeentscheidung. Sie trägt vor, sie könne das Wertungsergebnis der Präsentation nicht nachvollziehen und rüge daher die Wertung. Sie habe die geforderten Anforderungen im Rahmen der Produktpräsentation vollständig und umfassend vorgestellt und beschrieben. Ein Punktabzug aufgrund von "nicht oder nicht ausreichend'' vorgestellten Anforderungen sei vor dem Hintergrund der Vergabeunterlagen nicht nachvollziehbar.

Der Antragsgegner half der Rüge mit Schreiben vom 08.06.2022 nicht ab.

Aufgrund der Nichtabhilfe der Rüge beantragte die Antragstellerin mit anwaltlichem Schriftsatz vom 10.06.2022 die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens gemäß §§ 160 ff. GWB bei der Vergabekammer.

Die Antragstellerin begründet ihren Nachprüfungsantrag unter Wiederholung und Vertiefung ihrer Ausführungen in dem o.g. Rügeschreiben.

Der Nachprüfungsantrag sei zulässig.

Die Antragstellerin sei antragsbefugt. Die Nichtberücksichtigung des Angebots verstoße gegen das Transparenzgebot und den Gleichbehandlungsgrundsatz. Bei einer rechtskonformen Wertung ihres Angebots hätte sie erheblich höhere Chancen auf die Zuschlagerteilung. Ihr fehle lediglich ein einzelner Punkt in der Bewertung ihrer Produktpräsentation, um als wirtschaftlichstes Angebot auf Platz 1 zu gelangen. Aufgrund des Vergabeverstoßes drohe ihr damit auch ein Schaden.

Der Nachprüfungsantrag sei auch begründet.

Aus der Sicht eines potentiellen verständigen und fachkundigen Bieters müsse die in der Verfahrensinformation unter Ziffer 2.3.4 genannte Vorgabe so verstanden werden, dass es bei der Vergabe der vollen Punktzahl bleiben müsse, wenn die geforderten Anforderungen vollumfänglich und ausreichend vorgestellt worden seien. Denn in diesem Fall liegen die Voraussetzungen für einen Punktabzug nach der in den Vergabeunterlagen bekanntgemachten Wertungssystematik nicht vor. Ziffer 2.3 .4 enthalte insoweit keine Differenzierung nach den Bewertungskriterien. Dieser Maßstab lasse es zudem nicht zu, Punkteabzüge mit inhaltlichen Gründen zu begründen oder in Relation zu der Qualität anderer Bieterpräsentationen zu setzen.

Unter Berücksichtigung dieses Wertungsmaßstabes sei nicht verständlich, wieso der Antragstellerin 13 Punkte von den Mitgliedern der Bewertungskommission abgezogen wurden. Denn im Rahmen der Produktpräsentation der Antragstellerin habe diese eindeutig alle Kriterien und Unterkriterien lückenlos dargestellt und umfassend erläutert. Das Wertungsergebnis könne höchstens dadurch erklärt werden, dass die Bewertung des Antragsgegners auf einer inhaltlichen und vergleichenden Bewertung der Präsentationen sämtlicher Bieter beruhen würde. Dies wäre allerdings unzulässig und stünde im Widerspruch zu den Vergabeunterlagen.

Schließlich hätte das Angebot der Antragstellerin besser bewertet werden müssen. Beispielsweise spreche das zweite Kriterium ("Funktionalität und Bedienbarkeit'') und dessen Unterkriterium "Haptik des Mobilgeräts" im Vergleich mit dem erstplatzierten Bieter für das Angebot der Antragstellerin. Insbesondere Gewicht und Robustheit bzw. Schutzmöglichkeit des von der Antragstellerin angebotenen Mobilgeräts verfüge im Vergleich zur Beigeladenden über ein geringeres Gewicht, eine höhere Fallhöhere sowie über eine höhere und somit bessere Schutzstufe. Zudem sei die Bewertung des Kriteriums 3 durch drei Bewertungsmitglieder nicht ordnungsgemäß erfolgt und der Punktabzug bei der Bewertung des Kriteriums 1 durch ein Bewertungsmitglied nicht vergaberechtskonform. Im Ergebnis stünde der Antragstellerin damit mindestens ein Bewertungspunkt mehr zu, als sie nach derzeitigem Stand erhalten habe.

Die Antragstellerin beantragt,

  1. 1.

    den Antragsgegner bei fortbestehender Beschaffungsabsicht zu verpflichten, die Angebotswertung in vergaberechtskonformer Weise unter Beachtung der Rechtsansicht der Vergabekammer zu wiederholen,

  2. 2.

    hilfsweise: andere geeignete Maßnahmen zur Verhinderung einer Rechtsverletzung der Antragstellerin vorzunehmen,

  3. 3.

    dem Antragsgegner die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin aufzuerlegen,

  4. 4.

    die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin für notwendig zu erklären.

Der Antragsgegner beantragt,

  1. 1.

    den Nachprüfungsantrag abzuweisen,

  2. 2.

    die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für den Antragsgegner für notwendig zu erklären.

Der zulässige Nachprüfungsantrag sei unbegründet.

Aus Sicht des auch von der Antragstellerin herangezogenen objektiven Empfängerhorizonts könne Ziffer 2.3.4 der Verfahrensbeschreibungen nur so verstanden werden, dass es vorliegend nicht auf reine Aufzählung angekommen sei, sondern auch eine inhaltliche Bewertung stattfinden würde. Aus beispielsweise den Kriterien "Funktionalität und Bedienbarkeit" mit den Unterkriterien "Intuitive Bedienung", "Haptik des Mobilgeräts" und "Erkennbarkeit des Praxisbezugs" sowie "Erkennbarkeit eines schlüssigen Gesamtkonzepts" mit den Unterkriterien "Datenfluss", "Berücksichtigung der Strukturen des Auftraggebers" und "Anpassungsmöglichkeiten" ergebe sich, dass sie einer wertenden Betrachtung bedürfen.

Unter Berücksichtigung der Auslegung der Antragstellerin müsse der Antragsgegner für jedes Kriterium die volle Punktzahl erteilen, sofern ein Bieter dieses im Rahmen der Präsentation lediglich anspreche, unabhängig von teilweise großen qualitativen Unterschieden. Diese Bewertung hätte für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit des Angebots keine Aussagekraft, da sie lediglich auf dem Ansprechen einzelner Themen beruhen würde.

Unzutreffend sei auch die Auffassung der Antragstellerin, die Vergabeunterlagen hätten bspw. ein Schulnotensystem mit der Bewertung von Zielerfüllungsgraden enthalten müssen, um eine inhaltliche Bewertung vornehmen zu können. Dies sei nach der sog. "Schulnotenrechtsprechung" des BGH (Beschl. v. 04.04.2017, X ZB 3/17) gerade nicht mehr notwendig.

Bei der Bewertung des Angebots der Antragstellerin habe man inhaltlich zudem berücksichtigen müssen, dass sie als einziger Bieter unabhängig von den genannten Beispielen in der Aufgabenstellung die Funktionen und Anwendungen geschildert und damit die Aufgabenstellung verfehlt habe. Anstatt der insoweit vergebenen 20 Punkte hätte die Antragstellerin tatsächlich keine Punkte bekommen dürfen, so dass sie schon aufgrund dessen keine Chance auf den Zuschlag gehabt hätte. Unter Berücksichtigung dieses Umstands sei der Abzug eines Punktes durch ein Mitglied der Bewertungskommission gerechtfertigt und im Ergebnis sogar noch zu gering.

In Bezug auf die Fallhöhe weise das Produkt der Antragstellerin zwar eine höhere Qualität auf als das Produkt der Zuschlagsprätendentin. Die Unterschiede seien hier jedoch nicht derart groß, dass dies einem Punktabzug der Bewertung der Präsentation der Antragstellerin zwingend entgegenstünde.

Im Übrigen habe entsprechend den Verfahrensbedingungen auch keine vergleichende Wertung der einzelnen Angebote stattgefunden. Vielmehr seien alle Bieter pro Kriterium mit 3 Punkten gestartet. Abzüge seien nur erfolgt, wenn die geforderten Anforderungen nicht oder nicht ausreichend dargestellt wurden.

Per nachgelassenem Schriftsatz hat die Antragstellerin eidesstattliche Versicherungen ihrer an der Präsentation teilnehmenden drei Mitarbeiter vorgelegt, die bestätigen, dass der Live-Präsentation die Aufgabenstellung zu Grunde gelegt wurde. Dies ergibt sich ebenfalls aus den eingereichten Serverprotokollen der Antragstellerin zur durchgeführten Livepräsentation.

Der Antragsgegner reichte eine dienstliche Stellungnahme seiner Mitarbeiterin Frau xxxxxx ein, die Mitglied der Bewertungskommission war. Danach habe die Antragstellerin die Funktionen und Anwendungen ihres angebotenen Produkts zwar vorgestellt, aber nicht, wie in der Aufgabenstellung gefordert, anhand des Beispiels eines Verkehrsunfalls mit zwei Verletzten den qualifizierten Krankentransport und eines Notfalleinsatzes mit zeitgleicher Alarmierung eines Notarztes. Innerhalb der Bewertungskommission sei dieser Umstand mit dem Ergebnis thematisiert worden, dass durch die Bewerterlnnen nur die Darstellung der Funktionen und Anwendungen gemäß Bewertungsbogen bewertet werden sollten, da ansonsten die Antragstellerin keine Punkte für das Bewertungskriterium 1 erhalten hätte.

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Vergabeakten sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 08.07.2022 Bezug genommen.

II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und begründet. Zwar genügt die vorliegende Dokumentation der Angebotswertung in der Vergabeakte überwiegend den Anforderungen des § 8 VgV. Die Dokumentation trägt unter Berücksichtigung des Vortrags des Antragsgegners und der Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren aber nicht die Feststellung des Antragsgegners, dass die Beigeladene das wirtschaftlichste Angebot gemäß § 127 GWB und § 58 VgV abgegeben hat. Wie der Antragsgegner selbst zu Recht vorgetragen hat, würde das Angebot der Antragstellerin in der Gesamtwertung auf Rang 1 liegen, wenn ihr für das Zuschlagskriterium "Punkte aus Wertung der Produktpräsentation"nur ein einziger weiterer Punkt zuzumessen wäre. Nach Feststellung der Vergabekammer sind in drei Fällen die Abzüge von je einem Punkt zu den Unterkriterien 1 und 2 durch Mitglieder der Bewertungskommission nicht gerechtfertigt und werden durch die Anmerkungen in den Bewertungsbögen nicht getragen (Im Folgenden 2 a). Die erst im Zuge des Nachprüfungsverfahrens vorgetragene Darstellung des Auftraggebers, die Antragstellerin habe in der Produktpräsentation die geforderten Funktionen nicht anhand der Aufgabenstellung dargestellt und hätte deshalb für das Kriterium 1 überhaupt keine Punkte erhalten dürfen, wird durch das von der Antragstellerin vorgelegte Serverprotokoll zu ihrer Livepräsentation und auch durch die dazu abgegebenen eidesstattlichen Versicherungen der an der Präsentation beteiligten Mitarbeiter der Antragstellerin widerlegt (im Folgenden 2 b).

1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei dem Antragsgegner handelt es sich um einen öffentlichen Auftraggeber i. S. d. § 99 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 106 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, deren geschätzter Auftrags- oder Vertragswert ohne Umsatzsteuer die jeweiligen Schwellenwerte erreicht oder überschreitet, die nach den EU-Richtlinien festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Lieferauftrag i. S. d. § 103 Abs. 2 GWB, für den gemäß § 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB i. V. m. Art. 4 der Richtlinie 2014/24/EU in der seit 01.01.2022 geltenden Fassung zum Zeitpunkt der hier streitbefangenen Auftragsvergabe ein Schwellenwert von 215.000 € gilt. Die vom Antragsgegner gemäß § 3 VgV geschätzten Kosten für den Gesamtauftragswert überschreiten den Schwellenwert deutlich (Vermerk Kostenschätzung und Sicherstellung Finanzierung vom 12.06.2022).

Die Antragstellerin ist auch gemäß § 160 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und die Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie beanstandet, dass der Antragsgegner das Angebot der Beigeladenen als wirtschaftlichstes Angebot ermittelt hat, nachdem einige Mitglieder der Bewertungskommission zu Unrecht und aus nicht nachvollziehbaren Gründen bei der Bewertung der Präsentation der Antragstellerin Punktabzüge vorgenommen haben. Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Beck VergabeR/Horn/Hofmann, 4. Aufl. 2022, GWB § 160 Rn. 23, Boesen, Vergaberecht, § 107 GWB, Rn. 52). Nach herrschender Meinung und Rechtsprechung sind an diese Voraussetzungen keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags, wenn der Bieter schlüssig einen durch die behauptete Rechtsverletzung drohenden oder eingetretenen Schaden behauptet, also darlegt, dass durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß seine Chancen auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein können (BVerfG, Urteil vom 29.07.2004 - 2 BvR 2248/04; Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, GWB § 160 Rn. 43; vgl. Beck VergabeR/Horn/Hofmann, 4. Aufl. 2022, GWB § 160 Rn. 34; Möllenkamp in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht, 4. Aufl., § 160, Rn. 30 ff.). Ob tatsächlich der vom Bieter behauptete Schaden droht, ist eine Frage der Begründetheit (vgl. BGH, Beschluss vom 29.06.2006 - X ZB 14/06, zitiert nach VERIS). Die Antragstellerin hat eine mögliche Beeinträchtigung ihrer Chancen auf den Zuschlag und damit einen möglichen Schaden schlüssig dargelegt.

Die Antragstellerin hat auch ihrer Pflicht genügt, den geltend gemachten Verstoß gegen die Vergaberechtsvorschriften gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB vor Einreichen des Nachprüfungsantrags innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen nach positiver Kenntniserlangung gegenüber dem Auftraggeber zu rügen. Bei der Vorschrift des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Bieters von den Tatsachen.

Mit Informationsschreiben vom 01.06.2022 gemäß § 134 GWB teilte der Antragsgegner mit, dass er beabsichtige, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen aufgrund des besseren Gesamtwertungsergebnisses zu erteilen. Die Antragstellerin habe insgesamt mit 8,40 Punkten Rang 2 erreicht, wobei sie beim Kriterium Angebotspreis den ersten und beim Kriterium Produktpräsentation den dritten Rang erreicht hat. Auf Nachfrage vom gleichen Tage erläuterte der Antragsgegner der Antragstellerin mit Schreiben vom 02.06. und 03.06.2022, dass die Punktzahl gemäß den Angaben in den Vergabeunterlagen ermittelt wurde. Er wies ferner darauf hin, dass die Antragstellerin bei nur einem Punkt mehr für die Produktpräsentation insgesamt Rang 1 erreicht hätte.

Daraufhin rügte die Antragstellerin mit Schreiben vom 07.06.2022 schließlich die Vergabeentscheidung. Sie erklärte, sie könne das Wertungsergebnis der Präsentation nicht nachvollziehen. Sie habe die geforderten Anforderungen im Rahmen der Produktpräsentation vollständig und umfassend vorgestellt und beschrieben. Ein Punktabzug aufgrund von "nicht oder nicht ausreichend'' vorgestellten Anforderungen sei vor dem Hintergrund der Vergabeunterlagen nicht nachvollziehbar

Die Rüge erfolgte innerhalb der gesetzlichen 10-Tages-Frist und damit rechtzeitig.

Der Nachprüfungsantrag ist somit zulässig.

2. Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet. Die Entscheidung des Antragsgegners, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen, verletzt die Antragstellerin in ihren Rechten gemäß § 97 Abs. 6 GWB. Wie der Antragsgegner selbst zu Recht vorgetragen hat, würde das Angebot in der Gesamtwertung auf Rang 1 liegen, wenn ihr für das Zuschlagskriterium "Punkte aus Wertung der Produktpräsentation"nur ein einziger weiterer Punkt zuzumessen wäre. Die Überprüfung der Protokolle der Bewertungskommission durch die Vergabekammer hat ergeben, dass in drei Fällen vorgenommene Punktabzüge zulasten der Antragstellerin nicht nachvollziehbar begründet wurden und daher nicht gerechtfertigt sind. Angesichts des sehr geringen Abstands in der Gesamtwertung führt die gebotene Neubewertung bereits zu Veränderung der Rangfolge der Angebote. Demgegenüber hat die Antragstellerin durch ihren substantiierten Vortrag im Nachprüfungsverfahren und das von ihr vorgelegte Serverprotokoll zur durchgeführten Livepräsentation die erst im Zuge des Nachprüfungsverfahrens vorgetragene Darstellung des Auftraggebers, die Antragstellerin habe in der Produktpräsentation die geforderten Funktionen nicht anhand der Aufgabenstellung dargestellt, widerlegt. Ein nachträglicher Punktabzug im Rahmen der zu wiederholenden Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes wäre insoweit daher vergaberechtswidrig.

a. Nach Feststellung der Vergabekammer sind in mindestens drei Fällen die Abzüge von je einem Punkt zu den Kriterien 1, 2 und 3 durch Mitglieder der Bewertungskommission nicht gerechtfertigt und werden durch die Anmerkungen in den Bewertungsbögen nicht getragen.

Zwar verfügt der öffentliche Auftraggeber bei der Angebotswertung über einen nur begrenzt nachprüfbaren Beurteilungsspielraum. Die Nachprüfungsinstanzen können diese Entscheidung daher nur auf die Grenzen der Einhaltung des Spielraums, mithin daraufhin kontrollieren, ob das vorgeschriebene Verfahren eingehalten sowie von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen worden ist, keine sachwidrigen Erwägungen in die Entscheidung eingeflossen und allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet worden sind (vgl. Ziekow/Völlink/ Ziekow, 4. Aufl. 2020, GWB, § 127, Rn. 48; Beck VergabeR/Opitz, 3. Aufl. 2017, GWB, § 127, Rn. 88). Nach der im vorliegenden Fall vom Auftraggeber gewählten, nicht zu beanstandenden Wertungsmethode, dass die Bieter in der Präsentation im Grundsatz für jedes der drei festgelegten Kriterien von jedem Mitglied der siebenköpfigen Bewertungskommission drei Punkte erhalten, und etwaige Punktabzüge von jedem Kommissionsmitglied nachvollziehbar auf den Bewertungsbögen (handschriftlich) begründet werden mussten, durften Mitglieder der Bewertungskommission insbesondere keine sachfremden, überraschenden oder unter die Kriterien nicht zu subsumierenden Gesichtspunkte einfließen lassen. Zudem mussten negative Feststellungen bei allen Angeboten gleichmäßig berücksichtigt werden.

Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabs genügt die durch die Aufnahme der Protokolle der Bewertungskommission in die Vergabeakte erfolgte Dokumentation der Bewertung der Produktpräsentation der Antragstellerin zwar überwiegend, aber nicht in allen Fällen den Anforderungen an eine vergaberechtsgemäße Bewertung.

Unter Ziffer 2.3.4 der Verfahrensinformation legte der Antragsgegner zur Wertung der Produktpräsentation fest:

"Die Bieter werden anhand drei festgelegter Kriterien während der Präsentation und Fragerunde mit einem Bewertungsbogen bewertet. Grundsätzlich erhält der Bieter von jedem stimmberechtigten Mitglied der Bewertungskommission (sieben Personen) für jedes Bewertungskriterium drei Punkte, mithin insgesamt 63 Punkte.

Sofern bei der Produktpräsentation und der Fragerunde die geforderten Anforderungen nicht oder nicht ausreichend vorgestellt wurden, können Punktabzüge erfolgen.

Die Bieter werden anhand der folgenden Kriterien (und Unterkriterien) bewertet:

1. Geforderte Funktionen wurden anhand der Aufgabenstellung dargestellt

2. Funktionalität und Bedienbarkeit

Die Kriterien Funktionalität und Bedienbarkeit der Mobilgeräte sowie der angebotenen Software (z.B. Einsatzabrechnungssoftware, Einsatznachbearbeitungssystem, Auswertungsmöglichkeiten) werden anhand folgender Unterkriterien bewertet:

- Intuitive Bedienung

(z.B. leicht verständliche Benutzeroberfläche, klare Symbolik, Navigation durch Wischgesten etc.)

- Haptik des Mobilgerätes

(z.B. Tragemöglichkeiten, einfaches und sicheres Einrasten in Halterung, Gewicht, Robustheit bzw. Schutzmöglichkeiten)

- Erkennbarkeit des Praxisbezugs

(z.B. sinnvoller Aufbau und Reihenfolge der Eingabefelder, Verwendung gängiger medizinischer Begriffe, Erleichterung der Anwendung durch Zusatzfunktionen bzw. direkte Verlinkung, sofortige Änderungsmöglichkeiten durch Administratoren gem. Berechtigungskonzept, z.B. Entgelte, Pflichtfelder)

3. Erkennbarkeit eines schlüssigen Gesamtkonzeptes

Das Kriterium wird anhand folgender Unterkriterien bewertet:

- Datenfluss

(Der Datenfluss von der Eingabe in das Mobilgerät bis zur Übergabe an das Finanzbuchhaltungsprogramm erfolgt in einfachen Schritten und funktioniert reibungslos)

- Berücksichtigung der Strukturen des Auftraggebers

(Die dem Bieter bekannten Strukturen des Rettungsdienstes und Anforderungen des Auftraggebers wurden bei der Präsentation berücksichtigt, sodass zu erwarten ist, dass diese auch bei einer Zuschlagserteilung berücksichtigt werden)

- Anpassungsmöglichkeiten

(Nachfragen in Bezug auf die Präsentation und spätere Anpassungsmöglichkeiten können sofort adäquat beantwortet werden)"

Der Antragsgegner hat die Bewertung der jeweiligen Bieter überwiegend nachvollziehbar in einer den Anforderungen des § 8 VgV genügenden Weise in der Vergabeakte dokumentiert und dargelegt, welche Gründe zu Punktabzügen bei den einzelnen (Unter-)Kriterien geführt haben. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ließen die vorgenannten Bewertungskriterien es auch zu, Punkteabzüge "mit inhaltlichen Gründen zu begründen". Die Kriterien und Unterkriterien gemäß der Verfahrensinformation eröffneten dem Antragsgegner für jeden Bieter objektiv erkennbar insoweit einen Bewertungsspielraum; dies war beispielweise sehr offenkundig anhand des Unterkriteriums "Anpassungsmöglichkeiten" (Nachfragen in Bezug auf die Präsentation und spätere Anpassungsmöglichkeiten können sofort adäquat beantwortet werden)" erkennbar. Eine ausdrücklich vergleichende Bewertung der Angebote war in den Vergabeunterlagen aber nicht festgelegt worden und hat entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht stattgefunden.

Die sieben Mitglieder der Bewertungskommission des Antragsgegners haben allerdings nicht durchgehend eine ausführliche Begründung der jeweiligen Punktabzüge vorgenommen. Für die "Begründung bei Nichterreichen der Maximalpunktzahl" sah der Bewertungsbogen des Antragsgegners für jedes Bewertungskriterium ausdrücklich Platz über eine Seite vor. Ferner konnten die Jurymitglieder unmittelbar zu den festgelegten Unterkriterien Anmerkungen zu einer positiven und negativen Bewertung machen.

Dies haben die meisten Jurymitglieder bei den Kriterien, wo sie zulasten der Antragstellerin einen Punkt abgezogen haben, auch genutzt.

Zum Beispiel hat das Kommissionsmitglied xxxxxx einen Punktabzug beim Kriterium 2 "Funktionalität und Bedienbarkeit" wie folgt begründet:

"Die Bedienung und die Oberfläche des Gerätes erscheinen wenig intuitiv. Sie werden ihren Zweck erfüllen können, insgesamt erscheint mir das Design hier wenig ansprechend und die Bedienung sehr vielschrittig, die Vernetzung zum Beispiel mit xxxxxx umständlich. Übergabe an die xxxxxx nicht so einfach."

Einen Punktabzug beim Kriterium 3 "Erkennbarkeit eines schlüssigen Gesamtkonzeptes" hat sie wie folgt begründet:

"Das Konzept erscheint so als Umstellung einer bisher analogen Dokumentation. Es fehlt der Bezug zu weiteren Entwicklungen (Telemedizin, MPG-Tauglichkeit ...). Es wurde der konkrete Bezug auf den lokalen Rettungsdienst kaum dargestellt. Die Verletzung zu umliegenden Rettungsdiensten und Kliniken erscheint schwierig."

Das Kommissionsmitglied xxxxxx hat einen Punktabzug beim Wertungskriterium 2 "Funktionalität und Bedienbarkeit der Mobilgeräte" mit Mängeln hinsichtlich des Unterkriteriums "Erkennbarkeit des Praxisbezugs" begründet. Dort heißt es:

"Statistikmöglichkeiten erscheinen kompliziert und zukünftige Anforderungen werden noch gar nicht beim System berücksichtigt."

Diese Begründungen tragen die vorgenommenen Punktabzüge. Sie sind sachbezogen und nachvollziehbar.

Demgegenüber enthält der in der Vergabeakte enthaltene Bewertungsbogen des Kommissionsmitglieds xxxxxx keine nachvollziehbaren Begründungen für die von ihm vorgenommenen Punktabzüge. So hat er den Abzug von einem Punkt für das Kriterium 1 "Geforderte Funktionen wurden anhand der Aufgabenstellung dargestellt" lediglich mit der Anmerkung

"Kein MANV"

begründet. MANV ist die Abkürzung für einen "Massenanfall von Verletzten", wozu nach unwidersprochener Erläuterung der Antragstellerin je nach lokaler Definition mindestens 10 - 15 Betroffene gehören. Eine diesbezügliche Funktion oder gar ein "MANV-Modul" lässt sich jedoch nicht unter das Kriterium 1 subsummieren und war dort auch gar nicht gefordert. Denn Maßstab war dort die vom Auftraggeber ausdrücklich festgelegte Aufgabenstellung "Präsentation am Beispiel eines Verkehrsunfalls mit zwei Verletzten".

Diese Bewertung hält sich daher nicht im vom Auftraggeber selbst festgelegten funktionalen Rahmen für dieses Bewertungskriterium. Der Punktabzug ist daher im Rahmen der erforderlichen Neubewertung zu unterlassen.

Gleiches gilt für den Punktabzug beim Bewertungskriterium 2 "Funktionalität und Bedienbarkeit der Mobilgeräte" . Hier hat xxxxxx lediglich vermerkt:

"MANV Modul" und "Datenaustausch MDE-Geräte".

Derartige bloße Stichworte ohne nähere Ausführungen genügen nicht für die nachvollziehbare Begründung eines Punktabzugs.

Auch der in der Vergabeakte enthaltene Bewertungsbogen des Kommissionsmitglieds xxxxxx enthält in Bezug auf das Kriterium 3 keine nachvollziehbaren Begründungen für den von ihm insoweit vorgenommenen Punktabzug. Als Begründung für den Punktabzug im Rahmen der Unterkriterien "Berücksichtigung der Strukturen des Auftraggebers" (Die dem Bieter bekannten Strukturen des Rettungsdienstes und Anforderungen des Auftraggebers wurden bei der Präsentation berücksichtigt, sodass zu erwarten ist, dass diese auch bei einer Zuschlagserteilung berücksichtigt werden) und "Anpassungsmöglichkeiten" (Nachfragen in Bezug auf die Präsentation und spätere Anpassungsmöglichkeiten können sofort adäquat beantwortet werden) wurde als Begründung angegeben:

"s. Seite 3-5".

Die dort genannten Begründungen, wie zum Beispiel

"Die Dokumentation bzw. das Erscheinungsbild der vorgestellten Software wirkt inhaltlich ausreichend aber wenig innovativ. xxxxxx/Algorithmus basiertes Arbeiten sowie MANV Wagen konnten nicht gezeigt werden. Auswirkungen, Statistiken wirken zu kompliziert für den wenig geübten Nutzer."

oder

"es fehlt etwas an einer innovativen Umsetzung, er wirkt als hätte man "einfach" ein Papierprotokoll digitalisiert und weitere Möglichkeiten der besseren Darstellung und für eine flüssigere Bearbeitung im Einsatz vergessen..."

lassen sich nicht unter die vorgenannten Bewertungsmaßstäbe der Unterkriterien "Berücksichtigung der Strukturen des Auftraggebers" und "Anpassungsmöglichkeiten" des Kriteriums 3 subsumieren und können den Punktabzug nicht nachvollziehbar begründen.

Die Überprüfung der Bewertungsbögen durch die Vergabekammer hat somit ergeben, dass drei Punktabzüge nicht nachvollziehbar begründet und damit vergaberechtswidrig erfolgt sind.

b. Die erst im Zuge des Nachprüfungsverfahrens vorgetragene Darstellung des Antragsgegners, die Antragstellerin habe in der Produktpräsentation die geforderten Funktionen nicht anhand der Aufgabenstellung dargestellt und hätte deshalb für das Kriterium 1 überhaupt keine Punkte erhalten dürfen, wird durch das von der Antragstellerin vorgelegte Serverprotokoll zu ihrer Livepräsentation und auch durch die dazu abgegebenen eidesstattlichen Versicherungen der an der Präsentation beteiligten Mitarbeiter der Antragstellerin widerlegt.

Der Antragsgegner hat im Zuge des Nachprüfungsverfahrens vorgetragen, dass er bei der Bewertung des Angebots der Antragstellerin inhaltlich eigentlich habe berücksichtigen müssen, dass sie als einziger Bieter unabhängig von den genannten Beispielen in der Aufgabenstellung die Funktionen und Anwendungen geschildert und damit die Aufgabenstellung verfehlt habe. Anstatt der insoweit vergebenen 20 Punkte hätte die Antragstellerin tatsächlich keine Punkte bekommen dürfen, so dass sie schon aufgrund dessen keine Chance auf den Zuschlag gehabt hätte. Unter Berücksichtigung dieses Umstands sei der Abzug eines Punktes durch ein Mitglied der Bewertungskommission gerechtfertigt und im Ergebnis sogar noch zu gering.

Der Antragsgegner beruft sich für diese Darstellung auf eine Anmerkung des Kommissionsmitglieds xxxxxx. Frau xxxxxx hat in ihrem Bewertungsbogen zum Kriterium 1 unter "Begründung bei Nichterreichen der Maximalpunktzahl" vermerkt:

"Funktionen wurden gezeigt, aber Aufgabenstellung wurde nicht dargestellt."

Trotz dieser Anmerkung hat sie aber gleichwohl die Präsentation der Antragstellerin hinsichtlich des Kriteriums 1 mit der vollen Punktzahl von 3 Punkten bewertet. Lediglich das Kommissionsmitglied xxxxxx hat, wie oben dargelegt, für das Kriterium 1 einen Abschlag vorgenommen, diesen aber mit einem fehlenden MANV-Modul begründet. Alle übrigen Kommissionsmitglieder haben die Präsentation der Antragstellerin bezüglich des 1. Kriteriums mit der vollen Punktzahl bewertet. Frau xxxxxx hat die Darstellung, dass in der Präsentation der Antragstellerin ein Eingehen auf die Aufgabenstellung vermisst wurde, gleichwohl aber diesbezüglich für das Kriterium 1 keine Punkte abgezogen wurden, in einer mit nachgelassenem Schriftsatz des Antragsgegners vom 11.07.2022 vorgelegten dienstlichen Stellungnahme erläutert. Dort heißt es:

"Im Rahmen der Präsentation haben die Vertreter der xxxxxx die Funktionen und Anwendungen ihres angebotenen Produkts zwar vorgestellt, aber nicht, wie in der "Aufgabenstellung Produktpräsentation (Stand: 02.01.2022)" gefordert, anhand am Beispiel eines Verkehrsunfalls mit zwei Verletzten den qualifizierten Krankentransport und einen Notfalleinsatz mit zeitgleicher Alarmierung eines Notarztes. In der Aufgabenstellung wurden explizit zwei verschiedene Rettungsdienstbeauftragte (xxxxxx bzw. xxxxxx) und zwei verschiedene Rettungswachen (Rettungswache xxxxxx bzw. Rettungswache xxxxxx) genannt. Hierauf ist die xxxxxx in ihrer Präsentation nicht eingegangen.

Innerhalb der Bewertungskommission wurde dieser Umstand thematisiert. Es wurde bestimmt, dass durch die BewerterInnen nur die Darstellung der Funktionen und Anwendungen gemäß Bewertungsbogen bewertet werden sollten, da ansonsten die xxxxxxx keine Punkte für das Bewertungskriterium 1 erhalten hätte. Um zu dokumentieren, dass die Aufgabenstellung nicht dargestellt wurde, hat die Unterzeichnerin dies mit ihrem Bewertungsbögen entsprechend vermerkt."

Die Vergabekammer hält es unter Würdigung des dokumentierten Sachverhalts und des Vortrags des Antragsgegners und der Antragstellerin demgegenüber zwar für möglich, dass die Antragstellerin ihre Präsentation nicht in einem so stringenten Maße wie etwa die Beigeladene auf die vorgegebene Aufgabenstellung und damit das festgelegte Szenario gestützt hat. Die Darstellung des Antragsgegners, die Antragstellerin habe bei der Vorstellung der Funktionen und Anwendungen ihres angebotenen Produkts die Aufgabenstellung überhaupt nicht berücksichtigt, wird jedoch durch den substantiierten Vortrag der Antragstellerin und die dazu beigebrachten Belege widerlegt.

Die Antragstellerin hat im Nachgang zur mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer mit nachgelassenem Schriftsatz vom 11.07.2022 eidesstattliche Versicherungen sämtlicher Teilnehmer über den Inhalt der Produktpräsentation der Antragstellerin bei der Antragsgegnerin am 05.05.2022 vorgelegt. In der eidesstattlichen Versicherung des Mitarbeiters xxxxxx heißt es:

"Ich, xxxxxx, geboren am . . . in . . ., wohnhaft . . ., versichere an Eides Statt durch meine Unterschrift folgendes:

Im Präsentations- und Verhandlungstermin am 5. Mai 2022 des Ausschreibungsverfahrens "Mobile Datenerfassung für den Rettungsdienst" des xxxxxx, Ausschreibungsnummer: xxxxxx, fand der Ablauf der Produktpräsentation durch die Mitarbeiter der xxxxxx folgendermaßen statt:

Begleitet von den Folien der gemäß den Vergabeunterlagen eingereichten Power-Point-Präsentation haben wir zunächst das Unternehmen, die allgemeine Produktkonzeptionierung sowie generelle Module und Funktionen der angebotenen Hard- und Softwarelösung erläutert. Die Präsentation der PowerPoint-Datei erfolgte von 13.27 Uhr - 13.47 Uhr durch Herrn xxxxxx.

Anschließend ab 13.47 Uhr haben Herr xxxxxx und Herr xxxxxx sämtliche im Dokument "Aufgabenstellung Produktpräsentation" aufgeführten Funktionen/Anwendungen anhand der im Dokument ebenso aufgegebenen Aufgabenstellung dargestellt. Das ist zum Beispiel wie folgt geschehen:

- Es wurde ein Protokoll eines qualifizierten Krankentransportes mit einem Krankentransportwagen der Rettungswache xxxxxx des Beauftragten xxxxxx angelegt. Es wurde ein Notfalleinsatz angelegt mit einem Rettungswagen der Rettungswache xxxxxx des Beauftragten xxxxxx und eines Notarzteinsatzfahrzeuges (NEF) vom Standort xxxxxx im Rendezvous-Verfahren. Einsatzgrund: Verkehrsunfall. Die medizinischen Angaben wurden frei gewählt, z.B. "Mehrfachverletzung", "stumpfes Thoraxtrauma". Es wurden 2 Patienten erfasst.

- Hinsichtlich der Funktion/Anwendung "Bedienung der Mobilgeräte anhand der Eingabe aller notwendigen Date"' haben wir unter anderem die Nutzeroberfläche erläutert und am Beispiel der geforderten Aufgabenstellung Einsatzprotokolle erstellt:

1 qualifizierten Krankentransport, 1 Notfalleinsatz mit RTW und 1 Einsatz eines NEF im Rendezvous-Verfahren. Gezeigt wurde der Import von Leitstellendaten und der Versichertenstammdaten aus der Gesundheitskarte. Der Einsatzgrund "Verkehrsunfall" wurde erfasst.

- Hinsichtlich der Funktion/Anwendung "Zusammenführung der Protokolle bei Einsätzen im Rendezvous-Verfahren auf den Mobilgeräten"haben wir zum Beispiel die Abrechnungsdaten aus einer der beiden Aufgabenstellungen aus einem Tablet an das Protokoll im anderen Tablet übertragen sowie 1 Einsatzprotokoll vollständig an das andere Tablet übertragen.

- Hinsichtlich der Funktion/Anwendung "Verhalten bei Einsätzen mit Wartezeiten"haben wir u.a. am Beispiel des oben genannten qualifizierten Krankentransportes live gezeigt, wie Wartezeiten dokumentiert und der Einsatz zu einem späteren Zeitpunkt erneut aufgerufen werden kann.

- Hinsichtlich der Funktion/Anwendung "Übergabe des Protokolls an die Einsatzabrechnung"haben wir zum Beispiel live gezeigt, wie die Einsatzdaten aus einer der beiden Aufgabenstellungen an den Server übertragen werden und nachbearbeitet werden können. Es wurde daraus eine Rechnung erzeugt, zu einer Sammelrechnung hinzugefügt und anschließend wieder storniert.

- Hinsichtlich der Funktion/Anwendung "Auswertungsmöglichkeiten und Grafiken"haben wir zum Beispiel einzelne Standardstatistiken gezeigt, das Modul Expressstatistik, Bedarfsplanung und Geo-Auswertung live vorgeführt und erläutert (inkl. Daten aus Aufgabenstellung).

- Hinsichtlich der Funktion/ Anwendung "Informationsmöglichkeiten an das Rettungsdienstpersonal über die Mobilgerät"' haben wir zum Beispiel am Tabletclient die Informationsleiste am unteren Bildschirmrand gezeigt, sowie am Server die Anlage von Informationen demonstriert.

- Hinsichtlich der Funktion/Anwendung "Einsatz der,Roten Liste' und anderer Checklisten auf den Mobilgeräten"haben wir zum Beispiel die Checkliste "Schichtanmeldung" mit Fahrzeugkontrolle live gezeigt, die hinterlegte Medikamentendatenbank und das Erfassen von Medikamenten im Verlauf demonstriert, sowie im xxxxxx-Modul hinterlegte Checklisten und eine Online- Medikamentendatenbank aufgerufen.

- Hinsichtlich der Funktion/Anwendung "Darstellung der Schnittstellenübergabe an das Einsatzabrechnungsprogramm und das Finanzbuchhaltungsprogramm xxxxxx" haben wir zum Beispiel einen erfassten Einsatz an den Server übertragen, abgerechnet und einen Testdatensatz an xxxxxx übertragen.

Diese Beispiele lassen sich bei Bedarf noch weiter konkretisieren.

Ich möchte nochmals betonen, dass wir im Rahmen der Produktpräsentation sämtliche geforderten Funktionen/Anwendungen anhand der Aufgabenstellung präsentiert und sämtliche Nachfragen der Bewertungskommission dazu beantwortet haben.

Eine begleitende Protokollierung der zu zeigenden Funktionen und Anwendungen entsprechend der Aufgabenstellung Punkt für Punkt wurde von mir angefertigt.

Im Anschluss an die Live-Darstellung wurden in der Weise von Erläuterungen mit Folien- Begleitung noch Optionen aus dem Angebot vorgestellt, sowie alle gestellten Fragen beantwortet.

Die in der Anlage zum Schriftsatz vom 11. Juli 2022 eingereichten Protokolle und Screenshots stammen aus dieser Live-Präsentation.

Ich versichere an Eides Statt, dass ich die vorgenannten Angaben nach bestem Wissen und Gewissen gemacht habe und dass die Angaben der Wahrheit entsprechen und ich nichts verschwiegen habe.

Die Strafbarkeit einer falschen eidesstattlichen Versicherung ist mir bekannt, namentlich die Strafandrohung gemäß § 156 StGB mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bei vorsätzlicher Begehung der Tat bzw. gemäß § 161 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafte bei fahrlässiger Begehung der Tat."

Die beiden weiteren an der Präsentation beteiligten Mitarbeiter der Antragstellerin, Herr xxxxxx und Herr xxxxxx haben ebenfalls mit Datum vom 11.07.2022 korrespondierende, inhaltsgleiche eidesstattliche Versicherungen abgegeben.

Die Vergabekammer hat keinen Anlass, an der Glaubwürdigkeit der Mitarbeiter und der Glaubhaftigkeit ihrer Versicherungen zu zweifeln. Sie werden gestützt durch den von der Antragstellerin ebenfalls mit nachgelassenem Schriftsatz vom 11.07.2022 vorgelegten "Auszug Datenbank- und Serverprotokoll zur Demonstration der Aufgabenstellung xxxxxx am 05.05.2022" . Danach wurden für die Livepräsentation vor der Bewertungskommission des Antragsgegners der Aufgabenstellung entsprechend die Vorgänge während der Produktpräsentation auf Tabletts und Server der Antragstellerin angelegt. Aus diesen Screenshots des Serverprotokolls ist ersichtlich, dass die vom Antragsgegner bereits mit den Vergabeunterlagen festgelegte Aufgabenstellung von der Antragstellerin zugrunde gelegt wurde. Bereits der 1. Screenshot enthält Angaben zu einem Einsatz-Datum 05.05.2022. Es wurden die einzusetzenden Fahrzeuge der xxxxxx und xxxxxx benannt. Als Einsatzorte wurden "xxxxxx" und "xxxxxx" angegeben. Transportziele (xxxxxx) wurden ebenso benannt wie fiktive Patienten (xxxxxx, xxxxxx, xxxxxx).

Der 2. Screenshot des Protokolls zeigt, dass die geforderten Stammdaten gemäß Aufgabenstellung angelegt und gezeigt wurden. Bei der 1. Einsatznummer handelt es sich um einen qualifizierten Krankentransport mit der Funkrufnummer "xxxxxx" . Die geforderte Beauftragung durch xxxxxx ist aus dem entsprechenden Zusatz in der Spalte "Standort" ersichtlich. Dass der qualifizierte Krankentransport, wie von der Aufgabenstellung gefordert, mit einem Krankentransportwagen der xxxxxx durchgeführt wird, lässt sich aus den in den Stammdaten hinterlegten zusätzlichen Angaben im Screenshot 2a entnehmen. Zwei weitere Einsatznummern zeigen die Stammdaten bzw. die Einsatzprotokolle eines Notfalleinsatzes (Einsatz eines Rettungswagens xxxxxxx, Beauftragter: xxxxxxx) mit zeitgleicher Alarmierung eines Notarztes (Einsatz eines Notarzteinsatzfahrzeuges vom Standort xxxxxxx im sogenannten Rendevous-Verfahren). Dieses Szenario entspricht somit ebenfalls der vom Auftraggeber für die Präsentation festgelegten Aufgabenstellung.

Weitere Screenshots belegen, dass das Serverprotokoll tatsächlich die Livepräsentation am 05.05.2022 wiedergibt und nicht etwa nachträglich erstellt wurde. So belegt der dritte Screenshot, dass der Einsatz "xxxxxx" auf einem Tablet am 05.05.2022 um 14: 08: 19 Uhr erstellt wurde. Dieser Einsatz wurde am 05.05.2022 um 14: 33: 29 Uhr vom Tablet zum Server übertragen. Der entsprechende Import wurde am 05.05.2022 um 14: 33: 30 Uhr beendet.

Der Screenshot 4a dokumentiert ein erzeugtes Einsatzprotokoll mit einer Einsatzindikation "05" . Dieser Code 05 entspricht ausweislich der Eintragungen in der Maske dem Einsatzgrund "schwerer Verkehrsunfall" und entspricht damit ebenfalls der vom Antragsgegner vorgegebenen Aufgabenstellung.

Der 8. Screenshot beschreibt ausweislich der Eintragungen einen Einsatz im qualifizierten Krankentransport. Dieser wurde am Tablet am 05.05.2022 um 14: 01: 48 Uhr erstellt. Der fiktive Einsatz wurde ausweislich der Eintragungen am 05.05.2022 um 14: 07: 22 Uhr zum Server übertragen. Der entsprechende Import wurde am 05.05.2022 um 14: 07: 22 Uhr beendet.

Der anschauliche Auszug aus dem Serverprotokoll belegt daher, dass die Antragstellerin ihrer Präsentation vor der Bewertungskommission des Antragsgegners am 05.05.2022 ein Szenario zu Grunde gelegt hat, dass der Aufgabenstellung des Antragsgegners entspricht. Der Antragsgegner ist daher nicht berechtigt, der Antragstellerin für das Wertungskriterium 1 "Geforderte Funktionen wurden anhand der Aufgabenstellung dargestellt" nachträglich Punkte abzuziehen.

Unter Berücksichtigung der oben unter 2a ausgeführten, im Zuge der notwendigen erneuten Durchführung der Gesamtwertung vorzunehmenden Korrekturen liegt das Angebot der Antragstellerin somit auf Rang 1. Die Antragstellerin hat damit das wirtschaftlichste Angebot abgegeben. Der Nachprüfungsantrag ist begründet.

III. Kosten

Die Kostenentscheidung folgt aus § 182 GWB in der seit dem 18.04.2016 geltenden Fassung (Art. 1 des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts (Vergaberechtsmodernisierungsgesetz - VergRModG) vom 17.02.2016 (BGBl. I, S. 203), in Kraft getreten gemäß dessen Art. 3 am 18.04.2016).

Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt 2.500 €, die Höchstgebühr 50.000 € und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 €.

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung aus Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 € (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 € zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 € (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. € (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 - 1998) gegenübergestellt. Dazwischen wird interpoliert.

Der zugrunde zu legende Auftragswert beträgt xxxxxx €. Dieser Betrag entspricht der vom Antragsgegner geprüften Gesamtsumme des Angebotes der Antragstellerin inkl. Umsatzsteuer (Vergabedokumentation, rechnerische Überprüfung überarbeitete Angebote) und damit ihrem Interesse am Auftrag.

Bei einer Gesamtsumme von xxxxxx € ergibt sich eine Gebühr in Höhe von xxxxxx €. Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein.

Die in Ziffer 3 des Tenors verfügte Kostentragungspflicht folgt aus § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Nachprüfungsverfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin in der Hauptsache Erfolg hatte.

Der Antragsgegner ist jedoch von der Pflicht zur Entrichtung der auf ihn entfallenden Kosten gemäß § 182 Abs. 1 Satz 2 GWB i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 BVerwKostG befreit (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2005, Az.: 13 Verg 9/05; OLG Dresden, Beschluss vom 25.01.2005, Az.: WVerg 0014/04). Zwar ist das BVerwKostG mit Wirkung vom 15.08.2013 aufgehoben worden, jedoch ist es aufgrund der starren Verweisung aus § 182 Abs. 1 Satz 2 GWB auf das BVerwKostG in der Fassung vom 14.08.2013 hier weiter anzuwenden. Inhaltlich entspricht die dortige Regelung § 8 BGebG.

Die Beigeladene hat vorliegend keinen Antrag zur Hauptsache gestellt. Sie war daher nicht anteilig an den Kosten zu beteiligen.

Kosten der Antragstellerin:

Gemäß Ziffer 4 des Tenors hat der Antragsgegner die der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen gemäß § 182 Abs. 4 GWB zu erstatten. Gemäß § 182 Abs. 4 GWB i. V. m. § 80 Abs. 2 VwVfG in entsprechender Anwendung war auf den Antrag der Antragstellerin gemäß Ziffer 4 des Tenors auszusprechen, dass die Zuziehung eines Rechtsanwalts im Nachprüfungsverfahren für die Antragstellerin notwendig war. Ungeachtet der Tatsache, dass das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, bedurfte die Antragstellerin gleichwohl wegen der Komplexität des Vergaberechts und des das Nachprüfungsverfahren regelnden Verfahrensrechts einerseits sowie auch der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltlicher Beratung und Begleitung.

Angesichts der Tatsache, dass der Antragsgegner im Nachprüfungsverfahren in der Hauptsache unterlegen ist und der Antrag der Antragstellerin Erfolg hatte, hat er die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Kosten der Antragstellerin zu tragen.

IV. Rechtsbehelf

...

Gause
von dem Knesebeck
Bühne