Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 13.10.1999, Az.: 2 U 179/99

Ende eines Versicherungsverhältnisses mit dem Bezug einer Berufsunfähigkeitsrente bzw. Erwerbsunfähigkeitsrente; Wirksamkeit einer Vereinbarung auf Grund der Leistungsfreiheit einer Versicherung bei Bezug einer Berufsunfähigkeitsrente; Wegfall von Krankentagegeld mit Bezug einer Berufsunfähigkeitsrente

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
13.10.1999
Aktenzeichen
2 U 179/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1999, 29131
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1999:1013.2U179.99.0A

Fundstellen

  • NVersZ 2000, 327-328
  • OLGReport Gerichtsort 2000, 47-48
  • VersR 2000, 752
  • VersR 2000, 742-743 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

Krankentagegeldversicherung: Leistungsfreiheit bei Bezug einer Berufsunfähigkeitsrente, kein Verstoß gegen § 9 AGBG.

Gründe

1

1.

Der Anspruch der Beklagten folgt allerdings entgegen der im angefochtenen Urteil vertretenen Ansicht nicht aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 BGB. Hat nämlich der Versicherer in Unkenntnis seiner gemäß § 15 MBKT 94 (im Folgenden: MBKT) eingetretenen Leistungsfreiheit Leistungen erbracht, besteht nach den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung ein vertraglicher Rückzahlungsanspruch entsprechend der Regelung des § 11 Satz 2 MBKT (BGH VersR 1992, 477, 478, 479[BGH 22.01.1992 - IV ZR 59/91]; BGH VersR 1992, 479, 480[BGH 26.02.1992 - IV ZR 339/90]; Prölss-Martin, VVG, 26. Aufl., § 15 MBKT 94 RdNr. 3).

2

2.

Die Beklagte ist jedenfalls ab dem 01.11.1997 gemäß § 15 MBKT in Verbindung mit Nr. 30 Abs. 2 der vereinbarten Tarifbedingungen der Beklagten (im Folgenden: TB) leistungsfrei geworden. Nach § 30 Abs. 2 TB besteht bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit und endet das Versicherungsverhältnis - vorbehaltlich der unter Nr. 31 TB eingeräumten Möglichkeit der Fortsetzung des Vertrags im Rahmen einer Anwartschaftsversicherung - allein mit dem Bezug einer Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeitsrente. Dass der Kläger im vorgenannten Zeitraum Leistungen aus einer privaten Berufsunfähigkeitszusatzversicherung erhalten hat, ist unstreitig. Auf die Frage, ob bzw. zu welchem Zeitpunkt er tatsächlich berufsunfähig geworden ist, kommt es folglich nicht an.

3

Die genannte Klausel ist wirksam. Sie verstößt insbesondere nicht gegen § 9 AGBG. Zwar sind die ohne weitere Ergänzungen in der Krankentagegeldversicherung verwandten Klauseln des § 15 MBKT wegen eines Verstoßes gegen § 9 Abs. 1 und 2 AGBG nichtig, weil der Eintritt der dort genannten Voraussetzungen ohne weiteres zur Vertragsbeendigung führen soll, ohne Dass dem Versicherungsnehmer die Möglichkeit eingeräumt wird, den Vertrag als Anwartschafts- oder Ruhensversicherung weiterzuführen (BGH a.a.O.; Prölss-Martin, § 15 MBKT 94 RdNr. 2). Abgesehen davon, Dass die Nichtigkeit der genannten Klauseln im Ergebnis ohnehin nur der Beendigung des Vertragsverhältnisses und nicht der Leistungsfreiheit des Versicherers entgegenstehen, ist eine Nichtigkeit der im vorliegenden Fall verwandten Klauseln nicht gegeben, da gemäß Nr. 31 TB dem Versicherungsnehmer das Recht auf Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses als Anwartschaftsversicherung ausdrücklich eingeräumt wird.

4

Eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers gemäß § 9 AGBG liegt entgegen der Ansicht der Berufung auch nicht vor, weil nach der genannten Klausel jeder Bezug einer privaten Berufsunfähigkeitsrente - und nicht nur einer solchen aus der gesetzlichen Rentenversicherung - zum Wegfall des Anspruchs auf Krankentagegeld führt. Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 MBKT steht dem Krankentagegeldversicherten das vereinbarte Krankentagegeld nur für die Dauer seiner Arbeitsunfähigkeit zu. Berufsunfähigkeit im Sinn des § 15 MBKT in Verbindung mit Nr. 30 TB und Arbeitsunfähigkeit schließen sich jedoch begrifflich gegenseitig aus. Denn eine Arbeitsunfähigkeit erfordert eine nur vorübergehende Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit, wohingehend eine Berufsunfähigkeitsrente nur gewährt wird, wenn der Versicherungsnehmer nachweist, Dass er dauernd oder zumindest auf nicht absehbare Zeit in seiner Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt ist. Aus diesem Grund kann ein Versicherungsnehmer nicht erwarten, Dass er aus ärztlicher Sicht, auf die in den Bedingungswerken für Krankentagegeld- wie Berufsunfähigkeitsversicherungen und ebenso im Sozialversicherungsrecht abgestellt zu werden pflegt, als arbeits- und zugleich als berufsunfähig beurteilt zu werden (BGH VersR 1989, 392, 393 [BGH 25.01.1989 - VI a ZR 178/87]; BGH VersR 1992, 477, 479) [BGH 22.01.1992 - IV ZR 59/91].

5

Ein Grund zur Differenzierung zwischen dem Bezug einer Berufsunfähigkeitsrente aus einer privaten Versicherung und einer Rente aus einer gesetzlichen Versicherung besteht nicht. Entgegen der Ansicht der Berufung ist es nicht erheblich, Dass es bei der gesetzlichen Rentenversicherung ein förmliches und abschließendes Verfahren über die Feststellung der Berufs- und Erwerbsunfähigkeit gibt. In der Privatversicherung werden die Voraussetzungen für die Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen normiert. Das Vorliegen der Voraussetzungen wird im Streitfall von den ordentlichen Gerichten ebenso überprüft, wie das im sozialgerichtlichen Verfahren der Fall ist. Die Berufsunfähigkeitsrente wird auch von dem privaten Versicherer dem Versicherungsnehmer nicht aufgedrängt, sondern setzt stets einen Antrag des Versicherungsnehmers voraus (BGH VersR 1989, 392, 393) [BGH 25.01.1989 - VI a ZR 178/87].

6

Ebenso wenig kommt es darauf an, Dass der Kläger zunächst die Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung nur aus Kulanz und zum Teil rückwirkend erhalten hat. Auch in einem derartigen Fall kommt es nämlich zu einer Kompensierung des Verdienstentgangs des Versicherungsnehmers ab dem Zeitpunkt, für welchen die Rente letztlich bewilligt ist (BGH VersR 1989, 943, 944 [BGH 12.07.1989 - IV a ZR 201/88]; BGH VersR 1992, 477, 478[BGH 22.01.1992 - IV ZR 59/91]; OLG Koblenz VersR 1995, 653[OLG Koblenz 17.06.1994 - 10 U 1649/93]).

7

3.

Eine Aufrechnung des Klägers mit seinen Beiträgen für die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung aus dem im Schadensrecht geltenden Grundsatz der Vorteilsausgleichung kommt Ebenso wenig in Betracht wie ein Wegfall seiner Bereichung gemäß § 818 Abs. 3 BGB, da die Beklagte weder Schadensersatz- noch Bereicherungsansprüche, sondern einen vertraglichen Rückzahlungsanspruch geltend macht.