Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 08.06.2006, Az.: 2 A 256/04
Abschiebung; Abschiebungshindernis; Abschiebungsverbot; Asyl; Asylantragsteller; Asylbewerber; Belastungsstörung; Flüchtlingseigenschaft; Irak; politische Verfolgung; posttraumatische Belastungsstörung; PTBS; Verfolgung; Widerruf
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 08.06.2006
- Aktenzeichen
- 2 A 256/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 53307
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 73 Abs 1 S 1 AsylVfG 1992
- § 60 Abs 7 AufenthG 2004
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die Feststellung des Vorliegens einer PTBS führt nicht zwangsläufig zur Annahme eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG.
Tatbestand:
Der Kläger ist irakischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit.
Mit Bescheid vom 06.02.1996 hatte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge für den Kläger das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 51 Abs. 1 und 53 Abs. 4 AuslG festgestellt. Aufgrund gerichtlicher Entscheidung erkannte das Bundesamt den Kläger ferner als Asylberechtigten mit Bescheid vom 13.03.1996 an.
Mit Verfügung vom 23.04.2004 leitete die Beklagte das Widerrufsverfahren ein, worauf sich der Kläger dahingehend äußerte, dass eine Rückkehr in den Irak für ihn unzumutbar sei.
Mit Bescheid vom 09.07.2004 widerrief die Beklagte die Asylanerkennung und die Feststellungen zu §§ 51 Abs. 1, 53 Abs. 4 AuslG und stellte zugleich fest, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorlägen. Zur Begründung gab die Beklagte an, es sei nach dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein eine entscheidende Änderung der Sachlage eingetreten, die den Widerruf rechtfertige.
Hiergegen hat der Kläger am 19.07.2004 Klage erhoben, zu deren Begründung er sich im Wesentlichen auf sein Vorbringen im Rahmen der Anhörung im Asylverfahren beruft. Außerdem leide er an einer Posttraumatischen Belastungsstörung aufgrund seiner Erlebnisse im Irak, die ihm eine Rückkehr nach dort unmöglich mache und zudem das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes begründe.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 09.07.2004 aufzuheben;
hilfsweise,
unter entsprechender Aufhebung des angefochtenen Bescheides die Beklagte zu verpflichten, das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 1 bzw. § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG festzustellen.
weiter hilfsweise,
durch ein Sachverständigengutachten der Fa. F. G. in H. Beweis zu erheben über die Tatsache, dass der Kläger infolge der Erlebnisse im Irak an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet, die im Falle einer zwangsweisen Rückkehr in den Irak zu einer lebensbedrohlichen Gesundheitsverschlechterung führen würde.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie tritt der Klage entgegen und verteidigt den angefochtenen Bescheid.
In der mündlichen Verhandlung ist der Facharzt für Psychiatrie Dr. med. I. J. als sachverständiger Zeuge zu der Frage vernommen worden, inwieweit der Kläger an gesundheitlichen Beeinträchtigungen von Krankheitswert leidet und ggf. welchen Schweregrad diese Beeinträchtigungen hätten und wie es sich auf die gesundheitliche Situation des Klägers auswirken würde, wenn er gegen seinen Willen in den Irak verbracht würde. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie auf die beigezogenen Akten des Bundesamtes und der Stadt Göttingen (Beiakten A und B) Bezug genommen. Diese Unterlagen sind ebenso wie die aus der den Beteiligten mit der Ladung übersandten Liste ersichtlichen Erkenntnismittel Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Beklagte durfte die zugunsten des Klägers getroffene Asylanerkennung und die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne von §§ 51 Abs. 1, 53 Abs. 4 AuslG widerrufen.
Die gesetzlichen Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG (in der im Juli 2004 geltenden Fassung) für einen Widerruf der asylrechtlichen Rechtsstellung des Kläger, wie sie mit Bescheiden der Beklagten vom 06.02. und 05.06.1996 begründet worden ist, sind erfüllt. Nach dieser Vorschrift sind die Anerkennung als Asylberechtigter und die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen dafür nicht mehr vorliegen. Dies ist hier der Fall.
Diese Vorschrift ist verfassungsrechtlich unbedenklich, denn sowohl das Asylgrundrecht als auch die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft verleihen anders als die Menschenrechte, die dem Individuum Zeit seines Lebens zustehen, seinem Träger keinen unveränderbaren Status. Vielmehr ist der Bestand dieser Rechtspositionen von der Fortdauer der das Asylrecht bzw. die Flüchtlingseigenschaft begründenden Umstände abhängig. Zu ihnen zählt vor allem die Verfolgungsgefahr (BVerwG, Urteil vom 24.11.1992 - 9 C 3.92 -, Buchholz 402.25, § 73 AsylVfG 1992 Nr. 1, Seite 2). Der Gesetzgeber hatte ausweislich des Gesetzentwurfs der Fraktionen der SPD und FDP bei Schaffung des § 16 Abs. 1 AsylVfG 1982, der insoweit im wesentlichen gleich lautenden Vorgängervorschrift des heutigen § 73 Abs. 1 AsylVfG, vor allem den Fall als Widerrufsgrund vor Augen, dass "in dem Verfolgungsland ein Wechsel des politischen Systems eingetreten ist, so dass eine weitere Verfolgung nicht mehr zu befürchten ist" (BT-Ds. 9/875, Seite 18). Deshalb wird in der von der Kammer geteilten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Voraussetzung des Widerrufs gemacht, dass sich die für die Beurteilung der Verfolgungslage maßgeblichen Verhältnisse nach Ergehen des bestandskräftigen Anerkennungsbescheides bzw. nach Erlass des das Bundesamt entsprechend verpflichtenden verwaltungsgerichtlichen Urteils erheblich geändert haben und die Anerkennung als Asylberechtigter oder die Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 51 Abs. 1 AuslG deswegen nunmehr ausgeschlossen ist (BVerwG, Urteil vom 19.09.2000 - 9 C 12.00 -, BVerwGE 112, 80, 84; Urteil vom 08.05.2003 - 1 C 15.02 -, NVwZ 2004, 113, 114). Der Widerrufstatbestand ist erfüllt, wenn eine Wiederholung der Verfolgungsmaßnahmen wegen zwischenzeitlicher Veränderung im Verfolgerstaat mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann (BVerwG, Urteil vom 24.11.1992, a.a.O., Seite 3).
Der so bestimmte Regelungsgehalt des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG stimmt mit dem Inhalt der sog. "Beendigungsklausel" des Art. 1 C Ziffer 5 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.7.1951 (BGBl 1953 II Seite 560 - Genfer Flüchtlingskonvention - GFK) überein. Diese Bestimmung der GFK besagt, dass ein Flüchtling im Sinne des Abkommens nicht mehr unter dieses Abkommen fällt, wenn er nach Wegfall der Umstände, aufgrund deren er als Flüchtling anerkannt worden ist, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Die GFK schreibt damit weder vor, wie die Flüchtlingseigenschaft festzustellen ist, noch trifft sie Regelungen über den Widerruf des förmlich zuerkannten Flüchtlingsstatus (OVG Münster, Beschluss vom 04.12.2003 - 8 A 3766/03.A -, EZAR 214 Nr. 16). Die "Beendigungsklausel" in Art 1 C Ziffer 5 GFK beruht ebenso wie § 73 Abs. 1 AsylVfG auf der Überlegung, dass in Anbetracht von Veränderungen in dem Land, im Verhältnis zu dem die Furcht vor Verfolgung bestanden hatte, ein internationaler Schutz nicht mehr gerechtfertigt ist, da die Gründe, die dazu führten, dass eine Person ein Flüchtling wurde, nicht mehr bestehen (vgl. zum Ganzen mit Nachweisen, VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.03.2004 - A 6 S 219/04 -, AuAS 2004, 142). Art 1 C Ziffer 5 GFK stellt auch keine weitergehenden Anforderungen an den Widerruf der Flüchtlingseigenschaft als § 73 Abs. 1 AsylVfG. Dies zum einen schon deshalb nicht, weil die GFK keine Regelungen über den Widerruf des Flüchtlingsstatus trifft. Selbst wenn man andererseits - wie dies die Kläger wohl tun - aus dieser Vorschrift ableiten wollte, dass für den Wegfall der Rechtsposition als Asylberechtigter Voraussetzung ist, dass sich die "Umstände" auf grundlegende, nicht nur vorübergehende, d.h. stabile Veränderungen im Verfolgerstaat beziehen müssen, besteht zu der vom Bundesverwaltungsgericht gefundenen und von der Kammer geteilten Rechtsauffassung kein inhaltlicher Unterschied zu § 73 Abs. 1 AsylVfG. Denn nach der zitierten Rechtsprechung setzt der Widerruf im Sinne von § 73 Abs. 1 AsylVfG voraus, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse im Verfolgerstaat so einschneidend und dauerhaft geändert haben, dass der Betroffene ohne Verfolgungsfurcht heimkehren kann.
Eine derart grundlegende Veränderung der Verfolgungssituation ist im Irak eingetreten. Die Kammer schließt sich in ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B. bereits Urteil vom 14.07.2004 - 2 A 77/04 -) der überzeugenden Auffassung des zuständigen Senats des Nds. Oberverwaltungsgerichts an, der in seinem Beschluss vom 30.03.2004 - 9 LB 5/03 - (AuAS 04, 153) ausgeführt hat:
"Dem Kläger droht bei seiner Rückkehr in den Irak weder derzeit noch in absehbarer Zeit eine im Rahmen von Art. 16 a GG bzw. des § 51 Abs. 1 AuslG beachtliche politische Verfolgung. Dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 6. November 2003 ist mit großer, ja mit völliger Eindeutigkeit zu entnehmen, dass sich die politische Lage im Irak durch die am 20. März 2003 begonnene und am 1. Mai 2003 durch die Erklärung des US-Präsidenten Bush als beendet erklärte Militäraktion grundlegend verändert hat. Die Baath-Regierung unter der Führung Saddam Husseins hat, namentlich nach der Festnahme von Saddam Hussein im Dezember 2003, ihre politische und militärische Herrschaft über den Irak vollständig verloren. Der Irak steht nunmehr unter Besatzungsrecht und wird derzeit von einer "Zivilverwaltung" der Koalition ("Coalition Provisional Authority" - CPA) unter dem Sondergesandten des US-Präsidenten, Paul Bremer, sowie einem provisorischen Regierungsrat ("Governing Council") und einem Interims-Kabinett regiert. Der Sturz des Regimes von Saddam Hussein ist nach allen vorliegenden Erkenntnissen eindeutig und unumkehrbar, und zwar trotz der nach wie vor problematischen Sicherheitslage im Irak, insbesondere im Hinblick auf terroristische Anschläge. Eine Rückkehr der Baath-Regierung kann nach den derzeit gegebenen Machtverhältnissen und der Offenkundigkeit der veränderten politischen Gegebenheiten als ausgeschlossen bewertet werden.
Mit den veränderten politischen Gegebenheiten hat sich die Verfolgungssituation des Klägers von Grund auf geändert. Der - in der Vergangenheit in der überwiegenden Anzahl der asylrechtlichen Schicksale vorgenommenen - Anknüpfung an die Asylantragstellung und den langjährigen Auslandsaufenthalt ist mit dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein der Boden entzogen. Die - frühere - Verfolgungssituation gerade durch diese asylbegründenden Umstände ist vielmehr in ihr Gegenteil verkehrt worden. Die bei der Anhörung des Klägers zum Ausdruck gebrachte Gegnerschaft zum Regime Saddam Hussein würde den Kläger nunmehr eher gegenteilig sogar gerade zum Träger bzw. zum Freund der jetzigen und das aktuelle Tagesgeschehen bestimmenden politischen Kräfte machen. Die zuvor eine politische Verfolgung begründenden Umstände haben ihre asylrelevante Bedeutung verloren, weil sie ihre Grundlage allein im Unrechtsregime von Saddam Hussein hatten. Dieser Einsicht ist - soweit ersichtlich - auch die inzwischen die veränderten politischen Gegebenheiten im Irak aufnehmende und bewertende obergerichtliche Rechtsprechung gefolgt (in jüngster Zeit insbesondere BVerwG, Urt. v. 11.2.2004 - 1 C 23.02 - zum Urt. d. Sen. v. 21.6.2002 - 9 LB 155/02 - und Urt. v. 24.2.2004 - 1 C 24.02 - zum Urt. d. Sen. v. 21.6.2002 - 9 LB 3662/01 -; ferner BayVGH, Urt. v. 13.11.2003 - 15 B 02.31751 und 15 B 01.30114 -; SächsOVG, Beschl. v. 28.8.2003 - A 4 B 573/02 - AuAS 2003, 250; Schleswig-Holsteinisches OVG, Beschl. v. 30.10.2003 - 1 LB 39/03 - und vom 28.10.2003 - 1 LB 41/03 -; OVG Münster, Urt. v. 14.8.2003 - 20 A 430/02.A - Asylmagazin 1-2/2004, 17; weiterhin VG Aachen, Urt. v. 11.9.2003 - 4 K 2360/01.A -)."
Neuere Erkenntnisse bestätigen die Annahme, dass eine Rückkehr zu den alten Machtverhältnissen ausgeschlossen ist (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom November 2005). Die aktuelle politische Entwicklung im Irak hält sich im Rahmen der o.a. politischen Zielvorgaben, beschleunigt den Übergang zu einem souveränen irakischen Staat gar, der nichts mehr mit dem Vorgängerregime gemein hat.
Der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Widerrufsbescheides steht weiterhin nicht § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG entgegen. Danach ist von einem Widerruf abzusehen, wenn sich der Ausländer auf zwingende, auf früheren Verfolgungen beruhende Gründe berufen kann, um die Rückkehr in den Staat abzulehnen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, oder in dem er als Staatenloser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Dabei ist zu beachten, dass sich diese Gründe zwar mit Gründen für Abschiebungsverbote nach § 60 AufenthG überschneiden können, dass sich aber die Tatbestandvoraussetzungen der Vorschriften so wesentlich voneinander unterscheiden, dass sich eine gesonderte Prüfung des § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG auch dann nicht erübrigt, wenn ein Abschiebungsverbot nicht vorliegt (VGH Kassel, Beschluss vom 28.05.2003 - 12 ZU 2805/02.A, InfAuslR 2003, 400, 401 zur insoweit vergleichbaren Vorschrift des § 53 AuslG). Inhaltlich führt nicht jede auftretende Beeinträchtigung zum Absehen vom Widerruf. Derartige Gründe müssen vielmehr von einer gewissen Schwere und Tragweite sein, so dass ein Widerruf immer dann zu unterbleiben hat, wenn schwere physische oder psychische Schäden vorliegen, die infolge der bereits erlittenen politischen Verfolgung entstanden sind und die sich bei einer Rückkehr in das Heimatland wesentlich verschlechtern. Darüber hinaus können Gesichtspunkte der Erwerbstätigkeit, einer wirtschaftlichen und sozialen Ausgrenzung, das Lebensalter und der Zeitraum zwischen Verfolgung und Flucht einerseits und Rückkehr andererseits zu berücksichtigen sein (vgl. VGH Kassel, a.a.O.; Renner, AuslR, 7. Aufl. § 73 AsylVfG Rdnr. 12f.). Derartige Gründe liegen bei dem Kläger nicht vor. Persönliche Probleme von Asylrelevanz, die an eine Vorverfolgung anknüpfen, konnte der Kläger nicht erfolgreich geltend machen; insoweit wird auf den angefochtenen Bescheid Bezug genommen.
Der angefochtene Widerrufsbescheid des Bundesamtes ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte ermessensfehlerhaft gehandelt hätte. Gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG stellt das Gericht in Streitigkeiten nach diesem Gesetz auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab. Zu diesem Zeitpunkt ist § 73 Abs. 2a AsylVfG in der Fassung des Art. 3 des Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern -Zuwanderungsgesetz- vom 30.07.2004 (BGBl I Seite 1950), zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes und weiterer Gesetze vom 14. März 2005 (BGBl I 721) anzuwenden. In dessen Satz 1 ist eine Überprüfungspflicht des Bundesamtes hinsichtlich der Voraussetzungen des Widerrufs einer Asylanerkennung spätestens nach Ablauf von drei Jahren vorgesehen. § 73 Abs. 2a AsylVfG regelt in diesem Zusammenhang, dass eine spätere Entscheidung über einen Widerruf dann im Ermessen des Bundesamtes steht, wenn nach Prüfung ein Widerruf nicht erfolgt. Diese Regelung führt in Fällen, in denen die Asylanerkennung oder die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vor Inkrafttreten des Gesetzes am 01.01.2005 erfolgte, jedoch nicht dazu, dass der Beklagten ein Ermessensfehler vorgeworfen werden kann. Richtig ist, dass es insoweit an einer Übergangsvorschrift fehlt. Eine solche sah die Beschlussempfehlung des Innenausschusses vom 10.11.2004 zunächst in § 104 Abs. 6 AufenthG vor (BT-Ds 15/4173). Aus ihr konnte entnommen werden, dass § 73 Abs. 2a AsylVfG auf diejenigen Fälle des Widerrufs und der Rücknahme keine Anwendung finden sollte, die vor dem 01.01.2005 erfolgt waren und nicht gerichtlich aufgehoben worden sind. Auf Empfehlung desselben Ausschusses (Empfehlungen 918/1/04) ist diese Bestimmung nicht Gesetz geworden. Sie ist allerdings erneut und wortgleich in den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes und weiterer Gesetze vom 14.12.2004 (BT-Ds 15/4491) eingeflossen, auf Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses vom 16.02.2005 (BT-Ds 15/4870) indes erneut aus dem Gesetz gestrichen worden. Immerhin lässt sich den Vorgängen die gesetzgeberische Motivation entnehmen, § 73 Abs. 2a AsylVfG nicht auf Fälle Anwendung finden zu lassen, in denen vor dem 01.01.2005 Rechtsstellungen der ausländischen Flüchtlinge widerrufen wurden. Dieses Ergebnis entspricht auch dem Sinn und Zweck der Neuregelung.
Ferner hat der Kläger auch nicht den hilfsweise geltend gemachten Anspruch gegen die Beklagte auf Feststellung, dass in seinem Fall die Voraussetzungen von § 60 Abs. 1 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG- Art. 1 i.V.m. Art. 15 Abs. 3 Nr. 1 des Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz) vom 30. Juli 2004, BGBl I, Seite 1950) oder Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 6 AufenthG vorliegen.
Dass kein Fall des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegt, ergibt sich bereits daraus, dass - wie oben dargelegt - ihm bei einer Rückkehr in den Irak keinerlei politische Verfolgung droht.
Anknüpfungstatsachen für die Annahme eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG sind für den Kläger zwar vorgetragen, es liegt aber gleichwohl nicht vor. Soweit er sich darauf beruft, infolge der Erlebnisse im Irak vor seiner Ausreise an einer PTBS zu leiden, trifft dies zwar im Grundsatz zu. Denn der Zeuge Dr. J. hat dies nicht nur in seinen schriftlichen Stellungnahmen - zuletzt vom 05.12.2005 - , sondern auch in der mündlichen Verhandlung anlässlich seiner Vernehmung als sachverständiger Zeuge bestätigt. Das Gericht bezweifelt die Richtigkeit dieser von Sachverstand geprägten ärztlichen Erkenntnisse des Zeugen nicht. Gleichwohl folgt aus dieser Feststellung des Vorliegens einer PTBS nicht - quasi automatisch - die vom Kläger begehrte Rechtsfolge. Denn gesundheitliche Beeinträchtigungen von Asylbewerbern infolge einer PTBS führen nicht generell zur Annahme eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG. Vielmehr muss es infolge der Erkrankung zu einer wesentlichen, lebensbedrohlichen Verschlechterung der gesundheitlichen Situation des Ausländers kommen. Eine solche drastische Verschlechterung ist aufgrund der fachärztlichen Stellungnahmen und der Aussage des Zeugen in der mündlichen Verhandlung für den Kläger mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht zu besorgen. Dass akute Suizidalität nicht vorliegt, hat der Zeuge ausdrücklich bestätigt und konnte im Hinblick auf die Stabilisierung, die der Kläger durch seine Familie erfährt, auch für den Fall einer Rückführung in den Irak nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden.
Soweit die Prozessbevollmächtigte des Klägers im Wege eines Hilfsbeweisantrages die Begutachtung des Klägers durch die Fa. F. G. in H. angeregt hat, ist das Gericht dem nicht gefolgt. Denn zum einen steht bereits fest, dass der Kläger an einer PTBS leidet und zum anderen ist nicht ersichtlich - und auch nicht vom Kläger vorgetragen oder behauptet -, dass die Erkenntnisse des ihn behandelnden Psychiaters, der ihn seit langem kennt und vielfache Untersuchungen durchgeführt bzw. Gespräche mit ihm geführt hat, über die derzeit fehlende Suizidgefahr und die mangelnde Prognose einer drastischen Verschlechterung des Gesundheitszustandes im Falle einer zwangsweisen Rückführung in den Irak falsch wären. Die möglichen Folgen einer PTBS abzuschätzen bewegt sich ohnehin weitgehend im Spekulativen. Und das Gericht ist davon überzeugt, dass dies niemand besser kann als ein - wie hier mit dem nötigen Sachverstand versehener - behandelnder Psychiater bzw. Psychotherapeut.
Die allgemein schlechte Sicherheitslage im Irak führt schließlich auch nicht zur Begründung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind dieselben wie in dem früheren § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG, weshalb auch insoweit auf die hierzu ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann. Die Kammer folgt auch diesbezüglich der zitierten Rechtsprechung des Nds. Oberverwaltungsgerichts, das insoweit ausgeführt hat:
„Der Kläger kann auch keinen Abschiebungsschutz im Rahmen des § 53 Abs. 6 AuslG - nur die Frage stellt sich hier - beanspruchen. Diese Vorschrift setzt das Bestehen einer konkreten Gefahr voraus, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie vom Staat ausgeht oder ihm zuzurechnen ist (BVerwG, Urt. v. 17.10.1995 - 9 C 9.95 - BVerwGE 99, 324). Dabei reicht allerdings allein die theoretische Möglichkeit, Opfer von Eingriffen in die genannten Rechtsgüter zu werden, nicht aus, um eine Gefahr in diesem Sinne zu begründen. Vielmehr ist erforderlich, dass eine einzelfallbezogene, individuell bestimmte und erhebliche Gefährdungssituation mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit landesweit besteht (BVerwG, Urt. v. 17.10.1995 - aaO; BVerwG, Urt. v. 15.4.1997 - 9 C 38.96 - BVerwGE 104, 265).
Eine dem Kläger drohende konkrete Gefahr in diesem Sinne ist derzeit nicht ersichtlich.
Nach den vorliegenden Erkenntnisquellen kann auch im Hinblick auf die Versorgungslage im Irak nicht von einer (extremen) existenziellen Gefährdung einzelner Rückkehrer ausgegangen werden. Nach der Wiederaufnahme des „Oil for Food“-Programm auf Grund der UN-Sicherheitsrats-Resolution Nr. 1.483 hat sich die Versorgungslage im Irak spürbar entspannt (S. 10 f des Lageberichts vom 6. November 2003). Hinzu kommt das World-Food-Programm der UN und ähnliche Programme von nicht staatlichen Hilfsorganisationen, der derzeit relativ freie Warenverkehr von und nach dem Irak sowie die Erträge der irakischen Landwirtschaft. Die Versorgung mit sauberem Trinkwasser kann zwar weiterhin örtlich problematisch sein, ohne dass es insoweit aber zu existenziellen Gefährdungen kommt. Allgemein ist festzustellen, dass im kurdischen Norden des Landes die Versorgung mit Wasser besser als im Süden funktioniert.
Angesichts dieser - zwar - nach wie vor angespannten, im Wesentlichen aber doch (landesweit) gesicherten Versorgungssituation im Irak ist mit Existenzgefährdungen Einzelner im Rückkehrfalle nicht zu rechnen. Dies gilt auch für den Kläger, der auch dann, wenn er allein in den Irak zurückkehren wird, dort wie andere gesunde Gleichaltrige leben und als Hochschullehrer beim Wiederaufbau seines Landes mitwirken kann.“
Das Nds. OVG hält an den vorstehenden Erkenntnissen auch in neueren Entscheidungen unverändert fest (vgl. Beschl. vom 09.02.2005 - 9 LA 31/05 - und vom 01.03.2005 - 9 LA 46/05). Die Kammer teilt diese Rechtsprechung - auch im Hinblick auf die neuere Rechtsprechung des VG Köln (Urteil vom 10.06.2005 - 18 K 4074/04.A) - ausdrücklich.
Abschließend nimmt das Gericht gem. § 77 Abs. 2 AsylVfG auf den angefochtenen Bescheid Bezug.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf §§ 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.