Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 15.06.2006, Az.: 4 A 70/05
Bedrohung; Drohung; Erforderlichkeit; Grund; Kind; Kindeswohl; Nachstellung; Name; Namensänderung; Scheidungshalbwaise; Vater; Waise; Wichtigkeit; Änderung
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 15.06.2006
- Aktenzeichen
- 4 A 70/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 53314
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 3 Abs 1 NamÄndG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Beharrliche Nachstellungen und Drohungen durch den nicht sorgeberechtigten Vater können einen wichtigen Grund für die Änderung des Nachnamens des Kindes darstellen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Änderung des Nachnamens seines dem Rechtsstreit beigeladenen Sohnes.
Der 1994 geborene Beigeladene stammt aus einer im Jahre 2002 geschiedenen Ehe des Klägers. Als Familiennamen erhielt er den Nachnamen des Klägers. Mit Beschluss des Familiengerichts I. vom 24.1.2003 erhielt die Mutter des Beigeladenen das alleinige Sorgerecht. In den Gründen des Beschlusses heißt es:
„Die Parteien leben seit September 1998 getrennt. ... Durch die ständigen Nachstellungen fühlte sich die Kindesmutter bedroht, so dass sie mehrfach versuchte, unterzutauchen. Ihr Aufenthalt wurde jedoch jeweils vom Kindesvater wieder ausfindig gemacht. ... Das Familiengericht hat versucht, Besuchskontakte zwischen Vater und Sohn mit Hilfe eines Verfahrenspflegers als Begleitperson wiederherzustellen. Vor dem bereits anberaumten dritten Besuchskontakt, der schon gegen die Widerstände des Kindes anberaumt war, erklärte der Kindesvater, er sehe es nicht ein, jedes mal für diese kurzfristigen Kontakte von T. nach I. zu fahren. Er bestehe darauf, dass der Sohn ihn in T. besuche. Im Hinblick auf diese unverständliche Haltung des Kindesvaters wurden keine Versuche mehr seitens des Gerichts unternommen, Besuchskontakte zwischen Vater und Sohn herzustellen. Der Kindesvater stellt dem Kind und der Kindesmutter jedoch in der Folgezeit weiterhin nach. So hielt er sich mehrfach in der Nähe des Hauses der Eltern der Kindesmutter auf, die sich durch dieses Verhalten auch bedroht fühlten. Bei dem letzten Vorfall am 6.12.2002 kam es wieder zu einer Eskalation mit dem Vater eines Spielgefährten des gemeinsamen Sohnes, aufgrund derer die Nachbarn die Polizei riefen. ... Die derzeitige Situation stellt damit eine erhebliche Belastung für die Kindesmutter und auch für den gemeinsamen Sohn dar, so dass das Kindeswohl gefährdet ist. Die elterliche Sorge war daher auf die Kindesmutter allein zu übertragen. In der mündlichen Verhandlung vom 16.1.2003 ist dem Kindesvater noch einmal eindringlich klar gemacht worden, dass er mit seinem gegenwärtigen Verhalten auf dem besten Wege ist, sich jegliche Kontakte zu seinem Sohn selbst zu verbauen. Es bleibt zu hoffen, dass der Kindesvater sein Verhalten entsprechend ändern wird und damit die Gelegenheit besteht, vorsichtig Kontakte zwischen Vater und Sohn aufzubauen.“
Am 15.1.2004 hat die Mutter des Beigeladenen die Änderung des Nachnamens für sich selbst und den Beigeladenen beantragt. Zur Begründung gab sie an, der Kläger habe ihr nach der Trennung gedroht, sie umzubringen und den Beigeladenen zu entführen. Sie sei in der Vergangenheit aufgrund der Drohungen des Klägers neunmal umgezogen. Aufgrund des Namens bestehe die Gefahr, dass der Kläger sie erneut auffinden könne. Auch der Beigeladene, der mittlerweile unter psychogenem Asthma leide, könne nach einer Namensänderung angstfreier leben.
Unter dem 6.9.2004 erhob der Kläger Einwände gegen die Namensänderung. Der Beigeladene liebe ihn und sei stolz, den gemeinsamen Nachnamen zu tragen. Die Namensänderung würde ihn zusätzlich verunsichern und ihm die Zugehörigkeit zu seinem Vater nehmen.
In seiner Stellungnahme vom 18.10.2004 kam das Jugendamt der Beklagten zu dem Ergebnis:
„Es ist eindeutig im Interesse des Kindeswohls, wenn Mutter und Kind die Chance haben durch den neuen Namen besser geschützt, friedvoller leben zu können. Einer Namensänderung wird deshalb seitens des Fachbereiches Jugend ausdrücklich zugestimmt.“
Mit Bescheid vom 26.10.2004 entsprach die Beklagte dem Antrag auf Änderung des Nachnamens des Beigeladenen. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Bescheid vom 23.2.2005, zugestellt am 3.3.2005, zurück.
Am Montag, dem 4.4.2005, hat der Kläger Klage erhoben. Er ist der Auffassung, dass die Namensänderung dem Kindeswohl widerspreche. Der Beigeladene sei an seinen Namen gewöhnt und sei selbst gegen eine Namensänderung. Die zwei Jahre alten Stellungnahmen der Mutter des Beigeladenen seien nicht geeignet, die Namensänderung zu rechtfertigten, sondern gäben nur deren persönliche Verletztheit wieder.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 26.10.2004 und deren Widerspruchsbescheid vom 23.2.2005 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf ihre Bescheide.
Der Beigeladene hat sich nicht geäußert.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten sowie deren Widerspruchsbescheid sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Rechtsgrundlage der Namensänderung ist § 3 Abs. 1 des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen - NamÄndG - vom 5.1.1938 i.d.F. des Gesetzes vom 21.8.2002 (BGBl. I S. 3322). Danach darf ein Familienname nur geändert werden, wenn ein wichtiger Grund die Änderung rechtfertigt.
Ein die Namensänderung rechtfertigender wichtiger Grund i.S.d. § 3Abs. 1 NamÄndG ist dann gegeben, wenn die Abwägung aller für und gegen die Namensänderung streitenden Umstände ein Übergewicht der für die Änderung sprechenden Interessen ergibt ( BVerwG , Buchholz 402.10 § 11 NamÄndG Nr. 3 = NJW-RR 1989, 771 [BVerwG 01.02.1989 - BVerwG 7 B 14/89]; BVerwG , Buchholz 402.10 § 11 NamÄndG Nr. 4). Bei der Namensänderung von Kindern aus geschiedenen Ehen ist entsprechend der in § 1618 S. 4 BGB zum Ausdruck kommenden Wertung ein wichtiger Grund für die Namensänderung nach § 3Abs. 1 NamÄndG nur anzunehmen, wenn die Namensänderung für das Kind erforderlich ist und andere zu berücksichtigende Interessen nicht überwiegen. Mit der Wahl des Begriffs der „Erforderlichkeit“ hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass für die Namensänderung Gründe angeführt werden müssen, die über die für die bloße „Förderlichkeit“ für das Kindeswohl sprechenden Gesichtspunkte hinausgehen müssen. Dabei ist auch die Namenskontinuität ein wichtiger Kindesbelang. Im Konfliktfall wird der Namenskontinuität des Kindes zu dem nicht sorgeberechtigten Elternteil ein hohes Gewicht beigemessen. Damit wird nicht nur ein gewisser Ausgleich zum Wegfall des Sorgerechts geschaffen und das Band zwischen dem Kind und dem nicht sorgeberechtigten Elternteil nach außen bekundet und insoweit verfestigt. Es sollen auch für das Kind schädliche Folgen der Veränderung in seinem sozialen Umfeld möglichst vermieden werden (BVerwG, Urteil vom 20.2.2002, NJW 2002, 2406 [BVerwG 20.02.2002 - BVerwG 6 C 18/01]).
Nach diesen Grundsätzen ist eine Namensänderung nicht schon dann gerechtfertigt, wenn sie nur dazu dienen soll, dem Kind mit der Namensverschiedenheit zum sorgeberechtigten Elternteil verbundene Unannehmlichkeiten zu ersparen, die ohnehin nur altersbedingt und damit vorübergehender Natur sind, die gedeihliche Entwicklung des Kindes aber nicht ernstlich beeinflussen. Kinder können nicht völlig konfliktfrei ins Leben treten; in gewissem Umfang müssen sie mit den mit einer Scheidung ihrer Eltern verbundenen Problemen - so auch mit einer etwaigen Namensverschiedenheit - zu leben lernen. Andererseits ist das Kriterium der Erforderlichkeit der Namensänderung im Hinblick auf das Kindeswohl nicht so zu verstehen, dass damit die Grenze markiert wird, jenseits derer das Wohl des Kindes ernsthaft und dauernd gefährdet erscheint; die Erforderlichkeit ist nicht daran zu messen, ob die Grenze der Belastbarkeit des Kindes erreicht ist oder nicht. Immerhin müssen jedoch schwerwiegende Nachteile zu gewärtigen sein oder die Namensänderung für das Kind solche erheblichen Vorteile mit sich bringen, dass verständigerweise die Aufrechterhaltung des Namensbandes zu dem nicht sorgeberechtigten Elternteil nicht zumutbar erscheint ( BGH , Beschluss vom 24.10.2001 - XII ZB 88/99 -, NJW 2002, 300; BVerwG, Urteil vom 20.2.2002, a.a.O.).
Die Änderung des Namens des Beigeladenen ist nach diesen Maßstäben erforderlich. Nach den Feststellungen des Familiengerichts und des Jugendamtes hat der Kläger den Beigeladenen und dessen Mutter über einen längeren Zeitraum hinweg verfolgt und bedroht. Bei einem Vorfall im Dezember 2002 verhielt sich der Kläger derart aggressiv gegenüber dem Vater eines Freundes des Beigeladenen, dass ein Einschreiten der Polizei erforderlich war (Familiengericht I. - U. -, Bl. 16 - 18 d. Akte). Die Mutter des Beigeladenen fühlte sich aufgrund der Nachstellungen genötigt, mit dem Beigeladenen mehrmals umzuziehen und die Arbeitsstelle zu wechseln. Zeitweise hielten sie sich im Frauenhaus auf. Vor diesem Hintergrund kam das Jugendamt der Beklagten zu dem Ergebnis, es sei „eindeutig im Interesse des Kindeswohls, wenn Mutter und Kind die Chance haben durch den neuen Namen besser geschützt, friedvoller leben zu können“.
Dem schließt sich die Kammer an. Die Beeinträchtigungen des Beigeladenen gehen erheblich über das hinaus, was Kindern an Belastungen durch auch nach der Scheidung noch andauernde Streitigkeiten zwischen den Eltern zugemutet werden kann. Die Namensänderung ist erforderlich, um dem Beigeladenen zu ermöglichen, sich ein soziales Umfeld ohne Furcht vor Übergriffen seitens des Klägers zu schaffen. Nicht ersichtlich ist, dass sich die Situation seit der Stellungnahme des Jugendamtes aus dem Jahre 2004 grundlegend geändert hat. Der Kläger hat eingeräumt, den Kontakt zur Familie des Beigeladenen gesucht und dabei auch Strafanzeigen wegen Beleidigung in Kauf genommen zu haben. Ein Strafverfahren laufe zurzeit noch gegen ihn.
Andere zu berücksichtigende Interessen überwiegen nicht. Das Interesse des Klägers an dem Fortbestand der Namensverbundenheit mit seinem Sohn ist aus Gründen, die in den Verantwortungsbereich des Klägers fallen, hier nachrangig gegenüber dem Interesse des Beigeladenen an der Namensänderung. Der Kläger ist seit mehr als drei Jahren nicht mehr für den Beigeladenen sorgeberechtigt. Besuchskontakte mit dem Beigeladenen, die mit Hilfe eines Verfahrenspflegers zustande gekommen waren, hatte er vor der Übertragung des Sorgerechts auf die Mutter aus eigenem Antrieb abgebrochen. Auch für die Folgezeit ist nicht ersichtlich, dass sich der Kläger in angemessener Weise um eine Pflege der Vater-Kind-Beziehung bemüht hat. Den Akten ist lediglich ein der Beklagten mit der Bitte um Weiterleitung zugestelltes Glückwunschschreiben zum 10. Geburtstag des Beigeladenen zu entnehmen, das der Kläger im Zusammenhang mit seiner Anhörung zur Namensänderung verfasste. Die bereits mit Schriftsatz vom 29.11.2004 angekündigte Anbahnung eines erneuten Umgangsrechts hat der Kläger offenbar erst mit Schreiben vom 31.5.2006 eingeleitet, mit dem er nach eigenen Angaben einen Umgangsantrag gestellt haben will. Aus welchen Tatsachen der Kläger seine Einschätzung ableitet, der Beigeladene sei gegen eine Namensänderung, ist vor diesem Hintergrund nicht ersichtlich. Eine persönliche Verbundenheit zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen, die durch den gemeinsamen Namen erhalten und gestärkt werden könnte, ist danach nicht erkennbar.
Bei dieser Sachlage hat es der Kläger hinzunehmen, dass ihm der geänderte Nachname, der nicht Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung ist, unbekannt bleibt.
Da der Kläger unterliegt, hat er gemäß § 154 Abs. 1 die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht für erstattungsfähig zu erklären, weil der Beigeladene keinen Antrag gestellt hat und sich damit keinem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. §§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Gründe, die Berufung zuzulassen, liegen nicht vor.