Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 22.06.2006, Az.: 2 A 200/05
Angemessenheit; Arbeitsplatz; außerordentliche Kündigung; Integrationsamt; Kündigung; Schwerbehinderter; Sonderkündigungsschutz; Zumutbarkeit; Zustimmung; Änderungskündigung
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 22.06.2006
- Aktenzeichen
- 2 A 200/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 53310
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 626 BGB
- § 89 Abs 2 SGB 9
- § 91 Abs 2 SGB 9
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Zur Angemessenehit und Zumutbarkeit eines einem Schwerbehinderten im Zuge einer Änderungskündigung angebotenen Arbeitsplatzes.
Tatbestand:
Der Kläger wehrt sich gegen die Zustimmung des beklagten Amtes zu der außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Änderungskündigung seines Arbeitsverhältnisses durch den Beigeladenen.
Der am … geborene Kläger war seit 1976 bei der Firma Gebrüder M. GmbH in E., einem größeren Sägewerk, welches sich seit 1995 im Konkurs befindet, als ungelernter Arbeiter beschäftigt. Er war u. a. als Staplerfahrer und Maschinenführer und seit 1989 im 2-Schicht-Betrieb als Kranführer des sogenannten Kurzholzkranes eingesetzt. Der Kranführer ist während der gesamten Schicht allein im Führerstand des 19 m hohen Krans, den er nach einem Aufstieg über eine ca. 11 m hohe Leiter erreicht; hier steuert er einen Greifer, der bis zu 16 Tonnen schwere Stämme anhebt und mit bis zu 100 m pro Minute in Längsrichtung sowie bis zu 120 m pro Minute in Querrichtung beschleunigt, um sie zur Weiterverarbeitung abzulegen. Pro 8-Stunden-Schicht werden um die 800 Tonnen Stämme aufgenommen, transportiert und abgelegt. Durch das ständig erforderliche Heruntersehen auf die Fließbänder kommt es zu einer dauernden Verkrümmung der Halswirbelsäule. Es bleibt wenig Luft, um zu entspannen. Der Arbeitsplatz ist ständigen Stresssituationen ausgesetzt und verlangt höchste Konzentration.
Zwischen 2001 und 2003 kam es bei dem Kläger zu erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten, die den Beigeladenen veranlassten, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zu kündigen. Das arbeitsgerichtliche Kündigungsschutzverfahren wurden unterbrochen, nachdem der Kläger durch Bescheid des Arbeitsamtes U. vom 05.11.2003 zunächst einem Schwerbehinderten gleichgestellt und mit Bescheid des Versorgungsamtes V. /J. mit Bescheid vom 22.12.2003 einen Grad der Behinderung von 50 zuerkannt bekam. In dem Bescheid werden folgende Funktionsbeeinträchtigungen genannt:
1. Depressive Störung mit psychosomatischer Beeinträchtigung (Einzel-GDB: 40),
2. Funktionseinschränkung der Wirbelsäule, Schulter-Arm-Syndrom, Gefühlsstörungen in Armen und Beinen (Einzel-GDB: 30).
Der Beigeladene forderte den Kläger unter dem 23.01.2004 ultimativ auf, am 26.01.2004 in das Büro der Firma M. zu kommen, damit eine arbeitsmedizinische Abstimmung mit der Betriebsärztin, Frau Dr. W., erfolgen könne. Dieses Gespräch fand statt. Frau Dr. W. gab darüber am 06.02.2004 folgende arbeitsmedizinische Stellungnahme ab:
Herr C. hat sich am 26.01.2004 mit dem Nachweis einer anerkannten Schwerbehinderung mit mir, seiner zuständigen langjährigen Betriebsärztin, über seine zukünftige Belastbarkeit als Mitarbeiter bei dem Sägewerk M. beraten und mich um eine arbeitsmedizinische Beurteilung gebeten.
Die erforderlichen ärztlichen Befunde sowie die Begründung der Anerkennung seiner Schwerbehinderung hat er mir vorgelegt.
Aufgrund der chronischen Leiden, die als Grund für die Schwerbehinderung aufgeführt sind, bestehen arbeitsmedizinisch Bedenken gegen
- vollschichtig körperlich schwere Arbeiten in einseitiger nach vorne geneigter Körperhaltung
- länger dauernde Arbeiten über Kopf
- Tätigkeiten, die eine durchgängig hohe Konzentration erfordern und ein hohes Gefährdungspotential für den Beschäftigten, seine Mitarbeiter oder Dritte haben.
Eine Neubeurteilung der Situation empfehle ich nach Ablauf von 12 Monaten.
Die Beigeladene wandte sich unter dem 27.01.2004 an das beklagte Amt mit der Bitte, einen unverzüglichen Ortstermin abzuhalten und, sollte eine Umsetzung auf einen anderen Arbeitsplatz nicht möglich sein, um die Zustimmung für eine Beendigungskündigung. Die am 12.02.2004 durchgeführte Einigungsverhandlung ergab, dass zunächst arbeitgeberseits in Zusammenarbeit mit der Betriebsärztin nach alternativen Einsatzmöglichkeiten geschaut werden solle. Der Kläger legte bei dieser Einigungsverhandlung eine Erklärung vor, mit der er die behandelnden Ärzte von ihrer ärztlichen Schweigepflicht entband. Er legte ferner ein Attest seiner Hausärztin Dr. X. Y. vom 09.02.2004 vor.
Unter dem 18.02.2004 bot die Beigeladene dem Kläger eine Weiterbeschäftigung im Bereich der Weiterverarbeitung an bei einer Vergütung von 11,00 € gegenüber vorher 12,50 € pro Stunde (bzw. 1.787,50 € Brutto verstetigtem Monatslohn zzgl. der betrieblichen Zulagen bei 2-Schicht-System gegenüber vorher 2.025,00 €). Der Kläger nahm dieses Angebot nicht an, da er nach wie vor als Kranfahrer einsetzbar sei und eine Lohnminderung um 500,00 € monatlich nicht akzeptieren könne.
Am 26.02.2004 beantragte der Beigeladene bei dem beklagten Amt die Zustimmung zur außerordentlichen, hilfsweisen ordentlichen Änderungskündigung zu den oben genannten Bedingungen und begründete diesen Antrag damit, die außerordentliche (fristlose) Änderungskündigung sei deshalb erforderlich, weil nach den mündlichen Ausführungen der Betriebsärztin Dr. W. vom 12.02.2004 sowie der arbeitsmedizinischen Stellungnahme vom 06.02.2004 der Kläger in seinem ursprünglichen Arbeitsbereich „Kran“ in dem Starkholzsägewerk aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen nicht mehr weiter beschäftigt werden könne. Das beklagte Amt hörte den Kläger an (der sich über seinen Prozessbevollmächtigten äußerte und das Ergebnis eines am 03.03.2004 durchgeführten leistungspsychologischen Tests vorlegte) und beteiligte den Betriebsrat sowie die Schwerbehindertenvertretung der Firma, die der Änderungskündigung zustimmten. Am 25.01.2005 erfolgte eine nachgeholte telefonische Nachfrage bei der Arbeitsagentur U. nach den Vermittlungsaussichten des Klägers.
Mit Bescheid vom 11.03.2004 (dem Kläger zugestellt am 15.03.2004) erteilte das beklagte Amt die Zustimmung zur außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Änderungskündigung. Es führte zur Begründung im wesentlichen aus: Wegen der dauerhaften gesundheitlichen Beeinträchtigung des Klägers beginne die 2-Wochen-Frist des § 91 Abs. 2 SGB IX jeden Tag neu; ein Zusammenhang zwischen dem Kündigungsgrund und der Behinderung sei gegeben, mithin habe eine Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen zu erfolgen; es sei davon auszugehen, dass der Kläger seinen bisherigen Arbeitsplatz nicht mehr ausüben könne; deshalb sei nach Abwägung beider Interessen dem Interesse des Arbeitgebers an der Änderungskündigung der Vorzug einzuräumen; vom offensichtlichen Fehlen eines wichtigen Grundes könne nicht ausgegangen werden. Eine Lohnminderung von rund 500,00 € im Monat sei so gravierend, dass ein Absinken des Lebensstandards nicht ohne weiteres aufzufangen sei; deswegen handele es sich bei dem Arbeitsplatz, den der Beigeladene dem Kläger anbiete, nicht um einen zumutbaren angemessenen Arbeitsplatz; mithin habe auch die Entscheidung über die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu erfolgen; da der Kläger aber nicht mehr als Kranführer eingesetzt werden könne, überwiege auch insoweit das Interesse des Arbeitgebers.
Am 15.03.2004 sprach der Beigeladene die fristlose, hilfsweise fristgerechte (zum 30.09.2004) Änderungskündigung gegenüber dem Kläger aus. Der Kläger ist seitdem arbeitslos. Er bezog zunächst für 12 Monte Arbeitslosengeld I und erhält seitdem keine Sozialleistungen. Seine Ehefrau, mit der er in einem eigenen Einfamilienhaus lebt, war seit März 2004 ebenfalls arbeitslos und hat zur Zeit einen sog. 400-Euro-Job. Ein Kündigungsschutzprozess zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen ist (in 2. Instanz) anhängig.
Am 13.04.2004 legte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 11.03.2004 ein, den er wie folgt begründete: Er werde den Anforderungen des bisher von ihm eingenommenen Arbeitsplatzes voll gerecht, das beklagte Amt sei von unzutreffenden Tatsachen ausgegangen; Frau Dr. W. habe ihn nicht untersucht; die Stellungnahme seiner Hausärztin und das Ergebnis des leistungspsychologischen Testes seien nicht berücksichtigt worden; im übrigen habe der Kläger die Betriebsärztin nicht gebeten, ihn zu begutachten, sondern ihren Rat vielmehr längere Zeit abgelehnt; zwischen den Fehlzeiten in der Vergangenheit und den Anforderungen an seinen Arbeitsplatz fehle jeder Zusammenhang.
Der Beigeladene wies auf die krankheitsbedingten Ausfälle des Klägers hin (zwischen 2001 und dem 15.07.2003 154 Tage mit und 36 Tage ohne Lohnfortzahlung) und bezog sich auf die betriebsärztliche Stellungnahme. Auf Anfrage des beklagten Amtes erklärte Frau Dr. W. (allerdings gegenüber dem Beigeladenen) unter dem 14.10.2004, ihrer arbeitsmedizinischen Stellungnahme vom 06.02.2004 hätten die von dem Kläger detailreich mündlich vorgetragene Leidensgeschichte, die von ihm vorgelegten ärztlichen Berichte aus den Jahren 2002 und 2003, der Feststellungsbescheid über die Anerkennung einer Schwerbehinderung aufgrund dreier unterschiedlicher chronischer Leiden sowie ihre persönliche fachärztliche Einschätzung der Stabilität, Belastbarkeit und Zuverlässigkeit des Klägers zugrunde gelegen. Sie vertrat die Auffassung, ein im Sinne der Fahrerlaubnisverordnung erstellter bestandener psychometrischer Test könne ihre Bedenken nicht beseitigen; die zeitlich befristeten arbeitsmedizinischen Bedenken gegen einen Einsatz als Kranführer auf dem Kurzholzkran würden weiter dauern, solange dieser Grad der Behinderung aufgrund der aufgeführten Leiden unwidersprochen und nicht aufgehoben sei. Der Kläger ließ darauf erwidern, Frau Dr. W. hätten nur ältere Arztberichte vorgelegen, das Gespräch mit ihr (bei dem seine Ehefrau anwesend gewesen sei) habe nur ca. 10 - 15 Minuten gedauert; eine nach berufsgenossenschaftlichen Grundsätzen vorzunehmende Untersuchung für Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten (G25) sei nicht durchgeführt worden. Der Beigeladene regte in einem längeren Schriftsatz vom 25.01.2005 mehrfach die Einholung eines sachverständigen Gutachtens an.
Mit Widerspruchsbescheid vom 01.04.2005 (dem Kläger zugestellt am 05.04.2005) wies der Widerspruchsausschuss - 2. Kammer - bei dem beklagten Amt den Widerspruch des Klägers zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen (zusätzlich) aus: Zu beurteilen seien die entscheidungserheblichen Umstände im Zeitpunkt der Kündigung; eine Minderung des Gehalts von 11,9 % (und zwar von 240,- € Brutto und nicht, wie vom Kläger behauptet, 500,- € Brutto) sei angemessen; die neue Aufgabenstellung liege nicht deutlich unter der Qualifikation des Klägers; mithin sei das Ermessen des beklagten Amtes im Sinne von § 89 Abs. 2 SGB IX reduziert gewesen; das Fehlen eines wichtigen Grundes sei nicht evident; für die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung würden im wesentlichen die gleichen Argumente gelten; die betriebsärztlichen Äußerungen seien nicht in Zweifel zu ziehen, die Ärztin habe konkrete Kenntnisse über die spezifischen Arbeitsplatzanforderungen und eine arbeitsmedizinische Qualifikation.
Der Kläger hat am 04.05.2005 Klage erhoben. Er trägt ergänzend vor: Der ihm angebotene Arbeitsplatz sei weder angemessen noch zumutbar; er würde nicht nur 11,9 % des Bruttogehaltes, sondern auch Prämien und Zulagen verlieren; ein Kündigungsgrund im Sinne von § 626 BGB liege nicht vor, so dass in jedem Falle die ordentliche Kündigungsfrist hätte abgewartet werden müssen; das beklagte Amt hätte den Zweifeln an der Richtigkeit der arbeitsmedizinischen Stellungnahme der Frau Dr. W. nachgehen müssen; der entscheidungserhebliche Sachverhalt sei nicht vollständig genug aufgeklärt worden.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des beklagten Amtes vom 11.03.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Widerspruchsausschusses bei dem beklagten Amt vom 01.04.2005 aufzuheben.
Das beklagte Amt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es nimmt Bezug auf die Gründe der angefochtenen Entscheidungen.
Der Beigeladene beantragt ebenfalls,
die Klage abzuweisen.
Er weist ergänzend darauf hin, das auch auf dem dem Kläger angebotenen Arbeitsplatz Zulagen gezahlt würden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Verwaltungsvorgänge des beklagten Amtes Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des beklagten Amtes vom 11.03.2004 ist in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.04.2005 (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) rechtmäßig.
Nach § 85 SGB IX bedarf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes, dessen Aufgaben in Niedersachsen das beklagte Amt wahrnimmt. Das gilt ohne weiteres auch für eine Änderungskündigung. Nach § 87 Abs. 2 des Gesetzes holt das Integrations-amt eine Stellungnahme des Betriebsrates oder Personalrates und der Schwerbehindertenvertretung ein und hört den schwerbehinderten Menschen an. Das Integrationsamt soll die Zustimmung erteilen, wenn dem schwerbehinderten Menschen ein anderer angemessener und zumutbarer Arbeitsplatz gesichert ist (§ 89 Abs. 2 des Gesetzes). Diese Vorschriften gelten nach § 91 auch im Falle der außerordentlichen Kündigung. In diesem Fall kann die Zustimmung zur Kündigung jedoch nach § 91 Abs. 2 nur innerhalb von 2 Wochen beantragt werden, nachdem der Arbeitgeber von dem für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Das Integrationsamt trifft sodann nach § 91 Abs. 3 die Entscheidung innerhalb von 2 Wochen vom Tag des Eingangs des Antrags an. Es soll die Zustimmung erteilen, wenn die Kündigung aus einem Grunde erfolgt, der nicht im Zusammenhang mit der Behinderung steht.
Der Zweck des Sonderkündigungsschutzes besteht darin, die Nachteile schwerbehinderter Arbeitnehmer auszugleichen und möglichst ihre Gleichstellung mit nichtbehinderten Arbeitnehmern zu erreichen. Damit korrespondiert, dass der Arbeitgeber zu erhöhter Fürsorge gegenüber dem schwerbehinderten Arbeitnehmer verpflichtet ist. Das Integrationsamt hat diesem Zweck - in den gesetzlichen Grenzen - Geltung zu verschaffen. Es hat allerdings nicht die arbeitsrechtliche Zulässigkeit der Kündigung zu überprüfen; das ist allein Sache des Arbeitsgerichts im Kündigungsschutzverfahren. Beide Kompetenzen sind strikt zu trennen (vgl. Griebeling in Hauck/ Nofz , SGB IX, § 89, RN 3 und 5 mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung).
Das Verfahren ist ordnungsgemäß durchgeführt worden. Bis zum 30.04.2004 musste zusätzlich das zuständige Arbeitsamt um eine Stellungnahme ersucht werden (vgl. dazu Gesetz vom 23.04.2004; BGBl I Seite 606); diese Anhörung ist im Sinne von § 41 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 SGB IX fehlerfrei nachgeholt worden.
Die Zweiwochenfrist des § 91 Abs. 2 SGB IX - die ausschließlich die außerordentliche Kündigung betrifft - ist hier eingehalten worden. Die für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen sind solche Tatsachen im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB, die ein Abwarten der Kündigungsfrist für den Arbeitgeber als unzumutbar erscheinen lassen. Es gelten insoweit die zur Auslegung des § 626 Abs. 2 S. 2 BGB entwickelten Grundsätze (vgl. Griebeling, a.a.O. § 91, RN 6). Wenn der Kündigungsgrund ein Dauertatbestand ist, beginnt die Zweiwochenfrist erst mit Beendigung dieses Dauertatbestandes zu laufen (beispielhaft werden angeführt: andauerndes Fernbleiben von der Arbeit, Erkrankung von ungewisser Dauer, dauerhafte Arbeitsunfähigkeit). Das Integrationsamt hat zwar die Einhaltung der Frist zu überprüfen (vgl. Griebeling, a.a.O., § 91, RN 8 a), nicht aber, ob tatsächlich ein wichtiger Grund vorliegt. Untrennbar verknüpft mit der Frage, ob der Kündigungsgrund wichtig ist im Sinne von § 626 BGB, ist die Feststellung und rechtliche Bewertung des von dem Arbeitgeber genannten Kündigungsgrundes überhaupt. Beides zu prüfen obliegt ausschließlich dem Arbeitsgericht im Kündigungsschutzprozess. Da sich der Beigeladene auf das Vorliegen eines Dauertatbestandes beruft, der bei Beantragung der Zustimmung noch nicht beendet war (der Kläger könne aufgrund der anerkannten Behinderung die Arbeit auf dem Kran dauerhaft nicht mehr ausüben), muss das Integrationsamt - und ihm folgend das Verwaltungsgericht - dieses so als gegeben hinnehmen.
Da zweifellos ein Zusammenhang zwischen dem Kündigungsgrund und der Behinderung des Klägers besteht, findet eine Ermessensbindung nach § 91 Abs. 4 SGB IX nicht statt. Das Integrationsamt wird jedoch ebenfalls durch § 89 Abs. 2 SGB IX - der, wie das beklagten Amt in seinem Bescheid, nicht aber der Widerspruchsausschuss verkannt hat, auch gilt, wenn die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung begehrt wird - in seinem Ermessen eingeschränkt. Der Widerspruchsausschuss ist insoweit der Meinung, der dem Kläger angebotene Arbeitsplatz sei angemessen und zumutbar und bestätigt - da ein Ausnahmefall nicht gegeben sei - die Zustimmungsentscheidung des Integrationsamtes, dessen Ermessenserwägungen er folgerichtig für überflüssig hält. Das Gericht teilt diese Auffassung.
Die Begriffe „angemessen“ und „zumutbar“ sind unbestimmte Rechtsbegriffe, die der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegen (Griebeling, a.a.O., § 89, RN 19). Dabei sind Überschneidungen denkbar, so dass eine exakte juristische Trennung beider Begriffe nicht bzw. nicht immer möglich ist (vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 28.11.1996 - 12 A 10.457/96 -, zitiert nach Juris). Maßgeblich ist eine Bewertung der Gesamtumstände des jeweiligen Einzelfalles, wobei das Entgelt für den anderen Arbeitsplatz nicht dem für den vorhergehenden Arbeitsplatz entsprechen muss, sondern auch geringer sein kann (BVerwG, Urteil vom 12.01.1966 - 5 C 62.64 - BVerwGE Band 23, Seite 123). Der andere Arbeitsplatz kann bei dem kündigenden oder einem anderen Arbeitgeber bestehen; er muss dem Schwerbehinderten sicher sein. Geht es - nur - um die Zustimmung zu einer Änderungskündigung, tritt der Sonderkündigungsschutz mithin bereits zurück, wenn der dem Schwerbehinderten mit der Kündigung fest angebotene Arbeitsplatz angemessen und zumutbar ist. Nach Auswertung der Akten und dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung kommt das Gericht wie der Widerspruchsausschuss zu dem Ergebnis, dass der dem Kläger angebotene Arbeitsplatz im Bereich der Weiterverarbeitung angemessen und zumutbar ist.
Für den Kläger als ungelernten Arbeiter ist jeder Einsatz, der keine besondere Aus- oder Vorbildung erfordert, angemessen. Dass er sich im Laufe der Jahre - im wahrsten Sinne des Wortes - auf den Kurzholzkran heraufgearbeitet hat, mag er als Privileg empfinden, ist rechtlich aber nicht von Bedeutung. Dass er die ihm angetragenen Arbeiten nicht verrichten kann, weil er etwa körperlich nicht dazu in der Lage oder zur Teamarbeit unfähig ist, ist nicht ersichtlich und auch von keinem Beteiligten vorgetragen worden. Es kann deshalb allein darauf ankommen - worauf er auch ausschließlich abstellt -, ob dem Kläger die mit dem neuen Arbeitsplatz verbundene Lohneinbuße zugemutet werden kann. Auch das ist nach Auffassung der Kammer der Fall. Diese Lohneinbuße beträgt rund 250,00 € brutto monatlich. Die Differenz zwischen den Grundgehältern alt und neu macht (2.025,00 - 1.787,50 =) 237,50 € aus. Zulagen und Prämien würden weiterhin gezahlt werden, was der Beigeladene mehrfach versichert hat und was vom Kläger nicht bestritten worden ist. Da die Zulagen jedoch prozentual vom Bruttolohn berechnet werden, verringern auch sie sich geringfügig, was die Differenz erhöht. Wegen des degressiven Einkommensteuersatzes ist die Differenz zwischen den Nettolöhnen jedoch wiederum geringer; sie dürfte etwa 220,00 - 230,00 € betragen. Eine derartige Lohneinbuße wäre für den Kläger nur dann nicht zumutbar, wenn sich seine Lebensumstände infolge dessen merklich verschlechtern würden, er also eine deutliche Beeinträchtigung seiner Lebensqualität hinnehmen müsste. Dazu ist der Kläger in der mündlichen Verhandlung eingehend befragt worden. Er hat lediglich ausgeführt, nach der Kündigung seines Arbeitsplatzes durch die Beigeladene sei der größere von zwei Pkw der Familie verkauft worden, das Eigenheim - auf dem noch geringe Belastungen ruhten - habe gehalten werden können. Selbst der Bezug von Arbeitslosengeld I, welches deutlich geringer ist als der Lohn, den er auf den ihm angebotenen Arbeitsplatz erhalten hätte, hat den Kläger finanziell also nicht in erheblichem Maße getroffen. Nach dem Auslaufen des Arbeitslosengeldes I hat er Arbeitslosengeld II erst gar nicht beantragt, was nur bedeuten kann, dass er auf diese Leistung nicht angewiesen ist. Aus alledem folgt, dass der Kläger eine Lohneinbuße von 220,00 - 230,00 € mühelos hätte verschmerzen können. Mithin war der ihm angebotene Arbeitsplatz (angemessen und) zumutbar. Da Anhaltspunkte für das Vorliegen eines atypischen Falles nicht vorliegen, hat sich der Widerspruchsausschuss zu Recht für verpflichtet gehalten, der Kündigung zuzustimmen und auf eine umfangreiche Ermessensabwägung, die nur aufgrund feststehender Tatsachen hätte erfolgen können, verzichtet.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3, 188 S. 2 VwGO. Der Kläger hat auch die außergerichtlichen Kosten des - notwendig - Beigeladenen zu tragen, da dieser erfolgreich einen Antrag gestellt hat.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.