Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 22.06.2006, Az.: 2 A 51/05
Angehörigendarlehen; Ausbildungsförderung; Bewilligungsbescheid; Darlehen; Darlehensvertrag; Eltern; Ermessen; Fremdvergleich; Laufzeit; Missbrauch; naher Angehöriger; Rücknahme; Rückzahlung; Schuld; Umwandlungsfall; unrichtige Angaben; Verbindlichkeit; Vermögen; Vertrag; Vertragsdurchführung; Vertrauensschutz; Verwaltungsakt
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 22.06.2006
- Aktenzeichen
- 2 A 51/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 53298
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 28 Abs 3 BAföG
- § 45 Abs 2 SGB 10
- § 45 Abs 1 SGB 10
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die ausbildungsförderungsrechtliche Anerkennung eines Darlehens unter nahen Angehörigen unterliegt einem Fremdvergleich.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Rücknahme von Bewilligungsbescheiden und Rückforderung von Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz -BAföG-.
Die Klägerin nahm im Wintersemester 1996/97 das Studium der Sprachwissenschaften Englisch und Französisch an der Georg-August-Universität in I. auf. Im Wintersemester 1999/2000 und im Sommersemester 2000 war sie wegen zweier Auslandsaufenthalte in New York und Reims beurlaubt.
Im Laufe ihres Studiums beantragte die Klägerin beim Studentenwerk I. insgesamt fünfmal die Gewährung von Ausbildungsförderung nach dem BAföG. In den Anträgen vom 21.10.1996 und 10.07.1997 kreuzte sie bei der Frage nach etwaigem Vermögen das Feld „nein“ an. In den nachfolgenden Anträgen in den Jahren 1998, 2000 und 2001 versah die Klägerin die Rubriken „Angeben zu meinem Vermögen“ jeweils mit einem Schrägstrich.
Daraufhin wurde der Klägerin mit Bescheiden des Studentenwerks I. - welches im Auftrag der Beklagten tätig wird - vom 31. Dezember 1996, 30. Januar, 30. November und 31. Dezember 1998, 29. September und 31. Oktober 2000, 30. März, 31. August und 28. September 2001 und 31. Juli 2002 in der Zeit von November 1996 bis März 2002 Ausbildungsförderung in Höhe von insgesamt 20.207,30 € gewährt.
Im Rahmen einer Anfrage zur Feststellung von Kapitalerträgen nach § 45 d Einkommensteuergesetz stellte das Studentenwerk I. im Jahre 2003 fest, dass bei der Klägerin für die Jahre 2000 und 2001 erhebliche Kapitalerträge steuerfrei blieben. Mit Schreiben vom 23.01.2003 forderte das Studentenwerk die Klägerin auf, ihre Vermögensverhältnisse zum Zeitpunkt der jeweiligen Antragstellungen offen zu legen. Dem kam die Klägerin am 25.03.2003 nach. Diese Offenlegung ergab, dass sie Vermögen in einer Höhe zwischen fast 28.000,- € im Jahre 1996 und fast 42.000,- € im Jahre 2000 besaß. Dieses Vermögen befand sich unter anderem auf Sparkonten, Bausparkonten oder war in Wertpapieren angelegt.
Im Rahmen der Vermögensoffenlegung legte die Klägerin auch einen Darlehensvertrag vom 1. Juli 1995 zwischen ihr und ihren Eltern vor. Laut Vertrag gewährten die Eltern der Klägerin zur Finanzierung des Studiums, insbesondere Auslandsaufenthalten, ein Darlehen von 75.000,- DM. Die Rückzahlung des Darlehens sollte nach Beendigung des Studiums mit einer Verzinsung von 5 % erfolgen.
Mit Schreiben vom 02.05.2003 gab die Beklagte der Klägerin Gelegenheit, sich zu dem Vorwurf der fehlerhaften Angaben über ihre Vermögensverhältnisse im Rahmen der BAföG-Anträge zu äußern. Auch wurde der Klägerin mitgeteilt, dass erhebliche Zweifel am tatsächlichen Bestehen der Darlehensschuld bestünden. Die Klägerin äußerte sich hierzu nicht.
Mit fünf Bescheiden vom 30.06.2003, aufgegeben zur Post am 12.07.2003, nahm die Beklagte die Bewilligungsbescheide für die Bewilligungszeiträume November 1996 bis März 2002 zurück und forderte die gewährte Ausbildungsförderung in Höhe von 20.207,30 € von der Klägerin zurück.
Die Beklagte begründete die Rücknahme damit, dass eine Förderung der Klägerin bei ihren Vermögensverhältnissen nicht hätte erfolgen dürfen. Das Bestehen des Darlehens zwischen ihr und ihren Eltern sei nicht glaubhaft und wäre zudem ohnehin nicht bei der Vermögensberechnung zu berücksichtigen gewesen. Auf Vertrauensschutz könne sich die Klägerin nicht berufen, da von ihr sowohl die Existenz der Vermögenswerte als auch die angebliche Darlehensverbindlichkeit in den jeweiligen Förderungsanträgen anzugeben gewesen wären. Von der daraus folgenden Möglichkeit der Bescheidrücknahme werde Gebrauch gemacht, weil sich andernfalls eine Begünstigung gegenüber Antragsfällen ergäbe, in denen die Verhältnisse pflichtgemäß vollständig angegeben wurden. Es seien keinerlei Aspekte ersichtlich, die ein anderes Ergebnis rechtfertigen könnten.
Gegen diese Bescheide legte die Klägerin mit Schreiben vom 04.08.2003 Widerspruch ein, den sie im Wesentlichen damit begründete, dass sie bei Berücksichtigung der Darlehensschuld, welche tatsächlich bestehe, kein beachtenswertes Vermögen besitze.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.12.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend zur ihren bisherigen Ausführungen an, trotz Aufforderung habe die Klägerin den Nachweis über den aus dem Darlehen stammenden Geldfluss nicht erbracht. Im Übrigen stelle ein Darlehen zwischen Eltern und Kindern einen unzulässigen Unterhaltsverzicht des Kindes dar. Es sei im Rahmen der Abwägung der klägerischen Interessen mit dem öffentlichen Interesse ermessensfehlerfrei, die Klägerin so zu stellen wie Antragsteller, die von vornherein vollständige Vermögensangaben machten.
Die Klägerin hat am 06.01.2005 Klage erhoben.
Sie begründet ihre Klage im Wesentlichen damit, dass der Darlehensvertrag bei der Vermögensberechnung zu berücksichtigen sei. Sie sei bei der Angabe der Vermögensverhältnissen in den BAföG-Anträgen zudem davon ausgegangen, dass ihr Vermögen wegen der Darlehensschuld verbraucht sei und sie deshalb keine Angaben zu ihrem Vermögen machen müsse. Auch seien die Bescheide der Beklagten vom 30.06.2003 inhaltlich unverständlich und nicht nachzuvollziehen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Bescheide des Studentenwerks I. vom 30.06.2003, für die Bewilligungszeiträume November 1996 bis März 2002 und den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 13.12.2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt sie aus, es bestünden erhebliche Zweifel am tatsächlichen Bestehen der Darlehensschuld. Weiterhin könne das Darlehen ohnehin nicht bei der Vermögensberechnung berücksichtigt werden, da die Eltern der Klägerin Unterhalt schuldeten. Ermessensfehler seien ihr nicht unterlaufen. Bei Verwaltungsakten mit Dauerwirkung, wie hier, sei das öffentliche Interesse an der Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes in der Regel höher einzuschätzen als bei der Gewährung einmaliger Leistungen, weil eine Dauerleistung die Allgemeinheit regelmäßig stärker belaste als eine einmalige Leistung. Darüber hinaus handele es sich um einen Fall intendierten Ermessens. Könne jemand, wie die Klägerin, die Mittel für die Ausbildung aus eigenem Vermögen bestreiten, sei die Rücknahme rechtswidriger Bewilligungsbescheide der Regelfall. Gerade in Zeiten knapper öffentlicher Ressourcen könne es nicht hingenommen werden, dass Auszubildende Ausbildungsförderung bezögen, obwohl sie aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation darauf nicht angewiesen seien. Besondere Umstände, die eine andere Entscheidung hätten rechtfertigen können, seien von der Klägerin nicht vorgetragen worden und seien auch sonst nicht ersichtlich.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der Beratung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage, über die das Gericht gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet. Die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig und die Klägerin wird durch sie nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Bewilligungsbescheide mit Bescheiden vom 30. Juni 2003 ist § 45 SGB X. Die Rechtsgrundlage für die Rückforderung der gewährten Ausbildungsförderung ist § 50 SGB X.
Gemäß § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der, wie die hier streitgegenständlichen Bewilligungsbescheide für Ausbildungsförderung, einen rechtlichen Vorteil begründet, soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nach Maßgabe der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.
Die zurückgenommenen, im Tatbestand näher bezeichneten Bewilligungsbescheide sind rechtswidrig.
Ausbildungsförderung nach dem BAföG hätte der Klägerin nicht gewährt werden dürfen. Sie hatte zu den Zeitpunkten der jeweiligen Antragstellung Vermögen in einer über der Freibetragsgrenze des § 29 BAföG von 6.000,- DM (bis 30.03.2001) bzw. 10.000,- DM (ab 01.04.2001) liegenden Höhe. Nach eigenen Angaben besaß die Klägerin Vermögen i.S.d. § 27 Abs. 1 Nr. 2 BAföG in einer Höhe zwischen 27.980,98 € und 41.809,30 € auf Sparkonten, Bausparverträgen und in Wertpapieren.
Das von der Klägerin behauptete Darlehen ihrer Eltern über 75.000,- DM vom 01.07.1995 ist bei der Vermögensberechnung nicht als Schuld gemäß § 28 Abs. 3 BAföG zu berücksichtigen.
Die Kammer hat schon erhebliche Zweifel, ob dieses Darlehensverhältnis tatsächlich besteht. Die Klägerin hat trotz der wiederholt von der Beklagten vorgetragenen Bedenken abgesehen von dem Darlehensvertrag keinerlei weitere Unterlagen - beispielsweise über die Überweisung des Geldbetrages im Rahmen der Darlehensgewährung - vorgelegt.
Zudem ist es augenfällig, dass das Vermögen der Klägerin im Jahre 1996, d.h. ein Jahr nach der angeblichen Gewährung des Darlehens von 75.000,- DM, nur umgerechnet etwa 55.000,- DM betrug. Die Klägerin hat nichts vorgetragen, um diese Differenz von immerhin ca. 20.000,- DM zu erklären.
Weiterhin fällt auf, dass das Vermögen der Klägerin in der Zeit, in der sie ihr Auslandsstudium betrieb, einen erheblichen Zuwachs erfuhr, obwohl das Darlehen laut Vertragsklausel maßgeblich zur Finanzierung solcher Auslandsaufenthalte gedacht sein sollte. So betrug das Vermögen im Jahre 1998 32.762,62 € und im Jahre 2000 nach Beendigung des Auslandsaufenthalts 41.809,30 €.
Die Kammer lässt es dahinstehen, ob das von der Klägerin behauptete Darlehen tatsächlich besteht oder es sich um ein nichtiges Scheingeschäft im Sinne von § 117 Abs. 1 BGB handelt. Selbst wenn man von einem zivilrechtlich verbindlichen Darlehensvertrag ausgehen würde, könnte die entsprechende Verbindlichkeit bei der Vermögensberechnung im Rahmen der §§ 26 ff. BAföG nicht als Schuld oder Last im Sinne von § 28 Abs. 3 BAföG berücksichtigt werden.
Um zu verhindern, dass Auszubildende ihre Ausbildung aus öffentlichen Mitteln, also auf Kosten der Allgemeinheit, finanzieren, obwohl sie hierzu ggf. mit elterlicher Unterstützung wirtschaftlich finanziell selbst in der Lage wären, setzt die Anerkennung einer Darlehensverbindlichkeit gegenüber Familienangehörigen bei der Bedarfsberechnung nach dem BAföG mindestens voraus, dass der Darlehensvertrag bürgerlichrechtlich wirksam abgeschlossen worden ist und die Darlehensgewähr auch anhand der tatsächlichen Durchführung klar und eindeutig von einer verschleierten Schenkung oder einer Unterhaltsleistung abgrenzbar ist (OVG Saarlouis, Beschluss vom 24.4.2006 -3 Q 60/05-, NJW 2006, 1750; VG Bremen, Urteil vom 25.05.2005, -1 K 1477/03-, zitiert nach juris).
Noch weiter gehend hält es die Kammer für angezeigt, für die Anerkennung von Darlehensverträgen unter nahen Angehörigen auch im Recht der Ausbildungsförderung die Grundsätze anzuwenden, die in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung für Angehörigendarlehen im Steuerrecht entwickelt worden sind (so auch VG Karlsruhe, Urteil vom 23.03.2005, -10 K 4181/03-, NJW 2005, 2874; Roth, NJW 2006, 1707, 1709; a.A. OVG Saarlouis, a.a.O.). Danach sind Darlehensverträge zwischen nahen Angehörigen steuerlich bzw. ausbildungsförderungsrechtlich nur dann anzuerkennen, wenn der Vertrag als solcher und seine tatsächliche Durchführung in den wesentlichen Punkten dem zwischen Fremden Üblichen entspricht (sog. Fremdvergleich, vgl. BFH, Urteil vom 19.2.2002 -IX R 32/98-, BFHE 198,288). Anders als das OVG Saarlouis (a.a.O.) ist die Kammer der Ansicht, dass die Gewährung eines Darlehens zwischen nahen Angehörigen ausbildungsförderungsrechtlich mit den steuerrechtlichen sog. Umwandlungsfällen vergleichbar ist. Diese Umwandlungsfälle sind dadurch gekennzeichnet, dass betriebliches Vermögen entnommen und einem nahen Angehörigen zugewendet wird, der es wiederum dem Betrieb als Darlehen mit der Folge zur Verfügung stellt, dass die Darlehenszinsen gewinnmindernd berücksichtigt werden. Die Möglichkeit eines Gestaltungsmissbrauchs liegt nahe und ist Anlass für die oben erwähnte finanzgerichtliche Rechtsprechung. Eine vergleichbare Situation besteht im Recht der Ausbildungsförderung. Ergibt sich die Missbrauchsmöglichkeit steuerrechtlich daraus, dass private Vorgänge gewinnmindernd in den betrieblichen Bereich verlagert werden, folgt die Möglichkeit eines Gestaltungsmissbrauchs förderungsrechtlich daraus, dass die den Eltern gemäß § 1610 Abs. 2 BGB explizit für die Ausbildung ihrer Kinder obliegende Unterhaltspflicht förderungsrechtlich anspruchsbegründend, weil vermögensmindernd, in ein Darlehensverhältnis umdeklariert wird. In beiden Fallkonstellationen werden also private Sachverhalte, die im Grundsatz die jeweilige Rechtsposition des betroffenen Bürgers gegenüber dem Staat nicht verbessern dürfen, so gestaltet, dass eine staatliche Belastung dort geringer ausfällt oder, wie hier, eine staatliche Leistungspflicht begründet wird. Folglich unterliegen auch im Ausbildungsförderungsrecht Verträge unter nahen Angehörigen einem Fremdvergleich.
Der Darlehensvertrag der Klägerin mit ihren Eltern vom 1. Juli 1995 entspricht nicht dem zwischen fremden Dritten Üblichen.
Vereinbarungen entsprechen regelmäßig nur dann dem Fremdüblichen, wenn eine Vereinbarung auch über die Laufzeit, die Art und Zeit der Rückzahlung getroffen worden ist und der Rückzahlungsanspruch bei längerfristiger Laufzeit ausreichend gesichert ist (BFH, Urteil vom 28.01.1993 -IV R 109/91-, BFH/NV 1993, 590).
Solche Vereinbarungen haben die Klägerin und ihre Eltern hier entweder gar nicht oder nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit getroffen.
Zwar heißt es im Darlehensvertrag, das Darlehen sei nach Abschluss des Studiums zurückzuzahlen, allerdings ist diese Vereinbarung zu unbestimmt. Es ist angesichts des Umstandes, dass die Klägerin, nachdem sie ihr Studium nunmehr abgeschlossen hat und Referendarin ist, offenbar noch nicht mit der Rückzahlung begonnen hat, unklar, ob mit der Bestimmung des Darlehensvertrages tatsächlich nur das Ende des Studiums oder aber das Ende der Ausbildung einschließlich des sich an das Studium anschließende Referendariat gemeint ist.
Der Darlehensvertrag enthält auch keinerlei Vereinbarung darüber, in welcher Art und Weise, d.h. in einer Summe oder in Raten, und in welchem Zeitraum das Darlehen zurückgezahlt werden soll. Zudem findet sich im Vertrag trotz der absehbar langen Laufzeit und der nicht geringen Höhe des Darlehens von 75.000.- DM keine Vereinbarung über eine Sicherung des Rückzahlungsanspruchs.
Selbst wenn man der weitergehenden Ansicht des OVG Saarlouis und des VG Bremen (a.a.O.) folgen wollte, könnte der zwischen der Klägerin und ihren Eltern abgeschlossene Darlehensvertrag ausbildungsförderungsrechtlich nicht anerkannt werden. Denn auch nach dieser Rechtsprechung wird für den Regelfall eine Vereinbarung über die Laufzeit, die Art der Rückzahlung und eine ausreichende Sicherung des Rückzahlungsanspruchs gefordert. Zum anderen bedarf es danach für die Anerkennung eines Angehörigendarlehens der klaren und eindeutigen Abgrenzbarkeit gegenüber einer verschleierten Schenkung oder Unterhaltsgewährung auf der Grundlage einer Würdigung aller Umstände des Einzelfalles. Dabei obliegt es dem Auszubildenden darzulegen, dass ein Darlehen und keine Schenkung vorliegt (vgl. OVG Saarlouis, a.a.O., S. 1753). Derartiges hat die Klägerin trotz mehrfacher Aufforderung durch die Beklagte nicht vorgetragen, geschweige den belegt. Anlass dafür hätte jedoch bestanden. Denn es ist unklar, ob und wie das Darlehen ausgezahlt wurde. Offen ist ferner, wie die ca. 20.000.- DM verwendet worden sind, die sich im November 1996 nicht mehr im Vermögen der Klägerin befanden. Der Eindruck, die vereinbarte Darlehenssumme orientiere sich an dem höchsten Vermögensstand der Klägerin während der streitigen Bewilligungszeiträume abzüglich der gesetzlichen Freibeträge, ist nicht widerlegt. Es fehlen schließlich belastbare Angaben der Klägerin dazu, ob sie nach der anzunehmenden Beendigung ihrer Ausbildung mit der Rückzahlung des Darlehens begonnen oder warum sie dies nicht getan hat. Auch die vom OVG Saarlouis und vom VG Bremen befürwortete Gesamtwürdigung des Einzelfalles führt mithin nicht dazu, dass von einer ausbildungsförderungsrechtlich beachtlichen Verbindlichkeit im Sinne von § 28 Abs. 3 BAföG auszugehen wäre.
Die Klägerin genießt auch keinen Vertrauensschutz gemäß § 45 Abs. 2 SGB X, obwohl die zum Lebensunterhalt bestimmten Leistungen nach dem BAföG verbraucht wurden.
Sie kann sich gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X nicht auf Vertrauensschutz berufen, da die jeweiligen Bewilligungsbescheide auf Angaben beruhten, die die begünstigte Klägerin vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.
Die Bewilligungsbescheide beruhten hier auf den Angaben der Klägerin zu ihren Vermögensverhältnissen in den jeweiligen Anträgen auf Ausbildungsförderung. Ihre diesbezüglichen Angaben waren unrichtig, denn sie hat in jedem der Anträge angegeben, kein Vermögen zu besitzen, indem sie entweder in dem entsprechenden Feld des Antrags einen Strich eingetragen hat oder das Feld freigelassen hat. Diesem Verhalten ist der Erklärungswert „Ich habe kein Vermögen.“ beizumessen. Dem widersprechend verfügte die Klägerin jedoch über die dargestellten Vermögenswerte.
Diese unrichtigen Angaben machte die Klägerin auch zumindest grob fahrlässig. Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, sie sei davon ausgegangen, sie brauche keine Angaben zu ihrem Vermögen zu machen, da sie unter Verrechnung ihrer Guthaben mit der Darlehensschuld kein nennenswertes Vermögen besitze. Die Antragsformulare sind hinsichtlich der zu machenden Angaben zum Vermögen durchaus eindeutig und unmissverständlich. So wird in den Anträgen ausdrücklich nach positiven Vermögenswerten und auch nach Schulden und Lasten des Antragstellers gefragt. Es war daher objektiv erkennbar nicht die Aufgabe der Klägerin, bereits vorab eine Saldierung der positiven und negativen Vermögenswerte vorzunehmen. Hätte sie Zweifel gehabt, welche Umstände sie anzugeben gehabt hat, hätte sie das für sie zuständige Ausbildungsförderungsamt um Rat fragen und/oder Vermögen und Schulden korrekt angeben müssen, um der Beklagten die rechtliche Prüfung zu überlassen.
Schließlich ist die von der Beklagten im Rahmen der Rücknahmeentscheidung nach § 45 SGB X zu treffende Ermessensentscheidung nicht zu beanstanden. Die Ermessensbetätigung der Beklagten erfolgte entsprechend dem Zweck der Ermächtigung und innerhalb der gesetzlichen Grenzen (§ 39 Abs. 1 SGB I). Vor allem weist die Ermessensentscheidung den erforderlichen Bezug zum konkreten Einzelfall auf.
Zwar konzentrieren sich die Ausführungen der Beklagten zur Ermessensausübung hauptsächlich auf allgemeine Überlegungen zum öffentlichen Interesse an der Rückforderung von zu Unrecht bewilligter Ausbildungsförderung. Allerdings ergibt sich aus der Anlage zu den Rückforderungsbescheiden, dem Widerspruchsbescheid und auch der Klageerwiderung, in denen die Beklagte ihre Ermessenserwägungen darlegt, dass sie auch die konkreten Umstände des Einzelfalls gewürdigt hat, jedoch keinerlei besondere Umstände erkennen konnte, welche eine andere als die getroffene Entscheidung rechtfertigen würden. Die Klägerin hat solche Einzelfallumstände auch weder selbst vorgetragen noch sind sie sonst ersichtlich. Fehlen aber konkrete Anhaltspunkte, die zugunsten des Auszubildenden berücksichtigt werden könnten, besteht für die Behörde kein Anlass, im Rahmen ihrer Ermessensbetätigung hierzu - abstrakte - Aussagen zu treffen. Dies gilt umso mehr als es sich bei der Rückforderung von zu Unrecht gewährter Ausbildungsförderung nach dem BAföG um einen Fall des intendierten Ermessens handeln dürfte (so: VG Hannover, Urteil vom 22.10.2003, Az. 10 A 4453/03). Hierfür spricht der Wortlautes des § 1 BAföG, wonach ein Anspruch auf individuelle Ausbildungsförderung nur besteht, wenn die erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen. Das bedeutet, dass eine andere als die Rücknahmeentscheidung nur bei Vorliegens konkreter, zugunsten des Auszubildenden sprechender Umstände in Betracht zu ziehen ist. Solche Umstände fehlen hier.
Entgegen den unsubstantiierten Ausführungen der Klägerin sind die Bescheide auch inhaltlich nachvollziehbar und verständlich.
Die zwingend auszusprechende Rückforderung der aufgrund der zurückgenommenen Bewilligungsbescheide an die Klägerin erbrachten Leistungen nach § 50 SGB X ist angesichts der Rechtmäßigkeit der Rücknahmebescheide nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.