Landgericht Oldenburg
Beschl. v. 03.02.1992, Az.: 5 T 1118/91

Begriff des "Deutschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit"; Erlangung der deutschen Volkszugehörigkeit durch Abstammung; Rechtliche Einordnung von Spätaussiedlern

Bibliographie

Gericht
LG Oldenburg
Datum
03.02.1992
Aktenzeichen
5 T 1118/91
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1992, 15823
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOLDBG:1992:0203.5T1118.91.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Oldenburg - 19.08.1991

Fundstelle

  • IPRspr 1992, 7

Verfahrensgegenstand

die Berichtigung der Eintragung im Geburtenbuch des Standesamtes in Oldenburg Jahrgang 1990, ...

Sonstige Beteiligte

1. ...

2. ...

3. ...

In der Standesamtssache
hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg
durch
die unterzeichnenden Richter am 3. Februar 1992
beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 3) wird der Beschluß des Amtsgerichts Oldenburg vom 19. August 1991 geändert, soweit die Berichtigung des Familiennamens abgelehnt worden ist.

Es wird angeordnet, daß die Eintragung im Geburtenbuch des Standesamtes Oldenburg, Jahrgang 1990, ..., durch Beischreibung folgenden Vermerks zu berichtigen ist:

Auf Anordnung des Landgerichts Oldenburg vom 03.02.1991 wird berichtigend vermerkt, daß der Familienname in Zeile 14 richtig Lautet "...".

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

1

Die Beteiligte zu 1) ist ledig und besitzt aufgrund ihrer Geburt die ... Staatsangehörigkeit. Sie ist im Dezember 1982 in die Bundesrepublik Deutschland ausgesiedelt und hält sich seitdem im Bundesgebiet auf. In einem schriftlichen Verfahren hat die Verwaltungsbehörde festgestellt, daß sie durch Abstammung die deutsche Volkszugehörigkeit hat und damit als Aussiedlerin mit der Aufnahme im Bundesgebiet "Deutsche ohne deutsche Staatsangehörigkeit" ist.

2

Die Beteiligte zu 1) hat am 1. August 1990 ein Mädchen geboren, das den Vornamen ... erhalten hat. Im Geburtenbuch ist u.a. vermerkt worden, daß die Beteiligte zu 1) ... Staatsangehörige ist und daß ihr Kind den Familiennamen "..." führt.

3

Das Standesamt hat beantragt, diese Eintragungen zu ändern. Der vermerk "... Staatsangehörige" sei zu streichen, da die Beteiligte zu 1) bei der Geburt ihrer Tochter bereits "Deutsche ohne deutsche Staatsangehörigkeit" gewesen sei. Der Familienname des Kindes laute richtig "...". Denn nach § 57 Abs. 6 der Dienstanweisung für den Standesbeamten und ihrer Aufsichtsbehörden (DA) sei bei ausländischen Familiennamen, die, wie bei der Beteiligten zu 1), nach dem Geschlecht sprachlichen Abwandlungen unterliegen, die männliche Form des Namens in den Personenstandsbüchern einzutragen.

4

Das Amtsgericht Oldenburg ist diesem Berichtigungsantrag nur teilweise gefolgt und hat durch Beschluß vom 19. August 1991 angeordnet, daß durch Beischreibung eines Berichtigungsvermerks im Geburtenbuch die Eintragung der Worte "... Staatsangehörige" entfällt. Im übrigen hat das Amtsgericht den Antrag auf Berichtigung des Familiennamens abgelehnt. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, daß die Berichtigung hinsichtlich der angegebenen ... Staatsangehörigkeit der Beteiligten zu 1) anzuordnen sei, da die Beteiligte zu 1) wie eine Deutsche zu behandeln sei, so daß gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB die polnische Staatsangehörigkeit bei der rechtlichen Beurteilung des Geburtsvorganges keine Bedeutung mehr habe. Eine Berichtigung des Familiennamens auf die männliche Form käme aber nicht in Betracht, da nach der anzuwendenden Vorschrift des § 1617 Abs. 1 BGB das Kind den Familiennamen erhalte, den die Mutter zur Zeit der Geburt geführt habe. Dieser Name sei aber "...". Dadurch werde gewährleistet, daß Mutter und Kind denselben Namen führten und es werde verhindert, daß das Kind Nachteile wegen einer Namensverschiedenheit erleide. Nach § 57 Abs. 6 DA sei zwar im vorliegenden Fall die männliche Form des Familiennamens einzutragen. Diese Dienstanweisung habe jedoch keine Gesetzesqualität und sei der Regelung des § 1617 Abs. 1 BGB nachrangig.

5

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Beschluß vom 19. August 1991 (Bl. 15/16 d.A.) Bezug genommen.

6

Die Beteiligte zu 3) hat als Standesamtsaufsichtsbehörde gegen den Beschluß des Amtsgerichts Oldenburg vom 19. August 1991 Beschwerde eingelegt, soweit in diesem Beschluß die Berichtigung des Familiennamens abgelehnt worden ist. Die Beteiligte zu 3) hat beantragt, durch Beischreibung eines Berichtigungsvermerkes anzuordnen, daß der Familienname richtig lautet "...".

7

Zur Begründung ist ausgeführt worden, daß im vorliegenden Fall gemäß § 57 Abs. 6 DA die männliche Form des Familiennamens im Geburtenbuch einzutragen sei. Dem widerspreche nicht § 1617 Abs. 1 BGB, da bei dem Namenserwerb nach deutschem Recht eine geschlechtsbezogene Abwandlung des Familiennamens unbekannt sei.

8

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Beschwerdeschrift (Bl. 23/24 d.A.) verwiesen.

9

Die Beschwerde ist nach § 49 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 PStG zulässig und sachlich auch begründet.

10

Nach § 57 Abs. 6 DA ist im vorliegenden Fall als Familienname des am 01.08.1990 geborenen Mädchens der Beteiligten zu 1) die männliche Form des Namens der Kindesmutter im Geburtenbuch einzutragen. Denn einmal ist offensichtlich, daß der Familienname der Beteiligten zu 1) angesichts seiner Herkunft aus dem slawischen Sprachgebiet für weibliche Namensträger einer sprachlichen Abwandlung mit der Änderung auf "a" unterliegt. Zum anderen ist der Namenserwerb des Kindes der Beteiligten zu 1) nach deutschem Recht zu beurteilen. Denn für den Namenserwerb des Kindes der Beteiligten zu 1) ist nach Art. 10 Abs. 1 EGBGB das Personalstatut, d.h., die Staatsangehörigkeit des Kindes, maßgebend (vgl. Bay. ObLG StAZ 1990, S. 69/70; Birk im Münch. Kommentar zum BGB, 2. Aufl., Rz. 119 zu Art. 10 EGBGB). Da die Beteiligte zu 1) zum Zeitpunkt der Geburt ihres Kindes als sog. Statusdeutsche im Sinne von Art. 116 GG anzusehen ist, hat ihr nichteheliches Kind entsprechend § 4 RuStG mit der Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten (vgl. Makarov/von Mangoldt, Deutsches Staatsangehörigenrecht, Rz. 57 zu Art. 116 GG). Selbst wenn man davon ausgeht, daß die Kindesmutter zum Zeitpunkt der Geburt noch die ... Staatsangehörigkeit besessen hat, gilt für den Namenserwerb ihres nichtehelichen Kindes nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB deutsches Recht.

11

Da das für den Namenserwerb des Kindes der Beteiligten zu 1) maßgebende deutsche Recht aber keine weibliche Endung des Familiennamens kennt, ist entsprechend § 57 Abs. 6 DA die männliche Form des Familiennamens, d.h., die Stammform des Namens, im Geburtenbuch einzutragen (vgl. Gaaz in Massfeller/Hoffmann/Hepting/Gaaz, Personenstandsgesetz, Rz. 13 c zu § 2 Personenstandsgesetz, und StAZ 1989, 165 ff. S. 171; Kupitz, StAZ 1985, S. 219 ff., 221).

12

Entgegen der Ansicht des Amtsgericht enthält diese Regelung auch keinen Widerspruch zu § 1617 Abs. 1 BGB. Zwar zielt diese Regelung zum Schutz des Kindeswohles auf eine Namenseinheit von Mutter und nichtehelichem Kind ab (vgl. Hinz im Münch. Kommentar zum BGB, a.a.O., Rz. 1 zu § 1617 BGB). Abgesehen davon, daß nach den Bestimmungen in § 1617 Abs. 2-4 BGB die Namenseinheit nicht immer durchgeführt wird, geht es im folgenden Fall nicht um den originären Namenserwerb eines nichtehelichen Kindes aufgrund der Bestimmung des § 1617 Abs. 1 BGB. Zwar ist, wie schon ausgeführt, für den Familiennamen eines nichtehelichen Kindes nach Art. 10 Abs. 1 EGBGB dessen Personalstatut maßgebend. Dieses Personalstatut bestimmt, welchen Familiennamen das nichteheliche Kind mit der Geburt erhält und dann zunächst einmal führt. Daraus folgt aber, daß das nichteheliche Kind den Namen nicht direkt von seiner Mutter ableitet, sondern daß sich Lediglich der Namensübergang nach dem Personalstatut, im vorliegenden Fall nach dem deutschen Recht, richtet (vgl. Birk im Münch. Kommentar zum BGB, a.a.O., Rz. 119 zu Art. 10 EGBGB). Da das deutsche Recht aber weibliche Familiennamensendungen nicht kennt, muß diese Endung beim Übergang des Namens von der Mutter auf das Kind ebenso wegfallen, wie die weibliche Endung nach ... Recht wegfiele, wenn das nichteheliche Kind ein Junge wäre (vgl. Kupitz, a.a.O., S. 221).

13

Im übrigen könnte bei der bloßen Verschiedenheit der weiblichen und männlichen Endung des Familiennamens nicht ohne weiteres auf eine nichteheliche Geburt des Kindes der Beteiligten zu 1) geschlossen werden, so daß der der Regelung in § 1617 Abs. 1 BGB zugrundeliegende Gesetzeszweck, durch die Namensgleichheit zwischen Mutter und nichtehelichem Kind schädliche Folgen für das Kindeswohl abzuwenden, hier nicht zum Tragen kommt.

14

Der angefochtene Beschluß ist daher dahingehend abzuändern, daß durch die Beischreibung eines Berichtigungsvermerkes der Familienname des Kindes der Beteiligten zu 1) richtig: "..." lautet.

15

Entgegen dem Antrag der Beteiligten zu 3) ist dabei das in Polen übliche Betonungszeichen auf dem "n" in dem Geburtenbuch einzutragen. Denn nach Art. 2 Abs. 2 des internationalen "Übereinkommens über die Angabe von Familiennamen und vornamen in den Personenstandsbüchern" (Bundesgesetzblatt II 1976, S. 1473), das in der Bundesrepublik Deutschland am 16.02.1977 (Bundesgesetzblatt II 1977, S. 154) in Kraft getreten ist, sind bei der Eintragung in ein Personenstandsbuch die in den Familiennamen und Vornamen enthaltenen diakritischen Zeichen (Betonungszeichen) wiederzugeben, selbst wenn die Sprache, in der die Eintragung vorgenommen werden soll, solche Zeichen nicht kennt. Da der Familienname der Beteiligten zu 1) mit einem "n" geschrieben wird, ist dieses Zeichen bei der Eintragung in das in der Bundesrepublik Deutschland anzulegende Geburtenbuch mit zu übernehmen.

16

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 127 Abs. 2, 131 Abs. 1 S. 2 KostO i.V.m. § 13 a Abs. 1 S. 1 FGG.