Landgericht Oldenburg
Beschl. v. 09.10.1991, Az.: 5 T 780/91
Einstweilige Unterbringung; Ablehnung der Beiordnung eines Rechtsanwaltes zugunsten des von der Unterbringung Betroffenen; Auswirkung der Beauftragung eines Rechtsanwalts durch den Betroffenen zur Vertretung seiner Interesse in dem Unterbringungsverfahren auf die Beiordnung; Ersetzung nur aus wichtigem Grund
Bibliographie
- Gericht
- LG Oldenburg
- Datum
- 09.10.1991
- Aktenzeichen
- 5 T 780/91
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1991, 15481
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOLDBG:1991:1009.5T780.91.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Nordenham - 27.08.1991
Rechtsgrundlage
- § 19 Abs. 1 S. 2 Nds. PsychKG
Sonstige Beteiligte
... gegenwärtiger Aufenthalt: ...
vertreten durch Rechtsanwalt ...
Landkreis ...
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluß des Amtsgerichts Nordenham vom 27.08.1991 wird zurückgewiesen, soweit in diesem Beschluß die Beiordnung des Rechtsanwalts abgelehnt worden ist.
Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei.
Entscheidungsgründe
Das Amtsgericht Nordenham hat durch Beschluß vom 21.07.1991 die einstweilige Unterbringung des Betroffenen für 6 Wochen gemäß § 15 Nds. PsychKG angeordnet. Gleichzeitig ist dem Betroffenen Rechtsanwalt ... aus Nordenham gemäß § 19 Nds. PsychKG beigeordnet worden.
Nachdem der Betroffene mit Vollmacht vom 23.07.1991 Rechtsanwalt in Nordenham mit seiner anwaltlichen Vertretung beauftragt hatte, hat Rechtsanwalt ... mit Schriftsatz vom 24.07.1991 beantragt, ihm den Betroffenen ab Antragstellung beizuordnen. Gleichzeitig hat Rechtsanwalt ... sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des Amtsgerichts Nordenham vom 21.07.1991 eingelegt.
Nachdem die Kammer durch Beschluß vom 23.08.1991 die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des Amtsgerichts Nordenham vom 21.07.1991 zurückgewiesen hat, hat das Amtsgericht Nordenham durch Beschluß vom 27.08.1991 (Bl. 72 bis 74 d.A.), auf den wegen weiterer Einzelheiten verwiesen wird, die weitere Unterbringung des Betroffenen für die Dauer von 3 Monaten angeordnet. Gleichzeitig ist in diesem Beschluß die Beiordnung des Rechtsanwalts ... abgelehnt worden.
Gegen den Beschluß des Amtsgerichts Nordenham vom 27.08.1991 richtet sich die sofortige Beschwerde des Rechtsanwalts ... vom 02.09.1991, mit der er sich gegen die Ablehnung seiner Beiordnung wendet, wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Beschwerdeschrift (Bl. 84 bis 86 d.A.) Bezug genommen.
Die sofortige Beschwerde ist nach § 23 Abs. 1 Nds. PsychKG statthaft und auch zulässig. Zwar wäre der von dem Betroffenen bevollmächtigte Rechtsanwalt ... der die sofortige Beschwerde dem Wortlaut der Beschwerdeschrift nach im eigenen Namen eingelegt hat, nicht beschwerdeberechtigt, da er selbst keinen Anspruch auf seine Beiordnung hat, sondern allein der Betroffene durch die Ablehnung der Beiordnung des von ihm bevollmächtigten Anwalts beschwert ist (vgl. zu dem vergleichbaren Fall der Beiordnung eines Anwalts im PKH-Verfahren: BGHZ 109, Seite 163 ff, 169).
Da ausweislich der Beschwerdeschrift aber die Ablehnung der Beiordnung des vom Betroffenen bevollmächtigten Anwalts ausdrücklich mit entgegenstehenden Interessen des Betroffenen angegriffen wird, ist die sofortige Beschwerde so auszulegen, daß sie im Namen des Betroffenen eingelegt worden ist.
In der Sache selbst ist die sofortige Beschwerde unbegründet. Denn der Betroffene hat ohne vorliegen eines wichtigen Grundes keinen Anspruch darauf, daß ihm anstelle des zunächst beigeordneten Rechtsanwalts ein von ihm bevollmächtigter Anwalt beigeordnet wird.
Den Wunsch des Betroffenen, einen Anwalt seines Vertrauens mit seiner Vertretung in dem Unterbringungsverfahren zu bevollmächtigen, hat der Gesetzgeber nach der Vorschrift des § 19 Abs. 1 Satz 2 Nds. PsychKG berücksichtigt. Danach unterbleibt die Beiordnung eines Rechtsanwaltes oder wird aufgehoben, wenn ein Rechtsanwalt mit der Vertretung des Betroffenen beauftragt worden ist. Nach der gesetzlichen Regelung hat somit die Beauftragung eines Rechtsanwalts durch den Betroffenen zur Vertretung seiner Interesse in dem Unterbringungsverfahren nicht zur Folge, daß der vom Betroffenen beauftragte Rechtsanwalt nunmehr anstelle des zunächst beigeordneten Rechtsanwalts dem Betroffenen beigeordnet werden muß.
Der gesetzlichen Regelung in § 19 Nds. PsychKG ist im übrigen auch nicht zu entnehmen, daß dem Betroffenen von vornherein ein von ihm gewünschter Anwalt beigeordnet werden muß. Denn aus der gesetzlichen Regelung in § 19 Nds. PsychKG ergibt sich eindeutig, daß der dem Betroffenen im Unterbringungsverfahren beigeordnete Rechtsanwalt eine unabhängige Stellung einnehmen soll. Nach § 19 Abs. 2 Nds. PsychKG nimmt der beigeordnete Rechtsanwalt nämlich die Interessen des Betroffenen im Unterbringungsverfahren selbständig wahr und ist an Weisungen und Aufträge des Betroffenen oder seines gesetzlichen Vertreters nicht gebunden. Nach § 19 Abs. 4 Nds. PsychKG hat der beigeordnete Rechtsanwalt zudem zugleich die Stellung eines Pflegers für das Unterbringungsverfahren, wenn der Betroffene keinen gesetzlichen Vertreter in seinen persönlichen Angelegenheiten hat und der Betroffene geschäftsunfähig oder mit ihm eine Verständigung wegen seines Gesundheitszustandes nicht möglich ist.
Der Betroffene hat somit keinen Rechtsanspruch darauf, daß ihm ein Anwalt seines Wunsches beigeordnet wird.
Diese gesetzliche Regelung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn wie bei der Bestellung eines Pflichtverteidigers nach § 142 StPO handelt es sich bei der Beiordnung eines Rechtsanwalts für den Betroffenen im Unterbringungsverfahren um eine Maßnahme staatlicher Fürsorge, bei der zwar den Wünschen des Betroffenen möglichst Rechnung zu tragen ist, dem Staat jedoch die Entscheidung vorbehalten bleibt (vgl. BVerfGE 9, Seite 36 ff, 38 [BVerfG 16.12.1958 - 1 BvR 449/55]).
Wie in dem vergleichbaren Fall der Beiordnung eines Notanwaltes nach § 78 c ZPO (vgl. dazu Zöller/Vollkommer, ZPO., 16. Aufl., RdZiff. 5 zu § 78 c ZPO; Baumbach-Lauterbach-Hartmann, ZPO, 49. Aufl., Anm. 2 D zu § 78 c ZPO) und wie bei der Beiordnung eines Pflichtverteidigers nach § 142 StPO (vgl. dazu Kleinknecht-Meyer, StPO, 40. Aufl., Rd Ziffn. 3 bis 5 zu § 143 StPO) kommt die Ersetzung des zunächst dem Betroffenen beigeordneten Rechtsanwalts durch den den vom Betroffenen bevollmächtigten Anwalt allenfalls dann in Betracht, wenn hierfür ein wichtiger Grund vorliegt (vgl. Landgericht Hannover, NdsRpfl. 1959, Seite 252/251 zu dem früheren Unterbringungsrecht nach dem Nds. SOG; Saage-Göppinger, Freiheitsentziehungs- und Unterbringungsrecht, 2. Aufl., RdZiff. 310).
Ein solcher wichtiger Grund kann z.B. dann vorliegen, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen dem beigeordneten Rechtsanwalt und dem Betroffenen ernsthaft gestört ist oder der beigeordnete Anwalt aus anderen Gründen die Interessen des Betroffenen nicht mehr sachgerecht wahrnehmen kann.
Ein solcher wichtiger Grund, der die Ersetzung des dem Betroffenen beigeordneten Rechtsanwalts durch seinen bevollmächtigten Anwalt rechtfertigen könnte, ist hier aber nicht ersichtlich und nicht von dem Betroffenen dargelegt worden, vielmehr ist in der Beschwerdeschrift ausdrücklich ausgeführt worden, daß ein wichtiger Grund für die Aufhebung der Beiordnung nicht vorliegt.
Nach alledem ist die sofortige Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Die Entscheidung ergeht nach § 39 Nds. PsychKG gerichtskostenfrei.