Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 10.06.1988, Az.: 11 U 154/87

Voraussetzungen des Anspruchs auf Zahlung eines Maklerlohns; Anforderungen an die Substantiierung von Verletzungen von Aufklärungs- und Beratungspflichten aus einem Maklervertrag

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
10.06.1988
Aktenzeichen
11 U 154/87
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1988, 20382
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1988:0610.11U154.87.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Lüneburg - 01.04.1987 - AZ: 2 O 38/87 I

Verfahrensgegenstand

Maklerprovision

...
hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 6. Mai 1988
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 1. April 1987 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschwer des Klägers: 26.220 DM.

Entscheidungsgründe

1

Die Berufung ist begründet.

2

Der Kläger hat keinen Anspruch auf den verlangten Maklerlohn, denn er hat seine der Beklagten gegenüber bestehende Aufklärungs- und Beratungspflicht aus dem Maklervertrag in grober Weise verletzt, indem er die Beklagte das notarielle Kaufangebot vom 16.1.1986 abgeben ließ, ohne daß die Frage der Finanzierbarkeit des Kaufs auch nur ansatzweise geklärt gewesen wäre.

3

Zwar trifft es zu, daß es grundsätzlich nicht Aufgabe eines Grundstücksmaklers ist, Nachforschungen darüber anzustellen, ob sein Vertragspartner in der Lage ist, einen beabsichtigten Grundstückskauf zu finanzieren. Vielmehr ist es regelmäßig die eigene Aufgabe eines Kaufinteressenten und Maklerkunden, sich vor Abschluß eines Grundstückskaufvertrages Klarheit darüber zu verschaffen, ob er zur Finanzierung des beabsichtigten Kaufs in der Lage ist. Andererseits darf ein Makler jedoch nicht allein in seinem Provisionsinteresse sich aufdrängende Zweifel an der Finanzierbarkeit eines Grundstückskaufs beiseite schieben oder gar dazu beitragen, daß eine in Wirklichkeit nicht bestehende Finanzierbarkeit vorgespiegelt wird. So aber liegen die Dinge hier.

4

Nach der zu seinen Gunsten unterstellten Sachverhaltsdarstellung des Klägers hat er bis zur Abgabe des notariellen Kaufangebots durch die Beklagte am 16.1.1986 keinerlei konkrete Anhaltspunkte dafür gehabt, ob und ggf. wie die Beklagte ein Kaufobjekt in der Größenordnung von 1.150.000 DM mit einem weiteren Umbau- und Einrichtungsaufwand von mehr als 2.500.000 DM finanzieren wollte. Der Kläger will insoweit nur "Spekulationen aufgrund des äußeren Umfelds, wie Arbeitsplatz, Wohnsitz, Beruf des Lebensgefährten", angestellt haben (so im Schriftsatz vom 29.10.1987, Bl. 73 d.A.), die ihn "positiv" gestimmt haben wollen. Tatsächlich verdiente die Beklagte seinerzeit gut 2.000 DM netto als Arzthelferin, wohnte sie zur Miete, hatte sie einen Lebensgefährten, dessen Stellung zu dem geplanten Projekt dem Kläger nicht bekannt war. Wie dem Kläger als Finanzkaufmann, der sich seinem Briefkopf nach mit "Finanzberatung, Kapitalservice und Immobilienberatung" beschäftigt, ein derartiges "Umfeld" ausreichen konnte, um ein Projekt von mehr als 3,5 Mill. DM für finanzierbar zu halten, ist weder vom Kläger vorgetragen noch sonst ersichtlich. Wie der Kläger in seinem Schriftsatz vom 19.5.1988 (Seite 8, Bl. 115 d.A.) ausdrücklich einräumt, ist bis zur Abgabe des notariellen Kaufangebots durch die Beklagte am 16.1.1986 über die Finanzierung überhaupt nicht gesprochen worden. Der Kläger will bis zu diesem Zeitpunkt ausschließlich in ungewöhnlich hohem Maße fürsorgend für die Beklagte tätig gewesen sein, indem er über den Architekten ... ermitteln ließ, ob das Kaufobjekt baumäßig überhaupt als Seniorenheim in Frage kam. Dagegen sei es bis zum 16.1.1986 um die Finanzierungsfrage überhaupt nicht gegangen, weil diese Frage für die Beklagte offensichtlich kein Problem dargestellt habe. Insoweit will der Kläger nicht einmal gewußt haben, ob die Beklagte persönlich oder für ihre Arbeitgeber oder für/mit ihrem Lebensgefährten die Finanzierung erstellen wollte (so Seite 9 des Schriftsatzes vom 19.5.1988). Der Kläger hat folglich seinem eigenen Vortrag nach die Frage der Finanzierbarkeit des Objektes vor Abgabe des notariellen Kaufangebots der Beklagten überhaupt nicht angesprochen. Damit hat er seine Beratungspflicht der Beklagten gegenüber in zumindest grob fahrlässiger Weise verletzt. Aussagefähige Anhaltspunkte dafür, die Finanzierung eines Seniorenheimes für gut 3,5 Mill. DM stelle für die Beklagte oder etwaige Mitinteressenten keinerlei Probleme dar, gab es seinerzeit für den Kläger nicht. Ein monatliches Nettoeinkommen von gut 2.000 DM, ein Lebensgefährte, dessen Stellung zu dem geplanten Projekt dem Kläger unbekannt war, Arbeitgeber der Beklagten, von denen auch nicht ansatzweise erkennbar war, daß sie sich an dem Projekt beteiligen wollten, stellten keine auch nur entfernt hinreichende Grundlage für die Annahme dar, die Beklagte werde ein 3,5 Mill.-DM-Projekt ohne Schwierigkeiten finanzieren können. Wenn der Kläger als Immobilienmakler, der sich u.a. auch mit Finanzberatung befaßt und damit werbend hervortritt (vgl. Briefkopf), in einer derart ungeklärten Situation die Beklagte nicht vor der Abgabe eines notariellen Kaufangebots warnt, bevor die Finanzierbarkeit des Projektes auch nur im Ansatz geklärt ist, kann dies nur den Grund gehabt haben, daß der Kläger allein sein Provisionsinteresse, nicht aber die ebenfalls gebotene Wahrung der berechtigten Interessen der Beklagten im Auge gehabt hat. Ein Makler, der sich so verhält, ist seines Lohnes jedenfalls dann nicht würdig, wenn - wie im vorliegenden Fall - der Kauf gerade an diesem von Anfang an völlig ungeklärten Finanzierungspunkt scheitert.

5

Der Kläger hat seinem eigenen Vortrag nach seine der Beklagten gegenüber bestehenden Beratungspflichten auch nach dem 16.1.1986 in grober Weise verletzt. Mit Schreiben vom 17.1.1986 (Bl. 61 d.A.) hatte die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen die Beklagte aufgefordert, baldmöglichst eine Bankauskunft zu übermitteln, aus der hervorgeht, daß nach Auffassung der Bank keinerlei Bedenken hinsichtlich des Erwerbs einer Immobilie in der Größenordnung von 1.150.000 DM durch die Beklagte bestehen. Unstreitig hat daraufhin der Kläger Gespräche mit der Kreissparkasse ... geführt, in deren Folge die Kreissparkasse ... die sogenannte Finanzierungszusage vom 6.2.1986 (Bl. 104 d.A.) erteilte. Der Kläger wußte also spätestens nach dem 16.1.1986, daß nunmehr die Finanzierungsfrage geklärt werden mußte. Insoweit bestanden, da die Verkäuferin das Kaufangebot der Beklagten noch nicht angenommen hatte, weitere Beratungs- und Treupflichten des Klägers auch der Beklagten gegenüber. Daß die sogenannte Finanzierungszusage der Kreissparkasse ... vom 6.2.1986 in Wirklichkeit keinerlei Zusage, sondern lediglich eine vage - zumal auf unzutreffender Grundlage gegebene - Absichtserklärung enthielt, die keinerlei Sicherheit bezüglich der Finanzierbarkeit bot, kann dem Kläger als Finanzkaufmann nicht entgangen sein, ist ihm auch nicht entgangen, wie er in seinem Schriftsatz vom 19.5.1988 einräumt. Spätestens Anfang Februar 1986 hätte der Kläger in Wahrnehmung seiner Beratungspflicht der Beklagten gegenüber diese davor warnen müssen, den Grundstückskaufvertrag vor einer tatsächlichen Finanzierungszusage wirksam werden zu lassen. Angesichts der Tatsache, daß nichts dafür spricht, daß die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen die Beklagte an deren notariellem Kaufangebot festgehalten hätte, wenn vor Annahme deutlich geworden wäre, daß die Finanzierbarkeit völlig unklar war, hätte der Kläger auch zu diesem Zeitpunkt noch den Abschluß eines notariellen Grundstückskaufvertrages durch richtige Beratung der Beklagten verhindern können und müssen. Auf die Frage, ob insoweit die Beklagte oder die Kassenärztliche Vereinigung durch das Schreiben der Kreissparkasse ... vom 6.2.1986 durch den Kläger getäuscht worden sind, kommt es insoweit nicht an.

6

Die Ansicht des Klägers, er habe zumindest wegen des Mietangebots des Arbeitsamts ... vom 31.1.1986 (Bl. 77 d.A.) davon ausgehen dürfen, das Objekt sei für die Beklagte finanzierbar, ist unzutreffend. Das Arbeitsamt ... hatte sich bereit erklärt, für die Dauer von mindestens 5 Jahren eine Miete von 10 DM pro qm für Büroräume und von 5 DM pro qm für Kellerräume zu zahlen. Ein derartiges Mietaufkommen hätte allenfalls gereicht, um für die relativ kurze Zeit von 5 Jahren Zins und Tilgung als gesichert anzusehen. Das aber stellt bei verständiger Überlegung keine hinreichende Finanzierungsgrundlage für das geplante Kaufobjekt dar. Im übrigen wußte der Kläger, wie sein Schreiben vom 7.2.1986 an die Beklagte (Bl. 26 d.A.) zeigt, daß die Beklagte in Wirklichkeit das Objekt nicht zu dem Zweck erwerben wollte, es als Büroräume zu vermieten, die Beklagte vielmehr in dem zu kaufenden Hause ein Seniorenheim mit einem Gesamtaufwand von mehr als 3,5 Mill. DM errichten wollte.

7

Der Abschluß des Grundstückskaufvertrages ist folglich darauf zurückzuführen, daß der Kläger die Beklagte nicht in der hier gebotenen Weise vor dem Abschluß eines Kaufvertrages vor der Klärung der Finanzierungsfrage gewarnt hat. Hätte der Kläger pflichtgemäß gehandelt, hätte weder die Beklagte das notarielle Kaufangebot vom 16.1.1986 abgegeben, noch hätte die Kassenärztliche Vereinigung das Kaufangebot der Beklagten am 28.2.1986 angenommen. Bei pflichtgemäßem Verhalten des Klägers wäre es also gar nicht zum Abschluß des notariellen Grundstückskaufvertrages gekommen. Folglich steht dem Kläger kein Provisionsanspruch für die Vermittlung des insgesamt fehlgeschlagenen Grundstückskaufvertrages zu.

8

Der Vortrag des Klägers im Schriftsatz vom 19.5.1988 war nur nach Maßgabe der gewährten Erklärungsfrist zu berücksichtigen. Nachgelassen war dem Kläger nur die Erwiderung auf neuen tatsächlichen Vortrag aus den Schriftsätzen vom 29.4. und 3.5.1988 - das betraf die Darstellung zum Schreiben vom 6.2.1986 - und zu neuem Vortrag der Beklagten in der mündlichen Verhandlung, nämlich zur Frage, ob das Schreiben tatsächlich der Beklagten zugegangen ist, und zur Behauptung, die Beklagte habe dem Kläger nach der ersten Besichtigung bei einem Mittagessen ihre finanzielle Situation geschildert, ihm auch gesagt, daß sie kein Eigenkapital habe.

9

Zu einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung wegen des übrigen Vertrags des Klägers im Schriftsatz vom 19.5.1988 hat der Senat keinen Anlaß gesehen, da es dem Kläger oblegen hätte, sich zu dem Streitstoff in der Berufungsbeantwortung zu erklären.

10

Nach §91 ZPO trägt der Kläger die Kosten des Rechtsstreits. Gemäß §708 Nr. 10 ZPO ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.