Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 20.06.1988, Az.: 7 WLw 19/88
Kriterien zur Festlegung der Hofeigenschaft im Rahmen der Entscheidung über die Erteilung eines Hoffolgescheins
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 20.06.1988
- Aktenzeichen
- 7 WLw 19/88
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1988, 15827
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1988:0620.7WLW19.88.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Neustadt am Rübenberg - 18.09.1987 - AZ: 6 LwH 19/87
- AG Neustadt am Rübenberg - 28.12.1987 - AZ: 6 LwH 19/87
Rechtsgrundlage
- § 1 HöfeO
Verfahrensgegenstand
Antrag auf Erteilung eines Hoffolgezeugnisses für den im Grundbuch von ... eingetragenen Hof im Sinne der Höfeordnung nach der am ... verstorbenen Hausfrau ..., zuletzt wohnhaft gewesen in ...
In der Landwirtschaftssache
hat der Senat für Landwirtschaftssachen des Oberlandesgerichts Celle
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...
und die Richter am Oberlandesgericht ... und ... als Berufsrichter
sowie die Landwirte ... und ... als ehrenamtliche Richter
am 20. Juni 1988
beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) wird der Beschluß des Landwirtschaftsgerichts Neustadt/Rbge. vom 18. September/28. Dezember 1987 aufgehoben.
Die Sache wird an das Landwirtschaftsgericht zurückverwiesen.
Das Landwirtschaftsgericht wird angewiesen, den Antrag der Beteiligten zu 1) auf Erteilung eines Hoffolgezeugnisses nach Maßgabe der nachstehenden Gründe erneut zu bescheiden.
Gründe
I.
Die am 5. Dezember 1986 verstorbene Hausfrau ... Erblasserin) war Eigentümerin des im Grundbuch von ... eingetragenen Hofes im Sinne der Höfeordnung, für den seit dem 11. November 1952 der Hofvermerk eingetragen ist. Der Hof hat eine Größe von 19.19.08 ha mit vorwiegend Ackerland und einen Wirtschaftswert von 30.870 DM.
Die Erblasserin war die Tochter des Landwirts ... Dieser hatte 1937 den Hof seinem Sohn ... dem Bruder der Erblasserin, übertragen. Nachdem dieser durch Beschluß des Amtsgerichts ... vom 12. März 1952 mit Wirkung vom 8. Mai 1945 für tot erklärt worden war, war der Hof aufgrund gesetzlicher Erbfolge wieder an ... gefallen und nach dessen Tod an die Erblasserin.
Aufgrund testamentarischer Anordnung des ... stand dessen Witwe, Frau ..., gemäß dem Beschluß des Landwirtschaftsgerichts Neustadt/Rbge. vom 14. September 1952 das lebenslängliche Recht der Verwaltung und Nutznießung zu, das im Grundbuch eingetragen wurde. Die 1915 geborene Nutzverwalterin hat die Ländereien des Hofes einzeln verpachtet. Sie bewohnt die Hofstelle allein. Stall- und Wirtschaftsgebäude werden seit mindestens 1959 nicht genutzt.
Die Beteiligte zu 1) hat mit Zustimmung der übrigen Beteiligten zu notarieller Urkunde des Notars ... vom 8. April 1987 (UR Nr. ... Erteilung eines Hoffolgezeugnisses beantragt, das sie als Hoferbin aufgrund gesetzlicher Erbfolge ausweist. Das Landwirtschaftsgericht hat nach mündlicher Verhandlung den Antrag zurückgewiesen mit der Begründung, daß ein Hof im Sinne der Höfeordnung nicht mehr vorliege, weil eine Hofstelle wegen Fehlens geeigneter Wirtschafts- und Stallgebäude nicht mehr vorhanden sei.
Gegen den Beschluß vom 18. September/28. Dezember 1987 richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 1), mit der sie ihren Antrag weiterverfolgt.
II.
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landwirtschaftsgericht zur erneuten Bescheidung des Antrages auf Erteilung eines Hoffolgezeugnisses.
Das Hoffolgezeugnis ist der (zulässige Teil-) Erbschein (vgl. Wöhrmann, Das Landwirtschaftsrecht, 2. Aufl., Rn. 16 zu § 18) über einen Hof im Sinne der Höfeordnung. Die Erteilung eines Hoffolgezeugnisses kommt nur in Betracht, wenn zur Erbschaft ein Hof gehört. Unter welchen Voraussetzungen eine landwirtschaftliche Besitzung Hof im Sinne der Höfeordnung ist, regelt § 1 HöfeO. Danach ist Hof eine land- oder forstwirtschaftliche Besitzung mit einer zu ihrer Bewirtschaftung geeigneten Hofstelle, die im Alleineigentum einer natürlichen Person oder im gemeinschaftlichen Eigentum von Ehegatten steht, sofern sie einen Wirtschaftswert von mindestens 20.000 DM hat. Eine Besitzung verliert die Eigenschaft als Hof, wenn keine der in § 1 Abs. 1 HöfeO aufgezählten Eigentumsformen mehr besteht oder eine der übrigen Voraussetzungen auf Dauer wegfällt.
Das Landwirtschaftsgericht hat die Hofeigenschaft verneint, weil eine für die Bewirtschaftung geeignete Hofstelle nicht mehr vorhanden sei. Das mag insoweit richtig sein, als die Wirtschaftsgebäude seit mehr als mindestens 27 (nicht 17) Jahren, vermutlich aber weit länger nicht mehr als solche genutzt werden und sich daher nicht mehr in einem Zustand befinden dürften, der die unmittelbare Aufnahme der Landwirtschaft von der Hofstelle aus ermöglichen würde. Darauf, insbesondere auf Einzelheiten des vorhandenen Zustandes, kommt es indessen nicht an, so daß eine weitere Aufklärung nicht erforderlich ist. Denn ein Hof verliert seine Hofeigenschaft kraft ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung des § 1 Abs. 3 Satz 2 HöfeO bei Wegfall einer zur Bewirtschaftung geeigneten Hofstelle nur dann, wenn zusätzlich der Hofvermerk im Grundbuch gelöscht worden ist. Solange dieser wie hier noch eingetragen ist (und im Zeitpunkt des Erbfalls eingetragen war), kann die Hofeigenschaft allein wegen fehlender Hofstelle nicht entfallen.
Der Umstand, daß die Landwirtschaft von der Hofstelle aus seit mehr als mindestens 27 Jahren nicht mehr betrieben worden ist, begründet ebenfalls nicht den Wegfall der Hofeigenschaft, insbesondere nicht die Feststellung, daß der Betrieb der Landwirtschaft endgültig aufgegeben worden ist. Ebenso wie die Erklärung, daß die Besitzung kein Hof mehr sein solle (§ 1 Abs. 4 HöfeO), kann nur der Hofeigentümer die Bewirtschaftung aufgeben. Dieser, d. h. die Erblasserin und ihr Rechtsvorgänger, hatten keine rechtliche und tatsächliche Möglichkeit, auf die Art. und Weise der Bewirtschaftung des Hofes Einfluß zu nehmen, solange das Nutzverwaltungsrecht der Witwe ... besteht. Dieses berechtigt den Nutzverwalter u. a. zur Bewirtschaftung des Hofes, ohne daß ihm damit eine eigentümerähnliche Stellung zukommt. Demgemäß kann er auch in keinem Falle die Beseitigung der Hofeigenschaft herbeiführen.
Schließlich sind nicht konstitutiv für die Hofeigenschaft die Bewirtschaftung durch den Hofeigentümer, die Wirtschaftsfähigkeit des Eigentümers und das Vorhandensein von Inventar. Fehlt es daran, wird die Hofeigenschaft nicht berührt.
Nach alledem besteht die Hofeigenschaft der Besitzung fort, so daß die Erteilung des Hoffolgezeugnisses nicht mit der Begründung versagt werden kann, sie sei weggefallen.
Gerichtskosten sind für das Beschwerdeverfahren gemäß §§ 33 LwVG, 131 Abs. 1 Satz 2 KostO nicht angefallen. Eine Anordnung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten gemäß § 45 LwVG kommt nicht in Betracht.