Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 28.06.1988, Az.: 7 WLw 28/88

Anforderungen an die Auslegung eines Testaments; Anspruch auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins mit Hoffolgezeugnis ; Ermittlung der Richtigkeit eines Hoffolgezeugnisses

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
28.06.1988
Aktenzeichen
7 WLw 28/88
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1988, 15828
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1988:0628.7WLW28.88.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Holzminden - 20.05.1988 - AZ: 11 LwH 8/88

Verfahrensgegenstand

Erteilung eines Hoffolgezeugnisses nach dem am ... verstorbenen Landwirt ... aus ...

In der Landwirtschaftssache
hat der Senat für Landwirtschaftssachen des Oberlandesgerichts Celle
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...,
den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Amtsgericht ... als Berufsrichter
- gemäß Art. II § 6 Satz 1 Nds. AGLwVG ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter -
am 28. Juni 1988
beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Beschluß des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgerichts - Holzminden vom 20.5.1988 aufgehoben.

Das Landwirtschaftsgericht wird angewiesen, ein Hoffolgezeugnis nachstehenden Inhalts zu erteilen:

  1. 1.

    Mit dem Tode des am 5. Oktober 1963 in ... seinem letzten Wohnsitz verstorbenen Landwirts ... ist dessen Sohn Landwirt ... geboren am ... wohnhaft in ... Hofvorerbe des Hofes Nr. ... eingetragen im Grundbuch von ... geworden.

    Die Nacherbfolge tritt mit dem Tode des Hofvorerben ein.

  2. 2.

    Hofnacherbe ist der Sohn des Erblassers Landwirt ...

  3. 3.

    Hofersatznacherben sind in erster Linie die Abkömmlinge des Hofnacherben, in zweiter Linie der Sohn des Erblassers Verkaufsleiter ... geboren am ..., und in dritter Linie dessen Abkömmlinge.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 140.000 DM festgesetzt.

Gründe

1

I.

Die Beteiligten zu 1), 2) und 5) sind Söhne des am 5. Oktober 1963 verstorbenen Landwirts ... (im folgenden: Erblasser) aus ... Der Beteiligte zu 1) ist kinderlos verheiratet mit .... Die Beteiligten zu 3) und 4) sind die Abkömmlinge des Beteiligten zu 2) und die Beteiligten zu 6) und 7) die ehelichen Kinder des Beteiligten zu 5).

2

Der Erblasser war Eigentümer des im Grundbuch von ... verzeichneten Hofes .... In dem privatschriftlichen Testament vom 12. August 1960 bestimmte der Erblasser u. a. folgendes:

"Für den Fall meines Todes bestimme ich hiermit zum Hofeserben für diesen Hof meinen ehelichen Sohn ... in .... Er lebt zur Zeit in kinderloser Ehe mit seiner Ehefrau ... geb. .... Für den Fall, daß diese Ehe kinderlos bleiben sollte bis zu meinem Tode, soll mein Sohn ... jedoch nur Vorerbe des Hofes sein. Zum Hofesnacherben berufe ich hinter ihm bei seinem kinderlosen Tode meine Söhne ... und ... oder deren Kinder ..."

3

In dem handschriftlichen Nachtrag des Erblassers vom 10. August 1962 heißt es u. a.:

4

"Ferner stellte ich klar, daß als Nacherben zunächst ... und seine Nachkommen in Betracht kommen, nach ihnen ....

5

Auf Antrag des Beteiligten zu 1) erteilte das Landwirtschaftsgericht Eschershausen am 29.4.1966 einen gemeinschaftlichen Erbschein mit Hoffolgezeugnis des Inhalts, daß Hoferbe der Beteiligte zu 1) als Hofvorerbe und Hofnacherbe der Beteiligte zu 2) oder der Beteiligte zu 5) ist.

6

Gegen diesen Erbschein hat sich nunmehr der Beteiligte zu 1) gewandt und vorgetragen, das Hoffolgezeugnis sei unrichtig, weil der Hof stets nur einem Nacherben zufallen dürfe. Er hat beantragt,

7

den gemeinschaftlichen Erbschein nebst Hoffolgezeugnis einzuziehen und - da das hoffreie Vermögen bereits verteilt worden sei - ein isoliertes Hoffolgezeugnis auszustellen, in dem er als Hofvorerbe und sein Bruder ... als alleiniger Hofnacherbe sowie die Beteiligten zu 3) bis 7) in der angegebenen Reihenfolge als Hofersatznacherben aufgeführt sind.

8

Mit Beschluß vom 29.4.1988 hat das Landwirtschaftsgericht Holzminden den gemeinschaftlichen Erbschein vom 29.4.1966 eingezogen und mit Beschluß vom 20.5.1988 die Erteilung des beantragten Hoffolgezeugnisses abgelehnt. Es hat ausgeführt, der Erblasser habe die Vor- und Nacherbfolge unter der Bedingung angeordnet, daß der Antragsteller kinderlos versterbe. Die unter dieser Einschränkung angeordnete Erbfolge habe der Beteiligte zu 1) nicht beantragt. Darüber hinaus habe der Antragsteller die Wirtschaftsfähigkeit der Beteiligten zu 5) und zu 6) als Hofersatznacherben nicht nachgewiesen.

9

Der Beteiligte zu 1) tritt dieser Entscheidung mit seiner Beschwerde vom 8. Juni 1988 entgegen. Er führt aus, die Hofvor- und Nacherbschaft sei bereits jetzt wirksam angeordnet worden, da der Erblasser solche Abkömmlinge des Beteiligten zu 1), die erst nach seinem (des Erblassers) Tode geboren werden, nicht habe bedenken wollen, und beantragt, das begehrte Hoffolgezeugnis zu erteilen, hilfsweise dahin zu erlassen, daß Hofersatznacherben nur die Enkel des Erblassers ..., ... und ... geworden sind.

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II.

Das gemäß §§ 1 Nr. 5, 20 Abs. 3 LwVG, 18 Abs. 2 HöfeO in Verbindung mit Art. II § 5 Nds. AGLwVG und mit §§ 19, 20, 21 FGG als einfache Beschwerde zulässige Rechtsmittel (vgl. BGH RdL 1958, 39; OLG Celle RdL 1959, 209) ist im Hauptantrag begründet.

11

Das beantragte Hoffolgezeugnis ist in der sich aus dem Tenor dieses Beschlusses ergebenden Fassung zu erteilen.

12

1.

Soweit der Erblasser in seinem privatschriftlichen Testament vom 12.8.1960 zunächst bestimmt hat "Für den Fall, daß diese Ehe (des Beteiligten zu 1) kinderlos bleiben sollte bis zu meinem Tode, soll mein Sohn ... jedoch nur Vorerbe des Hofes sein" und es im nächsten Satz heißt: "Zum Hofesnacherben berufe ich hinter ihm (Beteiligten zu 1) bei seinem kinderlosen Tode meine Söhne ... ... und ... ... oder deren Kinder", enthält das Testament nach Auffassung des Senats nur einen scheinbaren Widerspruch. Angesichts des ausdrücklich erklärten Willens des Erblassers, nur bis zu seinem Tode geborene Abkömmlinge des Sohnes ... sollen die Anordnung der Vor- und Nacherbschaft entfallen lassen, behält der Folgesatz in dem Testament einen eigenen Sinn dahin, daß, wenn solche Abkömmlinge vor dem Tode des Erblassers zwar geboren sind, jedoch vor dem Tode des Beteiligten zu 1) wegfallen, die angeordnete Nacherbfolge gleichwohl bestehen bleiben soll. Da bis zum Tode des Erblassers am 5. Oktober 1963 die Ehe des Beteiligten zu 1) kinderlos geblieben ist, ist die Vor- und Nacherbschaft vom Erblasser unbedingt und wirksam angeordnet worden. Noch bis zum Eintritt des Nacherbfalls hinzutretende Abkömmlinge des Beteiligten zu 1) lassen die angeordnete Erbfolge unberührt. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten auch Einigkeit. Der in dem Testament vom 12.8.1960 und dem Nachtrag vom 10.8.1962 zum Ausdruck gekommene Erblasserwille steht somit dem beantragten Hoffolgezeugnis nicht entgegen.

13

2.

Entgegen der Ansicht des Landwirtschaftsgerichts ist für die Erteilung des Hoffolgezeugnisses die Wirtschaftsfähigkeit des Hofnacherben und der Ersatznacherben nicht zu prüfen. Es ist zwar richtig, daß der Hofvorerbe im Zeitpunkt des Erbfalls wirtschaftsfähig sein muß (vgl. BGH RdL 1961, 315 und AgrarR 1979, 313, teilweise anders Wöhrmann/Stöcker, Das Landwirtschaftserbrecht, 4. Aufl., § 6 Rn. 106 und § 7 Rn. 30). Das gilt jedoch für den Hofnacherben und auch den Hofersatznacherben nicht. Für die Frage, ob der weitere Hoferbe (Hofnacherbe und Ersatznacherbe) wirtschaftsfähig ist, kommt es allein auf den Zeitpunkt des Eintritts der Nacherbfolge beim Tode des Hofvorerben an (vgl. OLG Schleswig, SchlHA 1960, 142 ff; Lange/Wulff/Lüdke-Handjery, HöfeO, 8. Aufl., § 1 Rn. 43 und § 6 Rn. 84; Schulte RdL 1959, 126 f). Denn erst mit Eintritt des Nacherbfalls fällt die Erbschaft selbst dem Nacherben an (§ 2139 BGB); erst in diesem Augenblick kann nach der allgemeinen Regel, daß die Wirtschaftsfähigkeit des Hoferben im Augenblick des Anfalls der Erbschaft vorhanden sein muß, die Wirtschaftsfähigkeit des Nacherben gefordert werden und von Bedeutung sein. Hat der Nacherbe diese bis dahin erlangt, erfüllt er das Erfordernis der Wirtschaftsfähigkeit; hat er diese früher gehabt und ist sie z. B. beim Tode des Vorerben verloren gegangen, kann ihm die Erbschaft nicht anfallen. Es kommt somit nicht entscheidend darauf an, ob die Beteiligten zu 2) bis 7) zur Zeit wirtschaftsfähig sind.

14

3.

Bei angeordneter Vor- und Nacherbfolge ist im Hoffolgezeugnis neben dem Hofvorerben auch der Hofnacherbe namentlich anzugeben (§ 2363 BGB). Ist in der Verfügung von Todes wegen ein Ersatznacherbe aufgeführt, so ist auch dieser namentlich zu bezeichnen (vgl. OLG Hamm OLGZ 75, 150, 156; BayOLGE 1960, 407, 410; Palandt-Edenhofer, § 2363 Anm. 1 b, bb). Dafür besteht nach Auffassung des Senats kein Bedürfnis, wenn mehrere Ersatznacherben in bestimmter Reihenfolge benannt worden sind, es sich bei ihnen um Abkömmlinge des Hofnacherben oder eines Hofersatznacherben handelt und im Zeitpunkte des Erlasses des Hoffolgezeugnisses noch nicht absehbar ist, ob und welche weiteren Abkömmlinge bis zum Eintritt des Nacherbfalls hinzutreten. In diesem Fall dürfte es ausreichen, im Hoffolgezeugnis als Ersatznacherben pauschal die Abkömmlinge des Hofnacherben oder Ersatznacherben anzugeben. Dehn anderenfalls würde bei Wegfall eines benannten oder bei Hinzutreten eines weiteren Abkömmlings das erteilte Hoffolgezeugnis unrichtig und unterläge der Einziehung. Es ist den Beteiligten nicht zumutbar, in einem solchen Falle vor Eintritt des Nacherbfalls die Erteilung eines neuen oder sogar weiteren Hoffolgezeugnisses zu beantragen.

15

Soweit dem Antrag des Beteiligten zu 1) auf namentliche Bezeichnung der Beteiligten zu 3) bis 7) als Hofersatznacherben nicht vollständig entsprochen worden ist, kann das Hoffolgezeugnis gleichwohl erteilt werden, da die Fassung des Hoffolgezeugnisses diesbezüglich aus Zweckmäßigkeitsgründen erfolgt und ein Teilunterliegen des Beteiligten zu 1), was die Zurückweisung seines Antrags zur Folge gehabt hätte, insoweit nicht vorliegt.

16

Da die Beschwerde Erfolg hat, sind Gerichtskosten nicht entstanden (§§ 33, 34 LwVG in Verbindung mit § 131 Abs. 1 Satz 2 KostO). Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten (§ 45 Abs. 1 LwVG).

Streitwertbeschluss:

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 140.000 DM festgesetzt.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf §§ 33 LwVG in Verbindung mit 107 Abs. 2 KostO.