Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 05.04.2018, Az.: 6 A 22/17
Tierärztin; Tierheim; Tierheimähnliche Einrichtung; Untersagung
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 05.04.2018
- Aktenzeichen
- 6 A 22/17
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2018, 74139
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 11 Abs 1 S 1 Nr 3 TierSchG
- § 11 Abs 5 S 6 TierSchG
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen einen Untersagungsbescheid, mit dem ihr der Beklagte den Betrieb einer Fundtierstelle und einer Tierpension untersagt hat.
Die Klägerin ist Tierärztin und betreibt in der C. in D. eine tierärztliche Praxis. Neben ihrer Tierarztpraxis betrieb die Klägerin in ihren Räumlichkeiten auch eine Fundtierstelle. Sie nahm Fundtiere aus den Gemeinden A-Stadt, E., F., der Stadt G. sowie der Samtgemeinde Elbmarsch auf. In den mit den Kommunen geschlossenen Verträgen verpflichtete sich die Klägerin, aufgefundene Tiere in ihrer Praxis aufzunehmen, bis zu deren Abholung stationär unterzubringen und ihren individuellen Bedürfnissen entsprechend tierärztlich zu versorgen. Dafür sahen die Verträge eine von den Kommunen pro Tag und Tier zu entrichtende Vergütung vor. Daneben betrieb die Klägerin auch eine Tierpension.
Mit E-Mail vom 24. November 2015 forderte der Beklagte die Klägerin auf, einen Antrag auf Erlaubnis zum Betrieb der Fundtierstelle und der Tierpension zu stellen. Bei der Fundtierstelle handele es sich um eine tierheimähnliche Einrichtung, wofür eine Erlaubnis nach § 11 TierSchG erforderlich sei. Dazu übersandte er das entsprechende Formular.
Dem entgegnete die Klägerin mit E-Mail vom 25. November 2015 sowie mit einer weiteren E-Mail vom 8. April 2016, dass sie hauptberuflich eine Kleintierpraxis betreibe und die Fundtiere im Rahmen ihrer tierärztlichen Praxis aufgenommen, betreut und als stationäre Patienten behandelt habe. Hierfür sei keine Genehmigung nach § 11 TierSchG erforderlich. Für die Tierpension habe sie bereits eine Erlaubnis. Dabei berief sich die Klägerin auf einen Bescheid vom 20. Juni 2008, mit dem ihr die Erlaubnis erteilt wurde gewerbsmäßig eine Tierpension in den Betriebsstätten A-Straße und H. in A-Stadt zu betreiben.
Am 3. Mai 2016 erfolgte eine Überprüfung der Räumlichkeiten der Klägerin durch den Veterinärdienst des Beklagten. Dabei wurden diverse Mängel an der Unterbringung der Tiere festgestellt. In dem hierzu angefertigten Bericht heißt es, dass die gesamte Unterbringung nicht den allgemeinen anerkannten Empfehlungen der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz e.V. sowie der Tierschutzhundeverordnung entspreche. Es wurde u.a. festgestellt, dass die Hunde in zu kleinen Zwingern und fensterlosen Räumen untergebracht seien und auch die empfohlene Mindestgröße von 4 m2 Grundfläche für Katzenkäfige nicht eingehalten sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Blatt 35 bis 56 der Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.
Ein am 14. Juli 2016 erfolgtes persönliches Gespräch zwischen dem Veterinärdienst des Beklagten und der Klägerin über die Frage der Genehmigungspflicht der Fundtierstation führte zu keiner Einigung. Bei einem anschließenden Rundgang durch die Räumlichkeiten der Klägerin stellte der Veterinärdienst weitere Mängel, insbesondere in der Quarantänestation, fest. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefertigten Protokolle auf Blatt 98 bis 100 und 115 bis 116 der Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.
Auf Einladung der Klägerin fand am 23. August 2016 eine Begehung der Räumlichkeiten durch Vertreterinnen des Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) im Beisein des Veterinärdienstes des Beklagten statt. Auch hierbei wurde festgestellt, dass die Unterbringung der Tiere nicht den Anforderungen an eine Fundtierhaltung entspreche. Im Rahmen der hierzu angefertigten gutachterlichen Stellungnahme empfahl das LAVES, die Aufnahme von Pensions- und Fundtieren zu untersagen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die auf Blatt 162 bis 294 der Verwaltungsvorgänge des Beklagten enthaltene Stellungnahme verwiesen.
Daraufhin teilte der Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 28. September 2016 seine Absicht mit, den Betrieb der Fundtierstelle sowie der Tierpension zu untersagen. Die Klägerin beantragte mit anwaltlichem Schreiben vom 18. November 2016 eine Erlaubnis nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 TierSchG für den Betrieb der Fundtierstelle.
Mit Bescheid vom 30. November 2016 untersagte der Beklagte der Klägerin den Betrieb der tierheimähnlichen Einrichtung (Fundtierstelle) (Ziff. 1) und forderte die Klägerin auf, die sich ab dem 1. März 2017 noch bei ihr befindlichen Fundtiere innerhalb von 14 Tagen zu vermitteln und nach Ablauf dieser Zeit an eine andere geeignete Stelle, z.B. das Tierheim I., abzugeben (Ziff. 2). Zudem untersagte er der Klägerin ab sofort den Betrieb der Tierpension in den Räumlichkeiten C. sowie im J. in 21435 E. (Ziff. 3). Der Beklagte ordnete die sofortige Vollziehung an.
Die Klägerin teilte dem Beklagten mit Schreiben vom 14. Dezember 2016 mit, dass sie keine Tierpension mehr in E. betreibe. Zudem übersandte sie Grundrisspläne ihrer Räumlichkeiten mit Einzeichnung der Käfige und deren Nutzung. Mit Schreiben vom 27. Dezember 2016, zugestellt am 28. Dezember 2016, berichtigte der Beklagte die Rechtsbehelfsbelehrung der Untersagungsverfügung vom 30. November 2016.
Die Klägerin hat am 30. Januar 2017 Klage erhoben.
Sie ist der Ansicht, dass für den Betrieb der Fundtierstelle keine Erlaubnis erforderlich gewesen sei. Es habe sich nicht um eine tierheimähnliche Einrichtung gehandelt. Sie habe die Fundtiere so lange als stationäre Patienten in der Praxis aufgenommen, tierärztlich behandelt und überwacht, bis diese von ihren ehemaligen oder neuen Haltern abgeholt worden seien. Die durchschnittliche Verweildauer für Katzen habe im Jahr 2015 bei 27,5 Tage und im Jahr 2016 bei 15 Tagen gelegen. Die durchschnittliche Verweildauer von stationären Heimtier- und Vogelpatienten habe etwa vier Wochen betragen. Der stationäre Aufenthalt von aufgefundenen Hunden habe sich in der Regel auf etwa zwei Stunden beschränkt. Im Schnitt seien jährlich ein bis zwei Hunde nicht wieder von ihren Eigentümern abgeholt worden. Diese hätten durchschnittlich vier Wochen als stationärer Patient in der Hundestation verweilt. In dieser Zeit hätten meist notwendige tierärztliche Eingriffe stattgefunden. Die aufgefundenen Katzen und Heimtiere seien zuerst sieben Tage auf der Kranken- und Quarantänestation versorgt worden. Nach Genesung seien die Kastration, die Kennzeichnung und eine prophylaktische Impfung erfolgt. Sofern die Tiere bis dahin noch nicht wieder von ihrem Eigentümer abgeholt worden seien, seien sie anschließend in der kleinen Farm in Einzelboxen untergebracht worden. Hierbei habe es sich um eine Tätigkeit im Rahmen ihrer tierärztlichen Praxis und nicht um einen eigenständigen Betriebsteil gehandelt. Die Aufnahme von Fundtieren habe lediglich 20 % ihrer tierärztlichen Tätigkeit ausgemacht.
Im Jahr 2015 seien insgesamt 263 Fundtiere aufgenommen worden. Von den im Jahr 2016 insgesamt 225 aufgenommenen Fundtieren seien 34 Tiere tot oder sterbend in der Praxis eingetroffen. Drei Wasserschildkröten seien direkt nach durchgeführter Allgemeinuntersuchung an eine Reptilienauffangstation übergeben worden. Bei 26 Fundtieren habe es sich um verwilderte Hauskatzen gehandelt, die in der Praxis der Klägerin kastriert, gekennzeichnet und am gleichen Tag wieder vom Finder abgeholt worden seien. Insgesamt 75 Fundtiere seien von ihren Haltern innerhalb von wenigen Stunden wieder aus der Praxis abgeholt worden. Weitere 87 Tiere seien nicht wieder aus der Praxis abgeholt worden. Diese Tiere hätten alle einer stationären tierärztlichen Behandlung bedurft. In dem Moment, in dem sie nicht mehr behandlungsbedürftig gewesen seien, seien sie neuen Haltern überlassen worden. Diese neuen Halter hätten die Kosten für tierärztliche Behandlung gezahlt. Bei den mit den Kommunen geschlossenen Verträgen habe es sich um tierärztliche Betreuungsverträge im Sinne von § 4 GOT gehandelt. Zudem hätten laut den Verträgen die Kommunen die Kosten nicht länger als 90 Tage übernommen. Die Einrichtung diene damit nicht überwiegend der Aufnahme und Pflege von Fund- und Abgabentieren. Darüber hinaus lägen in ihren Räumlichkeiten keine tierschutzwidrigen Zustände vor.
Die Klägerin beantragt,
den Untersagungsbescheid des Beklagten vom 30. November 2016 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf seine Ausführungen in der Antragserwiderung vom 2. März 2017 im vorläufigen Rechtsschutzverfahren. Er ist der Ansicht, dass es sich bei der Fundtierstelle der Klägerin um eine tierheimähnliche Einrichtung gehandelt habe. Sie habe die wesentlichen Merkmale eines Tierheimes erfüllt. Neben mehrheitlich Hunden und Katzen hätten sich dort auch Kaninchen, Meerschweinchen, Frettchen, Wasserschildkröten und Vögel befunden. Auch wenn man davon ausgehe, dass viele der Tiere zeitnah wieder vermittelt werden konnten, habe eine große Zahl von Tieren einen längeren Zeitraum in der Fundtierstelle verbracht. Weder die Aufnahme von Fundtieren noch deren Haltung zum Zwecke der Weitervermittlung seien unter ihre tierärztliche Tätigkeit gefallen. Nach den Verträgen mit den Kommunen sei die Klägerin auch verpflichtet gewesen, gesunde Tiere aufzunehmen. Dafür spreche auch, dass von der Klägerin eine eigenständige Werbefolie auf dem Schaufenster der Fundtierstelle angebracht worden sei, sodass sich auf den ersten Blick für den Finder eines Fundtieres nicht erschlossen habe, dass ein Bezug zu der Tierarztpraxis bestand. Auch für den Betrieb der Tierpension sei keine Erlaubnis vorhanden gewesen. Die am 20. Juni 2008 erteilte Genehmigung sei ortsgebunden und habe sich ausschließlich auf die Betriebsstätten in A-Stadt erstreckt. Eine neue Erlaubnis habe die Klägerin nicht beantragt.
Bei einer erneuten Begehung der Räumlichkeiten der Klägerin am 20. Februar 2017 hat der Veterinärdienst des Beklagten weiterhin diverse Mängel in der Quarantäne- und der Fundtierstation der Klägerin festgestellt. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 504 bis 508 der Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.
Die Klägerin hat am 23. Februar 2017 einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gestellt. Diesen Antrag hat die Kammer mit Beschluss vom 14. März 2017 (Az. 6 B 16/17) abgelehnt.
Mit Schreiben vom 24. März 2018 hat der Beklagte der Klägerin mitgeteilt, dass die Voraussetzungen für eine Erlaubniserteilung nicht vorlägen und bestimmte Maßnahmen umzusetzen seien. Dem widersetzte sich die Klägerin. Mit Bescheid vom 18. August 2017 hat der Beklagte den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Erlaubnis zum Betrieb einer tierheimähnlichen Einrichtung und einer Tierpension abgelehnt, weil die Räumlichkeiten der Klägerin nicht den Anforderungen an eine verhaltensgerechte Unterbringung der Tiere entsprächen. Die hiergegen erhobene Klage vom 18. September 2017 hat die Kammer mit Entscheidung vom heutigen Tag abgewiesen (Az. 6 A 530/17).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten einschließlich der Verfahren 6 B 16/17 und 6 A 530/17 sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Die Untersagung des Betriebs einer tierheimähnlichen Einrichtung findet ihre Rechtsgrundlage in § 11 Abs. 5 Satz 6 TierSchG. Danach soll die zuständige Behörde demjenigen die Ausübung der Tätigkeit untersagen, der die Erlaubnis nicht hat. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 TierSchG bedarf derjenige, der Tiere in einem Tierheim oder einer tierheimähnlichen Einrichtung halten will, der Erlaubnis der zuständigen Behörde. Mit der Ausübung der Tätigkeit darf nach § 11 Abs. 5 Satz 1 TierSchG erst nach Erteilung der Erlaubnis begonnen werden. Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Klägerin hat – ohne die dafür erforderliche Erlaubnis – eine tierheimähnliche Einrichtung betrieben.
Tierheimähnliche Einrichtungen sind Einrichtungen, bei denen die wesentlichen Merkmale eines Tierheims vorliegen (BVerwG, Urt. v. 23.10.2008 – 7 C 9/08 –, juris, Rn. 15). Ein Tierheim im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 TierSchG ist eine Einrichtung, deren wesentliche Aufgabe die Aufnahme, pflegliche Unterbringung und gegebenenfalls Weitervermittlung von Fund- und Abgabentieren ist (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, 3. Auflage 2016, § 11, Rn. 6). Wesentliches Merkmal eines Tierheims ist, dass dort viele Tiere unterschiedlicher Arten konzentriert an einem Ort gehalten werden (Nds. OVG, Beschl. v. 21.6.2011 – 11 ME 549/10 –, juris, Rn. 14). Die Tierheime werden als Auffangstation, als Tierpensionen, zur vorläufigen Unterbringung aus Gründen der öffentlichen Ordnung und zum Schutz der betroffenen Tiere tätig (Lorz/Metzger, Tierschutzgesetz, 6. Auflage 2008, § 11, Rn. 8). Eine entsprechende Definition enthält auch Ziffer 12.2.1.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 11 TierSchG, wonach Tierheime oder tierheimähnliche Einrichtungen dadurch gekennzeichnet sind, dass sie auf Dauer angelegt sind und überwiegend der Aufnahme und Pflege von Fund- oder Abgabetiere dienen.
Darüber hinaus ist eine Einrichtung einem Tierheim ähnlich, wenn Sinn und Zweck der durch § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 TierSchG begründeten Erlaubnispflicht auch für die Erlaubnisbedürftigkeit der Einrichtung sprechen. Es ist Sinn und Zweck des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 TierSchG, im Wege der behördlichen Vorabkontrolle die materiellen Anforderungen (insbesondere nach § 2 TierSchG) unter den besonderen Bedingungen eines Tierheimes sicherzustellen. Gerade unter den spezifischen Haltungsbedingungen in einem Tierheim, in dem viele Tiere konzentriert an einem Ort gehalten werden, sind Verstöße gegen die materiellen Anforderungen an das Halten von Tieren zu besorgen, denen durch die Erlaubnispflicht begegnet werden soll. Abzugrenzen ist das Halten von Tieren in einem Tierheim oder einer ähnlichen Einrichtung von der normalen privaten bzw. nicht gewerbsmäßigen Tierhaltung, für die keine Erlaubnispflicht besteht (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 23.10.2008 – 7 C 9/08, juris, Rn. 16).
Gemessen an diesen Kriterien handelte es sich bei der von der Klägerin betriebenen Art der Tierhaltung in dem zur Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Untersagungsverfügung um eine Haltung in einer einem Tierheim ähnlichen Einrichtung im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 TierSchG.
Indem die Klägerin über mehrere Jahre hinweg eine Vielzahl unterschiedlicher Fundtiere dauerhaft in ihren Räumlichkeiten aufgenommen, gepflegt und weitervermittelt hat, hat sie die wesentlichen Aufgaben eines Tierheims erfüllt. Die Klägerin nahm im Jahr 2015 insgesamt 265 Fundtiere und im Jahr 2016 insgesamt 225 Fundtiere unterschiedlicher Arten auf. Ähnlich wie in einem Tierheim wurden damit viele Tiere unterschiedlicher Arten konzentriert an einem Ort gehalten. Dementsprechend spricht auch der Sinn und Zweck des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 TierSchG für eine Erlaubnisbedürftigkeit der Einrichtung der Klägerin. Sinn und Zweck der Erlaubnispflicht ist die Einhaltung der materiellen Anforderungen sicherzustellen, die erforderlich sind, um unterschiedliche Tierarten konzentriert an einem Ort zu halten. Gerade bei diesen spezifischen Haltungsbedingungen sind Verstöße gegen die materiellen Anforderungen an das Halten von Tieren zu besorgen, denen durch die Erlaubnispflicht begegnet werden soll. In der von der Klägerin herangezogenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts wird ausgeführt, dass eine Einrichtung einem Tierheim ähnlich sei, wenn die Gründe, die für die Erlaubnispflicht der Tierhaltung in einem Tierheim sprechen, bei der Einrichtung in gleicher Weise bestehen (BVerwG, Urt. v. 23.10.2008 – 7 C 9/08 –, juris, Rn. 16). Entgegen der Ansicht der Klägerin liegt der Fall so auch hier. Aufgrund der Vielzahl der in den Räumlichkeiten der Klägerin gehaltenen Tiere waren Verstöße gegen die materiellen Anforderungen an das Halten von Tieren zu besorgen.
Unerheblich dabei ist, dass viele der aufgefundenen Tiere wieder zeitnah ihrem Besitzer zugeführt oder an einen neuen Besitzer weitervermittelt wurden. So hat die Klägerin angeführt, dass im Jahr 2016 34 Tiere tot oder sterbend in ihren Räumlichkeiten eintrafen, drei Wasserschildkröten direkt nach durchgeführter Allgemeinuntersuchung an eine Reptilienauffangstation übergeben, 26 Fundkatzen nach Kennzeichnung und Kastration am gleichen Tag wieder vom Finder abgeholt und weitere 75 Fundtiere von ihren Haltern unmittelbar wieder aus der Praxis abgeholt wurden, nachdem sie durch die Klägerin untersucht worden seien. Auch bei einem Tierheim variiert die Verweildauer stark. Viele Tiere, die in ein Tierheim gebracht werden, werden wenige Stunden später vom Besitzer wieder abgeholt oder es findet sich ein neuer Halter. Darüber hinaus verblieb aber auch eine große Anzahl an Tieren über einen längeren Zeitraum – ähnlich wie bei einem Tierheim – in der Fundtierstelle der Klägerin. Die durchschnittliche Verweildauer von Katzen lag nach eigenen Angaben der Klägerin im Jahr 2015 bei 27,5 Tagen und im Jahr 2016 bei 15 Tagen.
Daneben sprechen aber auch die im Zeitpunkt des Erlasses der Untersagungsverfügung bestehenden vertraglichen Regelungen mit den Gemeinden A-Stadt, E., F., der Samtgemeinde Elbmarsch sowie mit der Stadt G. dafür, dass es sich bei den hierdurch übertragenen Aufgaben überwiegend um solche gehandelt hat, die üblicherweise durch ein Tierheim wahrgenommen werden. Durch die Verträge haben die Kommunen die ihnen obliegende Aufgabe der Aufnahme und Betreuung von Fundtieren auf die Klägerin übertragen, sodass diese praktisch anstelle der Gemeinden ein Tierheim betrieb. Der Schwerpunkt der Verpflichtung lag gerade nicht auf den tierärztlichen Leistungen. Entgegen der Ansicht der Klägerin handelte es sich bei den Verträgen mit den Kommunen nicht um Betreuungsverträge im Sinne des § 4 Abs. 2 GOT. Betreuungsverträge werden häufig zwischen einem Tierheim und einem niedergelassenen Tierarzt geschlossen. Hierbei geht es darum, dass (originäre) tierärztliche Leistungen geschuldet werden wie z.B. die kurative Behandlung kranker Tiere. Ein Betreuungsvertrag im oben genannten Sinne umfasst aber nicht die eigene Annahme und dauerhafte Unterbringung sowie die Vermittlung von Tieren durch den Tierarzt, also Aufgaben, die in der Fundtierstelle der Klägerin im Vordergrund standen. Ausweislich der Verträge war die Klägerin auch dazu verpflichtet, Tiere aufzunehmen, die keinen Behandlungsbedarf hatten und offensichtlich gesund waren.
Darüber hinaus kann sich die Klägerin auch nicht darauf berufen, dass sie lediglich eine Tierarztpraxis mit stationärer Aufnahme betrieben habe und der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit auf der Durchführung tierärztlicher Leistungen lag. So hätten sich im Jahr 2016 87 Tiere bei der Vorstellung in der Praxis in einem Gesundheitszustand befunden, der die Unterbringung des Tieres in einem Tierheim oder in einem Privathaushalt nicht zugelassen hätte, weil sie einer stationären tierärztlichen Behandlung bedurft hätten. Die Klägerin habe an jedem von ihr aufgenommenen Tier tierärztliche Leistungen durchgeführt. Für die Beurteilung der Fundtierstelle ist unerheblich, welche weiteren Unternehmungen die Klägerin in den angegliederten Räumlichkeiten betrieb und dass sie überwiegend in ihrer Tierarztpraxis tätig war. Für eine tierheimähnliche Einrichtung ist nicht erforderlich, dass sie die Hauptbeschäftigung oder Haupterwerbsquelle ihres Betreibers ist. Ob eine – von den Fallzahlen her umfangreichere – Tierarztpraxis räumlich angeschlossen ist, spielt für die Bewertung des getrennt zu betrachtenden tierheimähnlichen Bereiches keine Rolle. Denn ähnliche Einrichtungen sind solche, die eine der Funktionen erfüllen, die bei Tierheimen geläufig sind, auch wenn daneben andere Aufgaben wahrgenommen werden (Lorz/Metzger, Tierschutzgesetz, 6. Auflage 2008, § 11, Rn. 8). Auch ein Gnadenhof, der vorrangig dazu dient, alten oder kranken Tieren eine Heimat zu geben, stellt eine tierheimähnliche Einrichtung dar, wenn auch vereinzelt Hunde aufgenommen und vermittelt werden. Die Einrichtung dient neben dem Gnadenhof auch anderen Zwecken. Das reicht für die Annahme einer tierheimähnlichen Einrichtung aus (Nds. OVG, Beschl. v. 21.06.2011 – 11 ME 549/10 –, juris). Angesichts des räumlichen Umfangs und der erheblichen Zahl von 225 Fundtieren im Jahr 2016 war dieser Betriebsteil auch nicht so unbedeutend, dass von einem bloßen Anhang zu der Tierarztpraxis ausgegangen werden konnte. Zudem sprach auch die eigene Bezeichnung „Die kleine Farm“ für die Fundtierstelle für einen eigenen Geschäftsbereich. Dieser Geschäftsbereich wurde auf der Homepage getrennt ausgewiesen. Auch das damalige äußere Erscheinungsbild der Praxis einerseits und der Fundtierstelle andererseits sprechen für eine funktionale und räumliche Trennung beider Geschäftsbereiche. Auf dem Schaufenster der Fundtierstelle war eine eigenständige Werbefolie für die Fundtierstelle angebracht. Auf den ersten Blick war für einen Finder damit nicht ersichtlich, dass ein Bezug zu der Tierarztpraxis bestand.
Es lag auch kein atypischer Fall vor, der – entgegen des intendierten Ermessens – eine andere Entscheidung gerechtfertigt hätte. Da es sich bei der Vorschrift des § 11 Abs. 5 Satz 6 TierSchG um eine Sollvorschrift handelt, muss die Behörde die Tätigkeit in der Regel schon dann untersagen, wenn keine Erlaubnis vorliegt. In atypischen Fällen muss die Behörde allerdings entscheiden, ob sie von der Befugnis zur Untersagung Gebrauch macht (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, 3. Auflage 2016, § 11, Rn. 41; Nds. OVG, Beschl. v. 21.06.2011 – 11 ME 549/10 –, juris, Rn. 17). Ein solcher Fall wird angenommen, wenn alle Erlaubnisvoraussetzungen offensichtlich erfüllt sind und der entsprechende Antrag auch bereits mit allen notwendigen Angaben und Unterlagen eingereicht ist. Angesichts der zahlreichen Beanstandungen der Tierhaltung in den Räumlichkeiten der Klägerin durch den Veterinärdienst des Beklagten und das LAVES lagen die Voraussetzungen für eine Erlaubnis nicht offensichtlich vor. Sowohl der Veterinärdienst des Beklagten als auch das LAVES haben in ihren Gutachten aufgrund der Begehungen der Räumlichkeiten der Klägerin festgestellt, dass die Quarantänestation und auch die Heimtierstation diverse Mängel aufwiesen. Aufgrund dieser Mängel konnte auch die beantragte Erlaubnis nicht erteilt werden. Die Räumlichkeiten der Klägerin waren für eine tierschutzgerechte Unterbringung und Versorgung der Tiere nach den Feststellungen des Veterinärdienstes nicht geeignet.
2. Keine Bedenken bestehen auch gegen die Anordnung des Beklagten, Fundtiere, die sich ab dem 1. März 2017 noch bei der Klägerin befanden, innerhalb von 14 Tagen zu vermitteln und sie anschließend in eine andere geeignete Stelle, z.B. das Tierheim I., abzugeben. Dabei handelt es sich um eine notwendige Folge der Untersagung des Betriebs der tierheimähnlichen Einrichtung.
3. Darüber hinaus ist auch die Untersagung des Betriebs der Tierpension in den Räumlichkeiten in der C. sowie im J. in E. rechtmäßig ergangen. Rechtsgrundlage ist § 11 Abs. 5 Satz 6 TierSchG i.V.m. § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8a TierSchG. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8a TierSchG bedarf derjenige einer Erlaubnis, der gewerbsmäßig Wirbeltiere hält. Davon umfasst sind auch gewerbsmäßig betriebene Hunde- und Katzenpensionen sowie Einrichtungen zur tageweisen Betreuung von Hunden (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, 3. Auflage 2016, § 11, Rn. 12). In dem hier maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Untersagungsverfügung betrieb die Klägerin eine Tierpension ohne im Besitz der dafür erforderlichen Erlaubnis gewesen zu sein. Die mit Bescheid vom 20. Juni 2008 erteilte Erlaubnis zum Betrieb einer gewerblichen Tierpension erstreckte sich ausschließlich auf die Betriebsstätten in der A-Straße und H. in A-Stadt. Aus diesem Wortlaut ergibt sich, dass es sich um eine ortsgebundene Erlaubnis gehandelt hat. Für den Betrieb einer Tierpension in den Betriebsstätten in E. hätte die Klägerin erneut eine Erlaubnis beantragen müssen. Eine einfache Anzeige der Betriebsverlegung ist hierfür nicht ausreichend. Ein atypischer Fall, in dem von einer Untersagung der Einrichtung hätte abgesehen werden können, liegt aus den vorgenannten Gründen nicht vor, sodass der Betrieb der Tierpension zu untersagen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO durch das Verwaltungsgericht liegen nicht vor.