Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 06.04.2018, Az.: 2 A 105/17

Anwendungserlass AO; Erlass; Ermessenreduzierung auf Null; Gewerbesteuer

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
06.04.2018
Aktenzeichen
2 A 105/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 73933
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten einen Erlass von Nachzahlungszinsen aus Billigkeitsgründen.

Die Klägerin betreibt seit 1. Juli 2014 einen Betrieb für Tierproduktion und ist durch Verschmelzungsvertrages vom 15. September 2014 Rechtsnachfolgerin der E. geworden. Dieses teilte die Klägerin dem Landkreis D. am 15. Februar 2016 mit.

Die Rechtsvorgängerin (F.) leistete eine Vorauszahlung auf die Gewerbesteuer 2014 i.H.v. 195.588 Euro an die Beklagte.

Am 7. April 2016 leistete die Klägerin sodann ohne Veranlassung eine (weitere) Zahlung in Höhe von 306.449,00 Euro auf das Konto der Beklagten. Bereits zuvor teilte sie der Beklagten mit, es handele sich um eine freiwillige Vorauszahlung auf Gewerbesteuern 2014. Dadurch solle die Entstehung von Zinsen entsprechend der Abgabenordnung (AO) verhindert werden.

Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 22. Juni 2016 mit, dass die Zahlung ohne vorherige Veranlassung eingegangen sei. Bis zu dem Tage sei aber kein Grundlagenbescheid, in dem der Gewerbesteuermessbetrag für 2014 festgesetzt werde, vom Finanzamt erlassen worden. Aus diesem Grund biete sie zwei Möglichkeiten an: 1. der Betrag verbleibe auf dem Konto der Beklagten. Die Zinsberechnung erfolge in voller Höhe entsprechend der AO. Der bereits geleistete Betrag werde entsprechend angerechnet. 2. Der Betrag werde zurückerstattet. Der Gewerbesteuerbescheid werde entsprechend den Festsetzungen des Finanzamtes erstellt.

Daraufhin äußerte die Klägerin am 5. Juli 2016, dass die freiwillige Vorausleistung auf die Grundsteuer „zur Vermeidung von Strafzinsen“ auf dem Konto der Beklagten verbleiben solle, bis der Bescheid für den Erhebungszeitraum 2014 eingegangen sei.

Mit Bescheid vom 27. Oktober 2016 setzte das Finanzamt G. gegen die Klägerin den Gewerbesteuermessbetrag für das Veranlagungsjahr 2014 in Höhe von 119.042,00 Euro fest.

Mit Bescheid vom 15. Februar 2017 setzte die Beklagte gegenüber der Klägerin auf Grundlage des Bescheides des Finanzamts die Gewerbesteuer für das Veranlagungsjahr 2014 in Höhe von 404.743,00 Euro fest. Gleichzeitig setzte sie Nachforderungszinsen für das Veranlagungsjahr 2014 in Höhe von 10.407,00 Euro fest und erläuterte die Berechnung mit dem Bescheid anliegenden Schreiben. Dem war zu entnehmen, dass auf den Gewerbesteuerbetrag sowohl die Vorauszahlung der Rechtsvorgängerin, der E. (i.H.v. 196.588,00 Euro) wie auch die freiwillige Vorauszahlung (i.H.v. 306.449,00 Euro) der Klägerin berücksichtigt worden waren. Nach der Abrechnung habe sich ein Guthaben in Höhe von 86.887,00 Euro. Mit Schreiben vom 2. März 2017 teilte sie der Klägerin sodann mit, dass ein Guthaben von 87.887,00 Euro entstanden sei. Der Gewerbesteuerbescheid würde sich – wegen Klärungsbedarfs – noch verzögern. Für den Fall, dass der Betrag auf dem Konto verbleiben solle, erfolge eine Zinsberechnung entsprechend der AO.

Hierauf antwortete die Klägerin am 13. März 2017 dahingehend, dass die Zinsen im Zinsbescheid für 10 Monate berechnet worden seien, obwohl sie bereits im April 2016 eine freiwillige Vorauszahlung geleistet habe und stellte einen Antrag auf Erlass der Nachzahlungszinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen unter Hinweis auf den Anwendungserlass zur AO.

Den Antrag lehnte die Beklagte unter dem 21. März 2017 ab. Zur Begründung führte sie aus, dass die Klägerin ihr gegenüber mitgeteilt habe, dass die Vorauszahlungen einbehalten bleiben sollten, um „Strafzinsen“ zu vermeiden. Nachforderungszinsen seien ausweislich des genannten Anwendungserlasses zur AO jedoch weder Druck- noch Sanktionsmittel oder Strafe. Zum Zeitpunkt des Geldeingangs sei die Anpassung des Gewerbesteuermessbetrages durch das Finanzamt ohnehin nicht mehr möglich gewesen. Dafür, dass die Festsetzung der Gewerbesteuer so lange gedauert habe, können sie, die Beklagte, nichts.

Hiergegen hat die Klägerin am 24. April 2017 Klage erhoben, mit der sie den Erlass der Nachforderungszinsen geltend macht. Zur Begründung wiederholt sie ihr bisheriges Vorbringen und führt ergänzend aus, dass die Erhebung von Nachzahlungszinsen dann unbillig sei, wenn der Abgabenschuldner aufgrund der verspäteten Festsetzung – der Gewerbesteuerschuld – keinen Vorteil gehabt habe, weil er in Gestalt einer freiwilligen Vorausleistung bereits auf die von ihm selbst errechnete mutmaßliche Gewerbesteuerforderung gezahlt habe. Dies sei hier der Fall. Sie habe bereits im April 2016 306.449,00 Euro überwiesen und dementsprechend nicht mit dem Geld arbeiten können oder dies anlegen können. Demgegenüber habe die Beklagte aus der verspäteten Gewerbesteuerfestsetzung keinen Nachteil gezogen. Die freiwillige Leistung habe sie als Kassenmittel verwenden können. Es bestehe demnach ein Anspruch auf Erlass. Die Höhe berechne sich nach dem Anwendungserlass der AO und ergebe einen Betrag von 9.366,00 Euro.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21. März 2017 zu verpflichten, ihr von den im Bescheid vom 15. Februar 2017 festgesetzten Zinsen auf die Gewerbesteuer einen Betrag in Höhe von 9.366,00 Euro zu erlassen,

hilfsweise,

die Beklagte zu verpflichten, den Erlassantrag vom 13. März 2017 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie tritt der Klage unter Bezugnahme auf ihre bisherigen Ausführungen entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage, über die das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO) entscheiden kann, hat Erfolg.

Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat einen Rechtsanspruch auf den Erlass von Nachzahlungszinsen, soweit im Gewerbesteuerbescheid der Beklagten vom 15. Februar 2017 hinsichtlich der Zinsen ein höherer Betrag als 1.041,00 Euro (10.407,00 Euro – 9.366,00 Euro) festgesetzt wurde, weil das der Beklagten nach § 227 AO zustehende Ermessen auf Null reduziert war. Damit ist der den Erlass ablehnende Bescheid der Beklagten aufzuheben und die Beklagte zum Erlass zu verpflichten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Gemäß § 227 der Abgabenordnung (AO) können Ansprüche aus dem Steuerverhältnis, zu denen auch Ansprüche auf Nachzahlungszinsen als steuerliche Nebenleistungen nach § 37 Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs. 4 AO gehören, ganz oder zum Teil erlassen werden, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Es handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die gemäß § 114 Satz 1 VwGO gerichtlich (nur) daraufhin geprüft werden, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Inhalt und Grenzen des Ermessens werden durch den Begriff der Unbilligkeit bestimmt (BFH, Beschluss vom 28.2.2012 - VIII R 2/08 -, juris). Die Unbilligkeit der Einziehung kann in der Sache selbst oder in der Person des Steuerpflichtigen liegen. Ein Erlass von Nachzahlungszinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen ist etwa dann geboten, wenn deren Einziehung im Einzelfall, insbesondere mit Rücksicht auf ihren Zweck, nicht mehr gerechtfertigt ist, weil die Erhebung, obwohl der Sachverhalt den gesetzlichen Tatbestand erfüllt, den Wertungen des Gesetzgebers zuwiderläuft.

Im vorliegenden Fall geht das Gericht von derartigen Umständen aus, die zu einem Rechtsanspruch auf Erlass der Nachzahlungszinsforderung aus sachlichen Billigkeitsgründen führen. Eine andere Entscheidung kommt nicht in Betracht.

Mit dem Bescheid vom 15. Februar 2017 hat die Beklagte die Nachzahlungszinsen in Höhe von 10.407,00 Euro dem Grunde nach und der Höhe nach (§§ 233 a Abs. 2 Satz 1 AO i.V.m. § 238 Abs. 1 Sätze 1 u. 2 AO) zunächst rechtmäßig festgesetzt. Denn nach § 233 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 AO sind Steuernachforderungen zu verzinsen. Vorliegend entstand eine Steuernachforderung für das Steuerjahr 2014, weil die Gewerbesteuer für die Klägerin aufgrund der Verschmelzung mit der zuvor steuerpflichtigen F. erstmalig von 0,00 Euro auf 404.743,00 Euro festgesetzt wurde. Maßgebend für die Zinsberechnung ist der Unterschiedsbetrag (vgl. § 233 a Abs. 3 Satz 1 AO). Grundsätzlich besteht der Zweck der Verzinsung nach § 233 a AO nämlich darin, den Zinsvorteil des Steuerpflichtigen bzw. den Zinsnachteil des Steuergläubigers aufgrund der verspätet bezahlten Steuerschuld auszugleichen. Dies gilt auch, wenn der Steuerpflichtige – wie hier – freiwillige Zahlungen auf eine Steuerschuld vor ihrer Festsetzung erbracht und dadurch die Steuerschuld insgesamt erfüllt hat (Loose, in: Tipke/Kruse, AO, Stand: 10/2017, § 233 a AO, Rn. 81, 32). Dies beruht auf dem sog. Prinzip der Soll-Verzinsung. Bemessungsgrundlage für den Zinsanspruch ist allein der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer (Soll) und der zuletzt festgesetzten Steuer (Vorsoll). Die Soll-Verzinsung ist praktikabler als die auf die Differenz zwischen festgesetzter und tatsächlich gezahlten Beträgen abhebende Ist-Verzinsung, weil sie ohne Überwachung der Kassenvorgänge auskommt (zu alledem, Loose, in: Tipke/Kruse, AO, Stand: 10/2017, § 233 a AO, Rn. 32 unter Verweis auf Baum, BB 92, 2048.). Deshalb ist es auch für die Verzinsung belanglos, ob vorzeitige Zahlungen, Aufrechnungen etc. erfolgt sind, die zum Erlöschen der Steuerschuld führen. Auch in diesem Fall sind Nachzahlungszinsen festzusetzen (vgl. BT-Drs. 8/1410, S. 6; BT-Drs. 13/5952, S. 56). Dadurch soll insbesondere auch verhindert werden, dass der Steuerpflichtige bei einem unterhalb des gesetzlichen Zinssatzes liegenden Marktzins – wie es heute der Fall ist – zum Zwecke der Kapitalanlage Überzahlungen leistet (Loose, in: Tipke/Kruse, AO, Stand: 10/2017, § 233 a AO, Rn. 32).

Entstehen jedoch aufgrund solcher freiwilliger Vorauszahlungen Nachzahlungszinsen, kann deren Festsetzung unter bestimmten Voraussetzungen unbillig sein und einen (Teil-)Erlass der Zinsen rechtfertigen. Für eine Verzinsung der Steuernachforderung ist beispielsweise dann kein Raum, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Steuerpflichtige durch die verspätete Steuerfestsetzung keinen Vorteil erlangt hatte (ständ. Rspr. u.a. BFH, Beschluss vom 31.5.2017 - I R 77/15 -, juris mwN.; sog. fehlender Liquiditätsvorteil des Steuerpflichtigen, hierzu Krabbe, DStR 1991, 1042). In einem solchen Fall ist das Ermessen der steuererhebenden Behörde regelmäßig auf Null reduziert und die Nachzahlungszinsen zu erstatten. Deshalb bestimmt auch § 233 a des Anwendungserlasses des Bundesfinanzministeriums zur Abgabenordnung (AEAO), auch explizit, dass in einem solchen Fall festgesetzte Nachzahlungszinsen wegen sachlicher Unbilligkeit zu erlassen sind (vgl. Nr. 69.2, 70.1.1 AEAO). Danach sind Nachzahlungszinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen, soweit der Steuerpflichtige auf die sich aus der Steuerfestsetzung ergebende Steuerzahlungsforderung bereits vor Wirksamkeit der Steuerfestsetzung freiwillige Leistungen erbracht und das Finanzamt diese Leistungen angenommen und behalten hat. Der Anwendungserlass richtet sich zwar unmittelbar nur an die Finanzbehörden, nicht an die Beklagte als Gemeinde, die im vorliegenden Fall die kommunalen Steuern erhebt. Jedoch ist der der genannten Regelung zu Grunde liegende Gedanke für den vorliegenden Fall anwendbar. Die Erhebung von Nachzahlungszinsen ist dann unbillig, wenn der Abgabenschuldner aufgrund der verspäteten Festsetzung der Abgabe, hier der Gewerbesteuerschuld, keinen Vorteil hatte, weil er in Gestalt einer freiwilligen Vorausleistung bereits auf die von ihm selbst errechnete mutmaßliche Gewerbesteuerforderung gezahlt hat (so auch VG München, Urteil vom 5.5.2011 - M 10 K 10.1952 -, juris).

Dies ist bei der Klägerin der Fall. Nachdem der Betreib der Klägerin mit der F. verschmolzen ist, hat die Klägerin auf das Konto der Beklagten am 7. April 2016 einen Betrag in Höhe von 304.449,00 Euro als „freiwillige Vorausleistung“ auf die Gewerbesteuer 2014 überwiesen. Ab diesem Zeitpunkt konnte die Klägerin mit dem Geld selbst nicht mehr arbeiten oder es anlegen. Demgegenüber hatte auch die Beklagte als Abgabengläubigerin aus der verspäteten Gewerbesteuerfestsetzung keinen Nachteil. Denn mit der freiwilligen Leistung der Klägerin, die unstreitig am 4. April 2016 auf ihrem Kassenkonto einging, konnte sie den überwiesenen Betrag in voller Höhe als Kassenmittel verwenden (ähnlich auch VG München, Urteil vom 5.5.2011 - M 10 K 10.1952 -, juris.

Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte nach Feststellung der Überweisung mit Schreiben vom 22. Juni 2016 zunächst angefragt hat, wie mit dem Geld weiter verfahren werden solle, d.h., ob dieses auf ihrem Konto verbleiben und der bereits gezahlte Betrag bei der Zinsberechnung in voller Höhe angerechnet, oder ob das Geld auf das Konto der Klägerin zurücküberwiesen werden sollte. Zunächst ändert dies nichts daran, dass das Geld tatsächlich der Klägerin entzogen war und der Beklagten zur Verfügung stand. Im Übrigen äußerte die Klägerin daraufhin ausdrücklich, dass das Geld „zur Vermeidung von Strafzinsen auf dem Konto der Gemeinde D.“ verbleiben solle. Zu einer auch nur zwischenzeitigen Rückerstattung des Betrages kam es bis zum Zeitpunkt der endgültigen Festsetzung der Gewerbesteuer und der Nachzahlungszinsen mit Bescheid vom 15. Februar 2017 indes nicht. Da aber die Beklagte den Geldbetrag behielt und zusätzlich nun Nachforderungszinsen verlangt, hätte sie damit letztlich einen doppelten Vorteil aus der freiwilligen Vorauszahlung der Klägerin, wenn sie denn die festgesetzten Nachforderungszinsen behalten dürfte.

Auch der Einwand der Beklagten, dass die Nachzahlungszinsen ausgehend von Nr. 69.2 AEAO weder Sanktions- noch Druckmittel und auch keine Strafe seien, die Klägerin jedoch ausdrücklich geäußert habe, dass sie den freiwilligen Betrag zur Vermeidung von „Strafzinsen“ überwiesen habe, greift hier nicht durch. Aufgrund der Äußerung der Klägerin konnte die Beklagte den Geldeingang nicht anders auslegen, als dass die Klägerin damit die Nachzahlungszinsen vermeiden wollte, wenngleich diese im Rechtssinne keine „Strafe“ und auch kein Sanktionsmittel darstellen. Denn der tatsächliche Zahlungswille, das Geld dafür zu verwenden, damit später keine Zinsen mehr festgesetzt würden, ist für die Beklagte spätestens durch die Mitteilung der Klägerin ersichtlich geworden.

Soweit die Beklagte geltend macht, dass zum Zeitpunkt des Geldeingangs eine Anpassung der Vorauszahlung im Hinblick auf den Gewerbesteuermessbescheid nicht mehr möglich gewesen wäre, verhilft ihr das ebenfalls nicht zum Erfolg. Denn genau diese Ungerechtigkeit, die aus der „unbilligen“ Situation resultiert, dass eine Zahlung eingeht und nicht mehr auf die spätere Steuerfestsetzung angerechnet werden kann, soll durch die Möglichkeit des Erlasses im Nachhinein relativiert werden.

Dem Erlassanspruch der Klägerin steht auch die Verschmelzung der Betriebe der Klägerin mit der F. nicht entgegen. Aus der Erläuterung der Zusammensetzung der Gewerbesteuer der Beklagten vom 16. Februar 2017 und des darin errechneten Überschusses in Höhe von 87.887,00 Euro, die sie der Klägerin mit dem Gewerbesteuerbescheid zugesandt hat, geht eindeutig hervor, dass die Beklagte bei der Berechnung der Gewerbesteuer die Vorauszahlung zur Gewerbesteuer, die zuvor von der F. in Höhe von 196.588,00 Euro geleistet wurde, bei der erstmaligen Festsetzung der Gewerbesteuern für die Rechtsnachfolgerin – der hiesigen Klägerin – berücksichtigt hatte. Aus welchen Gründen die Verschmelzung und ein etwaig bestehender Klärungsbedarf dem Erlassanspruch entgegenstehen sollte, ist nicht ersichtlich und auch nicht substantiiert geltend gemacht.

Einer Korrektur im Erlasswege steht die Bestandkraft des Gewerbesteuerbescheides vom 15. Februar 2017 nicht entgegen. Zwar kann eine rechtlich unzutreffende, aber bestandskräftige Festsetzung von Steuern oder steuerlichen Nebenleistungen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs grundsätzlich nicht durch einen Billigkeitserlass aus sachlichen Gründen nachträglich korrigiert werden (z.B. BFH, Urteile vom 11.8.1987 - VII R 121/84 -, vom 13.1.2013 - V R 35/03 -, jeweils juris). Vorliegend ist die Festsetzung der Nachzahlungszinsen im Bescheid vom 15. Februar 2017 – wie bereits erläutert – gerade rechtmäßig erfolgt und soll aus Billigkeitsgründen relativiert werden.

Die Zinsen sind in der im Tenor genannten Höhe zu erlassen. Liegen die Voraussetzungen für den Erlass – wie hier – vor, kann die steuererhebende Gemeinde Nachzahlungszinsen nur für den Zeitraum bis zum Eingang der freiwilligen Leistung verlangen (Loose, in: Tipke/Kruse, AO, Stand: 10/2017, § 233 a AO, Rn. 33). Darüber hinausgehende Nachzahlungszinsen sind zu erlassen. Die Berechnung des Erlasses der Nachzahlungszinsen erfolgt nach § 233 a AO i.V.m. Nr. 70.1.2 des Anwendungserlasses zur AO. Wurde eine freiwillige Leistung – wie hier – erst nach Beginn des Zinslaufs erbracht, sind Nachzahlungszinsen aus Vereinfachungsgründen insoweit zu erlassen, als die auf vollem fünfzig Euro abgerundete freiwillige Leistung für jeweils volle Monate vor Wirksamkeit der Steuerfestsetzung erbracht worden ist (vgl. BFH, Urteil vom 7.11.2013 - X R 22/11 -, juris, vgl. § 238 Abs. 1 AO). Nach Maßgabe des Anwendungserlasses i.V.m. den Regelungen zum Zinslauf der AO (§ 233 a Abs. 2 Satz 1 AO i.V.m. § 238 Abs. 1 Sätze 1 u. 2 AO) fällt der Beginn des Zinslaufs mit Eingang der Zahlung auf den 8. April 2016 und endet mit Festsetzung der Steuer am 15. Februar 2017. Unter Berücksichtigung nur der vollen Monate (§ 238 Satz 2, Hs. 2 AO) – hier Mai bis Januar – ergeben und unter Berücksichtigung, dass Zinsen für jeden vollen Monat 0,5% betragen (§ 238 Abs. 1 Satz1 AO), hier zu erlassende Zinsen in Höhe von 208.150,00 Euro (gerundet auf volle fünfzig Euro, § 238 Abs. 2 AO) x 9 Monate x 0,5 % = 9.366, 75 Euro; 9.366,00 Euro.

Nach alledem war der Klage stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO durch das Verwaltungsgericht liegen nicht vor.