Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 31.05.2011, Az.: 6 A 162/10

Autovermietung; Fahrtenbuchauflage; Mitwirkungsverweigerung

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
31.05.2011
Aktenzeichen
6 A 162/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 45243
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Ist es dem Vermieter als Halter eines Fahrzeuges anhand seiner Unterlagen ohne Weiteres möglich und zumutbar, den Mieter des Fahrzeuges zum Tatzeitpunkt ausfindig zu machen, so erstreckt sich seine Mitwirkungspflicht nach § 31a Abs. 1 StVZO auf die Benennung eben dieses Mieters.

2. Der Vermieter kann sich nicht darauf berufen, er habe an der Fahrerfeststellung hinreichend mitgewirkt, indem er der Behörde seine Unterlagen zur Einsichtnahme angeboten habe.

3. Es liegt in der Sphäre einer gewerblichen Autovermietung, ihren Geschäftsbetrieb so zu organisieren, dass zu jeder Zeit festgestellt werden kann, welche Person welches Fahrzeug benutzt hat.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich dagegen, dass ihr die Beklagte für eines ihrer Mietfahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuches angeordnet hat.

Die Klägerin betreibt eine gewerbliche Autovermietung für Selbstfahrer. Sie hat unter anderem Niederlassungen in Braunschweig, Helmstedt, Peine, Wolfenbüttel und Salzgitter. Dabei schließt sie monatlich zwischen 1.500 und 2.000 Mietverträge mit ihren Kunden ab. Bei diesen Verträgen handelt es sich schwerpunktmäßig um eine stunden-, tage- oder wochen- / wochenendweise Vermietung. Die maximale Dauer der Mietverträge beträgt vier Wochen. Im Bestand der Klägerin befinden sich zwischen 150 und 200 Fahrzeuge. Diese Fahrzeuge sind zur Vermietung in bestimmte Gruppen eingeteilt, die sich an Größe und Ausstattung orientieren. Die zwischen der Klägerin und den Kunden abgeschlossenen Verträge beziehen sich nicht auf ein bestimmtes, konkret individualisiertes Fahrzeug, sondern nur auf ein Fahrzeug aus der vom Kunden gewünschten Gruppe. Die Fahrzeuge haben auch keine betriebsinternen Identifikationsnummern. Zur Erfassung der Mietvorgänge verwendet die Klägerin eine ältere, speziell auf Autovermieter zugeschnittene Software. Sobald ein Fahrzeug vermietet wird, erfasst die Klägerin,unter dem Kennzeichen des Fahrzeugs, den Namen des Mieters anhand des Personalausweises und des Führerscheines sowie das Datum und die Uhrzeit des Mietbeginns und das Ende der Mietzeit in ihrer Firmensoftware. Die so erfassten Datensätze sind fortlaufend nach der Zeit des Vertragsabschlusses sortiert. Die Mietverträge archiviert die Klägerin anschließend ebenfalls nach Datum und Uhrzeit der Auftragsannahme nummeriert in Aktenordnern. Über die so gewonnenen Informationen hinaus hat die Klägerin keine Kenntnis über die Fahrtroute oder den Aufenthaltsort eines ihrer Fahrzeuge während der Vermietung. Eigene Mitarbeiter der Klägerin nutzen die für die Vermietung vorgesehenen Wagen selten. Im Falle einer Nutzung durch eigene Mitarbeiter wird diese jedoch ebenfalls in der EDV erfasst. Die Klägerin erhält von Seiten der Polizei und der Straßenverkehrsbehörden monatlich zwischen 30 und 50 Anfragen zu Verkehrsverstößen, die durch Fahrzeuge aus ihrem Bestand begangen werden. In einem solchen Fall müssen die Mitarbeiter der Klägerin in ein anderes EDV - Modul wechseln um für eine bestimmte Tatzeit nach einem bestimmten Fahrzeug und dem entsprechenden Mietzeitraum zu suchen. Dieser Vorgang kann mehrere Minuten dauern. Eine Suche des betroffenen Fahrzeuges ist auch über die Eingabe des Kennzeichens möglich, der Vorgang dauert dann aber ebenfalls mehrere Minuten und kann nicht mehr abgebrochen werden.

Am 16.10.2009 missachtete der Fahrer eines von der Klägerin vermieteten Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen E. in der Kurfürstenstraße in Berlin das Rotlicht einer Lichtzeichenanlage. Ein Blitzgerät erfasste den Rotlichtverstoß. Im Rahmen des Ordnungswidrigkeitenverfahrens forderte die Polizei Berlin die Klägerin mit Schreiben vom 02.11.2009 auf, sich zu dem Vorfall zu äußern. Dieses Schreiben enthielt auch den Hinweis, dass für den Fall, dass nicht festgestellt werden könne, wer zur Tatzeit das Fahrzeug geführt hat, die Führung eines Fahrtenbuches in Betracht käme. In ihrem Antwortschreiben vom 19.11.2009 teilte die Klägerin mit, dass anhand ihrer Unterlagen feststehe, dass zum Tatzeitpunkt das betroffene Fahrzeug regulär vermietet gewesen sei. Eine Fahrt durch einen Mitarbeiter oder ein Organ könne damit ausgeschlossen werden. Den Namen des Mieters zur Tatzeit teilte die Klägerin nicht mit. Sie führte hierzu aus, dass ihr dieses zwar möglich sei, sie hierfür aber eine Entschädigungszahlung verlange. Darüber hinaus bot die Klägerin der Polizei diesbezüglich an, ihre Vermietassistenten als Zeugen zu vernehmen und fügte dem Schreiben eine Mitarbeiterliste hinzu. Gleichzeitig wies sie in dem Schreiben darauf hin, dass sie ihren Mitarbeitern keinen Einblick in ihre Geschäftsunterlagen gewähren werde, da dieses die Inanspruchnahme ihrer Betriebsmittel, ihrer Zeit und ihres Geldes kosten würde. In einem weiteren Schreiben an die Polizei in Berlin vom 11.12.2009 bot die Klägerin der Polizei darüber hinaus an, ihre Unterlagen selbst zu sichten und so die Person, an die das Fahrzeug zum Tatzeitpunkt vermietet war, ausfindig zu machen, was nach ihren Angaben möglich wäre. Sie selbst sei nicht dazu bereit, nach dem Namen und der Anschrift des betroffenen Mieters zu suchen, da dieses einen erheblichen Aufwand für sie bedeute.

Die Polizei Berlin stellte das Ordnungswidrigkeitenverfahren mit Bescheid vom 29.12.2009 ein. Anschließend hörte die Beklagte die Klägerin bezüglich des Verkehrsverstoßes und einer etwaigen Anordnung zur Führung eines Fahrtenbuches mit Schreiben vom 05.05.2010 an. Mit Schreiben vom 11.05.2010 wiederholte die Klägerin hierzu ihr Vorbringen aus dem Ordnungswidrigkeitenverfahren.

Mit Bescheid vom 20.07.2010 ordnete die Beklagte für die Dauer von 12 Monaten die Führung eines Fahrtenbuches für das Fahrzeug der Klägerin mit dem amtlichen Kennzeichen E. an. Am gleichen Tag erließ sie einen an die Klägerin gerichteten Kostenfestsetzungsbescheid über eine Gebühr von 79,10 €. Zur Begründung führte die Beklagte an, dass eine Feststellung des Fahrzeugführers nicht möglich gewesen sei. Da die Klägerin als Reaktion auf den Anhörungsbogen der Polizei den Mieter nicht mitgeteilt habe, wären weitere Ermittlungen ohne die Mithilfe der Klägerin erfolglos gewesen, sodass es nicht möglich gewesen sei festzustellen, wer die Zuwiderhandlung begangen habe. Die Klägerin sei als Halterin des Fahrzeugs zur Mitteilung des Mieters verpflichtet gewesen. Wegen der weiteren Ausführungen wird auf den Bescheid verwiesen (Bl. 38 d. Beiakte A).

Am 04.08.2010 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie macht geltend, dass für sie unklar sei, in welcher Eigenschaft sie von der Polizei befragt worden sei. Die Recherche nach dem jeweiligen Mieter bedeute für sie einen erheblichen Arbeitsaufwand. Ein Auffinden des Mieters per EDV sei nur dann erfolgversprechend, wenn der Tag des Verkehrsverstoßes mit dem Tag der Anmietung identisch sei. Andernfalls sei es notwendig, die nach Datum und Uhrzeit der Auftragsannahme sortierten Mietverträge durchzugehen, um den Mieter ausfindig zu machen. Insoweit ist sie der Ansicht, dass sie ihrer Mitwirkungspflicht ausreichend nachgekommen sei, indem sie ihre vorsortierten Ordner zur Sichtung angeboten habe, und verweist hierzu auf die Rechtsprechung des BGH bezüglich der Entschädigung von Geldinstituten. Sie sei im Übrigen auch rechtlich gar nicht in der Lage, ihre Mieter zur ordnungsgemäßen Führung eines Fahrtenbuches zu verpflichten. Eine Führung des Fahrtenbuches durch die Mieter träfe im Hinblick auf den begangenen Verkehrsverstoß auch gänzlich unbeteiligte Personen. Einer solchen Verpflichtung der Mieter stünden zudem datenschutzrechtliche Probleme entgegen, da im Fahrtenbuch mindestens Name, Vorname, Anschrift sowie Beginn und Ende der Fahrt einzutragen seien und diese Daten dann von anderen Mietern eingesehen werden könnten. Darüber hinaus meint die Klägerin, dass das Tatbestandsmerkmal des Halters i. S. v. § 31 a StvZO bei einem mietweise überlassenen Fahrzeug nur hinsichtlich des Mieters, nicht jedoch hinsichtlich des Eigentümers erfüllt sei. Durch die Überlassung ihrer Fahrzeuge an die Mieter erzeuge sie selber keinen Verkehr, sondern ermögliche nur dem Mieter die Teilnahme am Verkehr. Da sie die Fahrten der Mieter nicht nachverfolgen könne, sei die Mitteilung über den Mieter am Tattage nicht gerechtfertigt. Im Übrigen beruft sie sich auf ihr Vorbringen aus dem Ordnungswidrigkeiten- und Verwaltungsverfahren.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid über die Anordnung eines Fahrtenbuches für das Fahrzeug E. vom 20.07.2010 sowie den dazu unter gleichem Datum ergangenen Kostenfestsetzungsbescheid aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, dass ein Auffinden des entsprechenden Mieters der Klägerin anhand ihrer EDV ohne großen Zeitaufwand möglich gewesen sei. Die Klägerin sei im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht nach § 31 a StVZO verpflichtet gewesen, den Namen des Mieters mitzuteilen, andernfalls würden Verkehrsverstöße mit Mietfahrzeugen in aller Regel sanktionslos bleiben.Eine Unmöglichkeit i. S. d. § 31 a StvZO sei auch dann gegeben, wenn angemessene und zumutbare Ermittlungen der Behörde ergebnislos geblieben seien. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass die Behörde keine wahllos zeitraubenden Ermittlungen anstellen müsse.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren sowie den Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angegriffene Bescheid der Beklagten vom 20.07.2010 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Rechtsgrundlage für die Fahrtenbuchanordnung ist § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO. Nach dieser Vorschrift kann die Verwaltungsbehörde einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere Fahrzeuge das Führen eines Fahrtenbuches auferlegen, wenn die Feststellung des Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war.

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Mit dem Fahrzeug der Klägerin wurde am 16.10.2009 eine Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften begangen.

Die Beklagte hat zu Recht die Fahrtenbuchanordnung gegenüber der Klägerin ausgesprochen. Sie ist trotz Überlassung des Fahrzeuges an eine andere Person Halterin des betroffenen Fahrzeugs im Sinne von § 31a Abs. 1 StVZO geblieben. In dieser Hinsicht ist auf den Halterbegriff des § 7 StVG abzustellen. Halter ist derjenige, der das Fahrzeug auf eigene Rechnung gebraucht, d.h. die Kosten bestreitet und die Verwendungsnutzungen zieht (BVerwG, U. v. 20.02.1987 - 7 C 14/84 -, DAR 1987, 299; VG Braunschweig, U. v. 13.11.2007 - 6 A 312/06 -). Rechtliche Voraussetzung für einen solchen Gebrauch ist die Ausübung der Verfügungsgewalt (vgl. OVG Berlin - Brandenburg, B. v. 30.06.2010 - 1 N 42/10 -, NZV 2010, 591). Der vorübergehende Verlust der Sachherrschaft bedeutet für einen Vermieter nicht gleichzeitig, dass er nicht mehr Halter des vermieteten Fahrzeugs ist. Der Vermieter verliert die Haltereigenschaft nur dann, wenn das Kraftfahrzeug seinem Einflussbereich völlig entzogen ist - wie bei längerer Mietdauer - und der Mieter alle anfallenden Kosten trägt und sich das Kraftfahrzeug an einem entfernten Ort befindet (VG Hannover, U. v. 29.10.2010 - 9 A 1575/09-, www.dbovg.niedersachsen.de - im Folgenden: dbovg -). Insoweit können lediglich langfristige Überlassungen an Dritte zur Folge haben, dass der Eigentümer die Halterstellung verliert (BayVGH, U. v. 15.03.2010 - 11 B 08.2521-, juris Rn. 33)

Diese Voraussetzungen liegen für den Tatbestand der Haltereigenschaft hier vor. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass die Klägerin als Vermieterin und Eigentümerin des hier betroffenen Fahrzeugs für die laufenden Kosten - wie die Versicherungsbeiträge und die Steuern - aufkommt. Als gewerbliche Autovermietung zieht sie zudem aus der entgeltlichen Überlassung des Fahrzeugs einen wirtschaftlichen Vorteil. Ihr fließen somit die Verwendungsnutzungen zu. Die Klägerin hat ihre Verfügungsgewalt und damit ihre fortdauernde Haltereigenschaft auch nicht durch die mietweise Überlassung an Dritte verloren. Die Klägerin vermietet ihre Fahrzeuge nur kurzfristig. Die Intervalle reichen hierbei von einer stunden- bis zu einer tage- oder wochenweisen Vermietung. Auch wenn die konkrete Dauer des hier geschlossenen Mietvertrages dem Gericht nicht bekannt ist, reichen diese Zeiträume schon generell nicht aus, um die Anforderungen der Rechtsprechung zu erfüllen. Selbst wenn man die von der Klägerin für ihren Geschäftsbetrieb angegebene maximale Mietdauer von vier Wochen zugrunde legt, ist nicht davon auszugehen, dass das Fahrzeug dem Einflussbereich der Klägerin völlig entzogen worden ist. Hierzu wäre vielmehr unter anderem eine länger andauernde Überlassung von mehreren Monaten oder Jahren erforderlich.

Die Feststellung des Fahrzeugführers, der bei dem Verkehrsverstoß das Fahrzeug gefahren hat, war der zuständigen Ordnungsbehörde darüber hinaus i. S. d. § 31a Abs. 1 StVZO nicht möglich. Eine solche Sachlage ist gegeben, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage war, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Ob die Aufklärung angemessen war, richtet sich insoweit danach, ob die Behörde in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen getroffen hat, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg haben können. Dabei kann sich Art und Umfang der Tätigkeit der Behörde, den Fahrzeugführer nach einem Verkehrsverstoß zu ermitteln, an der Erklärung des Fahrzeughalters ausrichten. Lehnt dieser erkennbar die Mitwirkung einer Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab oder erklärt er, dazu nicht im Stande zu sein, so ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende und kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben (BVerwG, U. v. 17.12.1982 - 7 C 3/80 -, Buchholz 442.16 § 31a StVZO Nr. 11 m.w.N.; B. v. 21.10.1987 - 7 B 162/87 -, Buchholz, a.a.O., Nr. 18 m. w. N.; B. v. 23.12.1996 - 11 B 84/96 -; Nds. OVG, B. v. 17.02.1999 - 12 L 669/99 -, B. v. 27.06.00 - 12 L 2377/00 -; VG Braunschweig, U. v. 30.06.2004 - 6 A 493/03 -, dbovg).

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Bußgeldbehörde hier die angemessenen und zumutbaren Maßnahmen zur Ermittlung des Fahrzeugführers getroffen; weitere Ermittlungen sind nicht erforderlich gewesen. Die Klägerin hat an der Feststellung, wer das Fahrzeug am Tag des Vorfalls gefahren hat, nicht hinreichend mitgewirkt.

An einer hinreichenden Mitwirkung des Fahrzeughalters fehlt es bereits dann, wenn er - wie dies die Klägerin hier getan hat - den Anhörungsbogen der Ordnungswidrigkeitenbehörde nicht zurücksendet bzw. keine weiteren Angaben zu dem Personenkreis macht, der das Tatfahrzeug benutzt (Nds. OVG, B. v. 04.12.2003 - 12 LA 442/03 -, DAR 2004, 607 und v. 08.11.2004 - 12 LA 72/04 -, DAR 2005, 231; VG Braunschweig, U. v. 21.01.2004 - 6 A 309/03 - und v. 27.04.2007 - 6 A 31/07 -, ständige Rechtsprechung). Der Halter kommt in einem solchen Fall seiner Pflicht, den Kreis der Fahrzeugnutzer zu bezeichnen, nicht nach. Die Bußgeldbehörde darf dann in aller Regel davon ausgehen, dass weitere Ermittlungen zeitaufwendig wären und kaum Aussicht auf Erfolg bieten würden, den Fahrer in der für Ordnungswidrigkeiten geltenden kurzen Verjährungsfrist zu ermitteln (vgl. auch Nds. OVG, B. v. 17.11.2006 - 12 LA 328/06 - ).

Ob die Antwortschreiben der Klägerin an die Polizei Berlin vom 19.11.2009 und 11.12.2009 als Reaktion auf die Anfragen im Ordnungswidrigkeitenverfahren mit einer Zurücksendung des Anhörungsbogens gleichzusetzen sind, braucht das Gericht hier nicht zu entscheiden. Auch unter Berücksichtigung dieser beiden Schreiben und des weiteren Verhaltens der Klägerin im Ordnungswidrigkeitenverfahren fehlt es jedenfalls an den erforderlichen Angaben zu dem Personenkreis, der das Fahrzeug benutzt. Die Klägerin hat im Bußgeldverfahren weder den Kreis der das Fahrzeug benutzenden Personen eingegrenzt noch diese Personen konkret benannt. Sie war hier als gewerbliche Autovermietung schon aufgrund ihrer handelsrechtlichen Pflichten zur sorgfältigen Archivierung der Mietverträge verpflichtet. Für die Annahme einer Mitwirkungsverweigerung spricht zudem der Zweck des § 31a StVZO. Die Vorschrift soll im Interesse der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs auf die dem Fahrzeughalter mögliche und zumutbare Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrers desjenigen Kraftfahrzeugs hinwirken, mit dem ein Verkehrsverstoß begangen wurde, und den Fahrzeughalter zur Erfüllung seiner Aufsichtspflichten anhalten (VG Braunschweig, U. v. 21.01.2004 - 6 A 309/03 -). Eine Benennung des Mieters wäre ihr - wie sie selber ausführt - jederzeit möglich gewesen. Trotz dieser Möglichkeit hat sie lediglich angeboten, dass die Ordnungsbehörde ihre Mitarbeiter als Zeugen vernimmt oder ihre Unterlagen einsieht, um so den betroffenen Mieter des Fahrzeuges selbst ausfindig zu machen. Durch diese Angebote hat die Klägerin indes nicht in einer ausreichenden Weise mitgewirkt, weil sie keine weiterführenden Angaben zum Kreis der Fahrzeugnutzer gemacht hat. Sie hätte jedenfalls den Kreis der das Fahrzeug nutzenden Personen eingrenzen und diese konkret benennen müssen; ihre Mitwirkungspflicht war keineswegs deshalb ausgeschlossen, weil die Benennung des Mieters für sie einen gewissen Arbeitsaufwand bedeutet hätte. Die zitierte Rechtsprechung fordert insoweit im Rahmen der dem Halter eines Fahrzeuges obliegenden Pflichten mehr, als nur der Behörde die Ermittlung durch ihre eigenen Bemühungen zu ermöglichen. Ist es dem Vermieter als Halter eines Fahrzeuges anhand seiner Unterlagen ohne weiteres möglich und zumutbar, den Mieter eines Fahrzeuges zum Tatzeitpunkt ausfindig zu machen, so erstreckt sich seine Mitwirkungspflicht nach § 31 a Abs. 1 StVZO vielmehr auf die Benennung eben dieses Mieters.

Die Klägerin kann sich diesbezüglich nicht darauf berufen, es sei die Sache der Behörde gewesen den weitergehenden Ermittlungsaufwand zu betreiben, um den Mieter ausfindig zu machen. Die Erfüllung ihrer Mitwirkungspflicht durch Benennung des Mieters wäre der Klägerin hier nicht nur möglich, sondern darüber hinaus auch zumutbar gewesen. Bei wertender Betrachtung obliegt es insoweit der Klägerin, den Mieter ausfindig zu machen und zu benennen. Hierbei kommt es entscheidend darauf an, dass die Verantwortung für den Verkehrsverstoß und damit einhergehend auch die Verantwortung für dessen Aufklärung aus der Sphäre der Klägerin stammen. Denn die Klägerin hat dadurch, dass sie Kraftfahrzeuge anderen Personen zur Benutzung überlässt, ein Risiko eröffnet. Aufgrund der jedem Kraftfahrzeug innewohnenden Betriebsgefahr hat die Klägerin mit dieser Risikoeröffnung gleichzeitig eine Gefahrenquelle für die Allgemeinheit geschaffen. Wenn sich nun in einem mittels eines Mietwagens der Klägerin begangenen Verkehrsverstoß genau diese geschaffene Gefahr realisiert hat, ist die Benennung des betroffenen Mieters als zumutbare Mitwirkungshandlung der Klägerin einzustufen. Dies gilt insbesondere auch deswegen, weil ihr die Benennung - wie sie selbst angibt - in jedem Fall möglich gewesen wäre. Dass mit der Ermittlung des Mieters ein erhöhter unternehmerischer Aufwand für die Klägerin verbunden ist, führt nicht dazu, dass sich ihre Mitwirkungspflicht reduziert. Insoweit obliegt es der Klägerin, die notwendigen organisatorischen Vorkehrungen dafür zu treffen, dass auch noch nach längerer Zeit festgestellt werden kann, welche Person zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmtes Fahrzeug benutzt hat. Die Reduzierung des dazu erforderlichen Aufwandes wäre für die Klägerin z. B. durch die Anschaffung einer leistungsfähigeren Software möglich.

In der Rechtsprechung ist hinsichtlich der Nutzung von Firmenfahrzeugen anerkannt, dass es ungeachtet der aus § 238 Abs. 1, § 257 HGB folgenden Buchführungs- und Aufbewahrungspflichten sachgerechtem kaufmännischem Verhalten entspricht, dass ein kaufmännischer Wirtschaftsbetrieb grundsätzlich ohne Rücksicht auf die Erinnerung einzelner Personen oder die Vorlage eines Tatfotos auch nach längerer Zeit in der Lage ist, Geschäftsfahrten anhand (schriftlicher) Unterlagen zu rekonstruieren und den jeweiligen Fahrzeugführer im Einzelfall festzustellen (vgl. Hamb. OVG, B. v. 12.01.2006 - 1 A 236/05 -, juris Rn. 6; OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 31.03.1995 - 25 A 2798/93 -, juris Rn. 17 f.; VG Braunschweig, U. v. 08.02.2001 - 6 A 312/99 -, juris Rn. 19). Hiermit ist zwar keine Rechtspflicht zur Dokumentation der Geschäftsfahrten verbunden. Es ist deswegen Sache eines Unternehmens, sich dafür zu entscheiden, hinreichende Aufzeichnungen nicht zu führen; die Folge ist indessen, dass die Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen, in der Regel rechtmäßig ist, wenn sich nicht hat aufklären lassen, wer mit dem Firmenfahrzeug den Verkehrsverstoß begangen hat (vgl. Nds. OVG, B. v. 30.11.2000 - 12 M 4036/00 -, juris Rn. 3; VG Braunschweig, U. v. 30.06.2004, a. a. O., dbovg). Es liegt in der Sphäre der Betriebsleitung, von vornherein organisatorische Vorkehrungen zu treffen, damit festgestellt werden kann, welche Person zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmtes Geschäftsfahrzeug benutzt hat (OVG Sachsen - Anhalt, B. v. 16.09.2003 - 1 L 90/03 -, juris Rn. 4). Dies ist wegen des öffentlichen Interesses an der Aufklärung von Verkehrsverstößen gerechtfertigt und belastet den kaufmännischen Wirtschaftsbetrieb nicht in unzumutbarer Weise. Hinsichtlich seiner Geschäftsvorgänge ist dieser ohnehin buchführungspflichtig, sodass der (schriftliche) Nachweis der mit seinen Fahrzeugen unternommenen Dienstfahrten nicht mit einer ihm gänzlich ungewohnten Belastung verbunden ist - anders als dies für Fahrzeughalter von zu privaten Zwecken eingesetzten Pkw der Fall wäre. Wegen des im Vergleich zu Privatfahrzeugen regelmäßig größeren und deswegen unübersichtlicheren Benutzerkreises geht von Dienstfahrzeugen eine größere Gefahr als von Privatfahrzeugen aus, dass eine Ordnungswidrigkeit ohne längerfristige Dokumentation des Fahrzeugeinsatzes unaufgeklärt bliebe. Zudem liegt die Dokumentation des Fahrzeugeinsatzes im kaufmännischen Eigeninteresse, schon um Vorkehrungen gegen missbräuchliche Verwendung der Fahrzeuge für Privatfahrten zu treffen oder in Schadensfällen Ersatzansprüche belegen zu können (vgl. VG des Saarlandes, B. v. 09.10.2007 - 10 L 1099/07 -, juris Rn. 17).

Diese Rechtsprechung lässt sich ohne Weiteres auf die Fahrten mit Mietfahrzeugen einer gewerblichen Autovermietung übertragen. Denn auch hier manifestiert sich in gleicher Weise durch die regelmäßige Überlassung des Fahrzeuges an andere Personen und damit an einen größeren und unübersichtlichen Benutzerkreis ein erhöhtes Risiko. Gleichzeitig müssen auch Autovermietungen im Rahmen ihrer Buchführungspflichten alle Mietvorgänge abspeichern bzw. archivieren. Aufgrund der ohnehin vorhandenen Informationen erscheint für derartige Betriebe die Benennung des Mieters nicht als unzumutbare Belastung. Eine unterschiedliche Behandlung von Mietfahrten gewerblicher Autovermietungen und anderen Betriebsfahrten mit Firmenfahrzeugen ist nicht sachgerecht.

Darüber hinaus zieht die Klägerin aus der gewerblichen Autovermietung und der damit einhergehenden Risikoeröffnung einen ständigen wirtschaftlichen Nutzen. Auch vor diesem Hintergrund ist eine umfassende Mitwirkungspflicht im Rahmen des § 31 a StVZO anzunehmen. Wer aus einer für die Allgemeinheit gefährlichen Risikoeröffnung wirtschaftliche Vorteile für sich in Anspruch nimmt, muss dann auch bei der Ahndung der in diesem Verkehr begangenen Verstöße den ihm größtmöglichen Anteil an der Aufklärung leisten. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der von der Klägerin genannten Rechtsprechung des BGH zu der Entschädigung von Geldinstituten.

Auch der Einwand der Klägerin, sie wisse nicht genau, in welcher Eigenschaft sie von der Polizei angeschrieben worden sei, führt zu keiner anderen Beurteilung. Ob der Halter als Zeuge oder Betroffener angehört wurde, ist im Falle einer Mitwirkungsverweigerung unerheblich (vgl. VG Braunschweig, U. v. 04.06.2010 - 6 A 190/09 -).

Ob dem Autovermieter hier für die Benennung des betroffenen Mieters ein Anspruch auf Entschädigung nach dem JVEG zusteht, ist zumindest zweifelhaft, kann aber für die Entscheidung über die Fahrtenbuchauflage offenbleiben. Unabhängig von der Beantwortung dieser Frage ergibt sich die Mitwirkungspflicht der Klägerin aus den genannten Grundsätzen und würde auch im Falle der Anerkennung eines Entschädigungsanspruches nicht entfallen.

Besondere Umstände, die im konkreten Fall trotz der unzureichenden Mitwirkung der Klägerin ausnahmsweise weitere Ermittlungen der Behörde erforderlich gemacht hätten, sind nicht ersichtlich. Die Weigerung des Fahrzeughalters, Sachdienliches beizutragen, zwingt nur dann zu weiteren Ermittlungen der Behörde, wenn sich im Einzelfall besondere Anzeichen ergeben haben, die auf die Person des Fahrzeugführers hindeuten (Nds. OVG, B. v. 17.11.2006 - 12 LA 328/06 -).

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Klägerin hat den betroffenen Mieter des Fahrzeuges nicht benannt. Auch die Angebote der Klägerin haben der Behörde keine Anhaltspunkte geliefert, wonach sich der Verdacht auf eine bestimmte Person als Fahrzeugführer verdichtet hat. Aus dem Angebot der Klägerin, ihre eigenen Mitarbeiter als Zeugen zu vernehmen, ergeben sich für die Behörde noch keine Anhaltspunkte, die auf eine bestimmte Person als Fahrzeugführer hindeuten. Diesem Angebot müssten zunächst weitere, gegebenenfalls umfassende Ermittlungen in Form von Vernehmungen der Mitarbeiter folgen. Selbst die Durchführung derartiger Ermittlungen wäre jedoch - wovon die Klägerin im Übrigen selbst ausgeht - mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht ergiebig gewesen. Bei einer gewerblichen Autovermietung in der Größenordnung der Klägerin können sich die Mitarbeiter aufgrund der Vielzahl der abgewickelten Mietverträge kaum an einzelne Mieter erinnern. Dies gilt vor allem dann, wenn zwischen der Abwicklung des Mietvertrages und einer etwaigen Anfrage durch die Polizei wie hier mehrere Wochen liegen. Im Übrigen hatte die Klägerin die Einsichtnahme der Mitarbeiter in ihre Unterlagen verweigert. Auch aus dem Angebot der Klägerin an die Behörde, die Aktenordner mit den archivierten Mietverträgen zu sichten, haben sich für diese keine Hinweise auf eine bestimmte Person des Fahrzeugführers ergeben. Insoweit ist zu beachten, dass sich durch dieses Angebot allein die Ermittlungen der Behörde noch nicht in der erforderlichen Weise auf eine Person konzentriert haben. Die Behörde hätte auch hier zunächst selbst weiteren Ermittlungsaufwand betreiben müssen, um dann durch den passenden Mietvertrag einen entsprechenden Hinweis zu erhalten. Für die Behörde war nicht absehbar, welchen Umfang das ihr angebotene Material hatte bzw. welchen Zeitraum und wie viele Mietverträge sie hätte durchsehen müssen. Sie konnte den anfallenden Arbeitsaufwand für eine Sichtung deshalb nicht einschätzen. Auch wenn die Sichtung der Unterlagen früher oder später mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Auffindung des betroffenen Mieters geführt hätte, waren bei den genannten Unklarheiten keine Anzeichen erkennbar, die für die Behörde bereits auf die Person des Fahrzeugführers hingedeutet haben.

Soweit die Klägerin vorträgt, dass sie die Mieter ihrer Fahrzeuge nicht zur Führung eines Fahrtenbuches und den damit verbundenen Eintragungen verpflichten könne, verkennt sie, dass der Bescheid der Beklagten dahingehend zu verstehen ist, dass allein die Klägerin Adressatin des Verwaltungsaktes ist und das Fahrtenbuch führen muss. Sie muss in dieser Funktion grundsätzlich nur die ihr möglichen Eintragungen vornehmen.Nach § 31 a Abs. 2 Nr. 1 StVZO hat der Fahrzeughalter oder sein Beauftragter in dem Fahrtenbuch für jede einzelne Fahrt vor dem Beginn den Namen und die Anschrift des Fahrzeugführers, das amtliche Kennzeichen des Fahrzeugs sowie Datum und Uhrzeit des Beginns der Fahrt einzutragen. Nach Beendigung einer Fahrt sind gem. § 31 Abs. 2 Nr. 2 StVZO unverzüglich Datum und Uhrzeit mit Unterschrift einzutragen. Entsprechend den gesetzlichen Vorgaben kann die Klägerin zunächst die erforderlichen Eintragungen selbst vornehmen, soweit sie von einem Mieter - etwa bei kürzeren Mietzeiten - über dessen Fahrt informiert wird. Sie hat hierzu auch die Möglichkeit, Absprachen mit den jeweiligen Mietern zu treffen und die Fahrtrouten zu erfragen. In den Fällen, in denen eine Eintragung durch die Klägerin persönlich nicht praktikabel erscheint, kann sie gemäß § 31 a Abs. 2 StVZO auch die Mieter mit der Eintragung beauftragen. Sofern sie die erforderlichen Eintragungen in Vermietungsfällen nicht selbst vornimmt, obliegt es ihr, den jeweiligen Mieter dazu zu veranlassen (vgl. auch VGH Baden-Württemberg, U. v. 20.09.2005 - 10 S 971/05 -, juris Rn. 20). Eine derartige Vereinbarung dürfte im Hinblick auf den Grundsatz der Privatautonomie und dem daraus folgendem Gedanken der Vertragsfreiheit keinen rechtlichen Bedenken begegnen. Datenschutzrechtliche Gesichtspunkte stehen der Fahrtenbuchauflage nicht entgegen; auch ein unzulässiger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung kann im Hinblick auf die bereichsspezifische, präzise und normklare Festlegung von Anlass, Zweck und Grenzen einer Fahrtenbuchauflage in der Ermächtigungsgrundlage nicht angenommen werden (Sächs. OVG, B. v. 31.03.2010 - 3 B 3/10 -, juris Rn. 5). Auch eine mit der Fahrtenbuchauflage einhergehende eingeschränkte Nutzungsmöglichkeit des betroffenen Fahrzeugs für die Klägerin ist unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Fahrtenbuches und in Abwägung mit dem die Auflage auslösenden Verhalten der Klägerin verhältnismäßig.