Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 30.01.2024, Az.: 3 B 241/24

Auswahlverfahren für Kindertagesbetreuungsplatz; Teihabe; bedarfsgerechter Betreuungsplatz; Nachweis; Kindertagesbetreuung; Krippenplatz; Verschaffung eines Betreuungsplatzes; Anspruchserfüllung; Wechsel des Betreuungsplatzes; Anspruch auf Zuweisung eines anderen Tagesbetreuungsplatzes

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
30.01.2024
Aktenzeichen
3 B 241/24
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 24547
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2024:0130.3B241.24.00

Amtlicher Leitsatz

Ein unter dreijähriges Kind, das bereits einen bedarfsgerechten Tagesbetreuungsplatz in Anspruch nimmt oder dem vom zuständigen Jugendhilfeträger ein bedarfsgerechter Betreuungsplatz bereits nachgewiesen worden war, den es nachfolgend nicht in Anspruch genommen hat, kann vom Jugendhilfeträger nicht die Zuweisung eines bestimmten anderen Betreuungsplatzes verlangen, der seinerseits bereits einem anderen anspruchberechtigten Kind zugewiesen ist. Weist der zuständige Jugendhilfeträger einem nach § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII anspruchsberechtigten Kind einen bedarfsgerechten Betreuungsplatz nach, hat er damit den Anspruch disees Kindes auf Verschaffung eines Betreuungsplatzes auch dann anspruchserfüllend befriedigt, wenn der Platz nachfolgend tatsächlich nicht zur Betreuung des Kindes in Anspruch genommen und sodann anderweitig besetzt wird; das Kind kann in einer solchen Situation nicht gleichrangig am Auswahlverfahren für einen anderen Betreuungsplatz teilnehmen.

Tenor:

Die Anträge werden abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Das Begehren der am 30.06.2022 geborenen Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtschutzes hat sowohl hinsichtlich ihres Hauptantrags,

die Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, ihr, der Antragstellerin, den zum 01.02.2024 verfügbaren Krippenplatz in der F. -Kindertagesstätte G., H. 11-13, I. J., zu verschaffen und ihre unwiderrufliche Aufnahme zu bewirken,

als auch mit dem Hilfsantrag,

im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig festzustellen, dass die in Abschnitt C. Buchstabe b. Nummern 1 und 2 der Vergaberichtlinien der Antragsgegnerin zu 2. für das Kindergartenjahr 2023/2024 geregelte Punktevergabe für Fälle der Alleinerziehung durch ein erwerbstätiges Elternteil rechtswidrig ist,

als auch mit dem weiteren Hilfsantrag,

den Antragsgegnern im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, auf die Bewerbung der Antragstellerin für einen Krippenplatz in der F. -Kindertagesstätte G. im Warteverfahren 2023/2024 oder im Vergabeverfahren für das Kindergartenjahr 2024/2025 die Bestimmungen für die Punktevergabe entsprechend Abschnitt C. Buchstabe b. Nummern 1 und 2 der Vergaberichtlinien der Antragsgegnerin zu 2. für das Kindergartenjahr 2023/2024 oder gleichartiger nachfolgender Richtlinien mit der Folge anzuwenden, dass die Punktzahl nach diesen beiden Regelungen bei der Erwerbstätigkeit der Mutter in Vollzeit (Mehr als 32 Stunden) auf höchstens 11 und bei einer Erwerbstätigkeit von mehr als 24 bis zu 32 Stunden auf höchstens 10 beschränkt bleibt,

keinen Erfolg.

1.

Gemäß § 123 Abs. 1 und 3 VwGO i.V.m. §§ 920 ff. ZPO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Sowohl ein Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile) als auch ein Anordnungsanspruch (überwiegende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs) sind hierzu glaubhaft zu machen.

Eine im Rahmen eines gerichtlichen Eilverfahrens erlassene einstweilige Anordnung dient ihrem Wesen nach dabei lediglich der Sicherung von Rechten eines Antragstellers oder einer Antragstellerin, nicht aber deren endgültiger Erfüllung. Sie darf deshalb grundsätzlich nicht die Entscheidung in der Hauptsache (Klageverfahren) vollständig bzw. endgültig vorwegnehmen, weil sonst die Erfordernisse, die bei einem Hauptsacheverfahren insbesondere zur vollständigen Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhaltes zu beachten sind, umgangen würden. Wegen des Gebotes zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) ist von diesem grundsätzlichen Verbot einer Vorwegnahme der Hauptsache im Rahmen des Eilverfahrens aber eine Ausnahme dann geboten, wenn ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerfG, Beschl. vom 25.10.1988, 2 BvR 745/88, juris Rn. 17).

2.

Dies zugrunde gelegt hat die Antragstellerin für den von ihr gestellten Hauptantrag einen Anordnungsanspruch gegen die Antragsgegnerin zu 2. (a]) bzw. die Antragsgegnerin zu 1. (b]) nicht glaubhaft gemacht. Für ihre Hilfsanträge fehlt ihr ein Rechtsschutzbedürfnis (c]).

a)

Die Antragstellerin kann von der Antragsgegnerin zu 2. die mit ihrem Hauptantrag begehrte Zuweisung eines Platzes in der F. -Kindertagesstätte (KiTa) G. zum 01.02.2024 schon deshalb nicht verlangen, weil diese insoweit nicht passivlegitimiert ist. Denn die dafür als Anspruchsgrundlage allein in Betracht kommende Regelung des § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII richtet sich nur gegen die Antragsgegnerin zu 1. als insoweit sachlich und örtlich zuständigen örtlichen Jugendhilfeträger (vgl. § 1 Abs. 1, 2 Nds. AG SGB VIII). Dass die Antragsgegnerin zu 2. auf der Grundlage einer entsprechenden Vereinbarung mit der Antragsgegnerin zu 1. gemäß § 13 Abs. 1 Nds. AG SGB VIII für ihr Gemeindegebiet die Aufgabe der Versorgung mit Tagesbetreuungsplätzen übernommen hat, ändert nichts daran, dass im Außenverhältnis zu den Anspruchsberechtigten allein die Antragsgegnerin zu 1. rechtlich zur Erfüllung von aus dem SGB VIII ableitbaren Leistungsansprüchen verpflichtet bleibt (vgl. auch § 20 Abs. 1 Satz 1 Nds. KiTaG).

b)

Die Antragstellerin kann mit ihrem Hauptantrag auch gegen die Antragsgegnerin zu 1. in der Sache nicht durchdringen. Auch insoweit hat sie einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.

aa)

Nach § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII hat ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres einen Anspruch auf frühkindliche Betreuung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege. Der Anspruch ist dabei konkret (zumindest) auf den Nachweis eines bedarfsdeckenden Tagesbetreuungsplatzes gerichtet. Nach der Rechtsprechung des BVerwG (Urt. vom 26.10.2017, 5 C 19/16, juris Rn. 37 ff.), der die Kammer folgt, begründet § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII keinen "echten Alternativanspruch" des Inhalts, dass das Kind von dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe nicht auf die Inanspruchnahme eines Betreuungsplatzes in der Kindertagespflege verwiesen werden kann, sofern Plätze in einer Tageseinrichtung nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung stehen, und umgekehrt. Der gegen den örtlichen Träger der Jugendhilfe - hier die Antragsgegnerin zu 1. - gerichtete Verschaffungsanspruch aus § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII richtet sich zudem auch unter Berücksichtigung des Wunsch- und Wahlrechtes aus § 5 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII nach allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Fachliteratur grundsätzlich nicht unmittelbar auf die Bereitstellung eines konkreten Platzes in einer bestimmten Einrichtung, sondern nur auf die Verschaffung eines "bedarfsgerechten" Platzes in (irgend-)einer geeigneten Einrichtung oder Tagespflegestelle (vgl. u. a. Nds. OVG, Beschl. vom 19.12.2018, 10 ME 395/18, juris Rn. 13; Kaiser in: LPK-SGB VIII, 8. Aufl. 2022, § 24 Rn. 14, m. w. N.). In der Rechtsprechung des Nds. OVG, der die Kammer insoweit in ständiger Rechtsprechung folgt, ist jedoch diesbezüglich anerkannt, dass sich der Verschaffungsanspruch mit Rücksicht auf das Wunsch- und Wahlrecht aus § 5 SGB VIII auf einen Platz in einer bestimmten Einrichtung verdichten kann, wenn dieser Platz bedarfsgerecht und für den gewünschten Zeitraum frei und belegbar ist (vgl. Nds. OVG, Beschl. vom 03.09.2020, 10 ME 174/20, juris Rn. 3, m. w. N.).

bb)

Ausgehend von diesen Maßstäben kann die Antragstellerin schon deshalb nicht die Verschaffung eines Krippenplatzes in der F. -KiTa G. zum 01.02.2024 verlangen, weil dort ab diesem Zeitpunkt ein freier und belegbarer Platz nicht vorhanden sein wird. Unstreitig ist zwar, dass mit Ablauf des 31.01.2024 die bisherige Belegung eines Platzes in der dortigen Krippengruppe endet, weil ein dort betreutes Kind zum 01.02.2024 in eine Kindergartengruppe wechselt. Gleichwohl wird dieser Platz zum 01.02.2024 nicht - auch nicht für eine "logische Sekunde" - frei und belegbar. Denn ebenso unstreitig hat der Einrichtungsträger für den Zeitraum ab dem 01.02.2024 bezogen auf diesen Platz bereits im Mai 2023 einen Betreuungsvertrag für ein anderes Kind geschlossen, das am 01.02.2024 in die Krippengruppe aufgenommen werden soll. Dadurch steht dieser Platz für die Antragstellerin weder rechtlich noch tatsächlich ab dem 01.02.2024 zur Verfügung. Denn der Einrichtungsträger kann - und will - sie deshalb schon angesichts seiner Bindung an jenen Betreuungsvertrag zum 01.02.2024 nicht unter Inanspruchnahme gerade jenes Platzes aufnehmen.

Dem kann die Antragstellerin nicht mit dem Argument entgegentreten, dass bei dieser Betrachtungsweise ein ihr zustehender öffentlich-rechtlicher Anspruch beseitigt würde, es sich bei dem bereits geschlossenen Betreuungsvertrag mithin um einen unzulässigen Vertrag zulasten Dritter handele. Diese Argumentation verkennt, dass der insoweit von ihr behauptete öffentlich-rechtliche Anspruch in dieser Form gerade nicht existiert. Denn der Verschaffungsanspruch aus § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII umfasst, wie oben dargelegt, eben gerade nicht die Bereitstellung eines bestimmten Platzes in einer bestimmten Einrichtung. Insofern greift der Vertragsschluss des Einrichtungsträgers mit den Sorgeberechtigten des anderen Kindes von vornherein nicht in eine (zuvor bereits) bestanden habende öffentlich-rechtliche Rechtsstellung der Antragstellerin ein, gerade den davon betroffenen Platz in dieser Einrichtung zugewiesen zu bekommen.

cc)

Unabhängig von Vorstehendem und damit selbständig tragend scheitert der Hauptantrag auch daran, dass der Anspruch der Antragstellerin aus § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in einer der Antragsgegnerin zu 1. insoweit als Erfüllungshandlung zurechenbaren Art und Weise (vgl. zum Erfordernis eines "aktiven Tuns" des anspruchsverpflichteten Jugendhilfeträgers: BVerwG, Urt. vom 26.10.2017, 5 C 19/16, juris Rn. 27 ff.) bereits dadurch erfüllt ist, dass sie in der von ihr derzeit besuchten Einrichtung in K. über den 31.01.2024 hinaus betreut wird.

(1)

In Bezug auf die tatsächliche Inanspruchnahme dieses Platzes seitens der Antragstellerin ist rechtlich gesehen die Antragsgegnerin zu 1. mit dem Ziel tätig geworden (und ist es auch laufend weiterhin), der Antragstellerin diese Inanspruchnahme zu ermöglichen. Denn die Antragsgegnerin zu 2., die insoweit gemäß § 13 Abs. 1 Nds. AG SGB VIII als Wohnortkommune der Antragstellerin für die Antragsgegnerin zu 1. in Bezug auf die Erfüllung der Ansprüche aus § 24 SGB VIII tätig ist, leistet an deren Einrichtungsträger bzw. die Stadt K. auf der Basis einer zwischen der Antragsgegnerin zu 1. und den ihr angehörenden Mitgliedsgemeinden, zu denen auch K. gehört, für die Inanspruchnahme des Platzes in K. seitens der Antragstellerin als "gemeindefremdes Kind" einen interkommunalen Finanzausgleich. Das hat sie der Mutter der Antragstellerin gegenüber mit formalem Bescheid vom 10.07.2023 auch ausdrücklich geregelt und ist damit in Bezug auf die Erfüllung des Anspruchs aus § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII für die Antragsgegnerin zu 1. gegenüber der Antragstellerin bzw. deren Sorgeberechtigter final "aktiv" geworden. Darauf, ob die Modalitäten dieses zwischen der Antragsgegnerin zu 1. und den ihr angehörenden Mitgliedsgemeinden vereinbarten Systems für die Versorgung "gemeindefremder Kinder" mit Betreuungsplätzen als solches rechtmäßig sind (zumindest teilweise ablehnend VG Hannover, Beschl. vom 23.09.2019, 3 B 3832/19, juris Rn. 17 f.), kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Denn das änderte nichts an der Feststellung des der Antragsgegnerin zu 1. zurechenbaren "aktiven Tuns" zur Verschaffung des Betreuungsplatzes.

(2)

Dass der von der Antragstellerin derzeit belegte Platz in K. nicht im Sinne von § 24 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 3 SGB VIII bedarfsgerecht ist, hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht.

Ein Tagesbetreuungsplatz ist im Sinne dieser Vorschriften bedarfsgerecht, wenn er dem konkret-individuellen Bedarf des anspruchsberechtigten Kindes und seiner Erziehungsberechtigten insbesondere in zeitlicher und räumlicher Hinsicht entspricht. Letzteres ist der Fall, wenn er von den Eltern und dem Kind in zumutbarer Weise zu erreichen ist. Auch dies richtet sich nach den Umständen des konkreten Einzelfalles. Insoweit sind die konkreten Belange sowohl des anspruchsberechtigten Kindes als auch seiner Erziehungsberechtigten maßgebend. Dabei sind auch mit Blick auf § 20 Abs. 1 Nds. KiTaG ("möglichst ortsnah") unter anderem die Entfernung zur Arbeitsstätte bzw. zur Wohnung und der mit dem Bringen und Abholen des Kindes einhergehende zeitliche Aufwand für die Eltern oder den primär betreuenden Elternteil einzubeziehen, wobei alle nach den Umständen des Einzelfalls tatsächlich in Betracht kommenden Verkehrsmittel in den Blick zu nehmen sind (zum Ganzen BVerwG, Urt. vom 26.10.2017, 5 C 19/16, juris Rn. 43; Nds. OVG, Beschl. vom 24.07.2019, 10 ME 154/19, juris Rn. 9 ff.).

Unter Anlegung dieser rechtlichen Maßstäbe vermag die Kammer im vorliegenden Fall auf der Basis des Vortrags der Antragstellerin nicht zu erkennen, dass ihrer Mutter der tägliche Zeitaufwand, um sie morgens in die von ihr besuchte Einrichtung zu bringen, von dort aus den Weg zur Arbeitsstätte in Hannover zu bewältigen und sie nachmittags von dort aus wieder abzuholen, um mit ihr nach Hause zu fahren, unzumutbar wäre. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Mutter der Antragstellerin für die Bewältigung der entsprechenden Teilstrecken ein PKW zur Verfügung steht. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass vom Wohnort der Antragstellerin aus gesehen die von ihr derzeit besuchte Einrichtung zumindest grundsätzlich in derselben Richtung liegt wie die Arbeitsstätte ihrer Mutter. Gleichwohl bedeutet die Anfahrt der besuchten Einrichtung insoweit einen gewissen Umweg und schließt auch eine sinnvolle Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, insbesondere der an den Wohnort unmittelbar angebundenen S-Bahn-Linie 5, als Alternative aus.

Dass der zeitliche Gesamtaufwand insoweit nicht mehr zumutbar ist, vermag die Kammer nicht zu erkennen. Die von der Antragstellerin dafür als Beleg vorgetragenen Berechnungen tragen ihre dahingehende Behauptung nicht.

Bereits dem Grunde nach lassen sich aus dem insoweit auf den Zeitraum vom 17.01. - 23.01.2024 beschränkten Vortrag bei summarischer Würdigung kaum allgemeine Rückschlüsse auf die durchschnittliche zeitliche Inanspruchnahme für das Bringen und Holen der Antragstellerin in Verknüpfung mit der Berufstätigkeit der Mutter ziehen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Situation des aus Richtung des Wohnortes der Antragstellerin nach L. und zurück pendelnden Berufsverkehrs derzeit, jedoch letztlich nur temporär, durch eine mit einer Streckensperrung verbundene Baustelle im Durchfahrtsbereich des Ortes M. belastet ist, was zu einer Verdichtung des Verkehrs auf den Alternativrouten führt. Gleichwohl teilt die Kammer nicht die Auffassung der Antragstellerin, dass angesichts regelhaft "zu erwartender erheblicher Verkehrsstörungen" von den Fahrtzeiten, die in den von ihr vorgelegten Daten von Google-Maps für die einzelnen Teilstrecken in Gestalt von Zeitspannen (z.B. "20-40 Minuten") dargestellt sind, jeweils der höchste Zeitwert anzusetzen ist. Allenfalls gerechtfertigt erscheint es der Kammer vielmehr, insoweit die jeweiligen Mittelwerte (also im soeben genannten Beispiel: 30 Minuten) anzusetzen. Daraus ergeben sich überschlägig Zeiten für den Hin- und Rückweg von jeweils insgesamt rund 100 Minuten, also ca. rund 50 Minuten jeweils für den Hin- und den Rückweg. Nimmt man einen gewissen "Sicherheitsaufschlag" hinzu, ergeben sich durchschnittliche Wegzeiten von jeweils einer Stunde.

Das erscheint der Kammer unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Einzelfalls noch als zumutbar. Dabei ist aus Sicht der Kammer insbesondere zu berücksichtigen, dass der wesentliche Anteil dieses Zeitaufwandes ein ohnehin entstehender Aufwand ist, weil die Mutter der Antragstellerin auch dann, wenn sie nur den direkten Weg vom Wohnort zur Arbeitsstätte und zurück zu bewältigen hätte, rund 40 - 45 Minuten Zeit für eine Wegstrecke benötigen würde. Die tatsächliche Mehrbelastung der Mutter infolge des Umweges über den Einrichtungsstandort der Tagesbetreuung dürfte deshalb pro Wegstrecke lediglich bei ca. 15 - 20 Minuten liegen.

Die Kammer verkennt dabei nicht, dass die Mutter der Antragstellerin als Alleinerziehende besonders belastet ist, weil sie sich deren Betreuung und damit auch das Bringen und Holen zur und von der Betreuungseinrichtung mit niemandem teilen kann. Auch insofern muss aber nach Auffassung der Kammer die tatsächliche Belastung der Mutter der Antragstellerin aus der derzeitigen Betreuungssituation in Relation gesetzt werden zu der fiktiven Belastung infolge der im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Alternative und bleibt danach eine effektive tatsächliche "Mehrbelastung" in einem noch vertretbar erscheinenden Ausmaß.

dd)

Selbst wenn aber der derzeit von der Antragstellerin genutzte Betreuungsplatz in K. entgegen dem Vorstehenden mit Blick auf die zeitliche Belastung ihrer Mutter für das Bringen, den Weg zur und von der Arbeit und das Abholen nicht mehr als zumutbar und damit nicht als bedarfsgerecht anzusehen wäre, wäre gleichwohl der Verschaffungsanspruch aus § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII der Antragstellerin bereits als erfüllt anzusehen.

Das ergibt sich - insoweit wiederum für sich allein die Ablehnung des Hauptantrags selbständig tragend - daraus, dass die Antragsgegnerin zu 2., rechtlich der Antragsgegnerin zu 1. zurechenbar (s. o.), bereits rechtzeitig vor dem erstmaligen Beginn der gewünschten Tagesbetreuung im letzten Jahr sowohl einen Tagesbetreuungsplatz in einer Tagespflegestelle in M. angeboten hatte, dessen Inanspruchnahme die Mutter der Antragstellerin allerdings unter dem 16.06.2023 ohne nähere Angabe von Gründen abgelehnt hatte, als auch - nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Antragsgegnerinnen - am 19.06.2023 ein Betreuungsplatz in einer Tagespflegestelle in N., der vom Wohnort der Antragstellerin aus sogar alternativ mit der S-Bahn unmittelbar auf dem Weg nach L. hätte erreicht werden können.

Dass einer dieser Plätze nicht im Sinne des § 24 Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 Satz 3 SGB VIII bedarfsgerecht gewesen wäre, macht die Antragstellerin auf den dahingehenden Vortrag der Antragsgegnerin zu 1. nicht einmal geltend. Damit hatte die Antragsgegnerin zu 2. aber der Antragstellerin sogar zweimal im Sinne der oben angeführten Rechtsprechung die Möglichkeit "verschafft", eine ihr und ihrer Mutter zumutbare Tagesbetreuung in Anspruch zu nehmen. Mehr als das schuldet(e) die Antragsgegnerin zu 1. der Antragstellerin aus § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII nicht, denn die Antragsgegnerin zu 1. kann weder rechtlich noch tatsächlich mehr tun, als belegbare und zumutbare Betreuungsplätze nachzuweisen. Ob die Antragstellerin einen solchen Platz letztlich auch tatsächlich in Anspruch nimmt, obliegt allein der Entscheidung ihrer Personensorgeberechtigten.

Die mit dem rechtzeitigen Nachweis zweier belegbarer und zumutbarer Betreuungsplätze einhergehende Erfüllungswirkung in Bezug auf den Anspruch aus § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ist auch nicht nachträglich dadurch wieder entfallen, dass die Antragstellerin keinen von ihnen tatsächlich belegt hat und diese zwischenzeitlich anders belegt sein dürften. Die dahingehende Auffassung des Sächs. OVG (Urt. vom 22.06.2018, 4 A 1132/17, juris Rn. 20 ff., sich dem ohne eigene Argumentation anschließend VGH BW, Beschl. vom 08.09.2023, 12 S 790/23, juris Rn. 18) teilt die Kammer nicht. Sie schließt sich vielmehr insoweit der ausführlichen und überzeugend begründeten Gegenauffassung des VG Halle (Beschl. vom 06.03.2020, 3 B 175/20, juris Rn. 14 ff.) an, auf die insoweit verwiesen wird. Zu Recht verweist das VG Halle unter Hinweis auf die o.a. Entscheidung des BVerwG insbesondere darauf, dass - entgegen der Auffassung der beiden vorzitierten Obergerichte - der Anspruch aus § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII gegen den öffentlichen Jugendhilfeträger gerade nicht auf eine Betreuung als solche gerichtet ist, sondern lediglich auf den Nachweis eines bedarfsgerechten, zumutbaren Betreuungsplatzes. Ist dieser Anspruch erfüllt, und das war er im vorliegenden Fall, ist er im Rechtssinne untergegangen. Die Auffassung der vorzitierten Obergerichte ist auch deshalb falsch, weil sie in Widerspruch zu der allgemein anerkannten Auslegung des § 24 SGB VIII steht, wonach diese Norm auch unter Berücksichtigung des Wunsch- und Wahlrechtes aus § 5 SGB VIII nicht einen Anspruch auf Zuweisung eines bestimmten Platzes in einer bestimmten Betreuungseinrichtung umfasst. Würde man der Auffassung der beiden vorzitierten Obergerichte folgen, würde sich aber letztlich genau eine solche Anspruchsverdichtung ergeben (können), indem so lange alle angebotenen Plätze abgelehnt werden, bis ein Platz in der gewünschten Einrichtung (wieder) frei wird. Würden alle oder würde jedenfalls eine gehörige Anzahl von Anspruchsberechtigten auf diese Weise verfahren, würde im Übrigen, worauf das VG Halle ebenfalls zu Recht hinweist, das im Gesetz angelegte System der Bereitstellung und Zuteilung von Betreuungsplätzen zusammenbrechen, weil für die Jugendhilfeträger im Rahmen ihrer Gesamtverantwortung die Anzahl der benötigten Plätze nicht mehr kalkulierbar wäre. Bezeichnenderweise hat sich der VGH BW (a.a.O.) mit diesen nicht widerlegbaren Argumenten in seiner o.a. Entscheidung gar nicht erst auseinandergesetzt.

c)

Die Antragstellerin hat auch mit ihren Hilfsanträgen keinen Erfolg. Für diese Anträge besteht kein Rechtsschutzbedürfnis.

Da die Antragsgegnerin zu 1., wie zuvor dargelegt, der Antragstellerin gegenüber - jedenfalls in Bezug auf deren Anspruch auf frühkindliche Bildung aus § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII - ihre Leistungspflicht bereits erfüllt hat, kann die Antragstellerin aus § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII der Antragsgegnerin zu 1. gegenüber bereits von vornherein keinen Anspruch darauf ableiten, in ein zukünftiges Vergabeverfahren für einen derartigen Platz in der von ihr gewünschten Einrichtung an ihrem Wohnort überhaupt einbezogen zu werden. Das schließt zwar nicht aus, dass die Antragsgegnerin zu 2. sie - einer entsprechenden eigenen Verwaltungspraxis folgend - gleichwohl in ein solches Verteilungsverfahren einbezieht. In einem solchen Verteilungsverfahren wäre die Antragstellerin allerdings gegenüber allen anderen Kindern, deren Betreuungsanspruch aus § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bisher nicht erfüllt ist, unabhängig davon, welche sonstigen familiären Umstände bei diesen Kindern vorlägen, jedenfalls nachrangig zu berücksichtigen. Denn in einer "Platzkonkurrenz"-Situation ist vor dem Hintergrund des unbedingten Verschaffungsanspruchs aus § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII dem Aspekt "bisher ohne bedarfsgerechten Betreuungsplatz" gegenüber dem Umstand "Wechselwunsch bei bereits bestehender bedarfsdeckender Betreuung oder bereits erfolgter Erfüllung des Verschaffungsanspruchs" absoluter Vorrang einzuräumen. Dass die Antragstellerin bei einer Einbeziehung in eine erneute Platzvergabe in Bezug auf einen dafür zur Verfügung stehenden Platz nur mit anderen Kindern konkurrieren würde, die ebenfalls bereits einen bedarfsgerechten Platz belegen bzw. denen gegenüber die Antragsgegnerin zu 1. ihre Leistungsverpflichtung aus § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bereits erfüllt hat, ist angesichts des fortwährend hohen Bedarfs an Betreuungsplätzen ein völlig unrealistisches Szenario.

Angesichts dessen kommt es auf die von der Antragstellerin mit ihren Hilfsanträgen aufgeworfenen Fragen danach, ob die von der Antragsgegnerin zu 2. aufgestellten und angewandten "Vergabekriterien" unter Gleichheitsgesichtspunkten in Teilen fehlerhaft sind, im vorliegenden Verfahren nicht an. Denn selbst wenn die Kammer das feststellen würde, würde die Antragstellerin davon nach dem Vorgesagten bei weiteren Platzvergaben von Krippenplätzen in der von ihr gewünschten Einrichtung aller Voraussicht nach nicht profitieren können.

2.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.