Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 23.01.2015, Az.: 2 Ws 1/15

Verteilung der notwendigen Auslagen der Nebenklage bei teilweiser Verurteilung und teilweisem Freispruch; Auferlegung der notwendigen Auslagen der Nebenklage auf den Angeklagten richtet sich nach Verurteilung wegen einer den Nebenkläger betreffenden Tat und nicht nach der Beiordnung eines Nebenklagevertreters

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
23.01.2015
Aktenzeichen
2 Ws 1/15
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 23235
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2015:0123.2WS1.15.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Lüneburg - 28.10.2014

Amtlicher Leitsatz

1. Für die Auferlegung der einem Nebenkläger erwachsenen notwendigen Auslagen kommt es nicht darauf an, dass der Angeklagte wegen eines Delikts verurteilt wird, für welches gem. § 97a Abs. 1 StPO die Beiordnung eines Rechtsanwalts für den Nebenkläger erfolgt ist.

2. Entscheidend ist allein, dass der Angeklagte wegen einer den Nebenkläger betreffenden Tat verurteilt wird, § 472 Abs. 1 Satz 1 StPO.

3. Wird ein Angeklagter wegen mehrerer angeklagter Taten teils verurteilt, teils freigesprochen, so können die notwendigen Auslagen eines Nebenklägers nach dem Rechtsgedanken des § 472 Abs. 1 Satz 2 StPO verteilt werden, soweit es unbillig wäre, den Angeklagten damit in voller Höhe zu belasten.

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen die Kostenentscheidung des Urteils des Landgerichts Lüneburg vom 28.10.2014 wird als unbegründet verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gegen diese Entscheidung ist keine Beschwerde gegeben (§ 304 Abs. 4 StPO).

Gründe

I.

Die Staatsanwaltschaft Lüneburg, Zweigstelle Celle, hat den Beschwerdeführer wegen des Tatvorwurfs der Nachstellung in 18 Fällen zum Nachteil der Nebenklägerin mit Anklageschrift vom 08.01.2010 vor dem Amtsgericht Celle - Strafrichter - angeklagt. Mit einer weiteren Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Lüneburg - Zweigstelle Celle - vom 07.10.2011 ist gegen den Beschwerdeführer vor dem Amtsgericht Celle - Schöffengericht - wegen des Tatvorwurfs einer Vergewaltigung zum Nachteil der Nebenklägerin Anklage erhoben worden, mit weiteren Anklagen wurden ihm zwei Körperverletzungen zum Nachteil dieser Nebenklägerin, eine Körperverletzung zum Nachteil einer anderen Person und eine Beleidigung vorgeworfen.

Mit Beschluss vom 01.12.2011 hat das Amtsgericht Celle - Schöffengericht - das Verfahren wegen Nachstellung in 18 Fällen und das Verfahren wegen Vergewaltigung zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Mit Beschluss des Amtsgerichts Celle - Schöffengericht - vom 15.12.2011 wurde die Nebenklage zugelassen und der Nebenklägerin ein Rechtsanwalt als Beistand bestellt.

Das Amtsgericht Celle - Schöffengericht - hat wegen dieser beiden Tatvorwürfe ein vorläufiges forensisch-psychiatrisches Sachverständigengutachten des Sachverständigen Dr. B., Arzt für Psychiatrie, forensische Psychiatrie und suchtmedizinische Grundversorgung, welches vom Amtsgericht Hamburg-Altona in Auftrag gegeben worden war, von dort erfordert. Dieses Gutachten endet mit der "Empfehlung, dass sich Herr S. einer stationären Therapie hinsichtlich der bei ihm bestehenden schweren Persönlichkeitsstörung unterziehen werden müsse, gegebenenfalls im Maßregelvollzug gem. § 63 StGB ...".

Mit Beschluss vom 11.05.2012 hat das Amtsgericht Celle - Schöffengericht - das Verfahren daraufhin gem. § 209 Abs. 2 StPO dem Landgericht Lüneburg - große Strafkammer - zur Prüfung der Übernahme vorgelegt, da im Falle einer Verurteilung die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus gem. § 63 StGB in Betracht kommen könnte. Mit Beschluss vom 03.07.2012 hat die 2. große Strafkammer des Landgerichts Lüneburg das Verfahren übernommen.

Nachdem die Kammer noch weitere Verfahren wegen vorsätzlicher Körperverletzung in drei Fällen, davon in zwei Fällen zum Nachteil der Nebenklägerin, sowie Beleidigung in zwei Fällen zu dem bei ihr anhängigen Verfahren verbunden hatte, verurteilte sie den Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung vom 21.10., 24.10. und 28.10.2014 am 28.10.2014 wegen vorsätzlicher Körperverletzung in drei Fällen und Beleidigung in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen zu jeweils 15,- €, von denen 30 Tagessätze als vollstreckt gelten. Vom Tatvorwurf der Vergewaltigung zum Nachteil der Nebenklägerin hat sie den Beschwerdeführer freigesprochen. Bei zwei der Verurteilungen wegen vorsätzlicher Körperverletzung handelte es sich um Taten zum Nachteil der Nebenklägerin. Der Tatvorwurf der Nachstellung in 18 Fällen (§ 238 StGB) ist im Verlaufe der Hauptverhandlung gem. § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden.

Bei der Kostenentscheidung des Urteils wurden dem Angeklagten die notwendigen Auslagen der Nebenklägerin in voller Höhe auferlegt.

Zur Begründung führt die Kammer aus, der Teilfreispruch wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung habe keine Aufteilung der notwendigen Auslagen der Nebenklägerin zur Folge gehabt, da die Kostentragung durch den Angeklagten in voller Höhe nicht unbillig erscheine (§ 472 Abs. 1 Satz 2 StPO). Denn die Nebenklägerin habe weder unwahre Angaben gemacht noch durch ihr Prozessverhalten schuldhaft vermeidbare Auslagen verursacht; insbesondere sei der Beschwerdeführer nicht wegen erwiesener Unschuld freigesprochen worden.

Mit seiner sofortigen Beschwerde vom 29.10.2014 wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Kostenentscheidung, als ihm darin die notwendigen Auslagen der Nebenklägerin in voller Höhe auferlegt worden sind. Zur Begründung führt er aus, dass die Beiordnung eines Nebenklagevertreters im Falle einer Anklage - nur - wegen vorsätzlicher Körperverletzungen nicht erfolgt wäre. Die verbliebenen Anklagepunkte, ohne die Vergewaltigung, hätten vor einem Amtsgericht und dort in einer halbtägigen Hauptverhandlung geklärt werden können.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist gem. §§ 464 Abs. 3 Satz 1, 311 Abs. 2 StPO statthaft und zulässig.

In der Sache ist sie aber unbegründet.

Gem. § 472 Abs. 1 Satz 1 StPO sind regelmäßig die einem Nebenkläger erwachsenen notwendigen Auslagen dem Angeklagten aufzuerlegen, wenn er wegen einer Tat verurteilt wird, die den Nebenkläger betrifft. Dies ist hier der Fall. Der Angeklagte ist wegen zweier vorsätzlicher Körperverletzungen zum Nachteil der Nebenklägerin verurteilt worden, die zum Anschluss als Nebenklägerin gem. § 395 Abs. 1 Nr. 3 StPO berechtigten. Dass gem. § 397a Abs. 1 StPO keine Bestellung eines Rechtsanwalts als Beistand hätte erfolgen können, ist dabei ohne Bedeutung, weil es für die Auslagenerstattung nach § 472 Abs. 1 Satz 1 StPO nicht darauf ankommt.

Wird ein Angeklagter allerdings wegen mehrerer angeklagter Taten teils verurteilt, teils freigesprochen, so können die notwendigen Auslagen eines Nebenklägers nach dem Rechtsgedanken des § 472 Abs. 1 Satz 2 StPO verteilt werden, soweit es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten (vgl. Karlsruher Kommentar-Gieg, StPO, 7. Auflage 2013, § 472 StPO, Rn. 7). Dies ist nicht der Fall.

Soweit der Beschwerdeführer vorträgt, das Verfahren hätte im Falle einer Beschränkung der Anklagepunkte auf diejenigen Taten, die letztlich zu einem Schuldspruch geführt haben, vor einem Amtsgericht und hier in einer maximal halbtägigen Hauptverhandlung erörtert werden können, so ist dies unzutreffend: Der Beschwerdeführer lässt außer acht, dass das Verfahren ursprünglich vor dem Amtsgericht Celle angeklagt war, dann jedoch aus Gründen, die allein in seiner Person liegen, nämlich zur Prüfung seiner Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gem. § 63 StGB, an das Landgericht Lüneburg gem. § 209 Abs. 2 StPO abgegeben worden war. Im Verlaufe der dreitägigen Hauptverhandlung ist die Nebenklägerin vor der Kammer nur am ersten Hauptverhandlungstag zeugenschaftlich vernommen worden. Insbesondere der letzte Hauptverhandlungstag diente vornehmlich den Einlassungen des Beschwerdeführers zur Person und zur Sache sowie der Anhörung des psychiatrischen Sachverständigen V.

Nach allem treffen die Behauptungen des Beschwerdeführers nicht zu, dass die Sache ohne den Vergewaltigungsvorwurf nicht beim Landgericht und nur in einer lediglich halbtägigen Hauptverhandlung verhandelt worden wäre. Durch die Verhandlung des Vergewaltigungsvorwurfes sind deshalb keine erheblichen Mehrauslagen entstanden, sodass es der Billigkeit entspricht, den Angeklagten mit den vollen Auslagen der Nebenklägerin zu belasten.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.