Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 27.04.1992, Az.: 3 L 223/90
Seelotse; Schiffahrtsdirektion; Annahme eines Seelotsen; Befreiung; Sicherheit der Schiffahrt
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 27.04.1992
- Aktenzeichen
- 3 L 223/90
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1992, 13413
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1992:0427.3L223.90.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Oldenburg - 12.09.1990 - AZ: 7 A 46/90
- nachfolgend
- BVerwG - 26.10.1993 - AZ: BVerwG 11 B 87.92
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 7. Kammer - vom 12. September 1990 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt die Feststellung, daß über eine Befreiung ihres 6.355 BRT (10.500 tdw) großen TMS "..." von der Pflicht zur Annahme eines Seelotsen rechtswidrig entschieden worden ist.
Sie hatte bei der Wasser- und Schiffahrtsdirektion Nord-West beantragt, das Schiff von dieser Pflicht teilweise für 75 aufeinanderfolgende Fahrten von Wilhelmshaven nach Nordenham/Blexen zu befreien, auf denen es vom 8./9. Februar 1988 an für die Erdölbevorratungsstelle des Bundes rd. 750.000 mt Rohöl befördern solle. Die Befreiung werde mit der Maßgabe begehrt, daß der jeweils an Bord befindliche Kapitän für seine ersten sechs Reisen zwischen Wilhelmshaven und Blexen oder umgekehrt zur Annahme eines Seelotsen verpflichtet sein solle.
Die Wasser- und Schiffahrtsdirektion lehnte den Antrag durch Bescheid vom 11. Februar 1988 mit der Begründung ab, eine Befreiung könne im Interesse der Sicherheit der Schiffahrt nicht gewährt werden. Mineralöl-, Gas- und Chemikalientankschiffe von mehr als 300 BRT Größe seien in den deutschen Seelotsrevieren zur Annahme eines Seelotsen verpflichtet, weil der Führung der Schiffe mit einer für die Umwelt besonders gefährlichen Ladung reviererfahrene und von den für die Sicherheit des Schiffsverkehrs verantwortlichen Stellen jederzeit ansprechbare Nautiker zur Unterstützung hätten beigegeben und sie dadurch bei der Beachtung der für die Sicherheit des Schiffsverkehrs auf den vielbefahrenen Revieren erheblichen Tatsachen hätten entlastet werden sollen. Es sei von wenigen Ausnahmefällen abgesehen, in denen die Schiffsführung nachgewiesen habe, daß sie das Revier so oft wie ein auf dem Revier bestellter Seelotse befahren habe, und eine Revierkundeprüfung abgelegt habe, bislang kein Schiff dieser Art und Größe von der Pflicht zur Annahme eines Seelotsen befreit worden. Die Gründe für die Einführung der Pflicht, die weiterhin beständen, hätten im öffentlichen Interesse Vorrang vor den wirtschaftlichen Erwägungen einzelner. Die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für die Klägerin würde dazu zwingen, auch in anderen Fällen einen großzügigeren Maßstab als bisher zum Nachteil für den Schutz der Allgemeinheit vor Umweltgefahren anzulegen.
Die Klägerin legte Widerspruch ein und beschränkte ihren Antrag auf eine Befreiung des Schiffes für seine Fahrten in Ballast von Nordenham/Blexen nach Wilhelmshaven zur Abwicklung jenes Auftrages; ihre Kapitäne seien bereit, sich einer Revierkundeprüfung zu unterziehen. Ihr Fall gleiche dem Einzelfall, für den eine Befreiung von der Pflicht zur Annahme eines Seelotsen gewährt worden sei; der technische Sicherheitsstandart ihres Schiffes sei sogar beträchtlich höher.
Die Wasser- und Schiffahrtsdirektion befreite daraufhin mit Bescheid vom 7. März 1988 die Führung des Schiffes der Klägerin in diesem Umfange unter der Auflage von der Pflicht zur Annahme eines Seelotsen, daß die Gasfreiheit des Schiffes in jedem Falle nachgewiesen sei. Ein besonderer Fall, der eine Ausnahme von der Pflicht zulasse, sei zwar wegen des Sicherheitsstandarts des Schiffes, der Erfahrung seiner Führung sowie der Befristung und Beschränkung des Befreiungsantrages auf die Fahrten in Ballast auf der Strecke Nordenham/Blexen nach Wilhelmshaven gegeben. Die Befreiung sei aber mit jener Auflage zu erteilen, da geringere Gefahren von einem Tankschiff nur ausgingen, wenn es entgast oder die Gefahren seiner Restladung auf andere Weise wie etwa durch eine Inertisierung beseitigt worden seien.
Die Klägerin hat daraufhin Klage mit der Begründung erhoben, sie sei nach dem Abschluß der Fahrten ihres Schiffes von Wilhelmshaven nach Blexen am 20. Juni 1988 an der Feststellung interessiert, daß ihr eine Befreiung von der Pflicht zur Annahme eines Seelotsen rechtswidrig versagt worden sei. Sie erstrebe eine Rückzahlung der Lotsgebühren und werde möglicherweise auch künftig gleiche Aufträge übernehmen. Die Auflage des Widerspruchsbescheides sei nicht erforderlich und unverhältnismäßig. Sie komme einer Versagung der Befreiung gleich, da sie von ihr nicht erfüllt werden könne. Eine Entsorgung der Rückstände, die bei der Wäsche der Tanks des Schiffes zur Herstellung der Gasfreiheit anfielen, sei zeitlich und wirtschaftlich nicht in Betracht gekommen, da sie nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand etwa in Hamburg oder Rotterdam möglich gewesen sei. Das Schiff habe auch keine Inertisierungsanlage. Die Kapitäne ihres Schiffes, das höchstem deutschem und internationalem Sicherheitsstandart entspreche, hätten bereits nach einem Teil der Fahrten die einem Seelotsen vergleichbare Fähigkeit erworben, das nichtentgaste Schiff im Revier allein ebenso sicher wie mit einem Seelotsen zu führen, der sie ohnehin nur berate. Die Wasser- und Schiffahrtsdirektion habe sie mit der Auflage gegenüber ihrer früheren Verwaltungspraxis ungleich behandelt. Das TMS "Mobil Jade" sei von ihr in den Jahren 1980 bis 1986 für Fahrten zwischen Wilhelmshaven und Bremen von der Pflicht zur Annahme eines Seelotsen ohne Auflagen oder vergleichbare Auflage befreit worden, obwohl es Benzin, eine gefährlichere Ladung als Rohöl bis in den Hafen von Bremen befördert habe, während ihr Schiff seine Ladung in einem Gebiet fast ohne Bebauung gelöscht habe.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, daß die Versagung der Befreiung von der Lotsannahmepflicht für Ballastfahrten von Nordenham/Blexen nach Wilhelmshaven rechtswidrig gewesen ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen,
und hat ergänzend vorgebracht, die Kapitäne des TMS "Dorsch" hätten zwar nach 12 Reisen die notwendigen Revierkenntnisse besessen. Eine Befreiung von der Lotsannahmepflicht könne aber nur aus strom- und schiffahrtspolizeilichen Gründen, d.h. unter Berücksichtigung der Gefahren erteilt werden, die von dem Schiff für den übrigen Schiffsverkehr und die Wasserstraße ausgingen. Schiffe, die eine gasende Flüssigkeit wie Rohöl vor der Ballastfahrt geladen hätten, bedeuteten ein besonderes Risiko, das durch die Pflicht zur Annahme eines Seelotsen gemindert werden solle. Es gehe von ihnen nach Auskunft der Bundesanstalt für Materialprüfung unter Umständen, die nicht nur bei einer Kollision oder Strandung beständen, eine noch größere Gefahr für die Umgebung als von beladenen Tankschiffen aus. Die Pflicht zur Annahme eines Seelotsen beim Befahren eines Seelotsreviers sei auf Öl-, Gas- und Chemikalientankschiffe ohne Rücksicht auf ihren Ladungszustand erstreckt worden, da im Einzelfall nur mit schwierigen Nachweisverfahren festgestellt werden könne, daß ein leeres Tankschiff entgast oder inertisiert sei. Sie habe die Klägerin nicht gegenüber der Mobil-Oil AG ungleich behandelt, da bei dieser andere Umstände bestanden hätten. Die "Mobil Jade" sei seit dem Jahre 1975 praktisch im Pendelverkehr zwischen der Raffinerie der Mobil-Oil AG in Wilhelmshaven und ihrem Tanklager in Bremen eingesetzt worden. Sie habe für dieses Schiff eine teilweise Befreiung bei Reisen mit Benzin gewährt, die nicht für das Revier Weser I (Bremerhaven-Bremen) gegolten habe, nachdem seine Kapitäne 270 Reisen und ihr Erster Offizier 135 Reisen als Kapitän und 36 Reisen als Erster Offizier des Schiffes ausgeführt und sie durch eine Prüfung den Revierlotsen vergleichbare Revierkenntnisse nachgewiesen hätten. Die "Mobil Jade" müsse, nachdem sie diese Fahrten eingestellt habe, wieder bei jeder Fahrt auf der Weser einen Seelotsen annehmen.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 12. September 1990 mit der Begründung abgewiesen, die Klage sei zwar zulässig. Die Klägerin habe das für ihre Fortsetzungsfeststellungsklage erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, da sie mit ihrem Schiff auch künftig vergleichbare Fahrten durchführen wolle. Die Klage sei aber nicht begründet. Die Bescheide der Wasser- und Schiffahrtsdirektion Nord-West seien rechtmäßig gewesen. Die Klägerin habe auch für Ballastfahrten ihres Schiffes mit leeren Öltanks einen Seelotsen annehmen müssen. Eine Befreiung von der Lotsannahmepflicht werde durch ausreichende Revierkenntnisse der Führung von Tankschiffen allein nicht gerechtfertigt. Sie könne erst gewährt werden, wenn die für einen Tanker typischen Gefahren, die bei Ballastfahrten in der Explosionsgefahr beständen, beseitigt seien. Diese Gefahren beständen bei den Ballastfahrten des TMS "Dorsch", da seine Tanks weder gereinigt noch inertisiert worden seien. Die Annahme eines Lotsen sei ein sinnvolles und geeignetes Mittel zur Verringerung dieser Gefahren. Der Lotse habe den Kapitän nicht nur über die besonderen Gegebenheiten des Reviers zu beraten, was aufgrund besonderer Revierkunde der Schiffsführung entbehrlich werden könne. Er stehe dem Kapitän, da er schiffahrtskundiger Berater sei, auch in allen anderen Fragen zur Seite. Die Hinzuziehung eines Lotsen vergrößere damit die Sicherheit bei der Führung von Tankschiffen. Der Lotse stehe anders als die Kapitäne nicht unter von Geschäftsinteressen der Reeder bedingtem Zeitdruck. Er könne unabhängig von Wirtschaftsinteressen die Beachtung der allgemeinen Regeln der Seeschiffahrt sicherstellen und insbesondere auf die Beachtung der besonderen Sicherheitsanforderungen für Tankschiffe hinwirken. Daß die Beklagte auf diesem zusätzlichen Sicherheitserfordernis bestehe, sei rechtlich nicht zu beanstanden.
Gegen diese Entscheidung führt die Klägerin Berufung und trägt ergänzend vor, ihr habe eine Ausnahme von der Lotsannahmepflicht ohne Auflagen gewährt werden müssen, weil in ihrem Falle der mit der Lotsannahmepflicht verfolgte Zweck bereits erreicht gewesen sei und nicht weiter habe gefördert werden können. Die Lotsannahmepflicht solle allein die Gefahren einer fehlerhaften Navigation verringern. Es sei nicht Aufgabe des Lotsen, die Einhaltung der Vorschriften über die Schiffssicherheit zu gewährleisten, den Sicherheitsstandart eines Schiffes zu beurteilen und in den übrigen Schiffsbetrieb durch Anweisung oder Beratung einzugreifen. Die Position des Schiffsführers sei zudem, da bei der Lotsung der Kapitän für das Schiff verantwortlich bleibe, nicht aus Sicherheitsgründen doppelt zu besetzen. Das Risiko einer Explosion werde außerdem bei ihrem Schiff beträchtlich gemindert, da sie seine Tanks nicht reinigen lasse, sondern nach jeder Fahrt mit Frischluft lüfte. Rohöltanker seien gefährlich, weil sich infolge von Reinigungsarbeiten in den Tanks statische Aufladungen bildeten, die zu einer Explosion führen könnten.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und nach ihrem Klageantrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil, tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und trägt ergänzend vor, eine Befreiung von der Pflicht zur Annahme eines Seelotsens werde nach ihrer Praxis für einen Tanker u.a. nur unter der Voraussetzung erteilt, daß er in Ballast fahre und unmittelbar vorher lediglich nichtgasende Flüssigkeiten befördert habe. Die von der Klägerin angegebene Art der Tankreinigung sei ihr bislang nicht bekannt gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten einschließlich der Akten 1 VG D 25/88/3 OVG B 98/88 sowie die beigezogenen Vorgänge der Beklagten verwiesen. Die Vorgänge sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen, soweit die Entscheidung auf ihnen beruht.
II.
Die Berufung hat keinen Erfolg, da das Verwaltungsgericht die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen hat.
Der Bescheid der Wasser- und Schiffahrtsdirektion Nord-West vom 11. Februar 1988 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 7. März 1988 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Wasser- und Schiffahrtsdirektion konnte der Klägerin entgegen ihrer Auffassung eine uneingeschränkte Befreiung ihres 6.355 BRT (10.500 tdw) großen TMS "Dorsch", eines Öltanksschiffs, von der Pflicht zur Annahme eines Seelotsen für Ballastfahrten von Nordenham/Blexen nach Wilhelmshaven versagen. Die streitige Auflage zu der mit dem Widerspruchsbescheid ihr erteilten Befreiung, die nach Auffassung der Klägerin einer Versagung gleichkommt, die Gasfreiheit des Schiffes in jedem Fall nachzuweisen, ist rechtmäßig, zumal der Klägerin nach der Begründung des Bescheides nachgelassen worden war, die Gefahren der Restladung des Schiffes auch auf andere Weise - wie etwa durch eine Inertisierung - zu beseitigen.
Ein besonderer Fall als Voraussetzung für eine Befreiung von der Pflicht zu einer Annahme eines Seelotsen gemäß § 6 Abs. 4 der Verordnung über die Verwaltung und Ordnung der Seelotsreviere Weser I und Weser II/Jade (Lotsverordnung Weser/Jade) vom 17. Dezember 1985 (BAnz S. 15430) ist - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - nicht bereits dann gegeben, wenn die Führung eines Öltankschiffs dieser Größe einem Seelotsen vergleichbare Revierkenntnisse besitzt. Die Pflicht zur Annahme eines Seelotsens soll entgegen der Auffassung der Klägerin nicht nur die Gefahren einer fehlerhaften Navigation verringern. Der Seelotse hat zwar als orts- und schiffahrtskundiger Berater (§ 1 Satz 1 des Gesetzes über das Seelotswesen - SeelotsG - i.d.F. vom 13. 9. 1984 - BGBl I S. 1213 -) den Kapitän gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 SeelotsG bei der Führung des Schiffes zu beraten, der nach Abs. 2 aaO, worauf die Klägerin mit Recht hinweist, für die Führung des Schiffes auch dann verantwortlich bleibt, wenn er selbständige Anordnungen des Seelotsen hinsichtlich der Führung des Schiffes zuläßt. Der Seelotse hat aber auch Aufgaben auf dem Gebiet der Schiffssicherheit zu erfüllen (vgl. Graf/Steinicke, SeelotsG, § 26 Anm. I). So ist er gemäß § 26 Satz 1 SeelotsG verpflichtet, der von der Aufsichtsbehörde bestimmten Stelle und der Lotsenbrüderschaft jede Beobachtung, die die Sicherheit der Schiffahrt betrifft, unverzüglich auf schnellstem Übermittlungsweg mitzuteilen. Er kann obendrein nach § 8 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung über die Seelotsreviere und ihre Grenzen (Allgemeine Lotsverordnung - ALV -) vom 21. April 1987 (BGBl I S. 1290) eine Lotsung wegen Unzumutbarkeit ablehnen, wenn das Schiff oder dessen Ausrüstung schwerwiegende Mängel aufweist oder die Besatzung nicht ausreicht oder nicht ausreichend qualifiziert ist und dadurch die Sicherheit der Schiffahrt oder die Umwelt erheblich gefährdet wird. Der Seelotse hat ferner nach § 11 ALV, soweit erforderlich, die Schiffsführung über alle die Schiffahrt auf dem Seelotsrevier und in den Häfen betreffenden Anordnungen und Vorschriften sowie die zoll-, gesundheits- und sicherheitspolizeilichen Regelungen zu unterrichten. Der Kapitän oder sein Vertreter hat außerdem gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 ALV den Seelotsen, sobald er an Bord gekommen ist, unverzüglich über alle Mängel und besonderen Eigenschaften des Schiffes, die für die Lotsberatung von Bedeutung sind, umfassend zu unterrichten. Der Seelotse hat sich weiterhin vor Beginn seiner Tätigkeit von dem ordnungsgemäßen Zustand des Schiffes und seiner Ausrüstung nach § 12 Abs. 1 Satz 2 ALV zu überzeugen. Der Kapitän oder sein Vertreter hat obendrein nach Abs. 2 Satz 1 aaO bei von See kommenden Tankschiffen zusätzlich zur Feststellung des Zustandes, der Eigenschaften und etwaigen Mängel des Schiffes, seiner Ausrüstung und seines sicheren Betriebs vor Beginn der Lotsberatung eine besondere Prüfliste auszufüllen, deren ordnungsgemäße Ausfüllung der Seelotse nach Satz 2 aaO vor Beginn seiner Tätigkeit zu überprüfen hat.
Der Hinweis der Klägerin, die Gefahr einer Explosion, die von einem leeren Rohöltankschiff ausgehe, werde für ihr Schiff beträchtlich gemindert, weil sie seine Tanks nicht reinigen lasse, sondern nach jeder Fahrt mit Frischluft lüfte, führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Frage, ob diese Art der Lüftung bereits ausreicht, um die zwischen den Beteiligten umstrittene Auflage des Widerspruchsbescheides auf die der Klägerin von der Wasser- und Schiffahrtsdirektion nachgelassene andere Art und Weise zu erfüllen, kann dahingestellt bleiben, zumal die Klägerin mit ihrer Klage eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Auflage selbst begehrt, unter der ihr eine Befreiung von der Pflicht zur Annahme eines Seelotsen erteilt worden ist.
Die Klägerin kann sich schließlich gegenüber der Beklagten nicht auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG berufen. Der allgemeine Gleichheitssatz ist auf eine Gleichbehandlung im Recht ausgerichtet; er gibt weder dem Bürger einen Anspruch noch der Verwaltung die Befugnis, eine rechtswidrige Gleichbehandlung zu fordern oder zu gewähren. Die Verletzung des Gleichheitssatzes kann daher mit Erfolg nur geltend machen, wer nach der objektiven Rechtslage einen Anspruch auf die von ihm erstrebte Gleichbehandlung hat. Gebietet die Rechtslage diese Behandlung nicht oder schließt sie eine Gleichbehandlung gar aus, ist der Gleichheitssatz selbst dann nicht verletzt, wenn andere gleichgelagerte Fälle entgegen der objektiven Rechtslage in der erstrebten Art und Weise behandelt worden sind (BVerwGE 34, 278, 283 f.) [BVerwG 10.12.1969 - VIII C 104/69]. So liegt der Fall auch hier. Die Wasser- und Schiffahrtsdirektion mag zwar nach dem zwischen den Beteiligten unstreitigen Sachverhalt die Mobil-Oil AG in den Jahren 1980 bis 1986 für ihr Tankschiff "Mobil Jade" von der Pflicht zur Annahme eines Seelotsen für Fahrten zwischen Wilhelmshaven und Bremen wegen der besonderen Revierkenntnisse ihrer Schiffsführung ohne eine entsprechende Auflage befreit haben. Ihre Befreiung von dieser Pflicht war aber, wenn sie unter den bei der Klägerin gegebenen Voraussetzungen erteilt worden war, rechtswidrig, da die besondere Revierkunde der Schiffsführung allein - wie bereits ausgeführt - eine Befreiung für Schiffe dieser Art und Größe nicht zu rechtfertigen vermag.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 167 VwGO iVm 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.
Eichhorn
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