Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 20.01.2015, Az.: 1 Ws 379/14

Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus unabhängig von der Frage des Vorliegens von Schuldfähigkeit bei den zu erwartenden künftigen Straftaten

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
20.01.2015
Aktenzeichen
1 Ws 379/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 12203
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:2015:0120.1WS379.14.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Göttingen - 02.12.2014

Fundstellen

  • NStZ-RR 2015, 6
  • NStZ-RR 2015, 190-191
  • RPsych 2015, 96
  • RPsych (R&P) 2015, 119

Amtlicher Leitsatz

Wenn die psychische Erkrankung (Defektzustand) nach dem erreichten Stand der Behandlung noch immer vorliegt, ist es unerheblich, ob der Untergebrachte für die deswegen zu erwartenden künftigen Straftaten voraussichtlich teilweise oder voll verantwortlich wäre. In solchen Fällen ist - ohne dass es auf die Erheblichkeit einer Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit ankommt - die Fortdauer der Unterbringung dann anzuordnen, wenn die Gefahr besteht, der Untergebrachte werde infolge seines Zustandes weitere erhebliche rechtswidrige Straftaten begehen (Anschluß an OLG Stuttgart, Beschluss v. 06.06.2007, 2 Ws 137/07).

Die Maßregel ist nur dann für erledigt zu erklären, wenn in Bezug auf erhebliche Straftaten keinerlei Risiko mehr besteht.

Die Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung kommt nur dann in Betracht, wenn mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit erwartet werden kann, dass der Beschwerdeführer außerhalb des Maßregelvollzugs keine störungsbedingten erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen würde.

Die Dauer der Freiheitsentziehung ist mit den Anlasstaten und dem Gewicht der im Fall der Freilassung zu erwartenden Taten abzuwägen, wobei auch die seit der Anordnung der Maßregel veränderten Umstände, die für die künftige Entwicklung bestimmend sind, insbesondere der Zustand des Untergebrachten und die zu erwartenden Lebensumstände, zu berücksichtigen sind (BVerfG, Urteil v. 08.10.1985, 2 BvR 1150/80, 2 BvR 2504/82, juris, RN 41). Der mit der Dauer der Unterbringung gewichtiger werdende Freiheitsanspruch stößt jedoch dort an die Grenzen, wo es im Hinblick auf die Art der drohenden Taten, deren Bedeutung und Wahrscheinlichkeit unvertretbar erscheint, einen Untergebrachten in Freiheit zu entlassen (BVerfG, Beschluss v. 21.01.2010 - 2 BVR 660/09, zitiert nach: juris, RN 22f.).

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss der 51. großen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Göttingen vom 2. Dezember 2014 wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.

Gründe

I.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht Göttingen die Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus beschlossen.

Dem liegt das Urteil des Landgerichts Hannover vom 23.08.2006 zugrunde, mit dem die Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) angeordnet, nach vorläufiger Unterbringung gem. § 126a StPO vom 19.05.2006 bis 23.08.2006 zunächst jedoch zur Bewährung ausgesetzt worden ist.

Das Landgericht Hannover ist zu der Feststellung gelangt, dass bei dem Beschwerdeführer bei der Tatbegehung mit Sicherheit die Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert war, wobei überdies nicht ausgeschlossen werden konnte, dass seine Steuerungsfähigkeit zum Zeitpunkt der Tat ausgeschlossen war. Der Überzeugung des Landgerichts Hannover hat das Gutachten der Sachverständigen Dr. B zugrunde gelegen, der bei dem Beschwerdeführer eine Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis in einer hebephrenen Verlaufsform, eine begleitende dissoziale Persönlichkeitsstörung und Drogenmissbrauch (Cannabis) diagnostizierte, was als schwere andere seelische Abartigkeit und krankhafte seelische Störung i.S.d. §§ 20, 21 StGB einzuordnen sei (S. 27 GA Dr. B).

Wegen der weiteren Feststellungen verweist der Senat auf das genannte Urteil des Landgerichts Hannover (Bl. 2ff. [7f.] Bd. I VH), dessen Sachverhalt (bzgl. der Anlasstaten) wie folgt zusammengefasst werden kann:

Der Beschwerdeführer zeigte bereits früh auffälliges Verhalten und wurde erstmals 1998 in der Jugendpsychiatrie des LKH Wunstorf behandelt. Sein Stiefvater beendete vor dem regulären Abschluss der Behandlung den stationären Aufenthalt des Beschwerdeführers. Bis 2002 schlossen sich mehrere Krankenhausaufenthalte im LKH Wunstorf bei wechselhafter Krankheitseinsicht und unregelmäßiger Medikamenteneinnahme an. Hinzu trat unregelmäßiger Drogenkonsum. Vom Sommer 2002 bis Ende 2003 wohnte der Beschwerdeführer in einem psychiatrischen Übergangswohnheim in der Nordfelder Reihe in Hannover. Von Ende 2003 bis Mitte 2004 wurde er aufgrund eines Unterbringungsbeschlusses in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Langenhagen behandelt, aus der er im Sommer 2004 in das "Haus am Rohland" (Bad Grund) wechselte. Nach 5 Wochen wurde er wegen eines Vorfalls entlassen und für eine Woche in das LKH Göttingen verlegt, aus dem er wieder nach Langenhagen wechselte. Am 05.01.2005 wurde er dort ohne gesicherten Empfangsraum aus disziplinarischen Gründen entlassen. Unter Mithilfe seines Betreuers konnte er ab dem 16.01.2005 unter Anbindung an den Sozialpsychiatrischen Dienst der MHH im betreuten Wohnen (Lister Kirchweg) untergebracht werden. Nach Herabdosierung der Medikation riß der Kontakt der MHH zum Beschwerdeführer nach etwa 1/2 Jahr ab. Der Beschwerdeführer setzte schließlich alle Medikamente ab und war nur noch über seinen Betreuer angebunden. Dieser bereitete eine erneute Unterbringung vor, als sich dies wegen der Inhaftierung des Beschwerdeführers im Anlassverfahren erübrigte.

Nachdem der Beschwerdeführer, der im Herbst 2005 seine Psychose-Medikation abgesetzt hatte, das ihm von seinem Betreuer für die ganze Woche zugeteilte Geld i.H.V. EUR 50,-- bereits am 19.01.2006 (Donnerstag) aufgebraucht hatte, hatte er zwar Hunger, schämte sich jedoch, sich gegenüber seinem Betreuer zu offenbaren und konnte Freunde, von denen er sonst Geld geliehen hatte, nicht erreichen. Als weitere Hilfsmöglichkeiten (Beratungsstelle) ebenfalls nicht zum Erfolg führten und er sich deshalb in einer aus seiner Perspektive unauflösbaren Situation befand, kam ihm auf der Straße die 83-jährige Geschädigte entgegen, die er in seinem dekompensierten Zustand als "schadenfroh" lächelnd wahrnahm und bei der er Bargeld i.H.v. EUR 1.600,-- vermutete. Er passierte sie zunächst, drehte sich dann jedoch um, entriss ihr kraftvoll die Handtasche und einen Jutebeutel und flüchtete. Die Geschädigte kam durch das Entreißen ihrer Handtasche zu Fall und zog sich einen Bruch des Nasenbeins sowie eine Brustkorbprellung zu. In ihrer Handtasche fand der Beschwerdeführer EUR 39,--.

Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich bereits vor dem Anlassverfahren in Erscheinung getreten, wobei es sich jedoch mit einer Ausnahme lediglich um niedrigschwellige Delikte (Diebstahl geringwertiger Sachen; Erschleichen von Leistungen; Vortäuschen einer Straftat) handelte:

Am 16.11.2004 stellte die StA Göttingen (87 Js 30875/04) ein Verfahren wegen Körperverletzung in Tatmehrheit mit Sachbeschädigung wegen Schuldunfähigkeit auf der Grundlage eines Gutachtens vom 27.11.2001 ein.

Im Anschluss an die Anlassverurteilung befand sich der Beschwerdeführer zunächst vom 23.08.2006 bis zum 05.10.2006 in der Psychiatrie der MHH, bevor von dort aus der Versuch unternommen wurde, ihn im ambulant betreuten Wohnen unterzubringen. Vom 30.11.2006 bis zum 18.12.2006 befand er sich dann wieder stationär in der Psychiatrie der MHH. Hieran schloss sich ab dem 20.09.2007 eine Unterbringung nach dem NPsychKG an, die am 21.09.2007 in eine Sicherungsunterbringung nach § 453c StPO umgewandelt wurde. Die Aussetzung der Maßregel zur Bewährung wurde mit dem Beschluss des Landgerichts Hannover v. 05.02.2008 (40 BRs 15/06) widerrufen, nachdem der Beschwerdeführer in der Sicherungsunterbringung versucht hatte, einem Krankenpfleger ins Gesicht zu schlagen und eine medikamentös begleitete Behandlung in einem Betreuten Wohnen ablehnte, nachdem der vorangegangene Versuch des Lebens in einer eigenen Wohnung fehlgeschlagen war (Bl. 53ff. Bd. I VH). Seit der Rechtskraft des Widerrufsbeschlusses v. 14.03.2008 befindet sich der Beschwerdeführer im Maßregelvollzug. Seit dem 05.07.2011 ist der Beschwerdeführer im MRVZN Moringen untergebracht. Hier kam es am 23.02.2013 zu einem Angriff auf einen Pfleger, dem der Beschwerdeführer, nachdem er ihn zu Boden gebracht hatte, mehrfach gegen Kopf und Oberkörper trat. Am 01.03.2013 brachte er einem anderen Pfleger mit der Faust einen Platzwunde am Mund bei (Bl. 1f., 12f. Bd. III VH).

Die Kammer hat am 02.12.2014 (51 StVK 349/14) die Fortdauer der Unterbringung beschlossen (Bl. 153ff. Bd. III VH). Der Beschluss ist der Verteidigerin am 05.12.2014 zugestellt worden, die am 08.12.2014 sofortige Beschwerde eingelegt hat (Bl. 161 Bd. III VH).

Der Beschwerdeführer hält den weiteren Vollzug der Maßregel für unverhältnismäßig. Überdies liege die für eine Einweisungsentscheidung erforderliche Gefährlichkeit nicht (mehr) vor. Bei den zurückliegenden Zwischenfällen handele es sich um "psychiatrietypische" Vorfälle.

II.

Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

Die gemäß §§ 463 Abs. 3, Abs. 6, 454 Abs. 3 S. 1, 462 Abs. 3 S. 1 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Die Strafvollstreckungskammer hat die Fortdauer der Unterbringung aus zutreffenden Gründen angeordnet und sie weder zur Bewährung ausgesetzt (§ 67d Abs. 2 StGB) noch für erledigt erklärt (§ 67d Abs. 6 StGB).

Die zutreffende Fortdauerentscheidung basiert auf der Stellungnahme des MRVZN Moringen vom 30.10.2014 (Bl. 123f. Bd. III VH) und der mündlichen Anhörung des Beschwerdeführers vom 01.12.2014 (Bl. 139ff. Bd. III VH) unter Berücksichtigung des Gutachtens des externen Sachverständigen Dr. J v. 12.05.2012 (GA-SH). Der Senat folgt bei seiner Einschätzung, dass die Unterbringungsvoraussetzungen weiterhin vorliegen, der angefochtenen Entscheidung, die auch die Generalstaatsanwaltschaft für zutreffend erachtet.

1. Keine Erledigung der Maßregel wegen Wegfalls des Anlassdefekts oder Entfallens der Gefährlichkeit

Die Voraussetzungen für eine Erledigung der Maßregel gemäß § 67d Abs. 6 S. 1 1. Alt. StGB liegen nicht vor. Hierzu müsste mit Sicherheit festgestellt werden, dass der bei den Anlasstaten bestehende Defektzustand und/oder die daraus resultierende Gefährlichkeit des Beschwerdeführers weggefallen sind (vgl. Stree/Kinzig in Schönke/Schröder, StGB, 29. Auflage, 2014, § 67d RN 24; OLG Braunschweig, Beschluss v. 08.10.2012 - 1 Ws 265/12 m.w.N. - unveröffentlicht). Liegt der Defektzustand noch vor, ist unerheblich, ob der Untergebrachte für die deswegen zu erwartenden künftigen Straftaten voraussichtlich als voll verantwortlich anzusehen sein wird. In solchen Fällen ist - ohne dass es auf die Erheblichkeit der Schuldfähigkeitsverminderung ankommt - die Fortdauer der Unterbringung anzuordnen, wenn die Gefahr besteht, der Untergebrachte werde infolge seines Zustandes weitere erhebliche rechtswidrige Straftaten begehen (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss v. 06.06.2007, 2 Ws 137/07, juris).

a) Fortbestehen des Defektzustands

aa) schwere andere seelische Abartigkeit/krankhafte seelische Störung im Zeitpunkt der Anordnung der Maßregel

Aus den Feststellungen des Urteils des Landgerichts Hannover vom 23.08.2006, das der Unterbringung des Beschwerdeführers zugrunde liegt, geht hervor, dass der Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt an einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis i.S. einer hebephrenen Verlaufsform, einer dissozialen Persönlichkeitsstörung und einer Drogenabhängigkeit (Cannabis) litt, was als schwere andere seelische Abartigkeit und krankhafte seelische Störung im Sinne des § 20 StGB eingeordnet wurde. Diese Erkrankung führte dazu, dass seine Steuerungsfähigkeit bei der Begehung der Tat sicher erheblich vermindert war, wobei nicht ausgeschlossen werden konnte, dass seine Steuerungsfähigkeit ausgeschlossen war.

bb) Fortbestehen der Defektquelle im Zeitpunkt der Fortdauerentscheidung

Hier kann dahinstehen, ob die Persönlichkeitsstörung, was bei der schweren anderen seelischen Abartigkeit Voraussetzung für die Fortdauer der Maßregel wäre (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 05.02.2014, 1 Ws 340/13, juris, RN 13; OLG Stuttgart, Beschluss vom 06.06.2007, 2 Ws 137/07, juris, RN 10; Stree/Kinzig in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., 2014, § 67d RN 16), auch weiterhin als so schwer einzustufen ist, dass ihre Einordnung als schwere andere Abartigkeit i.S.d. § 20 StGB gerechtfertigt wäre.

Im vorliegenden Fall hat der Sachverständige Dr. B bereits zum Zeitpunkt der Anlassverurteilung herausgearbeitet, dass bei dem Beschwerdeführer neben der schweren anderen seelischen Abartigkeit eine krankhafte seelische Störung vorlag.

Der Beschwerdeführer leidet fortdauernd an einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie mt sehr unvollständiger Remission auch unter hoher antipsychotischer Medikation (ICD10: F20.00) und multiplem Drogenmissbrauch und einem Abhängigkeitssyndrom, gegenwärtig in beschützender Umgebung des Maßregelvollzugs abstinent (ICD10: F19.21). Der externe Gutachter geht von einer juvenilen schizophrenen Psychose, die im Erwachsenenalter desorganisierte und paranoid-halluzinatorische Anteile erkennen lässt, mithin einer schweren undifferenzierten Schizophrenie aus (S. 66 GA Dr. J v. 12.05.2012). Der Anlassdefekt besteht mithin fort.

b) keine Erledigung bei Fortbestehen der Gefährlichkeit des Beschwerdeführers

Es drohen auch weiterhin erhebliche Straftaten i.S.d. § 63 StGB. Sowohl aus den ärztlichen Stellungnahmen als auch dem externen Gutachten v. 12.05.2012 geht nachvollziehbar hervor, dass der Beschwerdeführer auch mit den Anlassdelikten vergleichbare Taten sowie Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit unter Gewalteinsatz mit höherer Wahrscheinlichkeit begehen könnte, wobei die Wahrscheinlichkeit für die Begehung weiterer Körperverletzungsdelikte höher sei als die für die Begehung weiterer Raubdelikte.

Die Wahrscheinlichkeit, mit der solche erheblichen Straftaten i.S.d. §§ 223, 249 StGB drohen, hat sich gegenüber dem Zeitpunkt der Maßregelanordnung nicht reduziert, so dass die Erledigung der Maßregel nach § 67d Abs. 6 StGB ausscheidet. Erledigung ist vielmehr nur anzuordnen, wenn in Bezug auf erhebliche Straftaten überhaupt kein Restrisiko mehr besteht. Selbst wenn die Wahrscheinlichkeit, mit der erhebliche Straftaten voraussichtlich begangen werden, geringer geworden wäre, was hier bereits nicht festgestellt werden konnte, würde die Erledigung ausscheiden (vgl. Rissing-van Saan in Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl., § 67d RN 51; BT-Drucksache 15/2887, S. 14f.).

Der Beschwerdeführer zählt nach den Feststellungen des externen Sachverständigen Dr. J im Gutachten v. 12.05.2012 zu den "schwierigsten und gefährlichsten Maßregelpatienten, trotz der vergleichsweise noch relativ moderaten Anlasstat" (S. 61 GA-SH). Während der Sachverständige zugleich festgestellt hat, dass der Beschwerdeführer in Gewaltsituationen "noch ein gewisses Zurückhaltungspotential erkennen" lassen habe, wie z.B. in der Situation in Bad Grund (in dem er den Schlag mit dem bereits erhobenen Arm nicht ausführte) und es sich bei den bisherigen Gewalttätigkeiten um anstaltsinterne Taten gehandelt habe, die früher nicht zur Anzeige gelangt wären, ist hieraus nicht abzuleiten, dass von dem Beschwerdeführer bei einer Entlassung keine erheblichen Straftaten drohen würden. Aus der Zurückhaltung während des Vorfalls in Bad Grund (2004) ist dies nicht abzuleiten. Schon die Anlasstat hatte der Beschwerdeführer unter massivem Gewaltensatz begangen und die Geschädigte (Nasenbeinbruch; Brustbeinprellung) hierdurch erheblich verletzt. Darüber hinaus zeigen auch die Angriffe auf das Anstaltspersonal im Jahr 2013, die dem Prognosegutachten gefolgt sind, dass die hemmenden Mechanismen des Beschwerdeführers gerade nicht mehr greifen. Weder das Treten gegen den Kopf und Oberkörper eines am Boden liegenden Krankenpflegers noch ein zu einer Platzwunde führender Faustschlag gegen den Mund eines anderen Krankenpflegers bei anderer Gelegenheit lassen erkennen, dass der Beschwerdeführer bei Gewaltanwendung gegen Dritte Zurückhaltung üben würde. Es handelt sich überdies nicht mehr um Vorfälle, die üblicherweise nicht zur Anzeige gelangen würden. Vielmehr zeigt sich - nach dem Prognosegutachten vom 12.05.2012 und der Anhörung des externen Sachverständigen Dr. J vom 18.09.2012 (Bl. 423 Bd. II d.A.) - dass die beim Raub manifestierte Gewaltanwendung des Beschwerdeführers kein singuläres Verhalten mehr darstellte und er entgegen der Einschätzung im 2 Jahre zurückliegenden Anhörungstermin nicht mehr in der Lage war, das Ausmaß körperlicher Angriffe zu begrenzen. Schließlich hat der externe Sachverständige im Anhörungstermin selbst angeführt, dass der mit der Gewaltanwendung verbundene Raub durch die Psychose "angespornt" worden sei. Es fehlen jedoch jegliche Anhaltspunkte dafür, dass die auslösenden Momente für die Psychose, die die Gewaltanwendung "anspornen" würden, zurückgebildet worden wären, so dass sowohl aufgrund des innervollzuglichen Verhaltens als auch der Anlasstat selbst die Gefahr für erhebliche Rechtsgüter Dritter abgeleitet werden muss.

2. Keine Aussetzung der Maßregel zur Bewährung bei Fortbestehen der Gefährlichkeit

Auch die Voraussetzungen einer Aussetzung der Maßregel zur Bewährung gemäß § 67d Abs. 2 StGB liegen nicht vor.

Die Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung käme nur dann in Betracht, wenn mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit zu erwarten wäre, dass der Beschwerdeführer außerhalb des Maßregelvollzugs keine störungsbedingten erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen würde. Dies ist nicht der Fall. Bei einer Entlassung des Beschwerdeführers zum jetzigen Zeitpunkt wäre damit zu rechnen, dass er zumindest mittelfristig erhebliche Straftaten, insbesondere Körperverletzungs- und Raubdelikte, mit deutlich erhöhter Wahrscheinlichkeit begehen würde.

Die aktuelle Stellungnahme des MRVZN Moringen vom 30.10.2014 (Bl. 123f. Bd. III VH) bestätigt die Diagnose des externen Sachverständigen v. 12.05.2012 sowie den Umstand, dass im Rahmen des Unterbringungsverlaufs durchgreifende Verhaltensänderungen beim Verurteilten nicht erzielt werden konnten und Krankheitseinsicht nach wie vor nicht besteht. Die durch die Schizophrenie verursachten Ideen hätten sich auch in dem vorliegenden Berichtszeitraum (hier in Angriffen auf Mitpatienten) gezeigt. Die gutachterliche Einschätzung zum Rückfallrisiko des Untergebrachten werde ebenfalls geteilt, sodass eine ungünstige Behandlungs-, Sozial- und Legalprognose gestellt werden müsse.

3. Keine Aussetzung zur Bewährung oder Erledigung der Maßregel aus Verhältnismäßigkeitsgründen

Da aus den vorgenannten Gründen das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit das Freiheitsinteresse des Beschwerdeführers noch überwiegt, kommt weder die Aussetzung noch die Erledigung der Maßregel aus Verhältnismäßigkeitsgründen in Betracht. Die weitere Vollstreckung der Maßregel ist noch nicht unverhältnismäßig (§ 67d Abs. 6 S. 1 2. Fall StGB).

Die Kammer hat zutreffend berücksichtigt, dass der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowohl die Anordnung als auch die Fortdauer der Unterbringung beherrscht. Das sich hieraus ergebende Spannungsverhältnis zwischen dem Freiheitsanspruch des Beschwerdeführers und dem Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit vor zu erwartenden erheblichen Rechtsverletzungen verlangt nach einem gerechten und vertretbaren Ausgleich. Je länger die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus andauert, umso strenger werden die Voraussetzungen für die Verhältnismäßigkeit des Freiheitsentzugs (BVerfG, Urteil v. 08.10.1985, 2 BvR 1150/80, 2 BvR 2504/82, juris, RN 43; BVerfG, Beschluss v. 19.11.2012, 2 BvR 193/12 RN 20 m.w.N., juris). Bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen hängt das erforderliche Maß an Gewissheit hinsichtlich des zukünftig straffreien Verhaltens einerseits wesentlich vom Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts ab (vgl. KG, Beschluss v. 07.05.2001, 1 AR 43/01, 5 Ws 23/01, juris, RN 3), wird aber andererseits durch die Dauer der Unterbringung wieder dahin relativiert, dass bei einem bereits langandauernden Freiheitsentzug etwaige Zweifel an einer günstigen Kriminalprognose leichter überwunden und Risiken in Kauf genommen werden müssen, um damit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der gebotenen Weise Rechnung zu tragen. Die Dauer der Freiheitsentziehung ist mit den Anlasstaten und dem Gewicht der im Fall der Freilassung zu erwartenden Taten abzuwägen, wobei auch die seit der Anordnung der Maßregel veränderten Umstände, die für die künftige Entwicklung bestimmend sind, insbesondere der Zustand des Untergebrachten und die zu erwartenden Lebensumstände, zu berücksichtigen sind (BVerfG, Urteil v. 08.10.1985, 2 BvR 1150/80, 2 BvR 2504/82, juris, RN 41). Der mit der Dauer der Unterbringung gewichtiger werdende Freiheitsanspruch stößt jedoch dort an die Grenzen, wo es im Hinblick auf die Art der drohenden Taten, deren Bedeutung und Wahrscheinlichkeit unvertretbar erscheint, einen Untergebrachten in Freiheit zu entlassen (BVerfG, Beschluss v. 21.01.2010 - 2 BVR 660/09, zitiert nach: juris, RN 22f.).

Die Abwägung der Freiheitsrechte des Beschwerdeführers mit den Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit begründet ebenfalls (noch) nicht die Unverhältnismäßigkeit der Fortdauer der Maßregel.

Zwar befindet sich der Beschwerdeführer, der seit dem September 2007 durchgehend im Maßregelvollzug behandelt wird, in der vorliegenden Sache seit dem Eintritt der Rechtskraft des Widerrufsbeschlusses des Landgerichts Hannover vom 05.02.2008 (14.03.2008) und damit bereits seit mehr als 6 1/2 Jahren durchgehend in der Unterbringung nach § 63 StGB. Trotz dieser bereits lang andauernden Unterbringung ist die weitere Vollstreckung der Maßregel aufgrund der Schwere der zu erwartenden Straftaten (Eigentumsdelikte unter Gewaltanwendung [vgl. Anlasstat des Raubes] bzw. Körperverletzungsdelikte unter Einsatz von gefährlichen Werkzeugen [Treten gegen Kopf und Oberkörper eines am Boden liegenden Pflegers v. 23.02.2013]) und der aus ärztlicher/sachverständiger Sicht ganz erheblichen Gefährlichkeit des Verurteilten gleichwohl noch verhältnismäßig. Dies gilt auch unter dem Aspekt, dass es sich - in Übereinstimmung mit den nachvollziehbaren Ausführungen des externen Gutachters - bei der laufenden Unterbringung des Verurteilten nicht um eine reine Verwahrung, sondern um eine Behandlung und Sicherung handelt und der Beschwerdeführer behandelbar, jedoch - bislang konkret perspektivisch - nicht entlassbar ist.

Dies wird u.a. auch daraus deutlich, dass der Sachverständige Dr. J in der Anhörung v. 18.09.2012 (Bl. 421ff. [423] Bd. II VH) explizit verdeutlich hat, dass von dem Beschwerdeführer selbst innerhalb des Vollzugs Gefahren ausgehen. Hierbei hat bereits der Sachverständige Dr. J in seinem Gutachten v. 12.05.2012 - zutreffend - darauf hingewiesen (S. 68ff. GA-SH), dass bei dem Beschwerdeführer kein "Verwahrvollzug" durchgeführt wird. Er ist jedoch nicht entlassbar, weil er außerhalb des Schon- und Schutzraums des psychiatrischen Maßregelvollzugs erneut erhebliche rechtswidrige Taten begehen würde, bei denen es sich nicht nur um Eigentumsdelikte, sondern im Zusammenhang hiermit um Körperverletzungsdelikte handeln würde. Dies wird nicht zuletzt daraus deutlich, dass der Beschwerdeführer dazu neigt, sich auf der Station auf empfundene Angriffe auf seine Autarkie mit körperlichen Übergriffen zu verteidigen, wobei das Geschehen nach der Einholung des Prognosegutachtens v. 12.05.2012 und der Anhörung des externen Sachverständigen v. 18.09.2012 (Tritte gegen Kopf und Oberkörper eines am Boden liegenden Pflegers, Beibringen einer Platzwunde bei einem anderen Pfleger im Frühjahr 2013) verdeutlicht, dass in 2004 noch bestehende, jedoch weder bei der Anlasstat noch in 2013 die Gewaltanwendung hemmende Mechanismen nicht (mehr) zum Tragen kommen.

Im Fall des Beschwerdeführers handelt es sich (auch) nach den Ausführungen des Dr. J, die sich auch der Senat zu eigen macht, derzeit um einen jener Fälle, die zu schwerwiegend sind, um außerhalb des Maßregelvollzugs behandelt werden zu können. Aus diesem Grund musste auch die Möglichkeit einer Aussetzung der Maßregel zur Bewährung ausscheiden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.