Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 17.10.2017, Az.: 13 K 76/17

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
17.10.2017
Aktenzeichen
13 K 76/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 43853
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2017:1017.13K76.17.00

Amtlicher Leitsatz

Durch das Bestehen der Prüfung zum/zur "Steuerfachangestellten" wird die erstmalige Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG abgeschlossen.

Während der Fortbildung zum/zur "Steuerfachwirt/in" steht die Erwerbtätigkeit des volljährigen Kindes in einer Steuerberaterkanzlei mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 20 Stunden der Berücksichtigungsfähigkeit beim Kindergeld entgegen (§ 32 Abs. 4 Sätze 2 und 3 EStG).

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger für seine im Streitzeitraum volljährige Tochter Anspruch auf Kindergeld hat.

2

Der Kläger und F sind die Eltern ihrer Töchter A (geboren am xx.02.1991) und B. Nach dem von der Steuerberaterkammer Z am xx.xx.2010 ausgestellten Prüfungszeugnis bestand A die Prüfung im Ausbildungsberuf "Steuerfachangestellte/r". Seit xx.xx. 2010 geht die Tochter A einer Erwerbstätigkeit mit mehr als 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit nach.

3

Am xx.xx.2016 teilte A der Familienkasse mit, mit der Berufsausbildung zur Steuerfachangestellten ihr Berufsziel noch nicht erreicht zu haben. Ihr Berufsziel sei "Steuerfachwirt/in". Die aus einem schriftlichen und einem mündlichen Teil bestehende Prüfung zum/zur "Steuerfachwirt/in" wird von der Steuerberaterkammer abgenommen. Die Steuerberaterkammer Z führt die mündliche Prüfung einmal jährlich im Dezember auf der Grundlage "Prüfungsordnung und Anforderungskatalog für die Fortbildungsprüfung zum/zur Steuerfachwirt/in" (im Folgenden: Prüfungsordnung) durch.

4

Die Tochter des Klägers wies in ihrem Schreiben außerdem darauf hin, dass nach der Prüfungsordnung für ihr Berufsziel die erfolgreich abgeschlossene Ausbildung im Beruf "Steuerfachangestellte/r" Voraussetzung sei. Für die Ausbildung "Steuerfachwirt/in" sei überdies eine dreijährige Berufserfahrung als "Steuerfachangestellte/r" erforderlich. Der erste Abschluss sei hiernach integrativer Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsganges.

5

A habe sich schon seit 2012 um einen "Schulplatz" für die Ausbildung "Steuerfachwirt/in" bemüht. Sie habe jedoch erst an einem Vorbereitungslehrgang auf die Steuerfachwirtprüfung 2014/2015 teilnehmen können, welchen das L-Institut ab xx.xx.2013 in C veranstaltet habe. Leider habe sie die im Jahre 2014 abgelegte Prüfung nicht bestanden. Anschließend habe A einen vom M-Institut veranstalteten Kurs besucht. An der Prüfung 2015 habe sie ebenfalls erfolglos teilgenommen. Die nächste Prüfung finde im Dezember 2016 statt. Unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 3. Juli 2014 III R 52/13 (BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152) begehre sie die Festsetzung von Kindergeld für die zurückliegenden vier Jahre.

6

A fügte ihrem Schreiben, das die Familienkasse als Kindergeldantrag des Klägers auffasste, mehrere Unterlagen - hierunter eine Bescheinigung des L-Instituts aus dem Jahre 2016 - bei.

7

Die Familienkasse bat den Kläger um Vorlage weiterer Unterlagen und Nachweise. Auch auf zwei Erinnerungsschreiben kam der Kläger dieser Bitte nicht nach.

8

Mit Bescheid vom 24. Januar 2017 lehnte die Familienkasse den Antrag des Klägers auf Festsetzung von Kindergeld ab August 2012 ab. Der Kläger habe die erforderlichen Antragsunterlagen und -nachweise nicht vorgelegt. Es könne daher nicht festgestellt werden, ob ein Anspruch auf Kindergeld bestehe.

9

Hiergegen legte der Kläger am 24. Februar 2017 Einspruch ein. Ihm stehe für seine Tochter A Kindergeld für die Monate Januar 2012 bis Februar 2016 zu. Im Einspruchsverfahren brachte der Kläger mehrere Unterlagen bei, z.B. die ausgefüllten amtlichen Vordrucke "Antrag auf Kindergeld" und "Anlage Kind zum Antrag auf Kindergeld". Ferner legte der Kläger Unterlagen (z.B. Schreiben und Bestätigungen etwa der Steuerberaterkammer Z, des L-, M- und N-Instituts vor), aus denen hervorgeht, zu welchen Vorbereitungslehrgängen sich seine Tochter angemeldet bzw. an welchen Kursen sie teilgenommen hatte und zu welchen Terminen sie sich zur "Fortbildungsprüfung zum/zur Steuerfachwirt/in" (vgl. Schreiben der Steuerberaterkammer Z vom xx.xx.2015) angemeldet hatte. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlagen zum Einspruchsschreiben verwiesen.

10

Mit Einspruchsentscheidung vom 16. März 2017 wies die Familienkasse den Einspruch des Klägers wegen Ablehnung des Antrags auf Kindergeld ab dem Monat August 2012 als unbegründet zurück. Als erwachsenes Kind, das im Jahre 2010 die Berufsausbildung abgeschlossen habe, sei A ab August 2012 nicht beim Kindergeld zu berücksichtigen. Es werde keiner der in § 32 Abs. 4 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geregelten Berücksichtigungstatbestände erfüllt. Auch sei die Tochter des Klägers im betroffenen Zeitraum nicht für einen Beruf ausgebildet worden (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG). Unter Berufsausbildung im kindergeldrechtlichen Sinne sei nur die erstmalige Berufsausbildung zu verstehen. Diese habe A durch das Bestehen der Prüfung zum/zur "Steuerfachangestellte/r" abgeschlossen. Bei einer Fortbildung zum/zur "Steuerfachwirt/in" handele es sich wie z.B. auch bei der Ausbildung und Prüfung zum/zur Meister/in in Handwerksberufen um eine Zweitausbildung. Auf die Gründe der Einspruchsentscheidung im Einzelnen wird Bezug genommen.

11

Der Kläger hat am 19. April 2017 Klage erhoben. Bei Anwendung des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 8. Februar 2016 IV C 4-S 2282/07/0001-01 (BStBl I 2016, 226) und Übertragung der durch die BFH-Urteile vom 15. April 2015 V R 27/14 (BFHE 249, 500, BStBl II 2016, 163) und vom 3. Juli 2014 III R 52/13 (BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152 [BFH 03.07.2014 - III R 52/13]) aufgestellten Grundsätze auf den Streitfall handele es sich bei den Ausbildungen bzw. Prüfungen zum/zur "Steuerfachangestellten" und zum/zur "Steuerfachwirt/in" um eine einheitliche, erstmalige Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG. Zwischen beiden Ausbildungen bestehe ein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang. Die Tochter des Klägers habe die weiterführende Ausbildung zum nächstmöglichen Zeitpunkt aufgenommen.

12

Unschädlich sei, dass A nach Bestehen der Prüfung zum/zur "Steuerfachangestellte/r" eine Erwerbstätigkeit im zeitlichen Umfang von mehr als 20 Wochenstunden ausgeübt habe. Denn die erstmalige Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG sei noch nicht abgeschlossen gewesen. Nach dieser Vorschrift komme es auf das angestrebte Berufsziel des volljährigen Kindes an, so dass der Tatbestand "Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung" nicht zwingend bereits mit dem ersten (objektiv) berufsqualifizierenden Abschluss erfüllt sei.

13

Der Kläger beantragt sinngemäß,

14

unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 24. Januar 2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. März 2017 die Familienkasse zu verpflichten, für seine Tochter A für die Monate Januar 2012 bis Februar 2016 Kindergeld festzusetzen.

15

Die Familienkasse beantragt,

16

die Klage abzuweisen.

17

Zur Begründung nimmt sie im Wesentlichen auf die Gründe der Einspruchsentscheidung Bezug.

18

Mit Richterbrief vom 10. Juli 2017 hat der Berichterstatter die Beteiligten auf das Revisionsverfahren V R 13/17 hingewiesen, in dem es u.a. um die Frage eines sachlichen und zeitlichen Zusammenhangs zwischen der Berufsausbildung zur/zum "Steuerfachangestellten" und dem Berufsziel "Steuerberater/in" geht. Die Familienkasse hat erklärt, nicht das Ruhen des Verfahrens zu beantragen. Auch der Kläger hat erklärt, dass er "mit einer Entscheidung rechne". Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

19

Dem Gericht lag zur Entscheidung ein Ausdruck der elektronischen Kindergeldakten vor.

Entscheidungsgründe

20

Soweit der Kläger für die Monate Januar bis Juli 2012 die Festsetzung von Kindergeld begehrt, ist die Klage unzulässig. Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Der Kläger hat für die Monate August 2012 bis Februar 2016 keinen Kindergeldanspruch für seine Tochter A (§ 101 Satz 1 FGO).

21

1. Die Klage wegen Ablehnung von Kindergeld für A für die Monate Januar bis Juli 2012 ist unzulässig.

22

a) Bei einer Klage, mit der die Festsetzung von Kindergeld begehrt wird, handelt es sich um eine Verpflichtungsklage (BFH-Beschluss vom 18. Februar 2014 III R 26/13, BFH/NV 2014, 878, Rz 3; BFH-Urteil vom 25. September 2014 III R 54/11, BFH/NV 2015, 477 [BFH 25.09.2014 - III R 54/11], Rz 22). Diese ist - vorbehaltlich der §§ 45 und 46 FGO - nur zulässig, wenn zuvor der erstrebte begünstigende Verwaltungsakt abgelehnt und der dagegen eingelegte Einspruch zurückgewiesen wurde (§ 44 Abs. 1 FGO).

23

Im Streitfall hat die Familienkasse über den Kindergeldanspruch für die Monate Januar bis Juli 2012 durch den Ablehnungsbescheid vom 24. Januar 2017 und durch die Einspruchsentscheidung vom 16. März 2017 nicht entschieden. Die durch beide Bescheide getroffene Entscheidung über den Kindergeldantrag bzw. den Einspruch des Klägers betrifft die Zeit ab dem Monat August 2012. Für die Monate Januar bis Juli 2012, auf die sich der Kindergeldantrag ausdrücklich erstreckt (vgl. etwa Einspruchsschreiben vom 24. Februar 2017, dort Seite 2), fehlt es also an einer Ablehnung des begehrten Verwaltungsaktes. Auch eine spätere Ablehnung der Festsetzung von Kindergeld für den betroffenen siebenmonatigen Zeitraum ist aus der Kindergeldakte nicht ersichtlich.

24

b) Eine Verpflichtungsklage (§ 40 Abs. 1 Halbsatz 2 FGO) ist als Untätigkeitsklage nach § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO zwar auch zulässig, wenn über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes nicht in angemessener Zeit entschieden worden ist. Die Zulässigkeit einer Untätigkeitsklage setzt aber voraus, dass ein Verwaltungsakt erlassen und ein Rechtsbehelf eingelegt worden ist (BFH-Beschluss vom 11. Mai 2011 V B 113/10, BFH/NV 2011, 1523 [BFH 11.05.2011 - V B 113/10], Rz 3; BFH-Urteil in BFH/NV 2015, 477 [BFH 25.09.2014 - III R 54/11], Rz 24; Steinhauff in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 46 FGO Rz 82; Levedag in Gräber, FGO, 8. Aufl., § 44 Rz 35).

25

An beidem fehlt es vorliegend. Der Kläger hat insbesondere auch keinen - unbefristeten - Untätigkeitseinspruch eingelegt (§ 347 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung - AO -). Denn es wird nicht geltend gemacht, dass über den Kindergeldantrag für die Monate Januar bis Juli 2012 ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes binnen angemessener Frist nicht entschieden worden sei.

26

c) Eine Untätigkeitssprungklage wird durch die Sonderregelung in § 46 FGO ausgeschlossen. Eine vor Erlass eines ablehnenden Verwaltungsaktes erhobene Sprungklage in der Form der sog. Vornahmeklage ist unheilbar unzulässig (BFH-Urteile vom 19. Mai 2004 III R 18/02, BFHE 206, 201, BStBl II 2004, 980 [BFH 19.05.2004 - III R 18/02], Rz 35; in BFH/NV 2015, 477 [BFH 25.09.2014 - III R 54/11], Rz 26; Levedag in Gräber, FGO, 8. Aufl., § 46 Rz 5a). Die Familienkasse hat zudem einer Verpflichtungsklage ohne Vorverfahren nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung der Klageschrift zugestimmt (§ 45 Abs. 1 Satz 1 FGO).

27

d) Der Senat weist zur Klarstellung darauf hin, dass angesichts der insoweit unzulässigen Klage über den Antrag auf Kindergeld für die Monate Januar bis Juli 2012 noch nicht materiell entschieden wurde.

28

2. Hinsichtlich der Monate August 2012 bis Februar 2016 hat die Klage in der Sache keinen Erfolg.

29

a) Gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG besteht Anspruch auf Kindergeld u.a. für Kinder, die das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben und für einen Beruf ausgebildet werden. Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind in den Fällen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG nur berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG). Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis i.S. der §§ 8 und 8a des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IV) sind unschädlich (§ 32 Abs. 4 Satz 3 EStG).

30

b) Die Berücksichtigung der Tochter des Klägers ist ab August 2012 ausgeschlossen, weil A eine erstmalige Berufsausbildung ("Steuerfachangestellte/r") abgeschlossen hatte und während ihrer nachfolgenden (Zweit-) Ausbildung zum/zur "Steuerfachwirt/in" mehr als 20 Stunden in der Woche arbeitete (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG).

31

aa) Für die Frage, ob bereits der erste (objektiv) berufsqualifizierende Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang zum Verbrauch der Erstausbildung führt oder ob bei einer mehraktigen Ausbildung auch ein nachfolgender Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang Teil der Erstausbildung sein kann, ist nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des BFH darauf abzustellen, ob sich der erste Abschluss als integrativer Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsgangs darstellt (BFH-Urteile in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152 [BFH 03.07.2014 - III R 52/13], Rz 25; in BFHE 249, 500, BStBl II 2016, 163 [BFH 15.04.2015 - V R 27/14], Rz 20; vom 16. Juni 2015 XI R 1/14, BFH/NV 2015, 1378, Rz 26; vom 3. September 2015 VI R 9/15, BFHE 251, 10, Rz 16; vom 4. Februar 2016 III R 14/15, BFHE 253, 145, BStBl II 2016, 615 [BFH 04.02.2016 - III R 14/15], Rz 12). Insoweit kommt es vor allem darauf an, ob die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang (z.B. dieselbe Berufssparte, derselbe fachliche Bereich) zueinander stehen und in engem zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden. Hierfür ist auch erforderlich, dass aufgrund objektiver Beweisanzeichen erkennbar wird, dass das Kind die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche Ausbildung nicht bereits mit dem ersten erlangten Abschluss beendet hat (BFH-Urteile in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152 [BFH 03.07.2014 - III R 52/13], Rz 30; in BFHE 253, 615, BStBl II 2016, 615 [BFH 04.02.2016 - III R 14/15], Rz 12).

32

bb) Die Familienkasse hat nach diesen Grundsätzen - denen der erkennende Senat folgt - zu Recht eine einheitliche Ausbildung verneint und damit die Fortbildung zum/zur "Steuerfachwirt/in" nicht mehr als Erstausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG angesehen.

33

Die Berufsausbildung "Steuerfachangestellte/r" und die Fortbildung zum Beruf "Steuerfachwirt/in" stellen nicht notwendig eine Ausbildungseinheit dar, weil sich erst nach einer Berufstätigkeit als "Steuerfachangestellte/r" der zweite Ausbildungsabschnitt anschließen kann. Die Zulassung zur Fortbildungsprüfung zum/zur "Steuerfachwirt/in" setzt eine berufspraktische Erfahrung im Beruf "Steuerfachangestellte/r" von wenigstens drei Jahren voraus (§ 9 Abs. 1 Buchst. b der Prüfungsordnung). Es handelt sich damit - wie auch die Bezeichnung der Prüfungsordnung ("... Fortbildungsprüfung ...") nahelegt - um eine die berufliche Erfahrung berücksichtigende Fortbildungsmaßnahme (Zweitausbildung). Die vor dem Beginn des zweiten Ausbildungsabschnitts erforderliche Berufstätigkeit führt somit zu einem Einschnitt (Zäsur), der den notwendigen engen Zusammenhang entfallen lässt.

34

Im Streitfall fehlt es an einem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen den beiden Ausbildungsabschnitten ebenso wie in den Fällen, in denen das Kind eine weitere Ausbildung erst nach einer zwischenzeitlichen Berufstätigkeit beginnt, die nicht der zeitlichen Überbrückung dient, weil es mit der weiterführenden Ausbildung früher hätte beginnen können. Wird somit eine Berufstätigkeit zwischen den einzelnen Ausbildungsabschnitten aufgenommen, die nicht nur der zeitlichen Überbrückung bis zum Beginn der nächsten Ausbildung dient, können die einzelnen Ausbildungsabschnitte regelmäßig nicht mehr integrative Teile einer einheitlichen Ausbildung sein (BFH-Urteil in BFHE 253, 145 [BFH 04.02.2016 - III R 14/15], BStBl II 615, Rz 15).

35

Nach diesen Maßstäben sieht der BFH ein berufsbegleitendes Studium an der "Verwaltungsakademie" in der Fachrichtung "Betriebswirt/in (VWA)", welches eine abgeschlossene kaufmännische Berufsausbildung und eine einjährige Berufstätigkeit voraussetzt, nicht mehr als Erstausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG an. Das berufsbegleitende Studium stellt sich nicht als integrativer Bestandteil einer einheitlichen Erstausbildung dar. Für die Fortbildung zum/zur "Steuerfachwirt/in" kann wegen der Vergleichbarkeit mit dem Berufsziel "Betriebswirt/in (VWA)" nichts anders gelten.

36

cc) Auch nach der aktuellen Rechtsprechung anderer Finanzgerichte wird die Erstausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG mit Bestehen der Prüfung im Beruf "Steuerfachangestellte/r" abgeschlossen (vgl. Urteil des Finanzgerichts - FG - des Saarlandes vom 15. Februar 2017 2 K 1290/16, juris, nicht rechtskräftig, Aktenzeichen des Revisionsverfahrens: V R 13/17; FG Münster, Urteil vom 23. Mai 2017 1 K 2410/16 Kg, juris, nicht rechtskräftig, Aktenzeichen des Revisionsverfahrens: III R 18/17; FG Münster, Urteil vom 23. Mai 2017 1 K 3050/16 Kg, juris, nicht rechtskräftig, Aktenzeichen des Revisionsverfahrens: XI R 25/17).

37

dd) Das Ergebnis - die Annahme einer Zweitausbildung - steht aufgrund eines nicht vergleichbaren Sachverhalts nicht in Widerspruch zum BFH-Urteil in BFH in BFHE 249, 500, BStBl II 2016, 163 [BFH 15.04.2015 - V R 27/14]. In Urteilsfall strebte das volljährige Kind den Abschluss "Elektrotechniker/in" oder "Elektroingenieur/in" an, der eine mehraktige Ausbildung voraussetzt. Anders als im Streitfall übte das Kind eine Vollzeiterwerbstätigkeit nur vorübergehend, nämlich zur Überbrückung der Wartezeit vor Beginn des nächsten Ausbildungsabschnitts aus.

38

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Wegen der anhängigen Revisionsverfahren V R 13/17, III R 18/17 und XI R 25/17 war die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen.